Dat Letzt - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und ...
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DITTSCHAR – Johann D. Bellmanns „Windsinfonie“<br />
Eines ist es, vom norddeutschen Wind zu wissen <strong>und</strong> sich seiner <strong>und</strong> des<br />
Wissens darum zu bedienen, Aussagen über die Welt des flachen Landes<br />
zu machen. Ein anderes, dem Wind zu folgen in seinem Versuch, Welt zu<br />
erfahren <strong>und</strong> zu verstehen.<br />
Ist in beiden Ansätzen die <strong>Sprache</strong> das Niederdeutsch, so ergeben sich<br />
im ersten Fall regelmäßig anschauliche <strong>und</strong> unterhaltsame Geschichten<br />
von Land <strong>und</strong> Leuten. Im zweiten Fall kann das Ergebnis Dichtung sein.<br />
Johann D. Bellmanns „Windsinfonie“ ist Dichtung.<br />
Es hat seine ironische Pointe, dass Bellmann im Dorf ob seiner absonderlichen<br />
Neigungen, noch mit Pferden zu pflügen <strong>und</strong> im stillen Kämmerlein<br />
zu schreiben, in gewisser Weise als Sonderling galt, was man in der<br />
Bezeichnung als „Dichter“ zusammmenfasste. Dichter – die Leute hatten<br />
recht.<br />
*<br />
Stille auf der Bank nun. Man raucht. Eine Taube setzt sich auf den Dachfirst.<br />
Weder ruft sie „Duu“ noch sagt einer „Duu“, aber auch nicht „Ik“.<br />
*<br />
Eigentlich ist die „Windsinfonie“ Prosa: In vier vom Umfang her abnehmenden<br />
Teilen, betitelt nach den Elementen, deren eines er selbst ist, fährt<br />
der Wind durchs <strong>und</strong> um das Haus, längs der heimischen Gewässer<br />
(man erkennt den Goldbach, die Este, die Elbe), durch Städte (Buxtehude),<br />
übers Meer bis weit in nordische Breiten (Eismeer, Island), um dann in<br />
die norddeutsche Heimat zurückzukehren. Was ihn treibt, ist die Sehnsucht<br />
nach der, die es ihm zu Hause angetan hat <strong>und</strong> auf die er dort erst<br />
wieder trifft: die „Füerdeern“, deren „rootblinken Oogen“ ihn mächtig in<br />
Wallung <strong>und</strong> auf Trab bringen, die er nicht eintauschen möchte gegen die<br />
anderen beiden Wesen, die er auf seinem Weg kennenlernt, die allerdings<br />
weniger ihn umtreiben, als dass er sie auf- <strong>und</strong> umhertreibt, die „Waaterdeern“<br />
<strong>und</strong> die „Sanddeern“, die letztlich nicht ankommen gegen ihn<br />
<strong>und</strong> erst recht nicht gegen die Eine, die Erste.<br />
Weltreise also <strong>und</strong> Welt-Erfahrung, ein Reisebericht?<br />
Nein – <strong>und</strong> erst recht keine Welteroberung <strong>und</strong> keine Weltanschauung.<br />
Wie gelingt es Bellmann, dem vordergründig profanen Thema Aspekte<br />
abzugewinnen, dem Werk, in dem es doch von der ersten bis zur letzten<br />
Seite auf der Oberfläche so stark weht, Tiefe zu verleihen?<br />
18<br />
20433-<strong>Quickborn</strong>1-09 neu 18<br />
12.03.2009, 10:47 Uhr