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der speichel - Hanfjournal

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Wenn Aliens Essen wollen – das Essen Original-Review<br />

Eigentlich wollte das kleine Alien ja nur eine gemütliche Tour<br />

durch den Pott machen. Es war ja auch sonst nichts los an<br />

diesem Wochenende in <strong>der</strong> Gegend. Wir bewegen uns im<br />

Zeitrahmen des zweiten Juli-Wochenendes. Der ganze Himmel<br />

Deutschlands ist mit grauen Wolken verhangen. „Die Sterne<br />

und wir“, eine <strong>der</strong> neuen potenziellen psychedelischen<br />

Heimatwelten des kleinen Aliens wurden aufgrund<br />

vorhandener Non-Existenz <strong>der</strong> Location abgesagt. Also eine<br />

goaelektroide Tanzveranstaltung weniger. Da bleibt nur noch<br />

eins: auf zum Sounds & Bytes, welches mit „Free-Urban-Dance-<br />

Festival“ untertitelt ist. Einen weiteren Testversuch wäre es<br />

wert, war das Experiment letztes Jahr doch durchaus ein<br />

erfolgreiches. Außerdem wäre es doch auch mal interessant zu<br />

wissen, ob in den verschiedenen Regionen des Pottes nicht nur<br />

unterschiedliche Städtenamen, son<strong>der</strong>n auch unterschiedliche<br />

Klimabedingungen herrschen.<br />

Gedacht, getan . . . und was gesehen? Grau-weiß-blaue-<br />

Himmels-Suppe, dazwischen viel durchsichtiges, aber nasses<br />

Wasser. Jawoll, durchsichtiges Wasser ge-se-hen! Das geht,<br />

manchmal zumindest und mit bewusst-fokussierter<br />

Wahrnehmung. Allerdings überwiegend vom Innern heraus.<br />

Warum? Na weil es draußen viel geregnet hat. Echt viel, vor<br />

allem freitags und dann sogar so stark, dass die DJs teilweise<br />

von angekündigten drei Stunden effektiv lediglich 40 Minuten<br />

Spielzeit hatten. Wie und ob die HipHop-Fans darauf reagiert<br />

haben, ist unbekannt. Doch ist davon auszugehen, dass jemand,<br />

<strong>der</strong> HipHop lebt, sich von so etwas sicherlich nicht abschrecken<br />

lässt. Wann gibt’s denn schon mal die Möglichkeit den<br />

Dendemann, die eine Hälfte des Einszwo-Duos live, for free<br />

und direkt vor bzw. in <strong>der</strong> Haustür zur erleben?! Außerdem<br />

von <strong>der</strong> Beatfraktion mit am Start: Paco Mendoza,<br />

mehrsprachiger Ragga, <strong>der</strong> in den Sprachen Spanisch,<br />

Französisch, Englisch und, man glaubt es kaum, Deutsch,<br />

internationales Flair mit auf den Plan brachte. Ruhrpott ist<br />

eben multikulturelle Autodidaktik. Die Gruppe performte nach<br />

Angaben des Veranstalters schon mehrfach mit Deutschlands<br />

Top-Reggae/Ragga Movement Silly Walks. Außerdem mit<br />

dabei ebenfalls die Crews von Plattenreiter.Eu, Die Gestalten,<br />

WBC - We Burn Connected<br />

Ist ja irgendwie auch viel schöner, als alleine zu paffen. Sind<br />

die Sit-Ins dabei noch produktiv, dann können daraus viele<br />

verschiedenste Ableger erwachsen. Denn Meckern alleine bringt<br />

es nicht, das kann je<strong>der</strong>. Schafft man es aber diese „Meckerei“<br />

in positiv-reflexive Rap-Lyriks zu transferieren, erreicht man<br />

viel mehr Leute, anstatt sich die ganze Zeit seinen destruktiven<br />

Film zu schieben.<br />

Es gibt viele verschiedene Wege, um die<br />

Welt zu verän<strong>der</strong>n. WBC hat sich für HipHop<br />

entschieden.<br />

Seit 1998 werden unter dem Namen WBC Konzerte, Jams,<br />

Vorträge und Workshops organisiert. Die Wurzeln <strong>der</strong> Aktivisten<br />

und Künstler liegen in den Städten Bremerhaven und<br />

Wermelskirchen und reichen zurück bis Mitte <strong>der</strong> 90er.<br />

Connections bestehen unter an<strong>der</strong>em zum Rollrausch WK e.V.<br />

Seit 2001 gibt es regelmäßige Teilnahmen an multikulturellen<br />

Treffen, wie z. B. bei Antirassista-Meetings in <strong>der</strong> Toscana.<br />

Wir brauchen keinen Krieg, um etwas zu<br />

bewegen. Unsere Waffen sind Papier, Stift<br />

und ein Mund zum Reden.<br />

Ob als versammelter Haufen o<strong>der</strong> in einzelnen Splittergruppen;<br />

die Idee des WBC-Gedankens ist mittlerweile zu einer<br />

prachtvollen Blüte gewachsen. Man legt nicht nur Wert auf<br />

einen vielfältigen Aktionsrahmen, son<strong>der</strong>n ebenfalls auf<br />

qualitativ hochwertigen HipHop. Die Liebe zur Musik und vor<br />

allem die Liebe zum Leben vereinen MCs verschiedenster<br />

Abstammung und Sprachskills zu einem synergetischen Word-<br />

Gewitter, das verkrustete und festgefahrene<br />

Wahrnehmungsmuster dynamisiert. Ob Kopf o<strong>der</strong> Körper:<br />

irgendwas ist beim Hören <strong>der</strong> WBC-Scheiben immer in<br />

Bewegung.<br />

Rap ist Medizin geschrieben für<br />

Selbsttherapie. Rap ist Energie für den WBC<br />

Inanc, Climax & Basis und Breakdance-Einlagen diverser<br />

Hotstepper. Da das Alien seine Artgenossen jedoch nur<br />

schwerlich zum Aufbruch gen Pott zu bewegen vermochte,<br />

scratchte das HipHop-Spektakel without Rücksicht auf Bäckspin<br />

an <strong>der</strong> Perzeption außerirdischer Wahrnehmung vorbei.<br />

„Ooh-ho, I’m an alien, I’m an little alien, I’m<br />

an Al-i-en in Es-sen . . .<br />

Als es am nächsten Tag dann immer noch am Meimeln war,<br />

dachte es, es ist nicht mehr. Doch das Alien brach trotzdem zur<br />

Pott-Metropole auf und, das Stadtfest ward noch! Und welche<br />

weitere schicksalhafte Fügung: dafür gab es keinen Regen mehr.<br />

„Normal, ab 20 Grad ist Samstag“, dachte sich das kleine Alien.<br />

Und es schien tatsächlich so zu sein, dass jede Stadt seine eigene<br />

Klimazone besitzt. Gegen Nachmittag trudelte <strong>der</strong> interstellare<br />

Transporter dann ein. Endlich taten sich erste Schritte auf dem<br />

Boden <strong>der</strong> Stadt, auf dem das Alien geworfen wurde und<br />

führten es zielstrebig zunächst zu einer Fressbude. Dort gab<br />

es, very spezial, neben Currywurst-Ruhrpott sogar eine<br />

Currywurst-Bangkok (extra-scharf). Nach dieser Stärkung<br />

durchquerte es das Stadtfest, als auch „Trendmeile“, die nahezu<br />

integriert mit den üblichen Läden <strong>der</strong> Stadt zu sein schien. Zu<br />

sehen gab es viele verschiedene Klamotten und Schmuck, aber<br />

wenig elektro-technische Geräte. Dafür fiel dem Alien um so<br />

mehr auf, dass viele Dark-Waver und Grufties in dieser Pott-<br />

Metropole beheimatet sind. Zudem scheinen einige männliche<br />

Bewohner in einer hohen Stimmlage zu sprechen, wo hingegen<br />

viele Weibchen ein basslastige Aussprache bevorzugen.<br />

„Faszinierend“, wie Kollege Spock anmerken würde. Es gab<br />

große Bühnen, kleine Bühnen, und sogar eine Bühne am<br />

„Flachsmarkt“. Es lief Fonky-(House-)Music, (Punk-)Rock und<br />

Dancehall, des Nächtens sogar Drum’n’Bass. Aber nichts hat<br />

so fett gerockt, wie die Techno-Stage am Viehofer Platz. Man<br />

stelle sich vor: Mitten auf einer Plattform, zwischen Kirche,<br />

Verkehrsstraße und Shoppingmeile steht eine fette Bühne.<br />

Davor eine Menschenmasse von bis zu 500 Tanzenden, an<br />

<strong>der</strong>en peripheren Bereich zusätzlich nicht-tanzendes Publikum<br />

Die Zeilen sind auf <strong>der</strong> „Unter<br />

Druck“-Scheibe von 2003<br />

durchgängiges Programm.<br />

Street-Hop aus realer gesellschaftskritischer<br />

Perspektive.<br />

100 Prozent unverfälscht und<br />

denkanstößig, nix mit Gehirn-<br />

Wasch-Weichspül o<strong>der</strong> „Ich<br />

hab’ dickere Eier als du“-<br />

Gebattle. Die Beats und die<br />

Sounds sind schon ganz gut<br />

arrangiert und gewählt, aber<br />

das geht bestimmt noch besser.<br />

Jedenfalls ist durchgängig ein<br />

eigener WBC-Style zu<br />

erkennen und man kann den<br />

Schweiß und die Mühe<br />

zwischen den Takten heraushören.<br />

Möglicherweise ist <strong>der</strong><br />

WBC die verarbeitende<br />

Antwort auf die faschistischen<br />

Brandanschläge in Solingen.<br />

Statt Angst brauchen<br />

wir Wahrheit und<br />

Liebe. Nur so siegt<br />

über den<br />

Terror <strong>der</strong> Frieden.<br />

Das hört man. Nachdem ich einen persönlichen Zugang zum<br />

WBC-Style aufgebaut habe und die Musik nun in mich<br />

einwirken kann, burnen mich die Sounds und Lyriks um so<br />

mehr. Wer auch mal in den Genuss von „Unter Druck“ kommen<br />

will, kann jene für unglaubliche fünf Euro (inkl. Porto) unter<br />

weburnconnected@web.de bestellen. Es lohnt sich nicht nur,<br />

das ganze unterstützt zudem den jugendsozialen Nutzen des<br />

WBC-Kollektives.<br />

www.weburnconnected.de<br />

www.rollrausch.de.vu<br />

A. Alien<br />

Email: buz@ hanfverband.de<br />

Tel: +49 (0) 30. 44 71 66 53<br />

Lettestraße 3<br />

10437 Berlin<br />

mehr Infos unter www.hanfverband.de<br />

Pot<br />

Unterstützen Sie deshalb die politische<br />

Arbeit des DHV, privat o<strong>der</strong> als Firma.<br />

15<br />

dem Spektakel beiwohnte. Die Bässe schallern nur so durch<br />

die Häuser, durch Cafés, durch die ganze Stadt und in die<br />

Körper <strong>der</strong> Menschen hinein. Hier und da Jonglage- und Poi-<br />

Aktivisten. Ohne zu übertreiben, war die Techno-Stage die<br />

bestbesuchteste von allen. Als beim Star Sound Orchestra (zu<br />

Deutsch: „Sternen Klang-Orchester“) sich auch noch <strong>der</strong> Himmel<br />

öffnete, uiuiui, da war was los . . . eine massenkompatible Goa-<br />

Pop-Band aus sechs Leuten (Sängerin, Schlagzeug, Bass, Gitarre,<br />

Synthies und Sampler, Gongs!) erzeugten nahezu typische<br />

Konzertatmosphäre. Warum nicht? Den Dagewesenen hat es<br />

sichtlich gefallen.<br />

„Reclaim the Streets” – wenn Mainstream<br />

auf Un<strong>der</strong>ground trifft<br />

Seit drei Jahren gebe es das S&B-Festival, Tendenz steigend.<br />

Vor allem, was Besucherzahlen und Rahmenbedingungen<br />

angeht, scheinen jene von Jahr zu Jahr fetter zu werden. Und<br />

irgendwie wird es ja auch mal Zeit, dass die Jugendkulturen<br />

sich nicht mehr und mehr zurückziehen o<strong>der</strong> verdrängt werden.<br />

Im Gegenteil: Angriff als die beste Verteidigung <strong>der</strong> eigenen<br />

Lebenswelten. Doch nicht mit Waffen, son<strong>der</strong>n mit Musik und<br />

Tanz kann gewaltlos um weitere Freiräume o<strong>der</strong> soziale Nischen<br />

gekämpft werden. Genaugenommen handelt es sich beim S&B-<br />

Festival um eine Synthese aus offizieller Tradition und<br />

subkultureller Kreativität. Nächstes Jahr wird es sich das kleine<br />

Alien jedenfalls nicht nehmen lassen selbige Reise nochmalig<br />

anzutreten. Schließlich bleibt die Frage nach den<br />

Klimabedingungen noch unbeantwortet, zumal es eine<br />

langwierige Afterhour im Roxy gegeben hat, einem netten und<br />

coolen Club direkt am Viehofer Platz. Man musste quasi nur<br />

einen Seiten- und einen Zeitenwechsel vornehmen. Dabei ist<br />

lei<strong>der</strong> die visuelle Dokumentation abhanden gekommen. Aber<br />

es kann ja nur besser werden . . .<br />

A. Alien

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