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Dat Letzt - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und ...

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Johann D. Bellmanns „Windsinfonie“ – DITTSCHAR<br />

Zu allererst ist da der Blick des Erstaunenden, des noch Naiven. Im jungen<br />

Wind erwacht etwas: „Un he keek verstutzt“ (S.18) über die Wirkung<br />

des Feuers, die ihn berührt im Kern seines Wesens, nämlich als Wind zu<br />

wehen, was er wahrnimmt, so „dat he de Luft anhööl“. Und dann trifft<br />

ihn der Gegenblick: „<strong>Dat</strong> keek em an mit krall-gallig Oogen, un dat schööt<br />

em dörch un dörch.“ (S.18) Und dieser Gegenblick ist es, was in ihm alles<br />

nun Folgende auslöst, seine aus dem Erstaunen <strong>und</strong> der Faszination entstehende<br />

Sehnsucht, seine Wanderung durch bzw. über die Welt bis zu<br />

seiner Rückkehr, seine Wahrnehmung von Welt bis zur Erkenntnis der<br />

Grenzen der Wahrnehmung: „Un Oogen harr dat hatt! …rootblinken Blitzen<br />

… De rootblitzen Oogen, de em ankeken harr’n, güngen dorvon nich<br />

weg un dat dörch em dörchsingen Gefööhl al lang nich. He keek noch<br />

maal naa den Herd ( in dem sich die Glut, das Feuerwesen, später dann<br />

die „Füerdeern“, versteckt hat ) <strong>und</strong> „weih denn buten Huus.“ (S.19) Seine<br />

Suche nach der „Füerdeern“ wird Weltreise, Weltentdeckung – solang<br />

er denn seinen Augen traut <strong>und</strong> ihm nicht der Verstand in die Quere<br />

kommt: „Wo hest du dien Oogen hatt? dach he. Wat büst du tapsig un<br />

dwatsch dörch de Welt weiht … Du büst wedder mit den Kopp ünnerwegens<br />

un nich mit de Oogen.“ (S.62)<br />

Das Schauen, die Wahrnehmung ist natürlich (i.S.d.W.) sinnliche Erfahrung,<br />

aber um zu begreifen, bedarf es der <strong>Sprache</strong>, des Wortes, letztlich<br />

des Begriffs. Da stößt der Wind auf Grenzen. Bellmann fasst diesen Vorgang<br />

bzw. das Problem in die w<strong>und</strong>erschöne Formulierung: „ … de Wulken<br />

wesseln de Klör gauer, as he mit Wöör mitkieken kunn. – He harr<br />

blooß de Wöör, de he mitbröcht harr, un de recken hier nu nich hin un<br />

nich to.“ (S.56) Am Ende seiner Reise wird er zwar stolz feststellen können:<br />

„Wat harr he nich all seeh’n.“, aber auch: „Un’t wohr nich lang, to<br />

dach he an dat, wat he all nich seeh’n harr.“ (S.92)<br />

Inwiefern es um Leistungen <strong>und</strong> Grenzen der <strong>Sprache</strong> geht – Wittgensteins<br />

„Die Grenzen meiner <strong>Sprache</strong> sind die Grenzen meiner Welt“<br />

kommt einem sofort in den Kopf – <strong>und</strong> wie Bellmann versucht, sie zu<br />

überwinden, <strong>und</strong> wo dann auch bei ihm das Schweigen einsetzt, wird im<br />

nächsten Schritt zu behandeln oder zumindest anzudeuten sein.<br />

Hier aber, bei der Wahrnehmung, dem Blicken, den Augen, soll nur ein<br />

weiterer Hinweis darauf gegeben werden, wie Bellmann „Tiefe“ gewinnt<br />

<strong>und</strong> vor welchem Hintergr<strong>und</strong> seine „Windsinfonie“ auch zu betrachten<br />

bzw. zu verstehen ist.<br />

20433-<strong>Quickborn</strong>1-09 neu 21<br />

12.03.2009, 10:47 Uhr<br />

21

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