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moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

Es wird zugig, auch<br />

für Deutschland<br />

Jede Krise soll auch ihr Gutes haben. Die Ukraine-Krise hat zumindest den Vorteil,<br />

dass sie Abhängigkeiten Deutschlands offenlegt, die niemand mehr ignorieren<br />

kann. Deutschland hat sich Russland in Sachen Energie ausgeliefert, mit<br />

am stärksten in Europa. Das zeigt sich in aller Schärfe, wenn man einen Stopp der<br />

russischen Gaslieferungen einmal gedanklich durchspielt. Eine deutsche Politikerin<br />

in Europa, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, sagt zwar, Europa sei<br />

vorbereitet auf mögliche Kürzungen der Gaslieferungen Russlands. Dann haben ihre<br />

Experten das Papier „Can Europe survive painlessly without Russian gas?“ des Brüsseler<br />

Thinktanks Bruegel sicher nicht gelesen (https://www.bruegel.org/<strong>2022</strong>/01/<br />

can-europe-survive-painlessly-without-russian-gas/).<br />

Schon bisher hat Europa viel Glück gehabt mit dem milden Winter und es hat im<br />

Januar bereits ein Viertel mehr Flüssiggas (LNG) aus anderen Staaten importiert als<br />

noch im Dezember. Dennoch waren die deutschen Speicher Ende Januar nur zu<br />

42 Prozent gefüllt (Durchschnittswert 2016 bis 2020: 56 Prozent). Ende Januar galt:<br />

Wenn Russland die Versorgung einstellt und das Wetter extrem kalt ist, sind die heimischen<br />

Speicher Ende März leer, selbst bei weiter hohen LNG-Lieferungen.<br />

Was aber wäre, fielen die russischen Gaslieferungen sogar für Jahre aus? Theoretisch<br />

ließe sich das über ungenutzte Pipeline- und LNG-Hafenanlagen ausgleichen.<br />

In der Praxis ist der Flüssiggasmarkt jetzt schon angespannt (Verflüssigungsanlagen<br />

und Schiffe ausgelastet) und die Lieferanten haben meist langfristige Verträge,<br />

vor allem mit Staaten in Asien. Zusatznachfrage in einem extrem engen Markt ließe<br />

überdies die Preise explodieren. Zudem ist das Pipeline-System in Europa auf<br />

Transporte von Ost nach West und nicht umgekehrt ausgelegt. Die Angebotsseite<br />

allein, folgert Bruegel, kann einen Ausfall des Russen-Gases nicht kompensieren.<br />

Auf der Nachfrageseite ließen sich manche Gaskraftwerke auch mit Öl betreiben.<br />

Kohlekraftwerke könnten wieder hochgefahren werden. Muss dann auch die Industrie<br />

ihren Verbrauch drosseln? Schon jetzt wird in Branchen wie Aluminium,<br />

Chemie oder Dünger in Europa wegen hoher Gaspreise die Produktion mancherorts<br />

zurückgefahren. Und die Bruegel-Experten denken darüber nach, ob nicht die Verbraucher<br />

die Thermostate etwas zurückdrehen und Türen besser isolieren könnten<br />

– und ob man sie für Energieeinsparungen staatlicherseits belohnen könne. Wie man<br />

es auch dreht und wendet: Ein Lieferstopp Russlands hätte extreme Folgen.<br />

Wenn wir schon bei deutscher Blauäugigkeit und Versäumnissen sind: Deutschland<br />

hält die Nato zwar angeblich für wichtig, schafft es aber weiter nicht, wie<br />

versprochen zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung<br />

auszugeben. Deutschlands Armee ist seit Ewigkeiten nur in Teilen einsatzfähig,<br />

wie sich immer wieder zeigt. „Die Truppe ist Berlin schnuppe“,<br />

habe ich schon in einem Editorial vom 13. September 2006 (!) an dieser<br />

Stelle geschrieben. In den bald 16 Jahren seither hat sich das nicht<br />

geändert. Und nun: die harte Realität des Jahres <strong>2022</strong>.<br />

Ihr<br />

FRANK MERTGEN<br />

stellv. Chefredakteur<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong><br />

Aus aktuellem Anlass!<br />

Lesen Sie <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> bequem zu Hause<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

die russische Bedrohung der Ukraine hält die Welt in Atem,<br />

die Inflation steigt auf lange nicht erreichte Werte, die großen<br />

Notenbanken leiten die Zinswende ein: Wie geht es weiter mit<br />

den Aktienkursen, wenn die expansive Geldpolitik an ihre Grenzen<br />

stößt und die Geopolitik für Schocks sorgt? Mein Tipp: Sie erfahren<br />

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ab 8.00 Uhr. Wenn Sie <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> nach Bezug wieder im Handel kaufen<br />

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<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong><br />

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3


moneyinhalt<br />

23. FEBRUAR <strong>2022</strong> www.money.de<br />

6<br />

Keine Panik!<br />

Trotz angespannter Situation<br />

an der ukrainisch-russischen<br />

Grenze, Inflationsängsten<br />

und ungewisser Zinsschritte<br />

der Notenbanken: <strong>FOCUS</strong>-<br />

<strong>MONEY</strong> zeigt, wie Sie auch<br />

<strong>2022</strong> Gewinn<br />

machen<br />

moneykompakt<br />

98 Andis Börsenbarometer: Warum<br />

Anleger nicht dem „Home Bias“-<br />

Effekt erliegen – und besser auch<br />

im Ausland investieren sollten<br />

moneytitel<br />

6 Krise als Chance: <strong>2022</strong> beginnt<br />

an den Börsen sehr turbulent. Für<br />

Anleger heißt es: Ruhe bewahren<br />

9 Chartsignal: Dax zeigt<br />

Bodenbildung<br />

9 Börsenwissen: Was der Vola-<br />

Index Anlegern verrät<br />

10 Aufholjagd: Mit Anlagen aus den<br />

Bereichen Finanzen, Telekom, Öl<br />

und Gold Boden gutmachen<br />

12 Interview: Börsenlegende Jens<br />

Ehrhardt über den Ukraine-Konflikt,<br />

hohe Inflationsraten, Zinsschritte<br />

der Notenbanken und die<br />

Entwicklung der Euro-Börsen<br />

18 Strategie: Mit der „Chamäleon“-<br />

Methode aus ETFs passen sich<br />

Anleger flexibel den Märkten an<br />

22 Wertewandel: Value-Fonds und<br />

-ETFs erleben eine Renaissance<br />

26 Silber: Als Krisenmetall und in der<br />

Industrie sehr begehrt. Wie der<br />

Einstieg in „Argentum“ noch lohnt<br />

30 Rheinmetall: Der Militärkonzern<br />

ist für die Zukunft gut gerüstet<br />

32 Nahrung: Defensive Lebensmittelaktien<br />

– vier starke Titel<br />

36 Kolumne: EZB und Politik dürfen<br />

die Inflationsgefahr nicht ignorieren,<br />

mahnt Professor Roland Koch<br />

moneymarkets<br />

38 Interview: VDA-Präsidentin<br />

Hildegard Müller über das<br />

Autoland Deutschland, die<br />

Chip-Krise und die Rolle der Politik<br />

für die Branche<br />

62<br />

Ärger am Bau<br />

Explodierende<br />

Baukosten, steigende<br />

Finanzierungszinsen,<br />

gekürzte Förderungen,<br />

neue Steuerregeln:<br />

Alles dicke Brocken,<br />

die Immobilienkäufer<br />

jetzt aus dem Weg<br />

räumen müssen<br />

12<br />

„Alle kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen,<br />

die ich erlebt<br />

habe, haben die Börsen<br />

immer nur sehr<br />

kurzfristig gedrückt“<br />

JENS EHRHARDT, TOP-<br />

VERMÖGENSVERWALTER UND<br />

FONDSMANAGER MIT MEHR ALS<br />

50 JAHREN BÖRSENERFAHRUNG<br />

4 Inhalt: DJE Kapital, Russian Look Ltd./Alamy Stock Photo, Adobe Stock, D. Butzmann/VDA, VectorStock<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong>


57<br />

Mensch im Mittelpunkt<br />

Wie bei Leonardos berühmter Federzeichnung<br />

(Bild) ist beim Telemedizin-<br />

Konzern Teladoc der Homo sapiens das<br />

Maß aller Dinge. Warum die angeschlagene<br />

Aktie wieder gesunden könnte<br />

42 Mobilitätstrends: Carsharing und<br />

den Fahrdiensten gehört die<br />

Zukunft. Drei profitable Player<br />

45 Subventionen: Wie der Staat<br />

E-Autos jetzt finanziell fördert<br />

46 Ladesäulen: Für die Energiewende<br />

muss das E-Zapfsäulen-Netz<br />

wachsen. Welche Firmen profitieren<br />

48 Kfz-Markt: Ersatzteil- und Gebrauchtwagenhändler<br />

sowie<br />

Pneu-Fabrikanten in den USA<br />

boomen. Top-Branchenfavoriten<br />

51 Musterdepots: Jaensch setzt auf<br />

BT Group, Fischer baut Positionen<br />

bei Charter und Ryanair aus<br />

52 Oldtimer: Was Fans historischer<br />

Klassiker im Hinblick auf Kauf und<br />

Renditechancen wissen müssen<br />

55 Porr: Österreichs Baukonzern mit<br />

solider Basis für steigende Kurse<br />

60 FACC: Der Flugzeugindustrie-Zulieferer<br />

könnte wieder abheben<br />

moneydigital<br />

56 Kolumne: Lohnt sich ein<br />

Investment in deutsche Aktien?<br />

57 Analyse: Trotz Einbußen hat der<br />

Telemedizin-Konzern Teladoc<br />

Chancen auf ein Comeback<br />

moneyanlegerschutz<br />

61 Standpunkt: DSW sieht den<br />

neuen Entwurf des Justizministeriums<br />

zu virtuellen HVs kritisch<br />

61 Experten-Tipp: Für und Wider<br />

von Zinsplattformen im Internet<br />

moneyservice<br />

62 Immobilien: Welche Hürden<br />

Käufer künftig meistern müssen<br />

66 Kundenzufriedenheit: Wie<br />

Konsumenten Firmen beurteilen<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe – Impressum<br />

98 Termine<br />

38<br />

„Mobilität muss<br />

für jeden bezahlbar<br />

bleiben“<br />

HILDEGARD MÜLLER,<br />

PRÄSIDENTIN DES VERBANDS DER<br />

AUTOMOBILINDUSTRIE (VDA)<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong> Titel: Markus Hintzen/laif<br />

5


moneytitel<br />

SILBER<br />

Energiewende?<br />

Krise? – Silber!<br />

SILBERBERGBAU,<br />

SILBERBARREN: Die<br />

Ukraine-Krise und Inflationsfurcht<br />

treiben Edelmetalle an<br />

Investoren haben Silber als Krisenmetall wiederentdeckt. Zudem floriert die Industrienachfrage.<br />

Zwei Argumente, die für Silber als Depotbeimischung sprechen – als Metall und als Minenaktie<br />

Quellen: Silver Institute, Metals Focus, Kitco, Bloomberg<br />

Angebot unter Nachfrage<br />

Aufgrund vieler Corona-Auflagen und damit Minenschließungen<br />

fiel das Silberangebot 2020 unter eine<br />

Milliarde Unzen. Jetzt nimmt es wieder zu, doch am<br />

Markt dürfte ein Nachfrageüberhang bleiben.<br />

Angebot und Nachfrage nach Silber<br />

weltweit, in Mio. Unzen, <strong>2022</strong> Prognose<br />

Angebot Nachfrage<br />

2012 13 14 15 16 17 18 19 20 21 <strong>2022</strong><br />

1200<br />

800<br />

400<br />

0<br />

von JOHANNES HEINRITZI<br />

Außerordentlich vielversprechend“ – so sieht das Urteil<br />

des Silver Institute für das Silberjahr <strong>2022</strong> aus. Die<br />

weltweite Nachfrage nach dem Edelmetall dürfte im<br />

laufenden Jahr um acht Prozent steigen. Somit könnte sie<br />

knapp über die Schnapszahl 1111 Millionen Unzen steigen.<br />

„Silber profitiert von der Energiewende“, sagt Benjamin Louvet,<br />

Fondsmanager des OFI Financial Investment Precious<br />

Metals Fonds, als eine Begründung. Damit können Anleger<br />

bereits erahnen, dass es sich bei Silber nicht nur um das reine<br />

Edelmetall wie bei Gold handelt. Neben den Vorzügen als<br />

werterhaltender und geldähnlicher Rohstoff stechen bei Silber<br />

vielseitige Eigenschaften hervor, die das Metall begehrenswert<br />

für die Industrie machen. Da wären Leit- und<br />

26 Fotos: Bloomberg, iStock<br />

Composing: <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong><br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong>


Volatiler Silberpreis<br />

Durch gezielte Aufkäufe, Marktmanipulation sagen<br />

manche, erreichte der Silberpreis zweimal rund 50<br />

Dollar. Verschärft sich die Angebot-Nachfrage-Situation,<br />

könnte die Reise zu den alten Höhen führen.<br />

Preis für 1 Feinunze Silber in US-Dollar<br />

1970 1980 1990 2000 2010 2020<br />

Quelle: Bloomberg<br />

Hohe geografische Konzentration<br />

Mexiko ist mit Abstand das Silberland Nummer<br />

eins. Dort gibt es viel überwiegend Silber abbauenden<br />

Bergbau. China ist nicht nur der größte Goldproduzent,<br />

sondern auch Nummer zwei bei Silber.<br />

Größte Silberproduzenten 2021<br />

Produktion in Millionen Unzen<br />

Mexiko 180<br />

China 1<strong>09</strong><br />

Peru 96<br />

Chile 51<br />

Australien 42<br />

Russland 42<br />

Polen 42<br />

Quelle: US Geological Survey<br />

Autos fahren auf Silber ab<br />

Eigenschaften wie sehr gute Temperatur- und<br />

Stromleitfähigkeit sowie Dehnbarkeit und Weichheit<br />

geben Silber Vorteile bei der Verarbeitung in<br />

der Elektronik und steigern so die Nachfrage.<br />

Silbernachfrage der Autoindustrie<br />

in Millionen Unzen, ab 2020 Prognose<br />

Elektroautos<br />

Hybridfahrzeuge<br />

Verbrennungsmotoren<br />

2015 2020 2025 2030 2035 2040<br />

Quellen: Silver Institute, Metal.Digital<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

120<br />

80<br />

40<br />

0<br />

Reflexionsfähigkeit sowie die antiseptische Wirkung, die seit<br />

Jahrtausenden zum Beispiel zum Abtöten von Keimen in<br />

Trinkwasser genutzt wird und die heutzutage zunehmend<br />

im Gesundheitswesen wiederentdeckt wird.<br />

Doch neben den immer breiter gefächerten industriellen<br />

Anwendungen bleibt die Investmentnachfrage nach physischem<br />

Silber in Form von Münzen und Barren mit ausschlaggebend<br />

dafür, ob der Silberpreis nach oben oder nach unten<br />

geht. Dabei zeigen sich die aktuellen geopolitischen Spannungen<br />

sowie die Furcht der Anleger vor starken inflationären<br />

Tendenzen als Treiber. 2021 dürften die Münzen und<br />

Barren, die sich Investoren in die Tresore legten, ein Gewicht<br />

von 263 Millionen Unzen gehabt haben. 2020 waren es 199<br />

Millionen Unzen. 2021 bedeutete dies rund ein Viertel der<br />

Gesamtnachfrage. In den vergangenen zwei Jahren kamen<br />

zudem Investments in physisch besicherte Silber-ETCs und<br />

-ETFs (Exchange Traded Commodities beziehungsweise<br />

Funds) von gut 330 Millionen und etwa 150 Millionen Unzen<br />

hinzu. Bei den Nachfragezahlen für <strong>2022</strong> sind ETCs/<br />

ETFs mit null angesetzt, daher sehen die Zahlen für 2020<br />

und 2021 entsprechend höher aus. Sollte es wieder zu Zuflüssen<br />

kommen, könnte der Silberpreis deutlich nach oben<br />

reagieren. Denn der Markt ist im Vergleich zu Gold relativ<br />

klein und die Lager scheinen größtenteils geleert.<br />

Anleger, die eine Absicherung in den geopolitisch unsicheren<br />

Zeiten und zudem wegen der Gefahr restriktiverer Geldpolitik<br />

suchen, können daher noch relativ günstig auf Silber<br />

setzen. Immerhin blieb Silber über die vergangenen Jahre<br />

hinter Gold zurück, was sich an dem Gold-Silber-Preisverhältnis<br />

ablesen lässt. Aktuell steht es bei knapp 80. Der langjährige<br />

Durchschnitt beträgt jedoch eher um die 60. Selbst<br />

wenn der Goldpreis auf 1700 US-Dollar zurückfallen sollte,<br />

wovon aktuell nicht auszugehen ist, müsste Silber auf gut 28<br />

US-Dollar steigen, wenn die durchschnittliche Ratio erreicht<br />

würde. Neben dem Metall Silber könnten für risikobereite Investoren<br />

auch die spekulativeren, mit einem Hebel ausgestatteten<br />

Aktien von Silberproduzenten eine Alternative sein<br />

(s. Kasten nächste Seite).<br />

Silber unter Strom. Gerade dieses Zwitterdasein des Silbers<br />

zwischen der Anlagewelt und dem tatsächlichen täglichen<br />

Gebrauch verleiht Silber besondere Fantasie. So könnten<br />

in den kommenden Jahren weitere Impulse zum Beispiel<br />

aus dem Kraftfahrzeugsektor wegen des Übergangs vom Verbrennungsmotor<br />

zum Elektroantrieb kommen. In Elektrovehikeln<br />

wird aufgrund der Leitfähigkeit deutlich mehr Silber<br />

verbaut, was die Nachfrage steigern sollte (s. Grafik links).<br />

Bei der Photovoltaik gehört Silber seit Langem zu den<br />

Grundelementen. 2020 dürften rund 100 Millionen Unzen<br />

in den Anlagen verbaut worden sein. „Im Jahr 2021 stieg die<br />

Photovoltaik-Kapazität im Vergleich zu 2020 um 30 Prozent<br />

auf 170 Gigawatt. Die Internationale Energieagentur (IEA)<br />

schätzt, dass wir von heute bis 2030 jedes Jahr Kapazitäten<br />

von 620 Gigawatt installieren müssen“, sagt OFI-Rohstoffexperte<br />

Louvet. Der Nährboden für eine steigende Silbernachfrage<br />

und damit einen steigenden Preis scheint somit<br />

bereitet. Die größten Unsicherheiten ergeben sich aus den<br />

Zu- beziehungsweise Abflüssen bei ETCs/ETFs sowie der Entwicklung<br />

des Recyclings von Altsilber.<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong><br />

27


moneymarkets<br />

Vita<br />

INTERVIEW<br />

Mobilität<br />

muss für<br />

jeden<br />

bezahlbar<br />

bleiben“<br />

Hildegard Müller<br />

Diplom-Betriebswirtin, Studium an der Heinrich-Heine-<br />

Universität zu Düsseldorf<br />

Ehemals Mitglied des Bundestags sowie Staatsministerin<br />

unter Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

Danach Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des<br />

Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft<br />

Seit Februar 2020 Präsidentin des Verbands der<br />

Automobilindustrie (VDA)<br />

VDA-Präsidentin Hildegard Müller über<br />

den Umstieg auf Elektroautos, die Tücken<br />

des Klimaschutzes, fehlende Chips und<br />

die Pflichten der Politik<br />

von MARC BÄCHLE<br />

Die Automobilität ist in einer gigantischen Transformationsphase.<br />

Deutschland ist besonders betroffen – und gespalten. Mercedes<br />

und Volkswagen sagen sich vom Verbrenner los, während<br />

BMW kein Enddatum nennt und sich technologieoffen zeigt.<br />

Wie managt Ihr Verband die verschiedenen Ausrichtungen?<br />

Hildegard Müller: Deutschland war und ist das Autoland!<br />

Wir investieren, damit das so bleibt, in Lösungen<br />

für Klimaneutralität und Mobilität der Zukunft! „Made<br />

in Germany“ war und ist höchstes Gütesiegel für ein<br />

Auto – und wird es auch in Zukunft sein! Die Autoindustrie<br />

steht aus fester Überzeugung hinter den Pariser Klimazielen<br />

und will schnellstmöglich eine klimaneutrale<br />

Mobilität realisieren, die für alle zugänglich und<br />

bezahlbar ist. In Sachen Pkw ist der klare Fokus der<br />

38 Foto: D. Butzmann/VDA<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong>


NEWMOBILITY<br />

„Die Automobilindustrie ist<br />

die größte Branche des<br />

Verarbeitenden Gewerbes<br />

und gemessen am Umsatz<br />

der mit Abstand bedeutendste<br />

Industriezweig in<br />

Deutschland.“<br />

Quelle: Website des<br />

Bundesministeriums für<br />

Wirtschaft und Klimaschutz<br />

Kurz vorgestellt:<br />

Der Verband der Automobilindustrie<br />

(VDA) mit Sitz in<br />

Berlin zählt mehr als 650<br />

Hersteller und Zulieferer zu<br />

seinen Mitgliedern und ist<br />

die Interessenvertretung<br />

gegenüber staatlichen und<br />

politischen Institutionen.<br />

Der VDA nimmt die Aufgabe<br />

wahr, sich für Rahmenbedingungen<br />

und Leitplanken<br />

einzusetzen, damit<br />

Unternehmen aus der Mobilitätsindustrie<br />

„ihre Visionen<br />

realisieren und ihre Angebote<br />

erfolgreich auf den<br />

Markt bringen können“.<br />

Zum Vorstand des Verbands<br />

zählt 19 Mitglieder<br />

aus der deutschen Autoindustrie,<br />

u. a. Ola Källenius<br />

(CEO Mercedes-Benz<br />

Group), Oliver Zipse (CEO<br />

BMW) und Herbert Diess<br />

(CEO Volkswagen).<br />

<strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong><br />

Hersteller auf dem Hochlauf der Elektromobilität.<br />

Was zählt, ist die Dynamik der Transformation<br />

insgesamt. Die Unternehmen bauen<br />

die Werke um und investieren Rekordsummen:<br />

Allein bis 2026 fließen 220 Milliarden<br />

Euro in Forschung und Entwicklung, vor allem<br />

in neue Antriebe und Digitalisierung. Nur so<br />

können wir die Klimaziele im Straßenverkehr<br />

erreichen. Das gilt insbesondere beim Thema<br />

Wasserstoff und auch bei E-Fuels, also synthetischen<br />

Kraftstoffen, mit denen wir die Autos<br />

im Bestand klimaneutral betreiben können.<br />

Unterschiedliche Strategien und Ansätze unserer<br />

Mitglieder sind Ausdruck unserer Stärke.<br />

Trotzdem entwickeln sich die Regionen unterschiedlich.<br />

Japan setzt auf Wasserstoffautos, die EU auf<br />

rein elektrische Fahrzeuge, in Südamerika dürften<br />

sich die Bio-Kraftstoffe durchsetzen. Bleiben für<br />

bestimmte Marken bestimmte Absatzmärkte damit<br />

geschlossen?<br />

Müller: Wichtig ist es, für unterschiedliche<br />

Regionen und Anwendungen unterschiedliche<br />

Lösungen zu entwickeln. Das Klimaproblem<br />

kann nur global gelöst werden, deswegen müssen<br />

wir beim Klimaschutz auch immer entsprechend<br />

global denken und agieren. Das<br />

heißt: Europa und Deutschland dürfen keine<br />

Technologie ausschließen, die weltweit gebraucht<br />

wird, um die Klimaziele im Straßenverkehr<br />

zu erreichen. Wir brauchen Technologieoffenheit.<br />

Allein mit Blick auf den Bestand<br />

können die gesteckten Klimaziele ohne E-<br />

Fuels nicht erreicht werden. Wir sollten in diesem<br />

Bereich jetzt zu Pionieren werden, statt zu<br />

zögern. Dafür muss Berlin jetzt in Brüssel die<br />

Weichen stellen. Gleiches gilt für das Thema<br />

Wasserstoff, der sich vor allem für Antriebe von<br />

schweren Lkws im Fernverkehr anbietet.<br />

Ist die deutsche und europäische Politik nicht zu<br />

sehr von ihrem selbst erzeugten E-Auto-Hype gefesselt?<br />

E-Fuels und Wasserstoff werden ja doch etwas<br />

stiefmütterlich behandelt.<br />

Müller: Grundsätzlich gilt: Alle Technologien<br />

werden gebraucht! Neben der Elektromobilität<br />

sind alternative, klimaneutrale Kraftstoffe,<br />

wie E-Fuels oder Wasserstoff, mitentscheidende<br />

Faktoren und notwendiger Teil der Lösung.<br />

Die Aufgabe der Politik ist es nicht, bestimmte<br />

Technologien festzulegen oder auszuschließen.<br />

Vielmehr gilt es, für die ambitioniertesten Klimaziele<br />

der Welt auch die weltweit besten<br />

Standortbedingungen zu etablieren. Wir haben<br />

das gemeinsame Ziel, dass die Transformation<br />

der Autoindustrie zu einer Erfolgsgeschichte<br />

mit internationalem Vorbildcharakter<br />

wird – die dann auch kopiert wird. Dafür muss<br />

die Politik auch die soziale Ausgestaltung noch<br />

stärker in den Fokus nehmen: Transformation<br />

und Wandel können nur mit den Menschen<br />

gelingen. Nur wenn wir die Lebensrealitäten<br />

aller Menschen berücksichtigen, können sie<br />

langfristig erfolgreich sein. Mobilität darf kein<br />

Privileg werden und muss jederzeit für jeden<br />

zugänglich sowie bezahlbar sein.<br />

Die Transformation bringt neue Mitspieler auf den<br />

Markt. Neben Tesla sorgen auch Rivian, Fisker und<br />

Nio für Furore. Was bedeutet der breitere Wettbewerb<br />

für den deutschen Autostandort?<br />

Müller: Neue Player auf dem Markt müssen<br />

den deutschen Herstellern grundsätzlich keine<br />

Sorge machen. Wir stehen weltweit für höchste<br />

Qualität. Mit den gewaltigen Investitionen in<br />

Forschung und Entwicklung demonstriert die<br />

Branche ihre Entschlossenheit, die Transformation<br />

zu einer Erfolgsgeschichte zu machen,<br />

international voranzugehen und die Standards<br />

zu setzen. Die deutsche Automobilindustrie<br />

wird mit diesen massiven Investitionen und ihren<br />

Innovationen auch weiterhin die weltweit<br />

sichersten, effizientesten, qualitativ hochwertigsten<br />

und klimaneutralen Fahrzeuge für alle<br />

Segmente herstellen. Deutschland ist der automobile<br />

Innovationstreiber für die Welt. Jetzt<br />

und auch in Zukunft. Wir finden es auch gut,<br />

dass Tesla nach Deutschland kommt. Das zeigt,<br />

wie attraktiv die deutsche Automobilindustrie<br />

ist. Es spornt den Wettbewerb der Hersteller an<br />

– und die Zulieferer profitieren, weil ein weiterer<br />

Konzern zum Kunden wird.<br />

Umweltbonus, Innovationsprämie, Kfz-Steuerersparnis<br />

– was bewirken nach Meinung des VDA die<br />

staatlichen Förderanreize bei E-Autos?<br />

Müller: Bei einer gesellschaftlich gewünschten<br />

Transformation reden wir nicht über marktgetriebene<br />

Entwicklungen, daher geht es nicht<br />

ohne staatliche Förderung und Unterstützung.<br />

Bei solch kurzen Zielzeiträumen, die wir uns<br />

vorgenommen haben, sind solche Maßnahmen<br />

ein wichtiges Instrument. Und eine Investition,<br />

die sich langfristig auszahlt. Eine erfolgreiche<br />

Transformation ist im Interesse von uns allen.<br />

Die Erfolge stellen sich übrigens bereits ein:<br />

Noch nie wurden so viele E-Automobile wie<br />

2021 zugelassen. Dazu tragen natürlich auch<br />

die Förderbedingungen, die heute gelten, einen<br />

großen Anteil bei. Das Elektroauto ist nun auf<br />

dem Weg, ein Massenprodukt zu werden. Mit<br />

dem Massenmarkt kommen weitere Technologiesprünge<br />

und Skaleneffekte, sodass die Kosten<br />

für ein Elektroauto sicher weiter sinken<br />

werden – sie werden dann auf Dauer niedriger<br />

sein als beim Verbrenner.<br />

39


moneyservice<br />

IMMOBILIENKAUF<br />

Die goldenen Zeiten<br />

sind vorbei<br />

Mit welchen neuen Schwierigkeiten Bauherren und<br />

Wohnungskäufer bei Kosten, Finanzierung, Auflagen,<br />

Fördermitteln und Steuern künftig zu rechnen haben<br />

– und was das für ihre Kalkulation bedeutet<br />

von WERNER MÜLLER<br />

HAUSBAU: Die finanziellen<br />

und regulatorischen<br />

Rahmenbedingungen<br />

verschlechtern sich<br />

62<br />

Foto: stormpic/Photocase <strong>FOCUS</strong>-<strong>MONEY</strong> 9/<strong>2022</strong>

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