Fachwerk 2022
Das Magazin der Denkmalpflege
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Berichte | Rapports<br />
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Abendstimmung am Faulhorn.<br />
1 Restaurierte Fassade.<br />
2 Gaststube mit Tambourofen.<br />
3 Schlafkammer.<br />
4 Aquarell «Das Faulhorn-Restaurant» von Marguerite Frey-Surbeck.<br />
Denkmalpflege auf<br />
2681 Meter über Meer<br />
Seit 190 Jahren wird auf dem Faulhorn hoch über<br />
Grindelwald gewirtet. In der vierten Generation führt die<br />
Besitzerfamilie Garbani das historische Berghotel.<br />
Text: Stefan Moser<br />
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An perfekter Aussichtslage steht es seit<br />
1832 auf der exponierten Bergkuppe:<br />
das Berghotel Faulhorn, ein einmaliger<br />
Zeuge des Bergtourismus im Alpenraum.<br />
Es handelt sich um eines der ersten<br />
Gasthäuser dieser Art, das der damalige<br />
Unterseener Stadthauswirt in pionierhafter<br />
Voraussicht erbauen liess. Für den<br />
aufkommenden internationalen Tourismus<br />
sollte eine neue Übernachtungsmöglichkeit<br />
im Hochgebirge als Ergänzung zu<br />
den Betrieben im Talgrund entstehen. Auf<br />
einer Steinterrasse direkt unterhalb des<br />
Gipfels wurde ein ausladender Massivbau<br />
mit steingedeckten Satteldächern<br />
errichtet, die Hauptfront gegen das Bergpanorama<br />
der Berner Alpen ausgerichtet.<br />
Mittelpunkt war der grosse Gastraum mit<br />
Tambourofen und langem Esstisch, darüber<br />
wurden zehn einfache Schlafkammern<br />
eingerichtet. Die Gäste, insbesondere<br />
aus England, liessen nicht lange auf sich<br />
warten, bald wurde das «Faulhorn» in Reiseführern<br />
wie dem Baedecker erwähnt.<br />
Anreise und Transporte erfolgten zu Fuss<br />
oder mit dem Maultier. Zahlreiche Gäste<br />
verbrachten mehrere Sommermonate im<br />
Berghotel, auch Kunstschaffende wie die<br />
Malerin Marguerite Frey-Surbeck.<br />
Das Gebäudeensemble wurde kontinuierlich<br />
den sich verändernden Bedürfnissen<br />
angepasst und mit Nebentrakten für<br />
Restaurant und Touristenlager sowie mit<br />
Technikeinrichtungen ergänzt. Trotz dieser<br />
Erweiterungen ist bis heute ausserordentlich<br />
viel historische Bausubstanz erhalten<br />
geblieben, auch im Innern.<br />
Das «Faulhorn» hat eine wechselvolle Be -<br />
sitzergeschichte. Bereits seit 1931 gehört<br />
es jedoch derselben Familie aus Grindelwald.<br />
In vierter Generation haben 2017<br />
Christian und Nina Garbani übernommen<br />
und führen die Anlage umsichtig als Familienbetrieb<br />
weiter. Es ist ihnen ein grosses<br />
Anliegen, das historische Berghotel, welches<br />
klar als Alternative zum verbreiteten<br />
Massentourismus positioniert ist, für spätere<br />
Generationen zu erhalten.<br />
Betriebliche und technische<br />
Herausforderungen<br />
Trotz zahlreicher hochfliegender Erschlies<br />
sungsprojekte ist das «Faulhorn»<br />
bis heute nur mit einem zweistündigen<br />
Fussmarsch oder mit dem Helikopter<br />
erreichbar. So einmalig die Lage für Besuchende<br />
ist, so herausfordernd sind<br />
Betrieb und Unterhalt. Sämtliche Güter<br />
müssen auf dem Luftweg transportiert<br />
werden, Strom wird vor Ort mit Generatoren<br />
und einer Solaranlage produziert. Eine<br />
stete Herausforderung ist die Wasserversorgung,<br />
seit 2010 wird diese mit einem<br />
kleinen Speichersee unterhalb des Hotels<br />
gewährleistet. Das Wasser bleibt jedoch<br />
4<br />
knapp und muss aufbereitet werden. Auch<br />
Unterhalt und Renovierungen bedingen<br />
aufgrund von Lage, klimatischen Verhältnissen<br />
und der kurzen Sommersaison<br />
sorgfältige Vorbereitung und konzentrierte<br />
Umsetzung. Die Ausführenden bleiben<br />
während der Arbeiten vor Ort und werden<br />
beherbergt.<br />
Bauliche Massnahmen<br />
Bereits seit zwei Jahrhunderten werden<br />
die geschichtsträchtigen Gebäude stetig<br />
unterhalten, schonend erneuert und<br />
weiterentwickelt. Insbesondere in den<br />
letzten Jahren erfolgten fachgerechte Fassadenrenovierungen<br />
der verschiedenen<br />
Gebäudeteile mit neuen Putzaufbauten<br />
sowie der Erneuerung von Holzwerk und<br />
Fenstern. 2007 wurde neben dem Gebäude<br />
ein traditioneller fassartiger Wasserspeicher<br />
in Holzbauweise fertiggestellt.<br />
Die vorgelagerte Terrasse in Trockenbauweise<br />
wies erhebliche Setzungsschäden<br />
auf, sie wurde 2021 ausgebessert und mit<br />
zwei steinverkleideten Betonpfeilern stabilisiert<br />
und verstärkt. Im Innern wurden<br />
der grosse Gastraum aufgefrischt und der<br />
mächtige Tambourofen restauriert. Dieser<br />
wird bald wieder in Betrieb genommen.<br />
Als nächstes grösseres Projekt ist die Sanierung<br />
der ursprünglichen Dachflächen<br />
vorgesehen.<br />
Zudem liegen Studien für Umbauten und<br />
Erweiterungen für zusätzliche und alternative<br />
Beherbergungsmöglichkeiten vor.<br />
2018 wurden durch Architekturstudenten<br />
der Berner Fachhochschule Varianten<br />
dazu ausgearbeitet. Auch ein Vorschlag<br />
für einen autarken Neubau in Form eines<br />
Tiny House’s liegt vor, das einen einfachen<br />
Winterbetrieb ermöglichen sollte.<br />
Die Projekte gehen der engagierten Besitzerfamilie<br />
also nicht aus.<br />
Grindelwald, Faulhorn 1164<br />
Massnahmen: Diverse Restaurierungsarbeiten<br />
ab 2008<br />
Bauherrschaft: Christian und Nina<br />
Garbani, Faulhorn AG<br />
Restauratoren: Keim AG, Bern<br />
Handwerker: Jesùs Dapena AG,<br />
Inter laken (Fassaden); Alpinice AG,<br />
Grindelwald (Terrasse); Martin Lutz<br />
Trockenmauern, Nussbaumen;<br />
H. Brunner Holzbau GmbH, Iseltwald;<br />
Perler Ofen GmbH, Wabern; Peter Gysin,<br />
Grindelwald (Bauführung)<br />
Denkmalpflege: Stefan Moser<br />
Unterschutzstellung: Kanton 2009<br />
Beiträge: Kanton 2009, 2016, 2021<br />
(Lotteriefonds/SID)<br />
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