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moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

Ökonomischer Wahnsinn<br />

FRANK MERTGEN<br />

STELLV. CHEFREDAKTEUR<br />

FOCUS-MONEY<br />

Es gibt Kurswechsel, die verschlagen einem den Atem. Zum Beispiel<br />

bei der Abteilung Konjunktur und Strategie der Hamburger<br />

Privatbank M.M. Warburg & CO. Die Experten schreiben:<br />

„Nach dem Rücktritt von Weidmann: Warum die deutsche Schuldenbremse<br />

spätestens jetzt keinen Sinn mehr ergibt.“ Hatte ich da richtig<br />

gelesen? Der Text geht dann so los: „Ja, Sie haben die Überschrift<br />

richtig gelesen. Wir schlagen tatsächlich vor, die rigide deutsche<br />

Sparpolitik und letztlich die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse<br />

in der jetzigen Form aufzugeben. Das schlagen wir vor,<br />

obwohl wir seit Jahrzehnten (!) eher klassische ordnungspolitisch<br />

geprägte Thesen vertreten, die mit einer ausufernden Staatsverschuldung<br />

ganz sicher nicht kompatibel sind.“ Gerade weil sich FOCUS-<br />

MONEY ebenfalls seit Jahrzehnten gegen ausufernde Staatsschulden<br />

wehrt, blieb mir der Atem weg.<br />

Jetzt könnte man das abtun als einen zweiseitigen Artikel für<br />

Bankkunden und Fachleute, der sonst niemand interessiert. Aber<br />

der Zeitpunkt ist kritisch: Die Regierungsbildung steht an und damit<br />

die Frage der deutschen Schuldenbremse (und europäischer<br />

Schuldenlimits). Bei den derzeit vier Wirtschaftsweisen ist die Einschätzung<br />

zur Schuldenbremse geteilt. Die Inflation zieht weltweit<br />

auf einer immer breiteren Basis an, auch in Deutschland und in<br />

Euro-Land. Und ja, die Bundesbank braucht nach dem Rücktritt von<br />

Jens Weidmann einen neuen Chef, der Posten ist Teil der Verhandlungsmasse<br />

bei den Ampel-Koalitionsgesprächen geworden.<br />

Was aber hat nun die Warburg-Strategen zu ihrer völligen Kehrtwende<br />

veranlasst? Weidmann sei der letzte prominente und mutige<br />

Verfechter einer politisch unabhängigen Notenbank gewesen. „Aber<br />

das ist nun Geschichte, und vor uns liegt jetzt eine Zeit, in der die<br />

Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erkennbar nicht<br />

mehr in der Tradition einer unabhängigen Bundesbank steht, sondern<br />

in der Tradition südeuropäischer Notenbanken, die von ihren<br />

Staaten eher wie angeschlossene Abteilungen des Finanzministeriums<br />

behandelt wurden (. . .).“ Nach Weidmanns Rücktritt habe es eine<br />

Kaskade von EZB-Statements gegeben mit der Botschaft: Der Leitzins<br />

bleibt für unbestimmte Zeit bei null Prozent, Anleihenkäufe<br />

werden verringert, aber noch lange nicht aufgegeben. Kein Wunder,<br />

dass der Euro-Kurs sinkt – was die Inflation weiter anheizt.<br />

Völlig berechtigt ist der zusätzliche Hinweis der Analysten, dass<br />

die EU-Kommission zugleich debattiert, die berühmten Maastricht-<br />

Kriterien zu ändern und eine Verschuldung von 100 (bisher 60) Prozent<br />

der Wirtschaftsleistung (BIP) zuzulassen. Und ausgerechnet<br />

Ökonomen des Euro-Krisenfonds ESM haben in einem Arbeitspapier<br />

bereits vorgeschlagen, den Grenzwert für die Staatsverschuldung<br />

von 60 auf 100 Prozent des BIP zu erhöhen. Notabene: Chef des ESM<br />

ist der Deutsche Klaus Regling. Ist die Staatsverschuldung aber erst<br />

einmal bei 100 Prozent, lässt sie sich bei plausiblen Annahmen zum<br />

möglichen Wachstum eigentlich nur gut stabil halten, „wenn man<br />

quasi auf ewig Zinsen von nahe null Prozent unterstellt“, so Warburg.<br />

Zugleich, ebenso treffend beschrieben, entwickle sich die EZB zur<br />

Transfer- und Haftungsunion. Beweis, wie an dieser Stelle schon oft<br />

erwähnt: der sogenannte Corona-Hilfsfonds mit einem Volumen von<br />

750 Milliarden Euro, finanziert über gemeinsame Anleihen, dessen<br />

Verteilung mit Corona nichts zu tun hat und dessen erste Gelder fließen,<br />

wenn Corona hoffentlich endlich halbwegs ökonomisch abgehakt<br />

werden kann.<br />

Jetzt der entscheidende Punkt im Warburg-Plädoyer, die nationale<br />

Schuldengrenze (im Grundgesetz verankert!) aufzuheben: Spart<br />

Deutschland weiterhin, zementiert es bei endgültig aufgeweichten<br />

Maastricht-Kriterien die Schulden-Lücke zwischen der Bundesrepublik<br />

und den meisten Euro-Staaten. Denn wie nach Finanz- und<br />

Euro-Krise würde der deutsche Schuldenstand wieder Richtung<br />

60 Prozent des BIP sinken, für die Großschuldner wäre selbst die Annäherung<br />

an 100 Prozent „fast utopisch, da der Wert im Schnitt<br />

schon jetzt bei 110 Prozent liegt (ohne Deutschland)“.<br />

Die Dimension wird klar, wenn man die BIP-Prozente in absolute<br />

Beträge übersetzt. Wäre Deutschland bereit, seine Schulden auf das<br />

Niveau der anderen Staaten zu hieven, könnte es schuldenfinanziert<br />

zusätzliche 1600 Milliarden Euro ausgeben – das sind grob vier Jahreshaushalte<br />

des Bundes. Damit „gäbe es auf Jahrzehnte hinweg keine<br />

ernsthaften Restriktionen mehr für die deutsche Politik. Ohne größere<br />

Probleme könnten die Bildungsausgaben dramatisch erhöht<br />

und die Steuern dramatisch gesenkt werden. Die Infrastruktur könnte<br />

von Grund auf erneuert und Investitionen für den Klimawandel<br />

mutig angegangen werden.“<br />

Ein Haken an der Sache: Deutschlands niedrige Schulden und das<br />

geschilderte theoretische Ausgabenpotenzial sind der Stabilitätsanker<br />

der Euro-Zone und der EU. Der wird kleiner, wenn Deutschland<br />

so wird wie die Mittelmeer-Staaten. „Seine eigene Bonität aber dafür<br />

aufzusparen, in einer Währungs- und Haftungsunion Rechnungen<br />

für andere zahlen zu können, grenzt an ökonomischen Wahnsinn“,<br />

so Warburg. „Kein Land der Welt wäre so altruistisch, sich selbst fast<br />

totzusparen, um eine Bonität aufrechtzuerhalten, von der primär die<br />

anderen profitieren. Selbst Deutschland kann nicht so verrückt sein,<br />

darin einen Sinn zu sehen, zumal der Druck aus anderen Ländern<br />

ohnehin unerträglich groß werden wird, die deutsche Schuldenbremse<br />

aufzugeben (. . .).“ Sinn machen würde das nur, so die Experten,<br />

wenn Deutschland planen würde, Euro und EU zu verlassen.<br />

Das plant aber fast niemand und deshalb, so die Hamburger Banker,<br />

müsse man halt nach den neuen Regeln spielen.<br />

Immerhin fragen sie sich noch, wohin das führen könne – wenn<br />

eine solche Politik in 20 oder 30 Jahren vor die Wand fährt. Dann sei<br />

es „zumindest besser, mit einer guten Infrastruktur und gut ausgebildeten<br />

Fachkräften einen Neuanfang zu starten als mit einem Land,<br />

das sich bis zu dem Zeitpunkt totgespart hat und dann trotzdem bei<br />

null anfangen muss. So gesehen, gibt es gar keine ernsthafte Alternative<br />

mehr zum Geldausgeben.“<br />

Sind Sie wieder bei Atem? Seit 2008 schreibe ich von epochalen<br />

Experimenten, an denen wir teilnehmen. Die Experimente werden<br />

immer größer und immer gefährlicher. Wirklich Wahnsinn.<br />

Ihr<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021<br />

Foto: S. Ugurlu/FOCUS-MONEY Composing: FOCUS-MONEY<br />

3


moneyinhalt<br />

17. NOVEMBER 2021 www.money.de<br />

6<br />

Gene, Gräber<br />

und Gelehrte<br />

Den Tod verschieben,<br />

sogar ganz überwinden<br />

– DNA-Forscher<br />

erzielen epochale<br />

Fortschritte auf dem<br />

Weg zu einem längeren<br />

Leben. Führende<br />

Milliardäre aus dem<br />

Silicon Valley setzen<br />

riesige Summen auf<br />

die Genom-Revolution.<br />

Die Perspektiven – und<br />

die Anlagechancen im<br />

neuen Megatrend<br />

moneykompakt<br />

51 IPO-Ticker: Börsenstart von Rivian<br />

98 Andis Börsenbarometer: Absturz<br />

von Teamviewer, Nel und widersprüchliche<br />

Börsenweisheiten<br />

moneytitel<br />

6 Medizin: Mit neuen Gentherapien<br />

peilt die Biotech-Industrie ewiges<br />

Leben und endlose Gewinne an<br />

12 Interview: Investor Conny Boersch<br />

über Potenziale der Unsterblichkeit<br />

14 Aktien: Innovative Medikamente,<br />

Organe aus dem 3-D-Drucker<br />

18 Disruption: Warum Tech-Stars aus<br />

dem Silicon Valley Milliarden<br />

gegen den Tod setzen. Plus: ETFs<br />

für den neuen Megatrend<br />

22 Zukunftsforscher: Wie das Leben<br />

nach dem Sterben weitergeht<br />

26 Langlebigkeit: So halten Anleger<br />

ihren Körper und ihr Depot fit<br />

moneymarkets<br />

28 Jahresendrally 2021: Im Endspurt<br />

sprinten die Weltbörsen zu neuen<br />

Rekordwerten<br />

30 Smallcaps: Bis Silvester plus<br />

30 Prozent – die Kraft der Kleinen<br />

32 Online-Handel: Zu Weihnachten<br />

klingeln die Kassen wie nie<br />

36 Rally-Aktien: Die heißesten Titel<br />

für den Jahresschluss<br />

38 Krypto-Ticker: Der Kalte Krieg der<br />

digitalen Währungen<br />

41 Meinung: Investor Ken Fisher<br />

erwartet, dass die Energiepreise<br />

wieder sinken – und mit ihnen die<br />

Inflationsgefahren<br />

42 Klimaschutz: Welche Konzerne<br />

am besten gerüstet sind für das<br />

Öko-Zeitalter<br />

60<br />

Sieg der Schrauber<br />

Da der Nachschub an Neufahrzeugen<br />

stockt, fahren viele ihre Autos länger.<br />

Ersatzteile-Lieferanten haben ordentlich<br />

Gewinne auf Lager<br />

4 Titelfotos: Fotolia, iStock (2)<br />

Composing: FOCUS-MONEY<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021


Quelle: Bloomberg<br />

38<br />

Ganz oben und noch weiter rauf<br />

Von einem Rekord zum nächsten: Welche Digitalwährungen<br />

am stärksten zulegen und wo noch<br />

mehr zu holen ist<br />

Preis für 1 Ethereum<br />

in US-Dollar,<br />

logarithmische Darstellung<br />

Aufwärtstrend<br />

2020 2021<br />

3200<br />

1600<br />

800<br />

400<br />

200<br />

100<br />

50<br />

42<br />

Grün ist die Börsen-Hoffnung<br />

Der Klimagipfel von Glasgow weist in<br />

eine nachhaltige Zukunft. Konzerne, die sich<br />

bereits dafür rüsten, entfachen Fantasien<br />

für anhaltendes Wachstum<br />

46 Börsenriesen: Microsoft, SAP &<br />

Co. – das Renditedepot mit<br />

sieben Großen der Weltbörsen<br />

48 Uran: Der Preis des Kernkraft-<br />

Energieträgers steigt rasant<br />

52 Anlageserie: Rat von den<br />

Börsenprofis – wie die Renditechancen<br />

von Aktien steigen<br />

60 Autos: Die Hausse der Aktien von<br />

Ersatzteile-Händlern<br />

63 Musterdepots: Metallwerte und<br />

andere – die Depots der Experten<br />

moneyyou<br />

56 Aktienanalyse: Mynaric, deutscher<br />

Spezialist für Laserkommunikation,<br />

revolutioniert die Technologie<br />

59 Chartsignal: Lyft, nach Uber<br />

zweitgrößter Anbieter von<br />

Mitfahrdiensten, beschleunigt<br />

59 Börsenwissen: Dynamisches<br />

Kurs-Gewinn-Verhältnis und die<br />

„Rule of 40“<br />

moneyanlegerschutz<br />

64 T-Aktie: 25 Jahre liegt der<br />

Börsenstart der Telekom zurück<br />

– ein Jubiläum mit eher bitterem<br />

Nachgeschmack<br />

moneysteuern&recht<br />

66 Grundsteuer C: Nervosität unter<br />

Bauland-Eigentümern. Wen die<br />

neue Bodenbesteuerung ab 2025<br />

treffen kann<br />

moneyservice<br />

68 Rente gut, alles gut: Sportlegende<br />

Ulrike Nasse-Meyfarth und<br />

weitere Promis erklären, wie<br />

Frauen gut für das Alter vorsorgen<br />

74 Krankenversicherung:<br />

Die Bonusprogramme im<br />

Leistungs-Check<br />

28<br />

Rally bis zum<br />

Jahresende<br />

Im Endspurt bis zum<br />

neuen Jahr rasen die<br />

Börsen unaufhaltsam von<br />

Rekord zu Rekord. Wie<br />

Sie mit E-Commerce,<br />

Smallcaps oder Momentum-Werten<br />

profitieren<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe – Impressum<br />

98 Termine<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021<br />

Fotos: Bloomberg (5), Can Stock Photo (2), Julien Delfosse/DPPI/RedBull, Facebook, VectorStock Composing: FOCUS-MONEY<br />

5


moneytitel<br />

MEDIZIN<br />

REVOLTE GE<br />

ERBGUT FÜR EIN<br />

LANGES LEBEN:<br />

Labormitarbeiter bei<br />

der Sequenzierung<br />

menschlicher DNA<br />

6 Foto: iStock<br />

Illustration: VectorStock<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021


EN DEN<br />

TOD<br />

Das Genom-Projekt war<br />

Teil der Tech- und<br />

Telecom-Blase. Bis die<br />

platzte. Aber es kehrt<br />

aus dem Tal der<br />

Verzweiflung zurück“<br />

CATHIE WOOD,<br />

STARINVESTORIN<br />

Investoren im Silicon Valley entdecken das ewige Leben.<br />

Milliarden fließen in Biotech-Gründerfirmen, die mit<br />

Gentherapien die Unsterblichkeit anpeilen. Profitieren<br />

Patienten und Geldgeber in absehbarer Zeit?<br />

von GREGOR DOLAK<br />

Groß, sehr groß ist die Versuchung, findet der Philosoph.<br />

Noch viel größer werde das Marktvolumen, kalkuliert die<br />

Milliardenanlegerin. So konkret anwendbar sei die Technologie,<br />

staunt die Biochemikerin, die sie entwickelt hat,<br />

dass eine neue Gründerzeit anbreche. Um wahre Wunder<br />

zu erwarten, dafür sei die Technik aber noch nicht ausgereift<br />

genug, entgegnet die Bioethikerin. Noch. Noch nicht.<br />

Die Chancen stehen gut, dass die Wissenschaft einen uralten Traum<br />

verwirklicht: die Grenzen von Alter und Tod auszudehnen, gar zu überwinden.<br />

Es muss ja nicht gleich Unsterblichkeit sein. Von Langlebigkeit<br />

sprechen ihre Propheten vorsichtshalber lieber, von „Longevity“. Dieses<br />

Stichwort versetzt Geldgeber und Biotech-Firmengründer im Silicon Valley<br />

schon mal in erregte Vibration. Erst ein paar Jahre, dann ein paar Jahrzehnte<br />

mehr, bis Menschen irgendwann 180 Jahre alt werden könnten.<br />

Gen-Editing, Stammzellenkuren, Telomer-Verlängerung.<br />

Auf 360 Billionen Dollar summieren sich die Verheißungen für die<br />

Weltwirtschaft, könnte die Medizin die Lebenserwartung nur um eine Dekade<br />

heben. Derzeit liegt sie in Deutschland für neugeborene Mädchen<br />

bei etwas mehr als 83 Jahren, für Jungs bei knapp unter 79 Jahren. Noch<br />

erkennen die zuständigen Behörden das Alter nicht mal als Krankheit an,<br />

für die es Arzneimittel und Heilmethoden zu entwickeln gelte. Mit so-<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021<br />

Foto: Bloomberg 7


moneyservice<br />

AUF ARMHÖHE:<br />

Ex-Leichtathletin und<br />

Trainerin Ulrike Nasse-<br />

Meyfarth, 65, in einer<br />

Sporthalle ihres<br />

langjährigen Arbeitgebers<br />

Bayer 04 Leverkusen<br />

Vita<br />

Ulrike<br />

Nasse-Meyfarth<br />

1956 geboren in Frankfurt<br />

am Main, lebt heute in<br />

Odenthal im Bergischen<br />

Land bei Leverkusen<br />

1972 erste Goldmedaille<br />

bei den Olympischen<br />

Spielen in München<br />

1984 zweites Edelmetall<br />

bei den Spielen in Los<br />

Angeles<br />

Verheiratet mit dem Kölner<br />

Rechtsanwalt Roland Nasse<br />

68 Foto: Marcus Simaitis/laif/FOCUS-MONEY<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021


INTERVIEW<br />

Die hohe<br />

Kunst, Gold zu<br />

versilbern<br />

Auch Sportlegenden gehen mal in Rente. Bald ist Hochspringerin<br />

Ulrike Nasse-Meyfarth dran. Nach ihren Siegen hat die Familienmutter<br />

angestellt gearbeitet, in Teilzeit, und gut vorgesorgt: mit einer<br />

Betriebsrente, Aktien und Krügerrand-Münzen im Tresor<br />

von GREGOR DOLAK<br />

Die Rente rückt näher. Haben Sie gut fürs Alter vorgesorgt?<br />

Ulrike Nasse-Meyfarth: Ja, nächstes Jahr bin ich 66. Rentenjahrgang:<br />

2022. Meine gesetzliche Rente trägt dazu bei, unseren<br />

Lebensstandard zu halten. Sehr gut ist meine Betriebsrente,<br />

die noch hinzukommt. In die habe ich während meiner<br />

Anstellung beim Chemiekonzern Bayer einbezahlt. Auch<br />

mein Mann hat Versorgungsansprüche, und aufstocken können<br />

wir über gespartes Geld und angeschafftes Vermögen.<br />

Wie sieht denn die Erwerbsbiografie der Frau aus, die zweimal<br />

Olympia-Gold gewinnt und dann eine Familie gründet?<br />

Nasse-Meyfarth: Kinder sind nötig, so habe ich das immer<br />

gesehen. Wir haben zwei Töchter, die sind heute 33 und 28<br />

Jahre alt. Aber ich habe auch als Mutter immer gearbeitet. Damals<br />

waren die Kindergärten längst nicht auf die Bedürfnisse<br />

arbeitender Mamas ausgerichtet. Wir hatten eine Kinderfrau.<br />

Ihr Honorar habe ich immer als Investition in meine Zukunft<br />

verstanden, weil ich so halbtags arbeiten konnte.<br />

In meiner Generation war es für viele wichtig, dass die Ehe<br />

hielt. Mein Mann arbeitet selbstständig als Anwalt. Ihm habe<br />

ich den Rücken frei gehalten und nur in Teilzeit gearbeitet.<br />

Meistens vormittags. Junge Frauen steigen heute früher nach<br />

der Geburt der Kinder wieder ein. Oft auch weil sie Geld verdienen<br />

müssen, wenn sie in Trennung leben. Alleinerziehende<br />

sind wahrscheinlich in der Vorsorge die schwierigen Fälle.<br />

Hatten Sie nicht das Bedürfnis, wieder voll einzusteigen?<br />

Nasse-Meyfarth: Ich hatte ja noch einen zweiten Job: Ulrike<br />

Meyfarth zu sein. Auftritte bei Veranstaltungen, im Fernsehen,<br />

bei Vorträgen und Incentives für Unternehmen. Da<br />

blieb abends und an den Wochenenden genug zu tun. (lacht)<br />

Sind Ihre beiden Goldmedaillen von 1972 und 1984 vom reinen Wert<br />

des Edelmetalls nicht schon ein schöner Beitrag zur Altersvorsorge?<br />

Nasse-Meyfarth: Nein, so eine Goldmedaille hat einen ideellen,<br />

aber keinen materiellen Wert. Sie sind feuervergoldet,<br />

haben nur einen dünnen Goldüberzug. Einschmelzen geht<br />

also nicht. Meine Medaillen sind über die Jahre ganz abgegriffen<br />

und stumpf geworden. Vor einiger Zeit hatte ich sie<br />

beim Juwelier zum Aufarbeiten – aber inzwischen sind sie<br />

schon wieder gräulich und glänzen nicht mehr so golden.<br />

Wäre die erste von 1972 aus massivem Gold, hätte sie seither einen<br />

Wertzuwachs von mehr als 3000 Prozent gehabt. Lässt sich olympisches<br />

Gold wenigstens versilbern?<br />

Nasse-Meyfarth: Natürlich lassen sich die sportliche Leistung<br />

und der Erfolg, den die Medaille symbolisiert, in Einnahmen<br />

ummünzen. Es gibt ja einige Athleten, die zumindest<br />

während ihrer sportlichen Karriere ordentlich Geld<br />

verdienen. Aber von der allgemeinen Vorstellung, dass eine<br />

Olympiasiegerin ausgesorgt hätte, muss man sich lösen.<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021<br />

69


moneyservice<br />

Ich gehe gern über Grenzen.<br />

Mit Zocken, mit Spekulation,<br />

mit Draufgängertum hat<br />

das aber nichts zu tun“<br />

GEFAHREN-EXPERTIN: Miriam Höller, 34, bei der Arbeit<br />

RENTE Voll ins Risiko – aber kontrolliert<br />

Deutschlands beste Lagen<br />

In den sieben größten Städten steigen die Immobilienpreise kontinuierlich. Auch<br />

kleinere Kommunen ziehen nach. Solange Kreditzinsen günstig sind, lohnt der Kauf.<br />

Preise für Eigentumswohnungen<br />

Kaufpreis in Euro je Quadratmeter<br />

Quelle: Statista<br />

Frankfurt a. M.<br />

Altersvorsorge-Tipp von der<br />

Stuntfrau: Immobilien erwerben<br />

und dabei auf kleinere<br />

Wohneinheiten mit hohen<br />

Quadratmeter-Mieten achten<br />

von MIRIAM HÖLLER<br />

dem konzentriere ich mich auf Auftritte<br />

in TV-Shows oder als Vortragsrednerin.<br />

Weil Risikobewusstsein zum Job gehört,<br />

kümmere ich mich schon seit Langem<br />

um meine Altersvorsorge. Da ich<br />

selbstständig arbeite, gibt’s für mich gar<br />

nicht die Möglichkeit der gesetzlichen<br />

Rente. Also lege ich regelmäßig Geld für<br />

später auf die Seite. Jeden Monat unge-<br />

Düsseldorf<br />

München<br />

2017 18 19 20 2021<br />

Hamburg<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

Berlin<br />

5000<br />

Stuttgart<br />

Köln 4000<br />

3000<br />

Uns Stuntleuten wird nachgesagt, dass<br />

wir den Tod herausfordern. Dabei geht<br />

es in dem Beruf darum, das Risiko im Detail<br />

zu kontrollieren. Mit Zocken hat das<br />

nichts zu tun. Ich gehe gern über Grenzen,<br />

aber kalkuliert. Manche Dinge im Leben<br />

lassen sich allerdings nicht kontrollieren:<br />

dass mein Lebensgefährte<br />

Hannes 2016 bei einem Hubschrauberabsturz<br />

stirbt, dass ich mit 29 Jahren<br />

selbst einen schlimmen Unfall habe.<br />

In meinem Fall war das so: An einem<br />

Helikopter hängend, sollte ich Designermode<br />

präsentieren und in hohen Schuhen<br />

abspringen. Zehnmal ging das gut.<br />

Beim letzten Aufschlag habe ich mir beide<br />

Füße gebrochen, den rechten mehrfach,<br />

den linken völlig zertrümmert. Karriereende!<br />

Nach dem Unfall habe ich<br />

auch meine eigene Firma verloren. Seitfähr<br />

zehn Prozent meines Einkommens.<br />

Mal mehr, mal weniger.<br />

Teils lege ich die Summen auf Festgeldoder<br />

Tagesgeldkonten. Hauptsächlich<br />

stecke ich sie in Immobilien, von deren<br />

Mieteinnahmen ich im Alter leben kann.<br />

Die baue ich mir Schritt für Schritt auf.<br />

Der Schlüssel liegt für mich in kleinen<br />

Wohnungen. Da fallen die Investitionssummen<br />

nicht so gewaltig aus, auch<br />

wenn die Kaufpreise seit Jahren steigen.<br />

Single-Wohnungen, also Apartments<br />

oder Zweiraumwohnungen, sind auf<br />

dem Mietmarkt sehr gefragt. Und das<br />

wird auch so bleiben, weil das Lebenskonzept<br />

vieler junger Leute auf der Idee<br />

der Freiheit fußt. Wenn ich ein großes<br />

Haus finanziere und vermiete, mache ich<br />

mich von einem einzigen Mieter abhängig.<br />

Mehrere kleine Einheiten dagegen<br />

streuen das Risiko des Mietausfalls. Zudem<br />

sind die Quadratmeter-Mieten von<br />

Apartments wesentlich interessanter als<br />

die von großen Wohnungen.<br />

Die Börse meide ich. Aktien sind mir<br />

zu undurchsichtig. Man ist von der Entwicklung<br />

der Weltwirtschaft abhängig,<br />

die man kaum beeinflussen kann. Zudem<br />

muss man jeden Tag die Entwicklung,<br />

die Kurse checken. Das kann ich<br />

neben meinem Beruf nicht leisten.<br />

Wenn es um die Rücklagen fürs Alter<br />

geht, sollte man seine Grenzen kennen<br />

und sich genau überlegen, was man will<br />

und was nicht. Für Gefahr gilt, ob im Beruf<br />

oder bei Investments: ohne Angst,<br />

aber mit viel Respekt agieren!<br />

72 Foto: W. Lienbacher<br />

FOCUS-MONEY <strong>47</strong>/2021

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