2022/12 | wohin April 2022

EDITORIAL | 3
Kleider machen Leute
Leute machen Kleider
„Die Schneiderinnen von Ulm“ – so könnte der Untertitel
dieses Heftes lauten. In der April-Ausgabe geht es um
begabte und verantwortungsvolle Frauen, denen die nachhaltige
und kreative Produktion von Kleidung wichtig ist.
Wenn es ums Thema Nähen
geht, sollte ich eigentlich ganz
still sein. Denn das ist ehrlich gestanden
nicht mein Ding! Ich bin
geduldig, wenn ich Stift oder Kamera
in der Hand habe, aber mit
Nadel und Faden oder Strickzeug
werde ich zur Furie. Ich ziehe
ungeduldig und verknote, was es
zu verknoten gibt. Und natürlich
„Langes Fädchen,
faules Mädchen.
Deutsche Redewendung
bin ich eine derjenigen, die einen
kilometerlangen Faden abspult,
um einen kleinen Knopf anzunähen.
In der dritten Klasse sollten
wir ein rosa Schwein stricken.
Wenn ich daran denke, höre ich
noch heute das qualvolle Quietschen,
wenn die schweißnasse
Mohairwolle nicht von der Nadel
rutschen wollte. Meine Mutter
hat das arme Schwein schließlich
irgendwann fertiggestrickt (eine
Gelegenheit, ihr mal dafür zu
danken!).
Bei der Recherche für unser
Titelthema „Leute machen Kleider“
sind wir dagegen auf viele
engagierte, begabte und kreative
Frauen gestoßen, die nicht nur
für die stoffliche Grundlage sorgen,
wie beispielsweise Andrea
Schwaderer mit ihrem Stoffladen,
sondern auch auf Schneiderinnen
und verantwortungsbewusste
Ladeninhaberinnen. Wir haben
Ulmer Ateliers und Geschäfte
besucht – meine Erkenntnis: Da
muss man gar nicht unbedingt
selbst nähen können (ab Seite 16).
Übrigens habe ich entdeckt, dass
das Sprichwort ursprünglich so
lautet: „Langes Fädchen – faules
Nähtchen“. Puh, das hat also
nichts mit mir zu tun.
Viel Freude mit den Schneiderinnen
von Ulm.
Herzlich,
Ulrike Hoche
u.hoche@swp.de
© s.müller