30.05.2022 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 29

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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24 Politik<br />

Die Evolution der<br />

Gleichstellung<br />

Das Gleichstellungsgesetz umfasst 10 Seiten. Sein juristischer<br />

Praxis-Kommentar, neu bearbeitet und beim SGB publiziert,<br />

ist ein Werk von 664 Seiten. Robin Moret sprach mit Juristin<br />

und Co-Autorin Dr. Claudia Kaufmann über den Fortschritt.<br />

Fragen: Robin Moret<br />

Bild: Keystone-SDA<br />

Was bezweckt überhaupt das<br />

Gleichstellungsgesetz (GlG)?<br />

Das Gleichstellungsgesetz hat zum<br />

Ziel, gesellschaftlich über lange Zeit<br />

eingespielte und wenig hinterfragte<br />

Geschlechterrollen und -erwartungen<br />

zu bekämpfen, um in der Berufsausbildung<br />

und im Erwerbsleben<br />

Diskriminierungen abzubauen<br />

und die tatsächliche Gleichstellung<br />

zu ermöglichen. An diesem Zweck<br />

hat sich in den letzten 25 Jahren<br />

nichts geändert; er bleibt aktuell.<br />

Gibt es auch neue Fragestellungen,<br />

die Sie im Kommentar behandelt<br />

haben?<br />

Ja, namentlich zwei Aspekte: Zum<br />

einen die Anerkennung des Konzepts<br />

der Mehrfachdiskriminierung<br />

und seiner Bedeutung für die Auslegung<br />

des Gleichstellungsrechts.<br />

Zum andern wurde beim Erlass des<br />

Gesetzes noch von einer rein binären<br />

Zuordnung der Geschlechter<br />

weiblich/männlich ausgegangen.<br />

Weitestgehend fehlte das Bewusstsein<br />

für den engen, teils untrennbaren<br />

Zusammenhang mit der sexuellen<br />

Orientierung, und es fehlte<br />

gänzlich für die Geschlechtsidentität.<br />

Ein so limitiertes Verständnis<br />

führt dazu, wiederum Stereotypen<br />

festzuschreiben und der Diskriminierung<br />

von Menschen mit nichtbinärer<br />

Geschlechtsidentität oder<br />

aufgrund ihrer sexuellen Orientierung<br />

Vorschub zu leisten und diese<br />

Personen auszugrenzen.<br />

Nicht zuletzt haben wir in der<br />

Neuauflage die Einführung von beschränkten<br />

und zeitlich befristeten<br />

Lohnanalysen berücksichtigt.<br />

«Auch nach<br />

25 Jahren kennen<br />

die Gerichte das<br />

Gesetz zu wenig.»<br />

Wie beurteilen Sie die bisherige<br />

Wirksamkeit des Gesetzes?<br />

Die Bilanz fällt gemischt aus. Es gibt<br />

heute kein Unternehmen mehr, das<br />

nicht weiss, dass gleicher Lohn für<br />

gleichwertige Arbeit zu bezahlen ist.<br />

Nur haben viele nicht auf dem<br />

Schirm, dass sie gegen Diskriminierungen<br />

im gesamten Arbeitsverhältnis<br />

angehen müssen, z. B. bei der<br />

Rekru tierung, Aufgabenzuteilung,<br />

Laufbahnentwicklung und bezüglich<br />

sexueller Belästigungen.<br />

Positiv ist auch die präventive<br />

Wirkung des GlG, v. a. beim Schutz<br />

vor sexueller Belästigung. Anderseits<br />

sind auch nach 25 Jahren das<br />

Gesetz, sein breiter Anwendungsbereich<br />

und die Verfahrenserleichterungen<br />

in der Anwaltschaft und bei<br />

den Gerichten noch immer zu wenig<br />

bekannt. Das Instrument der Verbandsklage<br />

hat sich kaum bewährt,<br />

es wird zu selten eingesetzt und ermöglicht<br />

nur Feststellungsklagen,<br />

die eben die Verjährung nicht unterbrechen.<br />

Und immer noch werden<br />

Frauen im Zusammenhang mit<br />

Schwangerschaft und Mutterschaft<br />

diskriminiert.<br />

Was müssen wir von Politik und<br />

Recht fordern, um die Situation zu<br />

verbessern?<br />

Mehrere Anläufe für eine bessere<br />

Beweislasterleichterung bei Anstellung<br />

und bei sexueller Belästigung<br />

sind im Parlament gescheitert. Auch<br />

die Empfehlungen aus der Evaluation<br />

des GlG sind noch nicht umgesetzt.<br />

Dies betrifft besonders die<br />

Einführung einer Behördenklage:<br />

man überlässt die Verwirklichung<br />

der verfassungsmässigen Gleichstellung<br />

weiterhin nur den Betroffenen.<br />

Wo steht die Schweiz im europäischen<br />

Vergleich in der Gleichstellungsgesetzgebung?<br />

Das GlG übernahm beim Erlass die<br />

damals fortschrittliche Rechtslage<br />

der EU. Die internationale Entwicklung<br />

ist aber weitergegangen, ohne<br />

dass die Schweiz konsequent mitgezogen<br />

hätte.

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