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Bildung statt Bomben
Von Britta Lübbers | Dieser
Mann ist eine Naturgewalt, er
kommt über sein Auditorium
mit Donnergrollen und Augenrollen.
Reinhard Erös ist bekannt
dafür, kein Freund von
Leisetreterei zu sein. Bei seinem
Vortrag vor Schülerinnen
und Schülern der KGS machte
er seinem Ruf alle Ehre. Er
tadelte sein Publikum, weil es
zu wenig Zeitung lese und zu
viel auf das „blöde Smartphone“
starre. Dabei schlugen sich
die Schüler ganz gut; sie wussten,
wofür Stalingrad steht, und
sie erkannten – anders als Eliteschüler
in Berlin – den Papst
auf einem Foto, das Erös in seiner
zweistündigen, von einem
Beamer unterstützten Performance
auf die Leinwand geworfen
hatte. Seine Aufforderung,
sich doch bitte zivilgesellschaftlich
zu engagieren, klang
wie ein Befehl (Erös ist Oberstarzt
a. D. der Bundeswehr). Aber
seine Mission ist bestechend.
Wie kein zweiter setzt sich der
Aktivist, Entwicklungshelfer
und Mediziner mit seiner Ehefrau
und den gemeinsamen fünf
Kindern für das geschundene
und stolze Afghanistan ein. Was
die Familie Erös erreicht hat, ist
beispiellos. Man muss ihnen Respekt
zollen, man darf sie auch
bewundern. Die Bilanz ihrer
ausschließlich durch Spenden
finanzierten Hilfe lässt die Nato
alt aussehen, die im vergangenen
Jahr ihre gescheiterte Militäraktion
beendet und das Land
den Taliban überlassen hatte.
1998, noch zu Zeiten des ersten
Taliban-Regimes, gründete
die Kinderhilfe-Afghanistan die
erste Mädchenschule. Es folgten
zahllose Bildungs-, Medizin-
und Hilfsprojekte, darunter die
Anpflanzung von 25.000 Obstbäumen
(„Obst statt Opium“),
die Einrichtung einer Frühgeborenen-Abteilung,
der Bau von
Dorf- und Oberschulen, die Einrichtung
der Deutsch-Afghanischen
Friedensuniversität, die
Ausstattung von Kliniken mit
medizinischem Gerät, Stipendien
für Medizinstudentinnen
und Krankenschwestern-Schülerinnen
sowie Aktionen gegen
Corona.
Bildung ist der Schlüssel
„Nur wenige haben es so gut
wie wir in Deutschland“, das war
der Aufschlag, mit dem Reinhard
Erös seinen Vortrag eröffnete.
In der Stunde zuvor hatte
auch Annette Erös vor jüngeren
Schülerinnen und Schülern
auf die Unterschiede zwischen
den Staaten hingewiesen.
Hier Wohlstand und Frieden,
dort Armut und Not. Nun
sind die Taliban zurück. Ist die
Arbeit der Kinderhilfe-Afghanistan
schwieriger geworden?
Schwierig sei, dass den Taliban
der Geldhahn zugedreht wurde,
antwortet Annette Erös. „Jetzt
müssen wir sehen, wie wir das
Geld dort hinunter bekommen.“
Genau wie ihr Ehemann betont
sie das Selbstbestimmungsrecht
der Afghanen. „Sie wollen
sich selbst regieren, sich selbst
organisieren und sich nicht erpressen
lassen.“ In ihrer langen
Geschichte hätten die Afghanen
noch jede fremde Macht besiegt
oder hinausgedrängt. Veränderungen
müssten im Land, aus
der Bevölkerung heraus entstehen
und könnten nicht erzwungen
werden. Bildung, davon
sind die Lehrerin und ihre Familie
überzeugt, ist der Schlüssel
zur Verbesserung der Lebenssituation.
Nicht überall seien die
Mädchenschulen geschlossen,
auch an Hochschulen gebe es
weiterhin Frauen. „Das System
ist sehr förderal, in den Provinzen
wird eigenständig entschieden“,
betont Annette Erös.
Hinter den Kulissen könne man
durchaus Einfluss nehmen. Das
erfordere jedoch Verhandlungsgeschick
und Diplomatie.
Ratten und Skorpione
„Ihr wisst gar nicht, in welchem
Paradies ihr lebt“, spricht
dann Reinhard Erös sein Auditorium
direkt an. Er zeigt ein Foto,
auf dem zu sehen ist, wie er als
junger Arzt in einer Behelfshütte
in Kalkutta Kranke behandelt.
„Kalkutta war die schrecklichste
Stadt der Welt“, erzählt
er. Er habe damals selbst in einem
Slum gewohnt. „Nachts kamen
die Ratten und die Skorpione,
das war ganz normal.“ Mehr
als 300 Patienten hätten täglich
vor seiner provisorischen
Bambuspraxis auf medizinische
Hilfe gewartet. Rund 50 bis 60
Menschen habe er pro Tag behandeln
können. „Jeden Tag lagen
genauso viele Tote auf der
Straße. Das waren
die, die ich
nicht mehr versorgen
konnte.“
Wer ihm zuhört,
der versteht,
warum er sich
nicht mit Halbheiten
oder gar
Halbwahrheiten
zufriedengibt. Auf die Medien
ist er nicht gut zu sprechen. Er
nennt sie „Lückenpresse“, nicht
Lügenpresse. Das Wissen der
14. Juli 2022
Ende Juni stellten Dr. Reinhard und Annette Erös auf Einladung des Lions Clubs ihre private Initiative „Kinderhilfe-Afghanistan“
in der KGS Rastede vor
„Ihr müsst euch Gedanken machen,
Zeitung lesen und etwas
tun“: Reinhard Erös redete
Klartext in der KGS-Aula | Foto:
Lübbers
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meisten Journalistinnen und
Journalisten über Afghanistan
ist ihm zu dürftig. Nicht einmal
die Sprache beherrschten
sie. Er hingegen könne Paschtu
perfekt. Später zeigt er einen
TV-Beitrag. Für den „Weltspiegel“
hatte ihn ein Fernsehteam
längere Zeit begleitet. In
Spenden für die Afghanistan-Hilfe
sind möglich über
das Konto: LIGA BANK Regensburg,
IBAN: DE 08 7509
0300 0001 3250 00; BIC:
GENO DEF 1 M 05.
Überweisungen immer unter
Angabe der Postanschrift.
der Sendung
trägt Erös
traditionelle
Kleidung. Mit
Bart und typischer
Kopfbedeckung
sieht
er aus wie ein
Paschtune. Er
spricht mit
Religiösen, er verhandelt mit
ihnen. Nur wenn sie zustimmen,
lässt er Mädchenschulen bauen.
„Ich möchte nicht, dass die
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