magische und reale räume im tempel von edfu - MOSAIKjournal.com
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214| JAN-PETER GRAEFF<br />
verdanken. Eine Opferszene der Umfassungsmauer, deren Hauptthema<br />
Schutz <strong>und</strong> Feindvernichtung ist, sieht also <strong>im</strong> Regelfall<br />
gänzlich anders aus, als eine Opferszene des gleichen Themas an<br />
anderer Stelle, die ihre Gestaltung dem <strong>magische</strong>n Themenkomplex<br />
der Fruchtbarkeit verdankt. Magie best<strong>im</strong>mt also <strong>im</strong> vorliegenden<br />
Fall die <strong>reale</strong> Wanddekoration, wobei das Thema der Magie wiederum<br />
durch das Bauelement <strong>und</strong> seine Funktion bedingt ist.<br />
Die vorliegenden Textbeispiele haben am Beispiel des Tempels<br />
<strong>von</strong> Edfu deutlich gemacht, daß das Areal <strong>und</strong> die Räume eines<br />
ägyptischen Tempels über mehrere D<strong>im</strong>ensionen verfügt: Eine<br />
<strong>reale</strong> <strong>und</strong> eine theologisch-mythische. Sie machen aber ebenso<br />
deutlich, daß die antiken Ägypter zwischen diesen D<strong>im</strong>ensionen<br />
nur bedingt unterschieden haben. Beides war gleichermaßen real<br />
für sie <strong>und</strong> so erklärt sich ein in der altägyptischen Theologie<br />
gr<strong>und</strong>legender Gedanke, demzufolge das tägliche Tempelritual<br />
nicht allein die Götterwelt bestehen ließ, sondern ebenso die der<br />
Menschen. 50 Der Dienst an den Göttern in Form <strong>von</strong> Tempelbauten<br />
<strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Gottesdiensten bewirkte zugleich<br />
den Schutz <strong>und</strong> das Fortbestehen Ägyptens. 51 Indem man die<br />
50 Folgerichtig resultiert der Vollzug <strong>von</strong> Ritualszenen, die den empfangenden<br />
Gott mit Schutz versehen sollen auch in einer entsprechenden<br />
Gegenleistung. siehe z. B. CHASSINAT (1930) 367, 18: In dieser Ritualszene<br />
erhält Horus Behedeti ein Schutzamulett. Dort heißt es: „Knüpfen des<br />
Amuletts des Skarabäus. Worte zu sprechen: N<strong>im</strong>m dir dieses dein vollkommenes<br />
Bild, (o) Herr der Götter in Haus-des-Falken (Edfu); denn<br />
dieses ist deine Gestalt, der Schutz der Tempel, der die Götter, die in<br />
Ägypten sind, schützt”. Horus wird also als universeller Schützer aller<br />
Götter <strong>und</strong> damit ganz Ägyptens angesehen. Er gibt dem opfernden König<br />
eine entsprechende Gegengabe, die in der Göttlichen Randzeile genauer<br />
definiert wird: „Ich veranlasse, daß die Pechertiu (Schutzgötter)<br />
dich umgeben, daß die Dauerhaften (Schutzgötter) deinen Schutz besorgen,<br />
daß die Pat-Menschen dich preisen, daß die Rechit-Menschen dich<br />
verehren, indem sie für dich als Untertanen best<strong>im</strong>mt sind.”<br />
51 Aus genau diesem Gr<strong>und</strong> legen die Texte <strong>im</strong> Tempel auch Wert auf<br />
die Feststellung, daß in seiner Ausführung alles seine Richtigkeit haben<br />
muß. Weder das Tempelritual, noch die Architektur oder die Dekoration<br />
des Tempels dürfen beliebig sein, denn nur durch die Einhaltung aller<br />
<strong>magische</strong>r Regeln ist das Fortbestehen der Welt gewährleistet. Fallweise<br />
wird sogar ganz explizit gesagt, daß das <strong>reale</strong> Aussehen des Tempels einen<br />
<strong>magische</strong>n Hintergr<strong>und</strong> hat. So heißt es z. B. in CHASSINAT (1931) 6, 3–4: