Thermenland_10-2021
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RAT & TAT<br />
Neue Beratungsgruppe will Demenz-Angehörigen im Alltag helfen<br />
Das Herz kennt kein Vergessen<br />
Immer mehr Menschen sind als Angehörige<br />
von demenzkranken Frauen oder<br />
Männern, Müttern oder Vätern betroffen.<br />
Im Demenzreport 2020 der Uni Bremen<br />
heißt es, dass heute 1,6 Mio. Menschen an<br />
Demenz erkrankt sind - mit dem Schwerpunkt<br />
der Alzheimerdemenz. Bis zum Jahr<br />
2050, so die Hochrechnung, werden es voraussichtlich<br />
3 Millionen Betroffene sein.<br />
Auch im Bezirksklinikum Mainkofen werden<br />
Jahr für Jahr immer mehr Patienten mit<br />
einer Demenzerkrankung behandelt – Tendenz<br />
steigend.<br />
Die Würde im Alter bewahren<br />
Was bedeutet dies für die Angehörigen?<br />
Sind sie den Belastungen und der Verantwortung<br />
gewachsen, die die altersbedingte<br />
Erkrankung mit sich bringt? Wo gelangen<br />
sie selbst an ihre Grenzen und wie lassen<br />
sich einfache Mittel finden, damit die<br />
Würde im Alter und die noch vorhandenen<br />
Fähigkeiten so lange wie möglich bewahrt<br />
bleiben? Antwort auf diese Fragen will das<br />
Pflegeteam der gerontopsychiatrischen<br />
Station C6/O geben. Die Gruppe um Stationsleiter<br />
Erhard Jungbauer fördert die Arbeit<br />
mit und für demenzkranke Menschen<br />
und hat aus genau diesem Grund ihr Angebot<br />
immer wieder erweitert.<br />
Neue Angehörigenberatung<br />
Andreas Ulrich erarbeitete im Rahmen der<br />
Fachweiterbildung psychiatrische Pflege<br />
ein Konzept zur Angehörigenarbeit durch<br />
die Pflegenden – für pflegende Angehörige.<br />
Dies soll die bestehende Angehörigengruppe<br />
um Chefarzt Dr. Bernd Weigel<br />
ergänzen. Mit einfachen Worten soll Angehörigen<br />
vermittelt werden, welche Wege es<br />
zur Begleitung gibt, wie Verständnis für herausfordernde<br />
Situationen hergestellt werden<br />
kann und worauf es beim täglichen<br />
Kontakt als Angehöriger ankommt. Das<br />
Projekt „Das Herz kennt keine Demenz“<br />
soll die Beziehungsarbeit mit Betroffenen<br />
ansprechen.<br />
Erhard Jungbauer, Stationsleiter C6/O im Bezirksklinikum Mainkofen mit der interaktiven Katze und dem Snoezelen-Wagen<br />
mit Lichteffekten und Duftlampe. Foto: Christine Windorfer/Bezirksklinikum Mainkofen<br />
Einmal wöchentlich will die Gruppe künftig<br />
den pflegenden Angehörigen Raum für<br />
ermutigende Gespräche, Aufklärung und<br />
Beratung geben und auftretende Fragen<br />
zur häuslichen Versorgung und den alltäglichen<br />
Umgang beantworten.<br />
Erinnerungen ruhen in Gefühlen<br />
Bei der Beziehungsarbeit von Angehörigen<br />
mit Betroffenen geht es vor allem darum,<br />
auf Augenhöhe Kontakt aufzunehmen, mit<br />
ruhiger Stimme langsam und in kurzen<br />
Sätzen zu sprechen. Anknüpfungspunkte<br />
gibt es dabei viele: teilweise lebt die an Demenz<br />
erkrankte Person in ihrer eigenen<br />
Welt, ohne Zeitgefühl oder Orientierung<br />
zur aktuellen Situation. Dabei ist es hilfreich,<br />
sich mit der Biografie auseinanderzusetzen:<br />
was hat der/ die Betroffene gerne<br />
gemacht, womit war sein/ ihr Leben ausgefüllt.<br />
Ist es die Sorge um die Kinder, den<br />
Hof oder ist es ein leidenschaftliches<br />
Hobby wie Fußball oder handwerkliche<br />
Betätigung? In diesen „Herzensangelegenheiten“<br />
lebt die alte Erinnerung an schöne<br />
Erlebnisse wieder auf. Es lassen sich angespannte<br />
Gedanken oder herausfordernde<br />
Verhaltensweisen oft damit abfedern oder<br />
auslenken. Unüberlegtes Verhalten Angehöriger<br />
kann unerwünschte Reaktionen<br />
fördern, z.B. ständiges Zurechtweisen, Kritisieren,<br />
übermäßiges „Betüteln“ überfordert<br />
die Person mit Demenz. Der Focus<br />
soll mehr auf das „Können“ gerichtet sein.<br />
Dem alten Menschen in seiner eigenen<br />
Welt zu begegnen und ihn dort abholen,<br />
um den Alltag meistern zu können.<br />
Beratung in vielen Aspekten<br />
Dabei sind die Gesprächsthemen nicht nur<br />
auf Demenz begrenzt: Auseinandersetzung<br />
mit dem Sterben und der palliativen Behandlung<br />
gehören ebenso zur Expertise<br />
des Pflegeteams. Damit auch das Equipment<br />
auf die anspruchsvolle Arbeit abgestimmt<br />
ist, hat die Station vor einiger Zeit<br />
Spenden erhalten. Gemeinsam mit dem<br />
Laienhelferkreis Mainkofen e.V. und dem<br />
Förderverein Mainkofen konnte ein mobiler<br />
„Snoezelen-Wagen“ angeschafft werden.<br />
Hier werden die Sinne mittels<br />
Lichtprojektion, Wassersäule oder Duftaromen<br />
sanft stimuliert. Auch eine „interaktive<br />
Hauskatze“ haben die Patienten vor<br />
kurzem erhalten. Das possierliche Tierchen<br />
kann schnurren, miauen, die Augen<br />
öffnen oder den Kopf drehen. Ermöglicht<br />
hat dies eine Spende der orientalischen<br />
Tanzgruppe „Sahira“ aus Wallersdorf.<br />
Dabei wirkt das Auflegen der Hand auf<br />
das Tier oder Streicheln beruhigend, angstlösend.<br />
Auch ein Effekt des „Nicht-alleingelassen-seins“<br />
ist zu beobachten. Stereotypien<br />
wie lautes Jammern oder Unruhe<br />
lassen merklich nach. Christine Windorfer<br />
@Info: www.leben-mit-demenz.bayern.de<br />
Kontakt zur Angehörigengruppe:<br />
Tel. +49-9931-87-23351<br />
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www.thermenland-magazin.de