magische und reale räume im tempel von edfu - MOSAIKjournal.com
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MAGISCHE UND REALE RÄUME | 211<br />
unmittelbar einleuchtend ist, 42 erschließt sich der Zusammenhang<br />
zwischen der Anbringung best<strong>im</strong>mter Szenen an anderer Stelle<br />
nicht ganz so unmittelbar. So darf man sich z. B. die Frage stellen,<br />
warum sich an der Umfassungsmauern u. a. Opferszenen finden. 43<br />
Da ebenso wie vom Pylon auch <strong>von</strong> der “Inneren Umfassungsmauer”<br />
– wie oben dargestellt – ein Schutzaspekt für den gesamten<br />
Tempel zu erwarten ist, sollte man doch erwarten, daß sich auch<br />
hier vornehmlich Szenen finden, die mit Feindvernichtung zu tun<br />
haben. Hier kommt das Prinzip der “Wandtransparenz” ins Spiel.<br />
Tatsächlich steht die “Innere Umfassungsmauer” beinahe ganz <strong>im</strong><br />
Zeichen zweier Themen, nämlich der Feindvernichtung <strong>und</strong> des<br />
artverwandten königlich/göttlichen Herrschaftsanspruches, welche<br />
fast alle dort angebrachten Ritualszenen beeinflusst haben. 44<br />
Bei der Beobachtung der Szenen vor Ort ist nun aber zu unterscheiden<br />
zwischen “typisierten” <strong>und</strong> “untypisierten” Ritualszenen.<br />
45 Typisierte Ritualszenen sind hierbei solche, deren Thema<br />
eindeutig in eine Richtung weist, so daß sie unmittelbar eingesetzt<br />
werden können. Im Falle einer Tempelumfassungsmauer mit dem<br />
Themenschwerpunkt “Feindvernichtung” wären dies Ritualszenen<br />
wie “Seth töten”, “Den Ball schlagen”, oder “Das Nilpferd speeren”.<br />
Untypisierte Ritualszenen hingegen sind solche, deren Themen<br />
zwar einen Dienst an der Gottheit darstellen, bei denen jedoch<br />
kein unmittelbares Oberthema erkennbar sein muß. Beispiele hierfür<br />
sind Opferszenen, die nicht <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />
Schlachtung <strong>von</strong> Feindestieren stehen. Solche Szenen lassen zunächst<br />
an ein Oberthema wie “Fruchtbarkeit” denken, welches <strong>im</strong><br />
Tempel durchaus vertreten ist. Untypisierte Ritualszenen distanzieren<br />
sich jedoch <strong>von</strong> dieser Einordnung durch ihre Textgestaltung,<br />
die an das jeweilige Oberthema der Wand angepasst werden kann,<br />
42 Dies betrifft auch die anderen oben genannten Szenen auf dem Pylonen.<br />
Die Weihräucherszenen z. B. haben den Sinn, die Reinheit des<br />
Tempels <strong>und</strong> seiner Besucher bereits “an der Tür” sicherzustellen.<br />
43 Wobei es sich eben nicht zwangsweise um das Opfern <strong>von</strong> Feindtieren<br />
handeln muß.<br />
44 Es findet sich ein drittes Thema auf der Außenwand, welches allerdings<br />
lange nicht so dominant ist, <strong>und</strong> zwar “Fruchtbarkeit/Regeneration”;<br />
vgl. Anm. 48.<br />
45 Zu diesen Begrifflichkeiten siehe generell GRAEFF (2010).