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Leseprobe_Anklaenge 2020-2021

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8 Einleitung<br />

nungen beitrugen, in den das Phänomen Generalbass gleichsam eingewoben war.<br />

Stichwortartig sind zu nennen: der akkordisch begleitete Sologesang, der Außenstimmensatz,<br />

Ansätze in Richtung einer ,vertikalen‘ bzw. akkordischen Auffassung<br />

des mehrstimmigen Satzes, weiterhin die Ästhetik und Praxis eines ausdrucksvollen<br />

Vortrags oder die soziale, kulturelle und ästhetische Aufwertung des Instrumentalspiels<br />

im Allgemeinen, des Spiels auf Akkordinstrumenten im Besonderen.<br />

Noch in einer zweiten Hinsicht bildet eine Einsicht der rezenten musikhistorischen<br />

und aufführungspraktischen Forschung den Ausgangspunkt für die in diesem<br />

Band versammelten Beiträge. Während der letzten Jahrzehnte wurde immer deutlicher,<br />

dass es, pointiert gesagt, den Generalbass nicht gibt. Vielmehr handelte es sich<br />

um eine in Konzeption, Funktion und Realisierungsweise äußerst diversifizierte Erscheinung.<br />

Dies gilt insgesamt für den Zeitraum des 17. und 18. Jahrhunderts, es gilt<br />

aber allein schon für die Zeit um 1600. Gerade in dieser Phase stellt sich das Begleiten<br />

auf einem Akkordinstrument in mehrfacher Hinsicht als vielgestaltig dar: mit Blick<br />

auf die Besetzung und die Art der Ausführung, in Abhängigkeit von Genre, Funktionsbereich<br />

und damit auch Traditionshintergrund sowie nicht zuletzt hinsichtlich<br />

der Notationsweisen und -formate, in denen die instrumentale Begleitung schriftlich<br />

festgehalten wurde.<br />

Dass sich unser Bild vom frühen Basso continuo während der letzten rund zehn<br />

Jahre gleichermaßen angereichert und differenziert hat, ist auf verschiedene Impulse<br />

und Neuansätze zurückzuführen. So gelang nicht nur ein spektakulärer Quellenfund<br />

2 , sondern es wurden auch vielfach altbekannte Quellen neu beleuchtet, bewertet<br />

und auf ihre Aussagekraft, Reichweite und ihr wechselseitiges Verhältnis hin befragt.<br />

Nicht zuletzt kamen neue methodische Zugänge und Forschungsperspektiven ins<br />

Spiel. So wurde verstärkt das Verhältnis von Performativität und Schrift in der Zeit<br />

um 1600 ins Auge gefasst, kamen mediengeschichtliche Gesichtspunkte zum Tragen,<br />

wie die Frage nach der technischen und kommerziellen Bedeutung des Musikdrucks,<br />

aber auch nach der spezifischen Materialität der Druckerzeugnisse, oder es wurden<br />

Überlegungen dazu angestellt, inwieweit das Agieren auf Akkordinstrumenten mit<br />

neuen Modi der Wahrnehmung von Musik und des – im wahrsten Sinn des Wortes –<br />

Begreifens von Musik verbunden war und welche Folgen dies für das „embodiment“<br />

musikalischer Vorstellungen und Praktiken nach sich zog.<br />

2 – nämlich des sog. „Carlo G. Manuskripts“. Vgl. Elam Rotem, „The ,Carlo G manuscript‘: New<br />

Light on Early Seventeenth Century Accompaniment and Diminution Practices“, in: Basler Beiträge<br />

zur historischen Musikpraxis 39 (<strong>2020</strong>), S. 401–429; Arnaldo Morelli, „,Divini concerti musicali […]<br />

di diverse monache‘. New Light on the Origin and Context of the Carlo G Manuscript“, in: Basler<br />

Beiträge zur Historischen Musikpraxis 41 (<strong>2021</strong>): Stimme – Instrument – Vokalität. Blicke auf dynamische<br />

Beziehungen in der Alten Musik, hrsg. von Martina Papiro, Basel <strong>2021</strong>, S. 245–259.

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