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der speichel - Hanfjournal

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Seed west<br />

„Zur Irrelevanz <strong>der</strong> Drogenpolitik“ Peter Cohen in Heidelberg<br />

Eine öffentliche Vortragsreihe am Fachbereich Medizinische<br />

Psychologie <strong>der</strong> Universität Heidelberg beschäftigt sich<br />

gegenwärtig mit dem Thema „Rausch und Ritual“. Im Rahmen<br />

dieser Reihe war am 14. Juli <strong>der</strong> Soziologe Peter Cohen zu Gast<br />

in <strong>der</strong> Uni-Stadt. Cohen war lange Jahre Leiter des Amsterdamer<br />

Instituts für Drogenforschung (CEDRO). Dort war er bereits<br />

in den 70er-Jahren an <strong>der</strong> Entwicklung des bekannten<br />

holländischen Coffee Shop-Modells beteiligt, für das Kiffer in<br />

aller Welt bis heute dankbar sind. Und noch immer ist er in<br />

seinem Forschungsbereich sehr aktiv und gilt hierzu als einer<br />

<strong>der</strong> kompetentesten und spannendsten Referenten Europas.<br />

Cohens wurde begrüßt durch die Gastgeber Prof. Rolf Verres<br />

und Dr. Henrik Jungaberle. Unter den zahlreichen Gästen<br />

befanden sich u. a. Tilmann Holzer, Vorsitzen<strong>der</strong> des VfD und<br />

<strong>der</strong> Autor und Verleger Werner Pieper.<br />

Cohen begann seinen Vortrag mit einer Frage, die zunächst<br />

einfach klingt, es aber in sich hat: „Woher wissen wir, dass<br />

Drogenpolitik Effekte auf die Prävalenz hat?“ Prävalenz gibt<br />

dabei die Anzahl <strong>der</strong> Menschen an, die in ihrem Leben, dem<br />

letzten Jahr o<strong>der</strong> letzten Monat Drogen konsumiert hat und<br />

wird deshalb in Lebenszeit-, Jahres- und Monats-Prävalenz<br />

unterteilt. Der Eingangsfrage stellte Cohen denn auch gleich<br />

seine Kernthese gegenüber: Drogenpolitik habe keine Effekte<br />

auf die Prävalenz, sei also für die Anzahl <strong>der</strong> Drogenkonsumenten<br />

irrelevant. Diese These sei erstmalig bereits Anfang<br />

<strong>der</strong> 80er-Jahre durch den Kölner Professor Karl Heinz Reuband<br />

aufgestellt worden. Allerdings sind erst in <strong>der</strong> neuesten Zeit<br />

umfangreiche empirische Untersuchungen dazu durchgeführt<br />

worden, von welchen Cohen im Folgenden zwei Beispiele<br />

vorstellte.<br />

Im ersten Fall handelt es sich um quantitative Untersuchungen<br />

zur Drogenprävalenz in den USA und den Nie<strong>der</strong>landen. Dabei<br />

stellte er Cannabis in den Vor<strong>der</strong>grund, ist hier doch <strong>der</strong><br />

drogenpolitische Unterschied am offensichtlichsten. Verglichen<br />

wurden so z. B. die Werte <strong>der</strong> Lebenszeitprävalenz in den<br />

Jahren 1997 und 2001. In <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung nahm in<br />

diesem Zeitraum <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Cannabis-Erfahrenen in den<br />

USA von 33 auf 38 Prozent zu. In den Nie<strong>der</strong>landen stieg dieser<br />

Wert lediglich von 17 auf 18 Prozent an. Beson<strong>der</strong>s interessant<br />

war in diesem Zusammenhang die Gruppe <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>jährigen<br />

von zwölf bis 17 Jahren. Während in dieser Altersgruppe <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Cannabis-Erfahrenen in den Nie<strong>der</strong>landen von 14<br />

auf elf Prozent sank, blieb er in den USA konstant bei 20 Prozent.<br />

In den USA hat somit je<strong>der</strong> fünfte Jugendliche schon mal gekifft,<br />

in den Nie<strong>der</strong>landen nur je<strong>der</strong> zehnte. Dieser etwa doppelt so<br />

hohe Anteil an Kiffern zeigte sich auch bei <strong>der</strong> Monatsprävalenz.<br />

Bei dieser Erhebung des aktuellen Cannabis-Konsums lagen<br />

die Werte bei sechsProzent in den USA und in den Nie<strong>der</strong>landen<br />

bei drei Prozent. Hat nun das Cannabis-Verbot in den USA die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Kiffer reduziert? Offensichtlich nicht. Daraus<br />

allerdings abzuleiten, dass die Cannabis-Tolerierung in den<br />

Nie<strong>der</strong>landen zu vermin<strong>der</strong>tem Cannabis-Konsum führe, sei<br />

nach Cohen aber auch nicht zulässig. Beim Alkohol z. B. liegen<br />

die Prävalenz-Werte in den Nie<strong>der</strong>landen relativ konstant bei<br />

Wanted<br />

Gesucht: Plattenläden ohne Hanf Journale<br />

Ziel: zukünftige Auslage des Hanf Journals<br />

Methode: Anzeigen (beim Hanf Journal, auf keinen<br />

Fall bei <strong>der</strong> Polizei)<br />

Wo: zentrale@hanfjournal.de<br />

Belohnung: kleine Geschenke (z.B.: Drehmaschiene,<br />

Grin<strong>der</strong>, CDs, ...)<br />

etwa 90 Prozent, in den USA bei knapp<br />

über 80 – obwohl das Alkoholregime dort<br />

etwas strenger ist als in dem kleinen Land<br />

zwischen Rotterdam und Groningen.<br />

Die daraus abgeleitete These, wonach die<br />

Prävalenz wahrscheinlich unabhängig von<br />

<strong>der</strong> Drogenpolitik sei, wurde auch in <strong>der</strong><br />

anschließenden Diskussion von<br />

verschiedener Seite bestätigt. So wurde<br />

vorgebracht, dass die schärfsten Anti-<br />

Drogengesetze <strong>der</strong> EU in Schweden und<br />

Frankreich herrschten. Allerdings sei<br />

Schweden neben Portugal und<br />

Griechenland das europäische Land mit<br />

dem geringsten Cannabis-Konsum,<br />

während nirgends in <strong>der</strong> EU so viel gekifft<br />

würde wie in Frankreich. Die Gesetze <strong>der</strong><br />

Drogenpolitiker könnten also nicht das<br />

ausschlaggebende Kriterium für<br />

Drogengebrauch sein.<br />

Vielmehr stellte Peter Cohen die These auf,<br />

dass aller Wahrscheinlichkeit nach<br />

historisch gewachsene kulturelle<br />

Einstellungen und Werte die Rolle und<br />

somit die Verbreitung von Drogen<br />

bestimmen. Zur Untermauerung dieser<br />

These stellte er eine aktuelle vergleichende<br />

qualitative Studie zum Drogengebrauch<br />

in Bremen, Amsterdam und San Francisco<br />

vor – drei Städte mit sehr unterschiedlichem<br />

rechtlichem Umgang mit Drogen.<br />

Für diese Studie wurden Interviews mit<br />

Drogenbebrauchern zu ihrem Konsum,<br />

ihrer sozialen Lage, ihren Einstellungen<br />

und vielen an<strong>der</strong>en Dingen geführt. Die Ergebnisse zu Cannabis,<br />

Kokain und Amphetamin befinden sich seit kurzem auf <strong>der</strong><br />

Homepage des Amsterdamer Drogenforschungsinstituts<br />

CEDRO.<br />

Die Antworten und Ergebnismuster sind in allen drei Städten<br />

fast identisch. So wissen die Konsumenten z. B. von Cannabis<br />

sehr viel über ihren Konsum, sind sich dessen aber nur relativ<br />

wenig bewusst. Die drogenpolitischen Unterschiede sind für<br />

die Entscheidung zum Drogenkonsum unerheblich. Vielmehr<br />

steht die Funktionalität des Konsums stets im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Einsteigerseminar Drogenpolitik<br />

Der Arbeitskreis Drogen <strong>der</strong> Grünen Jugend Baden-Württemberg<br />

veranstaltete am 17. und 18. Juli in Lauda-Königshofen (Main-<br />

Tauber-Kreis) ein Einsteigerseminar zum Thema Drogenpolitik.<br />

Als externer Referent war Carsten Labudda, Sprecher <strong>der</strong> BAG<br />

Drogenpolitik in <strong>der</strong> PDS, eingeladen. Zunächst erarbeitete er<br />

zusammen mit den Teilnehmern die drei wesentlichen<br />

Richtungen in <strong>der</strong> Drogenpolitik: prohibitiv, medizinal und<br />

permissiv. Danach wurden in einem Rollenspiel die Vor- und<br />

Nachteile <strong>der</strong> beiden Extrempositionen, <strong>der</strong> drogenfreien<br />

Gesellschaft auf <strong>der</strong> einen Seite und dem Leitbild des<br />

drogenmündigen Bürgers und eines Rechts auf Rausch auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en, kontrovers diskutiert.<br />

Das Hanf Journal sucht Head- und Growshops die noch keine Hanf Journale auslegen. Kennt ihr einen Shop <strong>der</strong> das noch nicht tut,<br />

dann gibt uns die Adresse und wir kümmern uns darum das ihr auch in diesem Shop Hanf Journale bekommt. Für fachdienliche Hinweise<br />

warten kifferfreundliche Belohnungen.<br />

15<br />

Es geht den Konsumenten auf <strong>der</strong> einen Seite um eine<br />

psychische Funktion, z. B.. Entspannung, und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite um eine soziale Funktion. Durch den Drogenkonsum<br />

werden soziale Riten entwickelt, die Gruppen konstituieren:<br />

„Mit diesen Leuten wird gekifft, mit jenen Bier getrunken und<br />

mit an<strong>der</strong>en werden keine Drogen gemeinsam genommen.“<br />

Zudem stellt <strong>der</strong> Drogengebrauch neben vielem an<strong>der</strong>en einen<br />

sozialen Status dar. So, wie beim Essen die Beigabe eines guten<br />

Weines eine Aussage zum Status markiert, findet sich das auch,<br />

wenn ein edler Whisky präsentiert, eine kleine Line guten<br />

kolumbianischen Kokains gesnifft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sieger des letzen<br />

Cannabis-Cups geraucht wird. Immer lauten implizite<br />

Aussagen: „Ich habe hier was Beson<strong>der</strong>es“ und „Ich teile es<br />

mit dir (bzw. euch)“. Die nicht-klinischen Konsumenten – also<br />

die große Mehrheit – baut <strong>der</strong> Studie zufolge kein<br />

problematisches, son<strong>der</strong>n ein funktionelles Verhältnis zu Drogen<br />

auf. Dies zeichnet sich durch eine Vielzahl sozialer Kontexte<br />

aus. Diese Kontexte stellen dabei eine wichtige Quelle zur<br />

Normierung des Drogengebrauchs dar.<br />

Die Bedeutung des jeweiligen Kontextes sei Cohen zufolge<br />

nicht hoch genug für Konsumhäufigkeit und -muster zu<br />

veranschlagen: „Kontext ist ein unglaublich wichtiges Element,<br />

ob Probleme auftreten o<strong>der</strong> nicht.“ Er machte dies an einem<br />

Beispiel deutlich. Es ist ein wichtiger Teil unserer Alkohol-<br />

Kultur, dass wir unseren Kin<strong>der</strong>n zeigen: Wir trinken Alkohol.<br />

Dadurch ist Alkohol kein Tabu-Thema, was Kommunikation<br />

zu diesem Thema erst ermöglicht. An<strong>der</strong>erseits findet sich<br />

heute eine neue Tendenz, Alkohol vor den Kin<strong>der</strong>n zu<br />

verstecken. Darin sieht Cohen einen Fehler, denn die<br />

Entkulturation führe zu höheren Abhängigkeitsraten.<br />

Unproblematischen Alkoholgebrauch <strong>der</strong> Älteren zu tabuisieren<br />

erhöhe die Wahrscheinlichkeit problematischen Konsums bei<br />

den Jüngeren. Diese Erkenntnis, so Cohen, sei auch für an<strong>der</strong>e<br />

Drogen nötig. Allerdings würde eine solche Offenheit durch<br />

Drogenverbote verunmöglicht. Deshalb plädierte Cohen: „Ich<br />

bin für einen legalen Zugang zu allen Drogen“ und an an<strong>der</strong>er<br />

Stelle: „Kriminalisierung ist ein Feind von Solidarität mit den<br />

Schwächeren.“ Dabei, so Cohen, sollte in <strong>der</strong> Ausgestaltung<br />

die jeweilige lokale Kultur die lokalen Regelungen bestimmen.<br />

Infos:<br />

www.cedro.uva.nl; www.ritualkongress.de<br />

Carsten Labudda<br />

Max Plenert, Sprecher des Fachforums Drogen <strong>der</strong> Grünen<br />

Jugend Bundesverband, fasste danach noch einmal die<br />

wesentlichen Punkte einer alternativen Drogenpolitik<br />

zusammen. Außerdem präsentierte er eine erste Version eines<br />

Grundsatzpapiers zur „Grünen Drogenpolitik“.<br />

Abends wurde dann noch in gemütlicher Runde gefeiert und<br />

diskutiert.<br />

Am Sonntag stand dann Sokratis Zacharopoulos von <strong>der</strong> Hanf-<br />

Initiative mit dem Thema „Drogen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit“ auf<br />

<strong>der</strong> Tagesordnung. Diskutiert wurde über die Titelstory des<br />

„Spiegel“ „Die Seuche Cannabis“ (Anm. d. Red.: siehe Hanf<br />

Journal, Juli 2004), den populistischen For<strong>der</strong>ungen des neuen<br />

Innenministers Rech, Cannabis-Konsumenten grundsätzlich<br />

den Führerschein zu entziehen und den Möglichkeiten in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit wirksam Aufklärung zu betreiben. Außerdem<br />

berichtete er über die aktuelle Sachlage beim Handel mit<br />

psylocibinhaltigen „Zauberpilzen“.<br />

Für den Gastgeber und frisch gewählten Sprecher des AK<br />

Drogen Tilman Versch war das Seminar ein voller Erfolg. „Es<br />

war ein gut besuchtes Seminar mit guten Referenten. Ich hoffe<br />

sehr, dass dies <strong>der</strong> Startschuss für eine Vielzahl weiterer<br />

Aktionen und Treffen ist“, meinte Versch zum Abschluss.<br />

Infos:<br />

www.gj-main-tauber.de, www.gruene-drogenpolitik.de<br />

Interview mit Max Plenert<br />

www.hanfjournal.de/seed-west/artikel-juli04-s2.html<br />

Artikel über den „Spiegel“-Artikel<br />

www.hanfjournal.de/news/artikel-juli04-s1.html<br />

Max Plenert

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