Das Argument B83 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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42 Soziale Bewegungen und Politik<br />
setzt. Und "besonders eindringlich zeigen sich die genannten<br />
Probleme heute auch auf der Ebene der Kommunalpolitik"<br />
(13), "die <strong>für</strong> mehr als zwanzig Jahre als ein Bereich<br />
(galt), der gesellschafts- und sogar parteipolitisch relativ<br />
wenig Konfliktpotentiale barg" '(15). <strong>Das</strong> hat sich inzwischen<br />
gründlich geändert, was sogar auf einer Ebene, die<br />
als besonders stabil galt, den Wahlen,durchgeschlagen hat.<br />
Laut Arzberger stecken die Gemeinden in einem "Dilemma",<br />
"daß sie bei erweiterten Einzugs- und Aufgabenbereichen einerseits<br />
und eingeschränkten Mitteln und Entscheidungskompetenzen<br />
andererseits vor allem die legitimatorischen Lasten<br />
des 'politischen Prozesses' behalten haben" (16). Weil<br />
die Kommune der Ort "unmittelbarer Erfahrbarkeit" (15) von<br />
Verschlechterungen in den Reproduktionsbedindungen der Menschen<br />
ist, sind es gerade die "kommunalen Instanzen", an<br />
die ein "breit gefächerter Katalog von Forderungen" (16)<br />
adressiert wird und gegen den bekanntlich unter der Parole<br />
"Inflation der Ansprüche" (vgl. 139ff.) polemisiert wird,<br />
von Helmut Schmidt bis Manfred Rommel. Diesem "Katalog"<br />
geht die Studie systematisch-deskriptiv nach und konfrontiert<br />
ihn mit den Dispositionen der kommunalen Eliten.<br />
Aus der Fülle der Detailbefunde möchte ich kurz zwei<br />
Aspekte herausheben, die von reproduktionsanalytischem Interesse<br />
sind. Der erste bezieht sich auf die Generationsund<br />
Sozialspezifik des Forderungsniveaus. Dabei zeigt sich,<br />
daß <strong>für</strong> einige sozialdemographische Gruppen die tiefgreifende<br />
Benachteiligung im Reproduktionsbereich sich nicht<br />
nur auf die Befriedigung bestehender Reproduktionsbedürfnisse<br />
erstreckt, sondern tief in die Entwicklungs- und Artikulationsfähigkeit<br />
von Reproduktionsansprüchen hineinreicht:<br />
"Ältere, weniger Gebildete, Unterschichtenangehörige<br />
und Frauen" (141) besitzen "in der Regel" nicht nur ein<br />
niedrigeres Forderungsniveau, sondern zeigen auch weit weniger<br />
als "Jüngere Menschen, höher Gebildete, Angehörige<br />
der oberen Gesellschaftsschichten und Männer" (141) Bereitschaft<br />
zur Artikulation von Ansprüchen. Damit hängt der<br />
zweite Aspekt eng zusammen, der im Lichte der jüngst von<br />
Fred Karl publizierten Studie über "Bürgerinitiativen"<br />
(1981) und deren sozialer Zusammensetzung besonderes Gewicht<br />
bekommt. Diejenigen Bürger, die in Initiativen und<br />
anderen Formen aktiv ihr gewachsenes Bedürfnis- und Anspruchsniveau<br />
artikulieren und durchzusetzen suchen, entwickeln<br />
nicht nur ihr Forderungsniveau im Zuge eben dieser<br />
Praxis qualitativ und quantitativ fort, sondern gelangen<br />
auch "zu erhöhter politischer Beteiligung" (131). Auf diese<br />
Weise verdoppelt sich gleichsam die reproduktionsspezifische<br />
Benachteiligung der oben genannten sozial-demographischen<br />
Gruppen. Einzelne Befunde Arzbergers sollten nicht<br />
nur von Gewerkschaftskollegen, die mit Kulturpolitik und<br />
sozialer Kulturarbeit befaßt sind, aufmerksam zur Kenntnis<br />
genommen werden, zumal die Studie erkennen läßt, daß die<br />
Gewerkschaften im kommunalen Bereich der Qualifizierung,<br />
DAS ARGUMENT-BEIHEFT '83