Bericht von Andreas Brandt - Trossschiff Offenburg
Bericht von Andreas Brandt - Trossschiff Offenburg
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Der Kurs war am 15. Dezember zuende, wir konnten anschließend nach Hause<br />
fahren und hatten dadurch einen langen Weihnachtsurlaub. Er sollte noch länger<br />
werden. Kurz vor dem Jahreswechsel 1978/79 versank Schleswig-Holstein im Schnee.<br />
Die Bahnstrecken waren unbefahrbar, viele Autofahrer und Bewohner abgelegener Höfe<br />
mußten <strong>von</strong> THW, Feuerwehr und Bundeswehr befreit oder versorgt werden, in<br />
Flensburg wurden die am Hafen gelegenen Straßenzüge überschwemmt und froren<br />
völlig ein. Der Stellenwechsel wurde wegen der Schneekatastrophe um eine Woche,<br />
also auf den 8.1. verschoben. Ich fuhr am 2.1. nach Flensburg, sobald man mit dem Zug<br />
wieder durchkam, und verbrachte daher noch ein paar ruhige Tage in der Kaserne, an<br />
denen kaum etwas zu tun war; nur gelegentliches Schneeschippen, Reinschiffmachen<br />
und Wachegehen. Nach und nach trafen weitere Kollegen ein, die meisten am Mittwoch<br />
und Donnerstag, einer aus meiner Gruppe war auch am Tag des Stellenwechsels nicht<br />
da. Ein paar Stunden Hören und Geben wurden eingerichtet, damit wir nicht ganz aus<br />
der Übung kämen. Es war viel Zeit zum Lesen und Spazierengehen. Ich hatte mir<br />
Bücher mitgenommen und beschäftigte mich damit, auch fuhr ich hinaus an die fast<br />
zugefrorene Förde, lief auf den Eisschollen umher und machte Fotos <strong>von</strong> den bizarren<br />
Formationen, die ich in dieser Art noch nie gesehen hatte.<br />
Jener Tag des Stellenwechsels war trist. Wir wurden in Sonderzüge verfrachtet, die<br />
endlos lange unterwegs waren, ich weiß nicht ob wegen der noch immer verschneiten<br />
Strecken oder aus anderen betriebstechnischen Gründen. Viele Stunden hockten wir in<br />
den ungemütlichen Waggons, die zeitweise kaum <strong>von</strong> der Stelle kamen; aus den<br />
Fenstern sah man fast nichts als Weiß. Zwei Fernmeldebetriebsgasten (21er) und ein<br />
Signalgast (27er) waren für die »<strong>Offenburg</strong>« angefordert. M. hatte mich angesprochen<br />
und wir hatten uns zusammengetan, da wir allein in Hamburg aussteigen und dort vom<br />
Bahnhof aus weiterkommen mußten. Wir riefen vom Hauptbahnhof aus einen Fahrdienst<br />
der BW an, der uns zur Norderwerft brachte. Der Fahrer war nett und kannte sich<br />
aus. Ellerholzdamm, so hieß die Straße, soweit man das eine Straße nennen kann.<br />
Unvergeßlich ist mir die Ankunft auf dem Werftgelände. Diese Gegend ist an sich<br />
schon filmreif, man stellt sich dergleichen als Schauplatz übler Verbrechen in Kriminalfilmen<br />
vor. Es herrschte Frost, das Gelände war verschneit, man befand sich in einem<br />
Labyrinth zwischen Armen der Unterelbe, die kurz vor dem Zufrieren waren. Eine zähe<br />
Soße <strong>von</strong> Treibeis, die in den befahrenen Hauptarmen ab und zu <strong>von</strong> kleinen Fahrzeugen,<br />
Fähren, Barkassen umgerührt wurde; die Nebenarme lagen nur tot und eiskalt<br />
da, über sie führten kleinere Brücken aus Stahlträgern. Sonst Kräne, Docks, Schuppen,<br />
herumliegendes Material. Wir kamen am späteren Nachmittag an, als die verlöschende<br />
Dämmerung über dieser unwirtlichen Szenerie lag, erhellt durch die farbigen Lichter der<br />
Werftscheinwerfer. Kalt war es, saukalt, sehr trübes, dunstiges Wetter, überall verschneiter<br />
und vereister Dreck; und da lag nun in der düster-fahlen Mischbeleuchtung,<br />
inmitten <strong>von</strong> Schläuchen und Kränen nur teilweise erkennbar, in leichter Schräglage am<br />
Werftliegeplatz vertäut, das Schiff.<br />
Wir stiegen aus, nahmen unser Handgepäck, meldeten uns bei der Wache, und es<br />
wurde jemand gerufen, um uns an der Wache abzuholen und zu unserer Unterkunft zu<br />
bringen. Es war nach Dienstschluß, viele waren <strong>von</strong> Bord gegangen. Zu unserem Glück<br />
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