Mecklenburg egentlich
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Die Orte des Aufwachsens aus dem Gedächtnis verlieren, das hiesse ja die Dievenow vergessen, die
für ein Kind zu breite Schlange Wassers mit ihren niedrigen schwarzen Booten, den glucksenden
Fischkästen, dem wildwüchsigen Bruch und den federnden Wiesen an ihren Ufern. Sie bleibt, wie
die Peene, die bei Karnin weissen Sand auswäscht, fein wie für Sanduhren, wie die Nebel, die an der
güstrower Bahnhofsbrücke den Blättersträhnen der Trauerweiden zu trinken gibt. Unverzichtbar
und jeweils aufs Neue zu leben ist der Tag, der aufwachte an der bützower Schleuse, seinen Mittag
hielt inmitten der Ebenen von Schwaan und den Abend beging auf den wiegenden Querwellen
des alten Hafens von Rostock. Alle Flüsse sind aufgehoben in ihrer Zeit, und alle von ihnen, vom
badischen Rhein bis zum Hudson der Walfänger, wozu sind sie denn da? zu erinnern an die Flüsse
von ehemals.
Uwe Johnson an Rolf Italiaander, Brief vom 29. November 1979 aus Sheerness-on-Sea
Zitiert nach „Die Katze Erinnerung“. Uwe Johnson. Eine Chronik in Briefen und Bildern, S. 11
Heimat ist schließlich ein privater Bereich, das sind Personen, das ist
eine Landschaft, dazu kann man sich bekennen.
Wilhelm J. Schwarz: Gespräche mit Uwe Johnson (Am 10.7.1969 in West-Berlin), in: Eberhard Fahlke (Hg.): »Ich überlege mir die
Geschichte …«. Uwe Johnson im Gespräch, S. 235
Heimat is en private area, dat sünd people, dat is a Landschap,
darto kann man sik bekennen.
Zum anderen, es gefällt Leuten, mich einen Mecklenburger zu nennen, als
sei das ein verläßliches Kennzeichen.
Rede anlässlich Uwe Johnsons Aufnahme in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, 1977
Uwe Johnson: Ich über mich. Vorstellung bei der Aufnahme in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, in:
Die Zeit, Nr. 46 vom 4.11.1977
Lüüd likes that, my Mäkelborger to call it, as as wenn dat en
verlässlich Kennteiken warrt.
„Dafür ist nachweisbar, daß mein Vater geboren wurde im Ritterschaftlichen Amte Crivitz und
aufwuchs im Domanialamt Schwerin, also in jenem »besten Mecklenburg«, das die traurigste Figur
machte unter den Staaten des damaligen Europa. Dem bin ich verbunden nicht nur durch einen
Vater, einen Absolventen des Landwirtschaftlichen Seminars Neukloster und Verwalter herrschaftlicher
Güter, sondern auch durch eigene, ausgiebige Beschäftigung mit dem Boden dieses Landes,
beim Kartoffelwracken, Rübenverziehen, Heuwenden, Einbringen von Raps und Roggen, des
Umgangs mit den Tieren auf diesem Boden nicht zu vergessen. In Mecklenburg habe ich gelernt,
daß man als Kind schlicht vermietet werden kann in drei Wochen Arbeit auf fremdem Acker gegen
einen Doppelzentner Weizen, daß Existenz umgesetzt werden kann in jeweils gültige Währung, und
ich bin dankbar für die frühe Lehre. In Mecklenburg war ich von meinem elften bis zu meinem
fünfundzwanzigsten Lebensjahr, und im sechzehnten mag ich begriffen haben, wie ich zu antworten
wünschte auf die Ansinnen der Leute und Behörden, mit denen ich befaßt war. Viel nun spricht
dafür, daß ich ein Mecklenburger sei.“
Uwe Johnson: Ich über mich. Vorstellung bei der Aufnahme in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, in:
Die Zeit, Nr. 46 vom 4.11.1977
Es ist mecklenburgisch, und du hast es geerbt.
Uwe Johnson: Jahrestage (12. Oktober 1967, S. 170)
It`s mäckelborgisch, un you hest es gearbt.
Ein fremdes Land, dieses Mecklenburg.
Uwe Johnson: Jahrestage (28. April 1968, S. 1077)
Een fröher country, dit Mäkelborg
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