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Pirouette No. 02/2022 Februar

EM in Tallinn Die 2014 auch mit EU-Geldern gebaute Tondiraba-Halle in Estlands schöner Hauptstadt Tallinn war zwei Jahre nach der Junioren-WM erneut Austragungsort von ISU-Meisterschaften. Die Organisation klappte selbst unter Corona-Bedingungen problemlos (Transport, Hotel, W-LAN, Tests, Musik und vieles mehr). Während der Woche kamen nur einige hundert Zuschauer, aber am Freitagabend und Samstag viel mehr. Bei der Kür der Frauen am Samstagabend war die Halle mit etwa 5.000 Zuschauern fast voll, alle mit Gesundheitspass auf dem Handy und mit Maske. … Topthemen: · Europameisterschaften · Bavarian Open · Vier Kontinente Meisterschaften Weiteres aus dem Inhalt: · Interview: Nikita Starostin · Interview: Mark Kondratiuk · Interview: Michal Brezina · Filmrezension: Die Kür ihres Lebens · Neues aus aller Welt · Kanadische Meisterschaft · US-Meisterschaften · Synchron: Hevelius Cup & Lumière Cup · Eislaufgeschichte: Bruno Grauel · Neues aus aller Welt Titelbild: Die neue Russische Meisterin Kamila Valieva ist zwar erst 15 Jahre alt, läuft aber schon wie eine Erwachsene und lieferte die wohl beste Leistung aller vier Konkurrenzen ab. Foto: Hella Höppner Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-2-februar-2022.html (Erscheinungstermin 7.2.2022)

EM in Tallinn

Die 2014 auch mit EU-Geldern gebaute Tondiraba-Halle in Estlands schöner Hauptstadt Tallinn war zwei Jahre nach der Junioren-WM erneut Austragungsort von ISU-Meisterschaften. Die Organisation klappte selbst unter Corona-Bedingungen problemlos (Transport, Hotel, W-LAN, Tests, Musik und vieles mehr). Während der Woche kamen nur einige hundert Zuschauer, aber am Freitagabend und Samstag viel mehr. Bei der Kür der Frauen am Samstagabend war die Halle mit etwa 5.000 Zuschauern fast voll, alle mit Gesundheitspass auf dem Handy und mit Maske. …

Topthemen:
· Europameisterschaften
· Bavarian Open
· Vier Kontinente Meisterschaften

Weiteres aus dem Inhalt:
· Interview: Nikita Starostin
· Interview: Mark Kondratiuk
· Interview: Michal Brezina
· Filmrezension: Die Kür ihres Lebens
· Neues aus aller Welt
· Kanadische Meisterschaft
· US-Meisterschaften
· Synchron: Hevelius Cup & Lumière Cup
· Eislaufgeschichte: Bruno Grauel
· Neues aus aller Welt

Titelbild:
Die neue Russische Meisterin Kamila Valieva ist zwar erst 15 Jahre alt, läuft aber schon wie eine Erwachsene und lieferte die wohl beste Leistung aller vier Konkurrenzen ab.
Foto: Hella Höppner

Auch als Printversion erhältlich unter: www.pirouette-online.de/nr-2-februar-2022.html (Erscheinungstermin 7.2.2022)

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15<br />

Valieva erstklassig, aber nicht perfekt<br />

Die Frauenkonkurrenz mit drei erwarteten Medaillen<br />

für Russland hatte ein hohes Niveau,<br />

denn nicht nur die drei russischen Läuferinnen,<br />

sondern auch viele weitere, die auch aus Russland<br />

kommen, aber für andere Länder starten,<br />

zeigten sehr gute Leistungen, sowie zwei Westeuropäerinnen.<br />

Die wohl beste Leistung aller<br />

vier Konkurrenzen lieferte die neue Russische<br />

Meisterin Kamila Valieva ab, daher ziert sie<br />

auch das Titelbild (Artikel über sie im Januarheft<br />

Seite 7). Sie ist zwar erst 15 Jahre alt, läuft<br />

aber schon wie eine Erwachsene.<br />

Das KP dieses außerordentlichen Talents zur<br />

Musik „In Memoriam“ von Kirill Richter war stilistisch<br />

wie technisch nahezu perfekt und ergab<br />

mit 90,48 Punkten einen neuen Weltrekord. Ihr<br />

3A war absolut erstklassig und erhielt zu Recht<br />

fünfmal Bewertungen von +5. Sie hielt sogar<br />

bei diesem Sprung beide Arme über dem Kopf,<br />

was schwieriger ist und daher mehr Pluspunkte<br />

bringt, auch wenn es wohl kein offizielles Merkmal<br />

(feature) hierfür mehr ist. 3F und 3L-3T waren<br />

ebenfalls erstklassig und die Himmelspirouette<br />

motivierte sogar alle neun Preisrichter, eine<br />

+5 zu geben. Vierfache sind im Frauen-KP noch<br />

nicht erlaubt, daher kann sie jetzt schon rein<br />

mathematisch niemals 100 Punkte oder mehr<br />

bekommen, so wie die besten Männer, denn<br />

zwei sehr gute Vierfache im KP bringen etwa 15<br />

Punkte mehr als zwei Dreifache. Die Komponenten<br />

lagen bei durchschnittlich 9,7, darunter elfmal<br />

(von 45 möglichen) 10,0.<br />

In der Kür zum bekannten Bolero von Maurice<br />

Ravel zeigte sich, dass auch sie nur ein Mensch<br />

ist. Denn nach einem 4S wie aus einem Lehrvideo<br />

(wieder mit Armen oben) stürzte sie beim<br />

3A, ließ aber anschließend eine sehr gute<br />

4T-3T-Kombination folgen, dann vier Dreifache.<br />

Nach einem weiteren 4S machte sie einen kleinen<br />

Zwischenschritt, so dass der folgende 3S<br />

null Punkte erhielt, weil er nicht mehr als Sequenzteil<br />

bewertet wurde. Alles andere, auch<br />

ihr Laufstil, war erneut Weltklasse, aber wegen<br />

des Sturzes gab es diesmal keine Komponente<br />

von 10,0. Ein Trainingsvideo mit einer 4T-4T-<br />

Kombination, das US-Läufer Ilia Malinin kurz<br />

zuvor veröffentlicht hatte, hat sie natürlich<br />

auch schon gesehen. Sie hatte überlegt, im<br />

Training ebenfalls Vierfach-Vierfach zu probieren,<br />

ließ sich aber überzeugen, dass sie sich dabei<br />

verletzen könnte, und will es erst nach der<br />

WM probieren.<br />

Trainerin Eteri Tutberidze hatte in Interviews gesagt,<br />

Valieva sei das größte Talent, das sie je gehabt<br />

habe. Zum Abschluss des Schaulaufens in<br />

Tallinn sprang sie mit dem neuen Europameister<br />

Kondratiuk einen synchronen 4T. In den Jahren<br />

2018 und 2019 lief sie, schon damals als hochtalentiert<br />

erkannt, auch schon in Deutschland,<br />

bei den Weihnachtsshows in Chemnitz, Ingolstadt,<br />

Regensburg und Oberstdorf. Bei der Pressekonferenz<br />

sagte die neue Europameisterin:<br />

»<br />

Kamila Valieva<br />

„Die Zuschauer sind großartig, wir<br />

«<br />

wurden<br />

so toll unterstützt und fühlten uns richtig<br />

geliebt, als wir auf das Eis gingen. Die Kür<br />

heute, naja, es war eine Arbeitskür, nicht alles<br />

hat bei mir geklappt, aber ich werde<br />

weiter trainieren. Ich versuchte, mehr Emotionen<br />

zu zeigen, aber das hat mich abgelenkt.<br />

Ich war nicht ganz entspannt, aber<br />

ich habe es versucht. Ich freue mich, dass<br />

ich es zu den Olympischen Spielen geschafft<br />

habe. Es ist doch der Traum jedes Sportlers,<br />

dort dabei zu sein.“<br />

Die aktuelle Weltmeisterin Anna Shcherbakova<br />

war wieder in guter Form und ließ keine Zweifel<br />

zu, dass sie für die Olympischen Spiele nominiert<br />

wird. Zwar ging sie im KP beim 3L zu Boden,<br />

hatte damit keine Kombination und war<br />

nur auf dem vierten Zwischenrang. Aber die Kür<br />

begann sie mit einem sauberen 4F und zeigte<br />

damit, dass sie wieder da ist. Auch die sieben<br />

Dreifachen (kein Axel) und die <strong>Pirouette</strong>n gelangen<br />

sehr überzeugend und ihre Interpretation<br />

ist ohnehin Weltklasse. Damit konnte sie sich<br />

»<br />

noch auf den Silberrang vorschieben.<br />

Anna Shcherbakova<br />

„Ich fühlte mich fast wie zu Hause,<br />

«<br />

die Transparente,<br />

der Jubel, alles. Nach dem Kurzprogramm<br />

war ich sehr enttäuscht. Der Tag danach<br />

war nervenaufreibend, ich war mit mir<br />

selbst sehr unzufrieden, dass ich die Nervosität<br />

nicht überwunden habe. Vielleicht war es<br />

gut, dass ich zwischen Kurzprogramm und<br />

Kür einen Tag frei hatte. Heute bin wieder<br />

voller Energie zur Kür gekommen. Mit der Kür<br />

war ich wieder sehr zufrieden, und das hat<br />

mich das Kurzprogramm vergessen lassen.“<br />

Alexandra Trusova läuft stilvoller als früher, aber<br />

noch immer etwas weniger elegant als die beiden<br />

Landsfrauen. Im KP verpatzte sie den 3A,<br />

die anderen Elemente gelangen aber ausgezeichnet.<br />

In der Kür glückten 4F und 4S, aber<br />

bei 4T und 4L musste sie zu Boden. Für ihren<br />

Mut spricht, dass sie diese Vierfachen angeht,<br />

aber wenn sie daneben gehen, mindert es den<br />

Eindruck. Dass sie auch diesmal ihr Hündchen<br />

sogar bei der Pressekonferenz vorführte, wirkt<br />

naiv-kindlich, soll aber sicherlich PR für die Regenbogenpresse<br />

sein.<br />

Loena Hendrickx aus der Region Antwerpen, die<br />

bei ihrem Bruder Jorik und bei Adam Solya<br />

(Choreograf auch von Nikita Starostin) trainiert,<br />

wurde die beste nicht-russische Europäerin. Beinahe<br />

hätte sie nicht starten können, denn ihr<br />

Gepäck mit den Schlittschuhen war auf dem<br />

Flug ab Brüssel verlorengegangen. Zunächst<br />

teilte man ihr mit, der Koffer sei nirgendwo registriert<br />

und aufzufinden, was dem Team eine<br />

schlaflose Nacht bereitete. Aber dann fand man<br />

heraus, dass das Gepäckstück auf den Namen<br />

ihres Bruders aufgegeben worden war. Da dieser<br />

aber auch einen eigenen Koffer hatte und jetzt<br />

auf einmal zwei, schien das verdächtig. Aber am<br />

Tag vor dem KP klärte sich alles auf, die wichtige<br />

Fracht traf in Tallinn an und sie konnte wenigstens<br />

vor dem KP noch mal trainieren. Zur<br />

Musik „Caruso“ von Lara Fabian lief sie das bisher<br />

beste KP ihres Lebens mit 3L-3T, 3F, gutem<br />

Stil und 76 Punkten, so dass sie zunächst sogar<br />

sensationelle Zweite war. Aber offensichtlich<br />

machte sie dies ziemlich nervös, denn ihre Kür<br />

wirkte verhalten, obwohl ihr vorher klar war,<br />

dass Shcherbakova und Trusova normalerweise<br />

an ihr vorbeiziehen würden. Platz 4 nach einer<br />

Kür mit fünf verschiedenen Musikstücken und<br />

trotz zwei Stürzen beim 3T nach dem 3L und<br />

später beim etwas unterdrehten 3F ist dennoch<br />

ein großer und verdienter Erfolg. Immerhin gelangen<br />

fast alle anderen Elemente ausgezeichnet<br />

und Bewertungen von +4 dominierten.<br />

Die nächsten Plätze belegten überwiegend gute<br />

russische Läuferinnen, die für andere Länder Osteuropas<br />

starten, aber besser waren als die Westeuropäerinnen<br />

außer Loena Hendrickx. Vier von<br />

ihnen kamen unter die besten zehn. Daher werden<br />

im nächsten Jahr womöglich je zwei Läuferinnen<br />

aus Russland für Polen, Aserbaidschan,<br />

Georgien und Belarus starten und die nicht gerade<br />

erstklassigen Westeuropäerinnen noch weiter<br />

nach hinten schieben. Ekaterina Kurakova läuft<br />

für Polen, trainierte eine Saison lang bei Brian<br />

Orser und jetzt bei Lorenzo Magri in Egna. Sie<br />

holte mehr als 200 Punkte, konnte sowohl mit<br />

einem neuen KP zu einem gefühlvollen Walzer<br />

von Tschaikovsky als auch in der wirklich interpretierten<br />

Kür zu Filmmusiken von Charles Chaplin<br />

überzeugen. Außer einer nicht ganz sauberen<br />

KP-Kombination machte sie keinen einzigen Fehler.<br />

Ekaterina Ryabova läuft für Aserbaidschan<br />

und gefiel mit Stabilität bei den Sprüngen.<br />

Frauen | Europameisterschaften<br />

KP Kür Pkt<br />

1 Kamila Valieva – Russland 1 1 259.06<br />

2 Anna Shcherbakova – Russland 4 2 237.42<br />

3 Alexandra Trusova – Russland 3 3 234.36<br />

4 Loena Hendrickx – Belgien 2 5 207.97<br />

5 Ekaterina Kurakova – Polen 5 4 204.73<br />

6 Ekaterina Ryabova – Aserbaidschan 7 6 196.75<br />

7 Anastasiia Gubanova – Georgien 6 9 188.17<br />

8 Niina Petrökina – Estland 17 7 187.07<br />

9 Viktoriia Safonova – Weißrussland 8 8 185.41<br />

10 Alexia Paganini – Schweiz 9 10 178.10<br />

11 Eva-Lotta Kiibus – Estland 15 11 171.64<br />

12 Lea Serna – Frankreich 10 13 171.00<br />

13 Nicole Schott – Deutschland 11 14 170.18<br />

14 Josefin Taljegard – Schweden 18 15 164.30<br />

15 Olga Mikutina – Österreich 12 17 164.01<br />

16 Lara Naki Gutmann – Italien 23 12 163.99<br />

17 Natasha McKay – Großbritannien 19 16 161.74<br />

18 Jenni Saarinen – Finnland 16 19 160.32<br />

19 Yasmine Kimiko Yamada – Schweiz 21 18 159.18<br />

20 Alexandra Feigin – Bulgarien 20 20 155.56<br />

21 Eliska Brezinova – Tschechien 13 21 155.24<br />

22 Aleksandra Golovkina – Litauen 24 22 142.20<br />

23 Regina Schermann – Ungarn 22 23 133.42<br />

Ausgeschieden:<br />

– Marina Piredda – Italien 14 – 59.53<br />

Finale nicht erreicht:<br />

25 Anete Lace – Lettland 25 – 49.75<br />

26 Oona Ounasvuori – Finnland 26 – 49.13<br />

27 Lindsay Van Zundert – Niederlande 27 – 48.92<br />

28 Dasa Grm – Slowenien 28 – 47.85<br />

29 Antonina Dubinina – Serbien 29 – 47.77<br />

30 Taylor Morris – Israel 30 – 46.60<br />

31 Linnea Kilsand – <strong>No</strong>rwegen 31 – 45.51<br />

32 Marilena Kitromilis – Zypern 32 – 44.03<br />

33 Alexandra Michaela Filcova – Slowak. 33 – 43.56<br />

34 Aldis Kara Bergsdottir – Island 34 – 42.23<br />

35 Sinem Pekder – Türkei 35 – 42.16<br />

36 Maia Sörensen – Dänemark 36 – 40.93<br />

Europameisterschaften

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