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EDITORIAL<br />
8. Dezember <strong>2021</strong>, der neunte Kanzler<br />
Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />
Fo t o s : P e t e r R i g a u d , M a r k u s C . H u r e k / b e i d e f ü r F O C U S - M a g a z i n<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
von außen hell erleuchtet, innen<br />
menschenleer. Eine absurde Stille<br />
herrschte am Dienstagabend im<br />
Bundeskanzleramt. Im sechsten<br />
Stock erledigte Digital-Staatsministerin<br />
Dorothee Bär die letzten<br />
E-Mails in einem kahlen Raum<br />
voller leerer Regale.<br />
Ein Stockwerk drüber,<br />
im Büro der Bundeskanzlerin,<br />
war<br />
Konrad Adenauer bereits<br />
verschwunden:<br />
Das charakteristische<br />
Gemälde von Oskar<br />
Kokoschka, das sechzehn<br />
Jahre lang über<br />
Merkels Schreibtisch<br />
hing, nahm die Altkanzlerin (was für eine<br />
uncharmante Bezeichnung!) mit in ihr<br />
neues Büro Unter den Linden.<br />
Mein Kollege Markus C. Hurek hat die<br />
letzten Stunden der Ära Merkel im Kanzleramt<br />
erlebt, einer Amtszeit, die bis zur<br />
Übergabe an Olaf Scholz am Mittwoch<br />
5860 Tage lang dauerte. Als er am späten<br />
Abend das Gebäude verließ, war Angela<br />
Merkel noch da. „Ich muss bleiben, bis<br />
die Chefin weg ist“, sagte die Dame am<br />
Empfang zum Abschied. „Und morgen<br />
hab ich dann einen Chef!“<br />
Am nächsten Tag, 12.10 Uhr: Bärbel<br />
Bas kommt aus dem Plenarsaal des Bundestages<br />
und setzt sich erschöpft auf ein<br />
Ledersofa im Ostflügel – für ein Gespräch<br />
mit meinem <strong>FOCUS</strong>-Kollegen Thomas<br />
Tuma. Wenige Minuten zuvor hatte sie<br />
als Bundestagspräsidentin ihrem Parteikollegen<br />
Olaf Scholz den Kanzler-Amtseid<br />
abgenommen. Sie sei eigens früher<br />
aufgestanden, so viel sei an so einem<br />
Tag zu tun. 5.45 Uhr ging der Wecker. Da<br />
war sie aber vor lauter Aufregung schon<br />
wach, wie sie uns erzählte. Mehr über<br />
den Tag, der Deutschland verändern wird,<br />
lesen Sie ab Seite 22.<br />
Eine der großen Aufgaben<br />
für die neue Bundesregierung<br />
wird die Rente. Denn auf Dauer<br />
ist das deutsche Umlagesystem<br />
Die Neuen im <strong>FOCUS</strong><br />
Olaf Scholz bei einem Redaktionsbesuch –<br />
in der Hand ein Cover mit Friedrich Merz,<br />
der vielleicht bald Oppositionsführer ist.<br />
Rechts sehen Sie Scholz am Tag seiner<br />
Wahl – vor ihm kniet unser fotografierender<br />
Redakteur Markus C. Hurek. Auf der<br />
Couch: Bärbel Bas und Thomas Tuma<br />
nicht mehr zu finanzieren. Wenn ab<br />
2025 die Babyboomer in den Ruhestand<br />
gehen, fallen schlagartig viele Beitragszahler<br />
weg – gleichzeitig steigt die Zahl<br />
der Rentner rasant an. Das heißt: Die Einnahmen<br />
sinken, die Ausgaben steigen.<br />
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Nachvorneschauen<br />
WELTWEIT<br />
Kein Ende der Pandemie<br />
ohne globale Strategie<br />
Von Anne Wizorek<br />
DER HAUPTSTADTBRIEF<br />
EXKLUSIV<br />
FÜR<br />
<strong>FOCUS</strong><br />
ABONNENTEN<br />
11. Dezember <strong>2021</strong> | #6<br />
Mannschaft<br />
Herausgegeben von Ulrich Deppendorf und Ursula Münch<br />
Zukunftsfähig<br />
Wörter machen heute<br />
Voll-Horst<br />
Doing<br />
deal breaker<br />
Hausaufgaben machen<br />
Angebot<br />
Junggese len- und Gese linnenabschied<br />
Retouren-Schein<br />
Shitstorm/Kotböe<br />
Mitnehmen<br />
Handlungsfähigkeit beweisen<br />
Narrativ<br />
Ökonomen warnen vor „schockartigen<br />
Finanzierungsproblemen“.<br />
Weil das mit Steuermitteln kaum<br />
zu stemmen ist, müssten wir theoretisch<br />
alle noch länger arbeiten<br />
als ohnehin schon geplant. Vor<br />
solchen Lösungen aber schreckt<br />
Scholz zurück. Zunächst einmal<br />
will er „nur“ zehn Milliarden Euro<br />
in eine Aktienrente stecken. Ein<br />
guter Ansatz. Doch zehn Milliarden<br />
sind bei der Rente nichts. Die<br />
gesetzliche Rentenversicherung<br />
gibt aktuell 28 Milliarden Euro aus – und<br />
zwar jeden Monat. Dabei ist das mit der<br />
Rente wie mit dem Klima: Je länger wir<br />
warten, desto teurer wird es am Ende. Für<br />
alle. Lesen Sie ab Seite 54, was Experten<br />
raten und wie Sie herausfinden, wie viel<br />
Geld Ihnen im Alter fehlen wird.<br />
Nach dem vorläufigen Höhepunkt der<br />
Ampel-Festspiele mit Kanzler-Wahl und<br />
Minister-Vereidigung stellt sich die Frage:<br />
Was macht eigentlich die Opposition?<br />
Freundlich formuliert könnte man sagen,<br />
sie formiert sich gerade. Die Wahrheit ist:<br />
Alle drei Oppositionsfraktionen –<br />
EISERN UNION<br />
Drei Männer kämpfen<br />
um den Vorsitz<br />
Von Katharina Hamberger<br />
Schrecken und Unwucht<br />
des neuen Politsprechs<br />
Ein Abgesang von Dagmar Reim<br />
Einstückweit<br />
Gestalten<br />
Herzlich Ihr<br />
Union, Linke und AfD – sind<br />
wegen ihrer zum Teil katastrophalen<br />
Wahlergebnisse vor allem<br />
mit sich selbst beschäftigt.<br />
Als ernsthafter Widerpart der<br />
rot-grün-gelben Koalition kommt<br />
ohnehin nur die Union in Betracht,<br />
was bereits das künftige<br />
Elend von CDU und CSU auf den<br />
Punkt bringt. Denn konzertierte<br />
Aktionen mit Linke oder gar AfD<br />
sind für die bürgerlich-konservative Mitte<br />
nicht vorstellbar, geballte Oppositionskraft<br />
rückt also in weite Ferne. Wie<br />
schwierig die Lage insbesondere für<br />
die CDU ist, erklärt uns ab Seite 42 der<br />
frühere Bundestagspräsident Norbert<br />
Lammert.<br />
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<strong>FOCUS</strong> <strong>50</strong>/<strong>2021</strong> 3