Fachwerk 2022
Das Magazin der Denkmalpflege
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Berichte | Rapports<br />
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Äusserlich ist dies an der bemalten, mit<br />
stattlichen neun Fensterachsen versehenen<br />
Front und der bekrönenden Ründi<br />
ablesbar.<br />
Kellergereift – wo die Anfänge<br />
des Käsehandels liegen<br />
Eines der ersten Häuser, das dem Handel und Export<br />
von Emmentaler-Käse diente, ist in den letzten Jahren<br />
umsichtig umgebaut und renoviert worden.<br />
1<br />
1 Vom äusseren Erscheinungsbild her ein Bauernhaus,<br />
primär aber Sitz und Betrieb eines Käsehändlers.<br />
2 Farbakzente an der Laube. Diese wird neu von einer<br />
filigranen Treppe erschlossen.<br />
Familie vor rund 200 Jahren das heute<br />
noch bestehende Wohn- und Geschäftshaus<br />
an bester Lage in der Ortsmitte.<br />
In unmittelbarer Nachbarschaft zu Kirche,<br />
Gasthof Bären und Markthalle, den da -<br />
maligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Zentren Langnaus, kann der «Hof»<br />
damit als baulicher Ausgangspunkt und<br />
ältester Zeuge des einst äusserst lukrativen<br />
Handels mit Emmentaler-Käse bezeichnet<br />
werden.<br />
3 Wohnung in der «Beletage» mit Paneel-Täfer und<br />
repräsentativem Parkettboden.<br />
4 Restaurierte Fassade mit Rundschindel-Verrandung.<br />
5 Die Baugruppe liegt von der Strasse leicht zurückversetzt<br />
an bester Lage in der Ortsmitte.<br />
Wohn- und Geschäftshaus im Kleid<br />
eines Bauernhauses<br />
Geschäftsspezifische Baugattungen entwickelten<br />
sich erst in der zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts, trotzdem sprechen<br />
wir hier vom ältesten erhaltenen Käsehandelshaus<br />
des Emmentals. Das Gebäude<br />
orientierte sich, wie zu jener Zeit üblich,<br />
formal am bäuerlichen Mehrzweckhaus<br />
mit Wohn- und Ökonomieteil. Die bäuerliche<br />
Nutzung war jedoch von sekundärer<br />
Bedeutung, das zugehörige Land wurde<br />
schrittweise veräussert. Der Ökonomieteil<br />
war hauptsächlich dem Käsehandel<br />
vorbehalten und umfasst demnach nicht<br />
Tenn und Stall, sondern in erster Linie<br />
den Käsekeller als betrieblich wichtigsten<br />
Raum. Hier wurde der Käse bis zur Reife<br />
gelagert, gesalzen und gepflegt. Zusammen<br />
mit Teilen der einstigen Spedition<br />
und der so genannten Küblerei, wo dem<br />
Käse als Transportschutz eine hölzerne<br />
Verpackung – der Kübel – verpasst wurde,<br />
ist der Käsekeller erhalten und stand<br />
bis 1969 im Gebrauch.<br />
Im ausgesprochen grosszügig bemessenen<br />
Wohnteil fand man während der<br />
Sanierung Spuren eines Vorgängerbaus,<br />
wohl von 1700. Am repräsentativen Umbau<br />
durch die Familie Joost zeigt sich<br />
der gegenüber der bäuerlichen Architektur<br />
gehobene bürgerliche Anspruch.<br />
Heute wie früher:<br />
Mehrgeneratio nen haus<br />
Die aktuellen Besitzerinnen des «Hofs»<br />
realisierten in den letzten Jahren mehrere<br />
Sanierungs- und Umbau-Etappen. Die<br />
mit kleinen Rundschindeln verrandeten<br />
Fassaden mussten zuerst von den Resten<br />
ihrer letzten Farbschicht befreit werden.<br />
Seit Neuestem strahlen sie nun wieder im<br />
Glanz der Ölfarben und zeigen die typischen<br />
Berner Akzente in Schwarz und<br />
Rot. Die Nachhaltigkeit dieser Fassadenbeschichtung<br />
wird daran deutlich, dass<br />
keine einzige Schindel zu ersetzen war.<br />
Kleinere Reparaturen am ebenfalls neu<br />
gefassten Sockel aus Haustein vervollständigen<br />
das nun wieder makellose<br />
Erscheinungsbild. Äusserlich unbemerkt,<br />
dafür umso wichtiger für die Behaglichkeit<br />
im Innern, sind die durch Aufdoppelung<br />
energetisch ertüchtigten bisherigen Fenster.<br />
Seit jeher leben im Wohnteil mehrere<br />
Generationen zusammen. Aktuell sind es<br />
vier. Die Nutzung als Mehrgenerationenhaus<br />
ist nun sogar noch etwas aus ge prägter:<br />
Durch minimale Eingriffe im Grundrisskonzept<br />
wurden neu zwei unabhängig<br />
erschlossene Wohnungen mit je eigenen<br />
Sanitärtrakten ausgeschieden. In den<br />
Fronträumen der Wohnung im Obergeschoss,<br />
der «Beletage», sind zudem die<br />
bemerkenswerten Paneel-Täfer und die<br />
repräsentativen Parkettböden aus der<br />
Epoche der wohlhabenden Käsehändler<br />
restauriert und aufgefrischt worden.<br />
Text: Hans-Peter Ryser<br />
Trägt ein Anwesen in einem Dorf den<br />
Namen «Hof», liegen seine Anfänge<br />
meist weit zurück in der Geschichte. Vielfach<br />
befinden sich diese Liegenschaften<br />
an besonderer Lage und in ihrer Besitzergeschichte<br />
spielen häufig lokal wichtige<br />
Persönlichkeiten eine Rolle. So ist es auch<br />
beim «Hof» in Langnau, der mit Sicherheit<br />
schon lange vor der ersten, aus dem<br />
16. Jahrhundert bekannten Erwähnung<br />
so hiess. Der bekannteste Besitzer war im<br />
späten 18. Jahrhundert während kurzer<br />
Zeit der illustre und über die Landesgrenzen<br />
hinaus bekannte Mediziner Michael<br />
Schüppach. Über seinen Urenkel gelangte<br />
der «Hof» zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
an die Firma Joost, die es als ältestes der<br />
grossen Langnauer Käsehandels-Unternehmen<br />
international zu ähnlich grosser<br />
Berühmtheit schaffte wie Schüppach.<br />
Entsprechend selbstbewusst baute die<br />
2<br />
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Langnau im Emmental,<br />
Dorfbergstrasse 1<br />
Massnahmen: Sanierung Fenster und<br />
Fassade, Umbau 1. OG, 2017 – 2021<br />
Bauherrschaft: Madeleine Ryser und<br />
Susan Roethlisberger<br />
Handwerker: Ramseier Holzbau AG,<br />
Langnau; Schreinerei Liechti Amsoldingen<br />
AG, Amsoldingen (Fenster); Malerei<br />
Hanspeter Haldemann, Langnau;<br />
Hubschmid Beat, Langnau (Natursteinarbeiten)<br />
Denkmalpflege: Stephan Zahno,<br />
Simon Spring<br />
Unterschutzstellung: Kanton 2021<br />
Beiträge: Kanton (Lotteriefonds/SID)<br />
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