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AUSGABE <strong>26</strong> 25. Juni <strong>2022</strong><br />
EUROPEAN MAGAZINE AWARD WINNER <strong>2022</strong> POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC<br />
POLITIK<br />
Der Preis des<br />
Friedens in<br />
der Ukraine<br />
JUGEND<br />
Die verlorene<br />
Generation<br />
von Odessa<br />
G7-GIPFEL<br />
Der lange<br />
Schatten des<br />
Hotels<br />
Schloss Elmau<br />
Forever<br />
Marilyn<br />
Warum die Schauspielerin<br />
60 Jahre nach ihrem<br />
Tod relevanter ist denn je<br />
DIE WELT-<br />
ERNÄHRUNGSKRISE<br />
Katastrophen, Krieg und Spekulation:<br />
Wenn alles zu teuer und Hunger zur Waffe wird
Alle <strong>FOCUS</strong>-Titel to go.<br />
focus-shop.de<br />
JETZT<br />
E-PAPER LESEN:
EDITORIAL<br />
Lasst uns endlich<br />
über Wirtschaft reden!<br />
Dieser Text<br />
zeigt evtl. Probleme<br />
beim<br />
Text an<br />
Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />
Foto: Peter Rigaud/<strong>FOCUS</strong>-Magazin<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
vom chinesischen Revolutionsführer<br />
Mao Tsetung stammt aus den 30er Jahren<br />
der zynische Lehrsatz: „Die politische<br />
Macht kommt aus den Gewehrläufen.“<br />
Für die Bundesrepublik Deutschland hat<br />
das nie gegolten. Die Macht dieses deutschen<br />
Staates kam nach 1948 aus den<br />
Industrie schloten des Ruhrgebiets, später<br />
aus den Fabriken und Entwicklungsabteilungen<br />
der Automobilwirtschaft<br />
und aus den Köpfen der Maschinenbau-<br />
Ingenieure. Titel wie „Exportweltmeister“<br />
oder „viertgrößte Wirtschaftsmacht<br />
der Welt“ standen und stehen für den<br />
ökonomischen Riesen und die westeuropäische<br />
Führungsmacht. Zur zentralen<br />
Voraussetzung für das deutsche „Wirtschaftswunder“<br />
gehörte Energie – sichere<br />
und preiswerte Energie!<br />
Heute ist unsere Energieversorgung<br />
weder sicher noch preiswert, und Exportweltmeister<br />
sind wir seit 2009 schon<br />
nicht mehr.<br />
Ich frage mich, warum das offenkundig<br />
und gerade in diesen Tagen weder<br />
die Politik noch die Wirtschaftsverbände<br />
wirklich umtreibt. Wir steuern in eine<br />
Rezession, Löhne und Energiepreise drohen<br />
die Inflation weiter zu treiben. Und<br />
alle reden sie vom Energiesparen, am<br />
eindringlichsten der Wirtschaftsminister,<br />
aber auch der Bundesverband der<br />
Deutschen Industrie (BDI). Und alle stimmen<br />
in den Refrain ein: „Es kommt auf<br />
jede Kilowattstunde an.“ Dazu passt die<br />
Lieblingssequenz aller TV-Sender, das<br />
Herunterdrehen der Temperaturregler<br />
in den Wohnungen. Die unterschwellige<br />
Botschaft ist völlig klar: Wenn es in<br />
Häusern und Wohnungen im Winter<br />
kühl oder kalt werden sollte, ist der<br />
(sparunwillige) Bürger selber schuld.<br />
Wir kennen das schon aus der Corona-<br />
Pandemie: Die Bürger waren an der<br />
Verbreitung aufgrund ihrer vermeintlichen<br />
Sorglosigkeit selbst schuld und<br />
mussten mit Ausgangssperren und Ähnlichem<br />
drangsaliert werden, auf keinen<br />
Fall aber der Staat, der vergessen hatte,<br />
Masken zu besorgen oder die Älteren<br />
in den Heimen und Krankenhäusern<br />
konsequent zu schützen.<br />
Deshalb sollten wir der Politik zurufen:<br />
Wenn es auf jede Kilowattstunde<br />
ankommt, dann sollten wir jetzt die drei<br />
letzten Kernkraftwerke nicht abschalten,<br />
die vorhandene Kohlekraft maximal<br />
einsetzen und die bei uns vorhandenen<br />
Gasvorkommen erschließen. Dann, aber<br />
erst dann sind die Bürger gefordert, sich<br />
über Zimmer- und Duschtemperaturen<br />
Gedanken zu machen.<br />
Und von der Wirtschaft und ihren<br />
Verbänden muss man erwarten, dass<br />
sie ihren Energiebedarf, ihre Schmerzgrenze<br />
bei den Preisen und die Risiken<br />
für die Industrienation in aller Klarheit<br />
benennen, anstatt mit der Ampelregierung<br />
auf edlen Tagungspodien politisch<br />
zu busseln.<br />
Zur Wahrheit, die man bei Gelegenheiten<br />
wie dem BDI-Kongress in dieser<br />
Woche einmal aussprechen könnte,<br />
gehört auch das: Schon die Regierungen<br />
unter Kanzlerin Angela Merkel haben<br />
heimische Energieträger wie Kohle oder<br />
Atomkraft abgeschrieben, bevor der<br />
Ersatz zur Verfügung stand. Die Energiewende<br />
der vergangenen Jahre hat uns<br />
mit die höchsten Energiepreise in der<br />
Welt, den Verlust der Versorgungssicherheit<br />
und die erhöhte Abhängigkeit von<br />
Importen – nicht zuletzt aus Russland –<br />
beschert. Mit Putin und seinem brutalen<br />
Krieg gegen die Ukraine und gegen den<br />
Westen hat das relativ wenig zu tun. Wir<br />
sollten keine Ausreden suchen, sondern<br />
uns endlich um unseren eigenen Laden,<br />
unseren Wirtschaftsstandort kümmern!<br />
Klimaneutralität ist ein wichtiges<br />
Ziel, aber Versorgungssicherheit bei<br />
Energie ist es auch. Deshalb würde es<br />
mich sehr beruhigen, wenn Wirtschaftsminister<br />
Robert Habeck den Bürgern<br />
sagen würde: „Mein Ziel ist es, dass<br />
Deutschland die viertgrößte Industrienation<br />
bleibt.“ Denn nur wirtschaftlich<br />
erfolgreiche Staaten haben die Mittel,<br />
um den Umbau einer Volkswirtschaft auf<br />
Klimaneutralität zu stemmen.<br />
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3<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong><br />
systems bei. Protina Pharm GmbH, D85737 Ismaning
Augenblick<br />
Gerade wird deutlich,<br />
dass die Ukraine<br />
andere Kriegsziele<br />
hat als der Westen.<br />
Wie lange kann<br />
das gut gehen?<br />
Seite 30<br />
Rückblick<br />
Noch immer wird<br />
Marilyn Monroe<br />
vergöttert. Was<br />
macht die Ikone<br />
der Weiblichkeit<br />
so besonders?<br />
Seite 24<br />
Einblick<br />
Die ukrainische Fotografin<br />
Yelena Yemchuck<br />
war in Odessa und<br />
porträtierte die Menschen<br />
einer Stadt, die frei<br />
sein will<br />
Seite 76<br />
Anblick<br />
Europa zeigt, was<br />
es zu bieten hat.<br />
Die schönsten<br />
Urlaubsziele von<br />
Nord nach<br />
Süd im Überblick<br />
Seite 94<br />
Ausblick<br />
Sadio Mané versetzt<br />
Fußball-<br />
Deutschland in<br />
Euphorie. Er könnte<br />
die Bundesliga<br />
prägen<br />
Seite 104<br />
Hinblick Wo Sie in Sachen Mode besser nicht sparen sollten Seite 102<br />
4 <strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong>
Titelthema<br />
INHALT NR. <strong>26</strong> | 25. JUNI <strong>2022</strong><br />
Wissen<br />
66 Der Traum vom grünen Fliegen<br />
Viele Firmen entwickeln inzwischen<br />
elektrische Lufttaxis. Doch die<br />
Probleme sind größer als erwartet<br />
70 „Wir sind die Bösen, nicht die KI“<br />
Neurowissenschaftler Moran Cerf<br />
will die USA besser auf einen Atomangriff<br />
vorbereiten. Sollte eine KI den<br />
Präsidenten beraten?<br />
Dieser Text<br />
zeigt evtl. Probleme<br />
beim<br />
Text an<br />
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NIE WAR<br />
STILLE<br />
LAUTER.<br />
Titel: Getty Images, Shutterstock, Jasper Chamber/Alamy Stock Photo,<br />
Composing <strong>FOCUS</strong> Magazin<br />
40 Die Welternährungskrise<br />
Der russische Angriff auf die Ukraine<br />
könnte eine enorme Hungersnot auslösen.<br />
Auf den Spuren der nahenden Katastrophe<br />
47 Brot und Macht<br />
Eine Kulturgeschichte der Hungerpolitik<br />
Agenda<br />
24 Forever Marilyn<br />
Die platinblonde Ikone ist seit 60 Jahren<br />
tot. Doch der Hype lässt nicht nach.<br />
Was Marilyn Monroe unsterblich macht<br />
Politik<br />
30 Krieg und Frieden<br />
Olaf Scholz drängt auf einen Waffenstillstand,<br />
Selenskyj verspricht die<br />
Rückeroberung der Krim. Wohin führt das?<br />
73 Ärzte ohne Helfer<br />
In deutschen Praxen herrscht Personalnot<br />
75 Vorbild Schildkröte<br />
Was lässt die Reptilien so lange leben?<br />
Kultur<br />
76 Es war einmal in Odessa<br />
Die Fotografin Yelena Yemchuk porträtiert<br />
die Bevölkerung der ukrainischen<br />
Hafenstadt und feiert ihren Freiheitsdrang<br />
82 Die im Dunkeln sieht man nicht<br />
Unsere Filme, Bücher und Alben<br />
der Woche geben sich zwielichtig<br />
84 Oden an Odin<br />
Wie Einar Selvik mit Wardruna die mythische<br />
Musik des Nordens neu erfindet<br />
Ford Mustang Mach-E GT<br />
50 Pure Performance<br />
Leistungswerte, die den Puls<br />
in die Höhe treiben.<br />
50 Starke Reichweite<br />
Alltag, Ausflug, Urlaub –<br />
so muss E-Mobilität sein.<br />
Fotos: IMAGO/Ukrainian Presidential Press Off, Bert Stern/TASCHEN, Yelena<br />
Yemchuk, Getty Images, nstagram.com/sadiomaneofficiel/<br />
35 Politischer Datenstrudel<br />
Özdemir im Ring und Roth in Aufruhr<br />
36 Kein Schloss, aber viele Gespenster<br />
Der G7-Treffpunkt Schloss Elmau gilt als<br />
mystisch. Wir schauen auf die langen<br />
Schatten eines deutschen Luxushotels<br />
38 Das Ende der Freiheit<br />
Hongkong kämpft auch 25 Jahre nach dem<br />
Anschluss an China um Demokratie<br />
49 Probleme nicht wegquotieren<br />
Warum die CDU keine Frauenquote braucht<br />
Wirtschaft<br />
52 Das gestohlene Ich<br />
Seit Jahren missbrauchen Betrüger<br />
ungestraft die Identität eines Mannes<br />
60 Die Wirecard-Connection<br />
Zwei Jahre nach der Pleite zeigen Papiere,<br />
wessen Nähe die kriminellen Chefs suchten<br />
63 Der Krypto-Crash<br />
Was Sie über den Kurssturz wissen sollten<br />
64 Geldmarkt<br />
Leben<br />
94 Sehnsuchtsziele in Europa<br />
Die schönsten Urlaubsorte zwischen Norwegens<br />
Küste und Griechenlands Stränden<br />
100 Grün ist das neue Cool<br />
Ottolenghis Ananassorbet mit Kräutern<br />
102 Kauf dich glücklich<br />
Luxuriöse Fashiontrends für sie und ihn<br />
104 Bayerns Ballonbuwa<br />
Sadio Mané ist der Hoffnungsträger des<br />
FC Bayern – und der ganzen Bundesliga<br />
107 Haste mal Feuer?<br />
Das Comeback der italienischen<br />
Kult-Motorradmarke Benelli<br />
Rubriken<br />
3 Editorial<br />
8 Kolumne von<br />
Jan Fleischhauer<br />
11 Nachrichten<br />
12 Fotos der Woche<br />
18 Grafik der Woche<br />
Gas<br />
20 Menschen<br />
74 Wir müssen reden<br />
83 Mein Salon<br />
88 Bestseller<br />
88 Impressum<br />
110 Die Einflussreichen<br />
112 Leserbriefe<br />
113 Nachrufe<br />
113 Servicenummern<br />
114 Tagebuch<br />
50 Schnelles Laden<br />
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51 Großer Komfort<br />
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Verbrauchswerte nach § 2 Nrn. 5, 6, 6a Pkw-EnVKV<br />
in der jeweils geltenden Fassung: n. v.*<br />
Verbrauchswerte nach WLTP: Strom verbrauch:<br />
20,0 kWh/100 km (kombiniert); CO 2<br />
-Emissionen im<br />
Fahr betrieb: 0 g/km (kombiniert).<br />
Rubriken<br />
* n. v. = Daten nicht verfügbar. Der Gesetzgeber arbeitet an einer Novellierung<br />
3 der Editorial<br />
Pkw-EnVKV und empfiehlt in der Zwischenzeit für Fahrzeuge,<br />
die nicht mehr auf Grundlage des Neuen 90 Europäischen Salon Fahrzyklus<br />
(NEFZ) 6 homologiert Kolumne werden von können, Jan die Angabe 95 Buch der realitätsnäheren<br />
& Welt<br />
WLTP-Werte. Fleischhauer<br />
Diese sind in der nachfolgenden 96 Zeile Kultur-Macher<br />
zu finden.<br />
9 Nachrichten<br />
102 Bestseller<br />
8 Fotos der Woche 124 Die Einflussreichen<br />
16 Grafik der Woche 128 Nachrufe/ Namen<br />
18 Menschen<br />
129 Impressum<br />
48 Leserbriefe<br />
130 Tagebuch<br />
Titelthemen sind rot markiert<br />
Titelthemen sind rot markiert<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong> 5
AGENDA<br />
Vor der Kamera<br />
Vor der Kamera<br />
Im Juni 1962 lichtete der Fotograf Bert Stern die damals schon<br />
schwer depressive Marilyn Monroe im „Bel Air Hotel“ ab. Für die<br />
Zeitschrift „Vogue“. Während der dreitägigen Produktion floss<br />
eine Menge Dom Pérignon, der Weltstar zeigte sich verletzlich wie<br />
selten. Wenige Wochen später war sie tot, und die Fotos gingen<br />
unter dem Titel „The Last Shooting“ in die Geschichte ein<br />
Foto: Bert Stern/TASCHEN<br />
24 <strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong>
IKONE<br />
Forever Marilyn<br />
Sie war mehr Göttin als Filmstar, ihr Look ikonisch. Auch 60 Jahre<br />
nach ihrem Tod will die Popkultur nicht von Marilyn Monroe lassen.<br />
Netflix produziert Filme, Kim Kardashian trägt ihr Kleid. <strong>2022</strong> ist ihr<br />
Jahr. Warum ist die tragische Hollywood-Heldin mehr als ein halbes<br />
Jahrhundert später noch immer so relevant?<br />
TEXT VON HEIKE BLÜMNER<br />
25
POLITIK<br />
Kornkammer<br />
Die Ukraine zählt<br />
zu den wichtigsten<br />
Getreideproduzenten<br />
der Welt.<br />
Mit ihren Exporten<br />
sichert sie die<br />
Versorgung vor<br />
allem in Nordafrika<br />
Sonnenblumenkerne<br />
Die Produktion des Vorjahres<br />
wartet auf die Auslieferung<br />
und wird ranzig – bald<br />
beansprucht die neue Ernte<br />
den Platz in den Silos<br />
40 <strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong>
TITEL<br />
Maiskörner<br />
In den Speichern der<br />
Ukraine lagern noch rund<br />
25 Millionen Tonnen<br />
Getreide, das nicht<br />
verschifft werden konnte –<br />
auch hier in der Suslow-<br />
Farm in Buky bei Kiew<br />
Die Welternährungskrise<br />
Der Ukrainekrieg treibt die Nahrungsmittelpreise auf ein historisches Hoch<br />
und verschärft den Hunger vor allem in Afrika und im Nahen Osten.<br />
Die Ernährungskrise wird das Topthema beim G7-Gipfel in Elmau, denn im<br />
globalen Ernährungssystem liegt vieles im Argen. Warum alles immer<br />
teurer und Hunger wieder zur Waffe wird<br />
TEXT VON ERIC BONSE, GUDRUN DOMETEIT, REINHARD KECK, PHILLIPKA VON KLEIST, SEBASTIAN MOLL,<br />
LUKAS MÜLLER, DOROTHEA RIECKER, BETTINA RÜHL, ANDRZEJ RYBAK UND MARGOT ZESLAWSKI<br />
Foto: Giulio Piscitelli/contrasto/laif<br />
41
WIRTSCHAFT<br />
Abgefahren Weil der Dienst<br />
bei Österreichs Staatsbahn<br />
immer wieder ausfiel, zahlte<br />
Wirecard mehrmals Strafen<br />
Abkassiert Für Aldi wickelte<br />
Wirecard die bargeldlosen<br />
Zahlungen ab. Nach der Pleite<br />
war der Dienst schnell ersetzt<br />
Abgehoben Im Größenwahn<br />
dachte das Management<br />
gar über eine Übernahme der<br />
Deutschen Bank nach<br />
F<br />
ür den FC Bayern München<br />
war der Sommer 2020 ein<br />
großer. Das Team um Kapitän<br />
Manuel Neuer hatte beste<br />
Chancen, die Champions<br />
League zu gewinnen. Und<br />
auch abseits des Platzes lief<br />
es trotz Corona rund. Da verhandelte<br />
Bayern-CEO Karl-Heinz Rummenigge<br />
mit einem Finanzdienstleister, der in seiner<br />
Branche ebenfalls in der ersten Liga<br />
spielte: mit Wirecard. Über Monate hatte<br />
sich der Deal angebahnt, am Ende fehlte<br />
nur noch die Unterschrift – doch dann<br />
platzte das Geschäft. Nicht weil einer<br />
der beiden nicht mehr wollte. Sondern<br />
weil Wirecard pleite war.<br />
Am 25. Juni 2020, vor genau zwei Jahren,<br />
meldete der Zahlungsdienstleister<br />
Das<br />
Drama<br />
Wirecard<br />
Zwei Jahre nach der Pleite<br />
zeigen Papiere, zu wem<br />
der frühere Dax-Konzern<br />
die Nähe suchte – von Aldi<br />
bis zur Deutschen Bank<br />
TEXT VON JAN-PHILIPP HEIN<br />
Insolvenz an. Fast zwei Milliarden Euro<br />
fehlten da in den Büchern, es ist der<br />
größte Bilanzskandal in der Geschichte<br />
der Bundesrepublik. Wirecard stürzte ab<br />
vom einst wertvollsten Finanzunternehmen<br />
zur Schmuddelbude, mit der keiner<br />
mehr etwas zu tun haben wollte. Bald<br />
zwei Jahre sitzt der einstige Chef Markus<br />
Braun inzwischen in Untersuchungshaft.<br />
Vorstand Jan Marsalek ist weiterhin<br />
untergetaucht, wird von Europol als<br />
„Most Wanted“ gesucht.<br />
Wie konnte es dazu kommen? Und wie<br />
hat Wirecard durchaus namhafte Player<br />
vom FC Bayern München über Aldi bis<br />
Airbus mit hineingezogen in diesen Wirtschaftskrimi?<br />
Hinterlassen haben Braun und Marsalek<br />
eine digitale Spur, einen gigantischen<br />
Fotos: dpa (3), ddp images<br />
60 <strong>FOCUS</strong> <strong>26</strong>/<strong>2022</strong>