17.06.2022 Aufrufe

Fachwerk 2022

Das Magazin der Denkmalpflege

Das Magazin der Denkmalpflege

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Berichte | Rapports<br />

2<br />

3<br />

Abendstimmung am Faulhorn.<br />

1 Restaurierte Fassade.<br />

2 Gaststube mit Tambourofen.<br />

3 Schlafkammer.<br />

4 Aquarell «Das Faulhorn-Restaurant» von Marguerite Frey-Surbeck.<br />

Denkmalpflege auf<br />

2681 Meter über Meer<br />

Seit 190 Jahren wird auf dem Faulhorn hoch über<br />

Grindelwald gewirtet. In der vierten Generation führt die<br />

Besitzerfamilie Garbani das historische Berghotel.<br />

Text: Stefan Moser<br />

1<br />

An perfekter Aussichtslage steht es seit<br />

1832 auf der exponierten Bergkuppe:<br />

das Berghotel Faulhorn, ein einmaliger<br />

Zeuge des Bergtourismus im Alpenraum.<br />

Es handelt sich um eines der ersten<br />

Gasthäuser dieser Art, das der damalige<br />

Unterseener Stadthauswirt in pionierhafter<br />

Voraussicht erbauen liess. Für den<br />

aufkommenden internationalen Tourismus<br />

sollte eine neue Übernachtungsmöglichkeit<br />

im Hochgebirge als Ergänzung zu<br />

den Betrieben im Talgrund entstehen. Auf<br />

einer Steinterrasse direkt unterhalb des<br />

Gipfels wurde ein ausladender Massivbau<br />

mit steingedeckten Satteldächern<br />

errichtet, die Hauptfront gegen das Bergpanorama<br />

der Berner Alpen ausgerichtet.<br />

Mittelpunkt war der grosse Gastraum mit<br />

Tambourofen und langem Esstisch, darüber<br />

wurden zehn einfache Schlafkammern<br />

eingerichtet. Die Gäste, insbesondere<br />

aus England, liessen nicht lange auf sich<br />

warten, bald wurde das «Faulhorn» in Reiseführern<br />

wie dem Baedecker erwähnt.<br />

Anreise und Transporte erfolgten zu Fuss<br />

oder mit dem Maultier. Zahlreiche Gäste<br />

verbrachten mehrere Sommermonate im<br />

Berghotel, auch Kunstschaffende wie die<br />

Malerin Marguerite Frey-Surbeck.<br />

Das Gebäudeensemble wurde kontinuierlich<br />

den sich verändernden Bedürfnissen<br />

angepasst und mit Nebentrakten für<br />

Restaurant und Touristenlager sowie mit<br />

Technikeinrichtungen ergänzt. Trotz dieser<br />

Erweiterungen ist bis heute ausserordentlich<br />

viel historische Bausubstanz erhalten<br />

geblieben, auch im Innern.<br />

Das «Faulhorn» hat eine wechselvolle Be -<br />

sitzergeschichte. Bereits seit 1931 gehört<br />

es jedoch derselben Familie aus Grindelwald.<br />

In vierter Generation haben 2017<br />

Christian und Nina Garbani übernommen<br />

und führen die Anlage umsichtig als Familienbetrieb<br />

weiter. Es ist ihnen ein grosses<br />

Anliegen, das historische Berghotel, welches<br />

klar als Alternative zum verbreiteten<br />

Massentourismus positioniert ist, für spätere<br />

Generationen zu erhalten.<br />

Betriebliche und technische<br />

Herausforderungen<br />

Trotz zahlreicher hochfliegender Erschlies<br />

sungsprojekte ist das «Faulhorn»<br />

bis heute nur mit einem zweistündigen<br />

Fussmarsch oder mit dem Helikopter<br />

erreichbar. So einmalig die Lage für Besuchende<br />

ist, so herausfordernd sind<br />

Betrieb und Unterhalt. Sämtliche Güter<br />

müssen auf dem Luftweg transportiert<br />

werden, Strom wird vor Ort mit Generatoren<br />

und einer Solaranlage produziert. Eine<br />

stete Herausforderung ist die Wasserversorgung,<br />

seit 2010 wird diese mit einem<br />

kleinen Speichersee unterhalb des Hotels<br />

gewährleistet. Das Wasser bleibt jedoch<br />

4<br />

knapp und muss aufbereitet werden. Auch<br />

Unterhalt und Renovierungen bedingen<br />

aufgrund von Lage, klimatischen Verhältnissen<br />

und der kurzen Sommersaison<br />

sorgfältige Vorbereitung und konzentrierte<br />

Umsetzung. Die Ausführenden bleiben<br />

während der Arbeiten vor Ort und werden<br />

beherbergt.<br />

Bauliche Massnahmen<br />

Bereits seit zwei Jahrhunderten werden<br />

die geschichtsträchtigen Gebäude stetig<br />

unterhalten, schonend erneuert und<br />

weiterentwickelt. Insbesondere in den<br />

letzten Jahren erfolgten fachgerechte Fassadenrenovierungen<br />

der verschiedenen<br />

Gebäudeteile mit neuen Putzaufbauten<br />

sowie der Erneuerung von Holzwerk und<br />

Fenstern. 2007 wurde neben dem Gebäude<br />

ein traditioneller fassartiger Wasserspeicher<br />

in Holzbauweise fertiggestellt.<br />

Die vorgelagerte Terrasse in Trockenbauweise<br />

wies erhebliche Setzungsschäden<br />

auf, sie wurde 2021 ausgebessert und mit<br />

zwei steinverkleideten Betonpfeilern stabilisiert<br />

und verstärkt. Im Innern wurden<br />

der grosse Gastraum aufgefrischt und der<br />

mächtige Tambourofen restauriert. Dieser<br />

wird bald wieder in Betrieb genommen.<br />

Als nächstes grösseres Projekt ist die Sanierung<br />

der ursprünglichen Dachflächen<br />

vorgesehen.<br />

Zudem liegen Studien für Umbauten und<br />

Erweiterungen für zusätzliche und alternative<br />

Beherbergungsmöglichkeiten vor.<br />

2018 wurden durch Architekturstudenten<br />

der Berner Fachhochschule Varianten<br />

dazu ausgearbeitet. Auch ein Vorschlag<br />

für einen autarken Neubau in Form eines<br />

Tiny House’s liegt vor, das einen einfachen<br />

Winterbetrieb ermöglichen sollte.<br />

Die Projekte gehen der engagierten Besitzerfamilie<br />

also nicht aus.<br />

Grindelwald, Faulhorn 1164<br />

Massnahmen: Diverse Restaurierungsarbeiten<br />

ab 2008<br />

Bauherrschaft: Christian und Nina<br />

Garbani, Faulhorn AG<br />

Restauratoren: Keim AG, Bern<br />

Handwerker: Jesùs Dapena AG,<br />

Inter laken (Fassaden); Alpinice AG,<br />

Grindelwald (Terrasse); Martin Lutz<br />

Trockenmauern, Nussbaumen;<br />

H. Brunner Holzbau GmbH, Iseltwald;<br />

Perler Ofen GmbH, Wabern; Peter Gysin,<br />

Grindelwald (Bauführung)<br />

Denkmalpflege: Stefan Moser<br />

Unterschutzstellung: Kanton 2009<br />

Beiträge: Kanton 2009, 2016, 2021<br />

(Lotteriefonds/SID)<br />

FACHWERK <strong>2022</strong> 34 FACHWERK <strong>2022</strong><br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!