Dat Letzt - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und ...
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DITTSCHAR – Johann D. Bellmanns „Windsinfonie“<br />
rutscht“ sei, so gilt dies, sofern es zutrifft, auch <strong>für</strong> das Niederdeutsche<br />
als <strong>Sprache</strong>. Doch „abgerutscht“ suggeriert wieder „nieder“ <strong>und</strong> „flach“<br />
– <strong>und</strong> genau das ist falsch. Der Verfasser, selbst sprachlich primär im Hochdeutschen<br />
<strong>und</strong> einem Teil seiner Dialekte sozialisiert, das Niederdeutsche<br />
nicht sprechend, aber verstehend, wagt sich zu der These vor, das<br />
Hochdeutsche könne von einer „Blutzufuhr“ seitens des Niederdeutschen<br />
nur profitieren. Natürlich ist damit nicht gemeint, ins Lexikon des Hochdeutschen<br />
<strong>niederdeutsche</strong> Vokabeln zu übernehmen. Aber es soll energisch<br />
die Überzeugung (da eigene Erfahrung) vertreten werden, dass<br />
zumindest der das Neuhochdeutsche sprechende Leser, selbst der, dem<br />
bislang das Nierdeutsch <strong>für</strong> Ohr <strong>und</strong> Auge fremd war, von dieser <strong>Sprache</strong>,<br />
erst recht von Dichtung in dieser <strong>Sprache</strong>, profitiert – jedenfalls profitieren<br />
könnte, so er sich denn der Mühe der Lektüre unterzieht. Seine<br />
eigene <strong>Sprache</strong> macht ihm ja häufig nur vor, die Sache liege so oder so, sei<br />
mithin klar, <strong>und</strong> er habe das Gesagte, das Benannte, ggfs. die Welt verstanden.<br />
Für ihn bietet Dichtung auf Niederdeutsch gerade wegen der<br />
sich einstellenden <strong>und</strong> zu erfahrenden Verfremdungseffekte über anfängliche<br />
Distanzierung die Chance größerer Nähe zu dem, worum es letztlich<br />
immer zu gehen hat, den wichtigen Dingen: Liebe, Leid <strong>und</strong> Leben.<br />
(Nur in Parenthese soll hier die Selbstverständlichkeit erinnert werden,<br />
dass unsere Welt wohl anders aussähe <strong>und</strong> unser Verhältnis zur Welt wohl<br />
ein anderes wäre, hätten die damaligen Konstellationen dazu geführt,<br />
dass nicht Hoch-, sondern Niederdeutsch unsere Hochsprache geworden<br />
wäre.)<br />
Bellmann jedenfalls bedient sich der Möglichkeiten des Niederdeutschen<br />
virtuos, seine Kunstsprache ist <strong>Sprache</strong> seiner Kunst <strong>und</strong> Sprachkunst. Man<br />
möchte fast auf Belegzitate verzichten, so reichhaltig ist das Angebot, <strong>und</strong><br />
dem Leser wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als das ganze Werk<br />
selbst zu lesen, um all das zu entdecken, was es zu entdecken <strong>und</strong> genießen<br />
gibt: insbesondere auch die Wortspiele ( „He müß de Puust anhool’n“<br />
(S.15) oder, als die Eule erscheint, „un denn weer’t op’n Stutz muusenstill.“<br />
(S. 24)). Oder die Namensgebungen: Da wird das mittelhochdeutsche<br />
„elbe“ hervorgezaubert, damit auf der Elbe die Geister ihr elbisch<br />
Wesen treiben können; da wird wortschöpferisch an die Eltern der Elemente<br />
Feuer <strong>und</strong> Luft nach Empedokles, nämlich Zeus <strong>und</strong> Hera, angeknüpft:<br />
„Denn harr he sik in sien Dönzen verkraapen un tööft, sien Mudder<br />
schull kommen. Se dä’t aver nich, se weih as ümmer achter ehr’n<br />
Bullerballer her.“ (S.13)<br />
24<br />
20433-<strong>Quickborn</strong>1-09 neu 24<br />
12.03.2009, 10:47 Uhr