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SUHRBIER – Vom Läuschen zur Lügen-Erzählung
Wenn solche Geschichten am Hafen von Swinemünde erzählt worden
sind, dann werden sie auch in größeren Seehäfen wie Rostock umgelaufen
sein. Gut möglich also, dass Brinckman ein derartiges Seemanns-Läuschen
gehört und 1854/55 seinem großsprecherischen Käppen Pött auf
den Leib geschrieben hat. Brinckman, dessen in Rostock angesiedelten
Werke durchweg auf familiären Überlieferungen, eigenen Erfahrungen
und mündlich Tradiertem beruhen, dürfte folglich seine beiden maritimen
Münchhausiaden aus mündlichem Erzählen geschöpft haben.
Denn das andere, noch groteskere Seemannsgarn, „Peter Lurenz bi Abukir“
(1868), ist durch eine an Stammtischen erzählte Anekdote angeregt
worden, wie Brinckman selbst bezeugt hat. Dieser Peter Lurenz „lebte
und log“ leibhaftig im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts als stadtbekanntes
Original in Rostock. Von ihm sind seinerzeit, wie Brinckman
schrieb, zahllose Lügengeschichten in Umlauf gewesen. Zwei davon hat
der Rektor, Paulskirchen-Parlamentarier und satirische Autor Ludwig
Reinhard als erster auf plattdeutsch notiert und unter dem Titel „Der Sieger
bei Austerlitz und der königliche Pfannkuchen“ drucken lassen – 1853
im „Neujahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland“, einer der letzten
Publikationen der mecklenburgischen Opposition. Diese Anekdoten, die
Napoleon vor Austerlitz in völliger militärischer Ratlosigkeit zeigen, aus
der ihn Peter Lurenz kurz entschlossen heraushilft, und den dänischen
König als biederen Hausvater, der seine Frau aus dem Bett scheucht, zeigen
eine klare antiautoritäre Tendenz. Brinckman zufolge haben sie
seinerzeit „ein homerisches Gelächter weit über Mecklenburg hinaus“
ausgelöst. Für ihn selbst waren sie der Anstoß, eine weitere Lurenz-Anekdote
mit derselben Tendenz zur Erzählung „Peter Lurenz bi Abukir“ –
einem seiner besten Texte – auszuspinnen: darin gelingt Nelson der Sieg
über die französische Flotte in der Seeschlacht bei Abukir nur dank der
taktischen Tipps von „sinen Fründ un Duzbrauder Peter Lurenz“...
Anmerkungen
1. Werner, Max: John Brinckman und der englische Seeroman. In: Niederdeutsches Jahrbuch
75 (1952, S. [110]–137.
2. Vgl. Brinckman, John: Glossen zu „Kasper-Ohm un ick“ und Peter Lurenz bi Abukir“
(1868) in: John Brinckmans plattdeutsche Werke herausgegeben von der Arbeitsgruppe
der Plattdeutsche Gilde zu Rostock. 2. Band. Greifwald 1928, S. 284-286.
3. Anonym (Hrsg.): Neujahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland. Hamburg 1853, S.
63-68. – Zuletzt wieder abgedruckt in: John Brinckmans Plattdeutsche Werke (wie Anm.
1) 3. Band. Greifswald 1928, S. 193-195.
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12.03.2009, 10:47 Uhr