Fachwerk 2022
Das Magazin der Denkmalpflege
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Berichte | Rapports<br />
1<br />
2 3<br />
1 Übergang von der Schlossmauer (mit Kalkputz) zur<br />
Kirchenmauer (mit Sandstein-Verblendung).<br />
2 Ansicht der Kirchenmauer vor dem Abbruch.<br />
3 Neuer Begegnungsort im alten Pfarrhaus.<br />
4 Situationsplan.<br />
5 Neuer Kirchweg, Blick Richtung Sternen.<br />
Muri – wie eine Mauer auch<br />
verbinden kann<br />
Zwar fiel die historische Kirchenmauer einer Strassen verbreiterung zum Opfer.<br />
Doch das Dorfzentrum von Muri wird zum würdevollen neuen Begegnungsort.<br />
Text: Daniel Gygax<br />
4<br />
Gemeinde mit der Besitzerin einen Landabtausch<br />
aus. Dadurch konnte der Weg,<br />
mit einem Sichtschutz versehen, instand<br />
gesetzt werden. Die Kirche ist dadurch<br />
wieder von beiden Seiten her zugänglich.<br />
Das Wegsystem des Friedhofs wurde so<br />
angepasst, dass man in schöner Umgebung<br />
barrierefrei vom Restaurant Sternen<br />
zur Kirche und zum Pfarrhaus gelangen<br />
kann. Dabei bietet dieser Weg immer wieder<br />
schöne Ausblicke auf das Schloss.<br />
Weitere Teilprojekte waren die Sanierung<br />
und Umgestaltung der Kirche und ihr Anschluss<br />
ans Fernwärmenetz. Die Gemeinde<br />
nutzte die offene Baugrube, um dieses<br />
vom Thunplatz her zur Kirche hin zu<br />
er weitern. In der Kirche wird die Wärme<br />
unter einem neuen Sandsteinboden im<br />
ganzen Raum verteilt. Chor- und Saalgestühl<br />
sind beweglich, der offene und frisch<br />
belichtete Innenraum wirkt modern und<br />
einladend. Mitglieder der Kirchgemeinde<br />
berichten erfreut von deutlich mehr Besucherinnen<br />
und Besuchern: Die Kirche<br />
liegt nun «am Weg».<br />
Begegnungsorte<br />
Im Pfarrhaus liess die Kirchgemeinde das<br />
Erdgeschoss umgestalten. Entstanden<br />
ist eine neue, freundliche Kaffeebar mit<br />
sehr schönen Aussenräumen, ein niederschwelliger<br />
Begegnungsort. Der Garten<br />
lädt zum ruhigen Verweilen ein – oder<br />
zum Pétanque-Spiel unter den mächtigen,<br />
schattenspenden Bäumen. Parallel zu<br />
den Bauarbeiten entlang der Thunstrasse<br />
wurde auch das Hotel Restaurant Sternen<br />
äusserlich vollständig saniert. Der prägnante<br />
Bau bildet mit seinem frischen Rot<br />
den nördlichen Abschluss des Dreiecks<br />
zwischen Kirche, Pfarrhaus und Thunplatz.<br />
Die neue Wegführung verbindet so -<br />
wohl Menschen wie Baudenkmäler: Die<br />
verschiedenen Gebäude können mitsamt<br />
ihren Aussenräumen begangen und erlebt<br />
werden. Das historische Zentrum von<br />
Muri hat damit an Gewicht gewonnen und<br />
seine Würde zurückerhalten.<br />
Der Abbruch der historischen Mauer ist<br />
zweifellos ein Verlust. Aber dank der<br />
motivierten Zusammenarbeit der Bauherrschaften<br />
und dem positiven Einfluss der<br />
engagierten Planer ist etwas anderes<br />
entstanden: Inmitten von Muri steht eine<br />
Mauer, die nicht trennt, sondern verbindet.<br />
Der Anfang dieser Geschichte ist aus<br />
denkmalpflegerischer Sicht bedauerlich.<br />
Die Thunstrasse in Muri, eine stark<br />
befahrene Kantonsstrasse, ist auf der Höhe<br />
der Kirche sehr schmal. Auf der einen<br />
Strassenseite wird sie durch ein Trottoir,<br />
auf der anderen durch die historische<br />
Schloss- und Kirchenmauer begrenzt.<br />
Hier kreuzen Autos, Busse und Velofahrer<br />
auf engstem Raum. Seit geraumer Zeit<br />
war klar, dass eine Verbreiterung der<br />
Strasse verkehrstechnisch unumgänglich<br />
werden würde. Nach Südwesten war dies<br />
wegen privatrechtlicher Einschränkungen<br />
nicht möglich. So plante man den teilweisen<br />
Abbruch der historischen, statisch<br />
nur noch bedingt sicheren Schloss- und<br />
Kirchenmauer.<br />
In intensiven Gesprächen zwischen den<br />
betroffenen Bauherrschaften – dem<br />
kantonalen Tiefbauamt, der Einwohnergemeinde<br />
Muri sowie der Kirchgemeinde<br />
Muri – und der Denkmalpflege wurde<br />
vereinbart, die Mauer abzubrechen und<br />
etwa einen Meter nach Osten gerückt in<br />
Beton neu zu erstellen. Um die historische<br />
Erscheinung zu wahren, sollten die alten<br />
Sandsteinplatten in ein einheitliches Format<br />
zugeschnitten und als Verblendung<br />
genutzt werden. Der nördliche Flügel der<br />
Mauer sowie das Stück zwischen Kirche<br />
und Schloss konnte erfreulicherweise in<br />
der alten Substanz erhalten und saniert<br />
werden.<br />
Soweit der betrübliche Teil der Geschichte:<br />
Grosse Teile einer schönen,<br />
geschichtsträchtigen Mauer fallen einem<br />
Infrastrukturprojekt zum Opfer. Doch<br />
erfreulicherweise wurde das komplexe<br />
Projekt zum Ausgangspunkt für verschiedenste<br />
positive Entwicklungen im direkten<br />
Umfeld des Strassenabschnittes.<br />
Vernetztes Denken führt zu neuer<br />
Einheit<br />
In das Bauprojekt waren mehrere Eigentümerinnen<br />
und Eigentümer mit ihren<br />
Planungsfachleuten involviert. Auf Initiative<br />
der Planenden sowie der Bauherrschaften<br />
wurde weit über das Strassenprojekt<br />
hinausgedacht, um Räume und Funktionen<br />
zu verbinden und aufzuwerten. Die<br />
Bauherrschaften fanden sich in verschiedenen<br />
Gremien zu unterschiedlichen Teilprojekten<br />
zusammen. Vernetztes Denken<br />
war gefragt: Die verschiedenen Stränge<br />
wurden frühzeitig aufgenommen und zu<br />
einer neuen Einheit zusammengeführt.<br />
Ein Beispiel dafür ist die neue Wegführung<br />
für Fussgängerinnen und Fussgänger.<br />
Früher führte der Kirchweg schlossseitig<br />
der alten Mauer entlang. Er wurde jedoch<br />
vor Jahren geschlossen, weil er einen<br />
privaten Park tangierte. Nun handelte die<br />
5<br />
Muri, Dorfzentrum,<br />
Thunstrasse 80, 95, 96, 115<br />
Massnahmen: Aufwertung Dorf -<br />
zentrum, Sanierung der Kirch- und<br />
Schlossmauer, 2015 – 2021<br />
Bauherrschaft: Tiefbauamt des<br />
Kantons Bern, Einwohnergemeinde<br />
Muri, Kirchgemeinde Muri-Gümligen,<br />
Frau Stankiewicz, Familie Badertscher<br />
Architekten: Metron AG, Bern;<br />
Hartenbach & Wenger AG, Bern; bbz<br />
landschaftsarchitekten, Bern; Althaus<br />
Architekten+, Bern; Rausser & Zulauf<br />
Architekten, Bern; Martin Saurer, Architekt,<br />
Bern; Sven Stucki Architekten, Bern<br />
Denkmalpflege: Michael Gerber,<br />
Daniel Gygax<br />
Unterschutzstellung: Kanton, Bund<br />
Beiträge: Kanton (Lotteriefonds/SID),<br />
Kanton (Denkmalpflege)<br />
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