Buchtis Abdulrazak Gurnah »Ferne Gestade« Darüber, wer den Nobelpreis für Literatur bekommen soll, lässt sich jedes Jahr wieder trefflich streiten. Wenn Schreibende ihn bekommen, die vor mehreren Jahrzehnten ihre Hauptwerke veröffentlicht haben, dann ist das politisch zwar nicht brisant. Aber das Argument, dass sie »dran« waren, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Und dann sind da noch die obskuren Autoren, auf die sich die Jury einigen konnte, weil nur wenige sie kennen. Und das licher Weise auch noch zu Recht. Genau zu diesen Autoren zählt Abdulrazak mög- Gurnah, der Literaturnobelpreisträger von 2021, eben nicht! Gurnah, der 1948 im damaligen Sultanat Sansibar geboren wurde, greift in seinem Roman »Fremde Gestade« nicht nur ein Thema auf, das aktueller nicht sein könnte, geht es doch um Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Gleichzeitig ist er ein Meister nahezu orientalischer Erzählkunst, der seinesgleichen höchstens noch in Salman Rushdie findet. Worum geht es in »Ferne Gestade«, der im englischsprachigen Original unspektakulärer Weise »By the Sea« heißt? Saleh Omar landet auf dem Flughafen in London. In einer kleinen Tasche, dem einzigen Gepäck, das der Mann aus Sansibar bei sich trägt, liegt sein wertvollster Besitz: eine Mahagonischachtel mit Weihrauch. Früher war Omar Inhaber eines Geschäftes, er besaß ein Haus, war Ehemann und Vater einer Tochter. Jetzt ist er ein Asylbewerber, und Schweigen scheint sein einziger Schutz zu sein. Omar, der über exzellente Bildung verfügt, gibt dem verhörenden Beamten gegenüber vor, kein Englisch zu können. Auch den netten, aber etwas selbstgerechten Flüchtlingshelfern gegenüber schweigt er zunächst. Nicht weit von Salehs neuer Unterkunft entfernt, lebt Latif Mahmud zurückgezogen in seiner Londoner Wohnung. Auch er stammt aus Sansibar, hatte jedoch bei der Flucht aus seiner Heimat einst den Weg über den »sozialistischen Bruderstaat« DDR gewählt. Als Mahmud und Omar Jahre später in einem englischen Küstenort aufeinandertreffen, entrollt uns der Autor die Vergangenheit der beiden als eine Geschichte von Liebe und Verrat, von Verführung und Besessenheit, und von Menschen, die inmitten unserer wechselvollen Zeit Sicherheit und Halt suchen. Und ganz nebenbei erfahren wir etwas über die arabischen Händler, die über Jahrhunderte jährlich mit dem Monsun kamen, über den arabischen Kolonialismus, über den Sturm des religiösen Wahns, den die Portugiesen im Indischen Ozean entfachten, über die Briten, die die Welt mit hartem Griff umschlossen. Und auch die deutschen Siedler im Osten Afrika kommen nicht gut weg in ihrem Bestreben, sich mit Falschheit und Gewalt am Eigentum anderer zu bereichern. Als kleines Zuckerl für Literaturliebhaber treffen wir auch bei der Begegnung mit Harun al Rashid oder Melvilles Bartleby wieder. Erschienen ist die Neuauflage von »Ferne Gestade« als Hardcover bei Penguin, 413 Seiten, 26 Euro. Wilhelms Busch »Sämtliche Werke« »Ach, was muss man oft von bösen/Kindern hören oder lesen!« Wer diesen Satz nicht kennt, hat etwas in der Kindheit verpasst, denn Max und Moritz sind seit Generationen Teil des schwarzen Humors im Kinderzimmer. Doch Wilhelm Busch ist weit mehr als »Max und Moritz« oder »Die fromme Helene«, wie diese Neuauflage zum 190. Geburtstag des wohl einflussreichsten deutschen Zeichners und Humoristen überzeugend beweist. <strong>Das</strong> Publikum, das den Ur-Vater des Comics nicht kennt, hat die Chance zum Kennenlernen und diejenigen, denen Wilhelm Busch durchaus etwas sagt, können auf Entdeckungsreise gehen, denn auf über 2.200 Seiten gibt es mehr als genug interessantes Unbekanntes zu erforschen. Da findet sich geballte Originalität, denn Wilhelm Busch war der große Meister der kleinen Bildergeschichten, vereinte er doch zahlreiche Talente in sich. Diese prachtvolle und vollständige <strong>Ausgabe</strong> sämtlicher Werke in Farbe präsentiert ein Multitalent, das bis heute begeistert: als begnadeter Zeichner und Typenerfinder, als Verseschmied und Satiriker, als Gedankenlyriker im Geiste Schopenhauers und Landschaftsmaler und auch als Porträtist. Selbst wenn Busch selbst, der in Düsseldorf und Antwerpen Malerei studiert hatte, sein eigenes Schaffen sehr kritisch beurteilte, so überzeugen das Frische und das Freche in seinem Werk noch heute. Zu Lebzeiten war Wilhelm Busch berühmt, seit dem Erscheinen von »Max und Moritz« im Jahr 1865. Was er zeitlebens allerdings gar nicht mochte war, wenn Aufhebens um seine eigene Person gemacht wurde, das er als widerwärtig empfand. Selbst in der Nazi-Zeit war der 1908 verstorbene Dichter wohl gelitten, hatten man in ihm, der unter anderem auch Volksmärchen sammelte, doch einen »völkischen Seher« erkannt. Dabei müsste der Meister des knappen Strichs und des knappen Reims den Herrschenden eigentlich gegen den Strick gegangen sein, wendete er sich stets nicht nur gegen kirchliche sondern auch gegen behördliche Intoleranz. Aber auf Zwischentöne zu hören war wohl nicht die Sache der braunen Herrscher. Um das Hintersinnige zu erkennen ist diese Neuausgabe ideal. Erschienen bei C.Bertelsmann, zwei Bände in Geschenkausgabe, 45 Euro. Camilla Läckberg/Henrik Fexeus »Schwarzlicht« Einen wirklich originellen Krimi zu schreiben, ist heutzutage ausgesprochen schwierig. Dafür tummeln sich einfach zu viele Autoren auf dem Markt. Und die greifen zu allen möglichen Ideen, um sich voneinander abzusetzen. Vor allem die Ermittler sind dabei natürlich von besonderem Interesse, vor allem, wenn es um Krimi-Reihen geht. Da ist dann gerne mal jemand, nennen wir es exzentrisch. Bei Läckberg/Fexeus haben die Ermittler beide einen an der Waffel, wie man es im Westfälischen treffend sagen würde. Kommissarin Mina Dabiri ist bei der Stockholmer Polizei. Sie ist gerade einmal Anfang dreißig, hat aber einen mächtigen Tick, der die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen schwierig bis unmöglich macht. Ihr Leben ist mehr oder minder dominiert von ihrer Angst vor Keimen, Desinfektionsmittel sind ihr wichtiger als Lebensmittel. Aber, Sie ahnen es bereits, sie ist eine hervorragende Polizistin mit untrüglichem Gespür. Dennoch kommt sie in dem Fall einer jungen Frau nicht weiter, die in einer Kiste, wie sie Zauberer verwenden, von Schwertern durchbohrt wurde. Mina bekommt q 32 <strong>Das</strong> Stadtgespräch
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