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Bericht von Andreas Brandt - Trossschiff Offenburg

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pflege im Wasch- und Duschraum im Achterbereich; die Spiegel dort waren aus<br />

poliertem Metall, da es aus Sicherheitsgründen keinerlei Glasscheiben an Bord gab (nur<br />

die wenigen Bullaugen auf der Brücke waren aus Glas, sonst gab es auch keine<br />

Bullaugen, keinen Blick nach draußen). Dann »Backen und Banken« in der Mannschaftsmesse,<br />

wo ich erstmals die anderen Kollegen sah, die nicht zu den Führungsdiensten<br />

gehörten: Versorger, seemännisches Personal (»Ziegen«) und Schiffstechniker<br />

(»Heizer«). K. hatte uns allerhand <strong>von</strong> ihnen und ihren Sitten erzählt, <strong>von</strong> den autoritären<br />

Verhältnissen, die in ihren Decks herrschten, und er hatte uns ungefähr als erstes<br />

gesagt, daß es bei uns im Funktionärsdeck ganz anders, nämlich menschenfreundlicher,<br />

zivilisierter, liberaler zugeht als bei denen und daß wir den Blödsinn, der dort üblich ist,<br />

nicht mitmachen. Er sprach <strong>von</strong> Einstandssitten und Decksgesetzen.<br />

Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß die Mannschaften unter sich solidarisch seien<br />

und etwa gegen die höheren Dienstgrade zusammenhielten. Im Gegenteil: Weil sie<br />

gegen »die da oben« ohnehin nicht ankommen, machen sie untereinander eine eigene<br />

Hierarchie auf, wollen nach unten weitergeben, was sie <strong>von</strong> oben empfangen, obwohl<br />

sie untereinander überhaupt keine militärische Befehlsgewalt haben. Viele kommen<br />

direkt aus der Lehre und bringen <strong>von</strong> dort die Gewöhnung an strenge Hackordnungen<br />

und Rangfolgen mit. Jeder kleine Arsch kommt sich groß vor, wenn er irgendwo auf<br />

unterster Ebene noch etwas zu sagen, noch irgendjemanden unter sich hat; und die<br />

Untersten sind immer die Neuen, die sich erst langsam und geduldig hochdienen<br />

müssen, bis sie selbst an der Reihe sind. Dies ist das wahre proletarische Bewußtsein.<br />

Besonders hart war traditionell das Heizerdeck drauf, dicht gefolgt vom Ziegendeck.<br />

Der »Decksbulle« (in der Regel der Dienstälteste) konnte zuweilen herrschen wie ein<br />

Tyrann. Die »Rotärsche« mußten erst einmal einiges an Einstandssitten über sich<br />

ergehen lassen, wobei das Schiffchentrinken noch zu den harmloseren Übungen gehörte.<br />

Das blaue Schiffchen (Mütze) wird mit irgendeinem Alkohol gefüllt, der Rotarsch muß<br />

trinken und wird da<strong>von</strong> überrascht, daß ihm dabei das Schiffchen samt Inhalt ins<br />

Gesicht geschlagen wird. Man erzählte uns aus früheren Zeiten, als im Ziegendeck ein<br />

nahezu Verrückter herrschte, der jüngere Kameraden in unglaublicher Weise demütigte;<br />

er zwang sie, Wasser aus dem Mülleimer zu trinken und ähnliches, bedrohte auch<br />

einmal jemanden mit einem Messer, die Leute zitterten aus Angst vor ihm. – Die<br />

Decksgesetze sind strenge Ordnungsvorschriften (z.B. gegen »Sachen herumliegenlassen«<br />

oder »mit Klamotten im Bock«); ihre Verletzung wird mit Geldstrafen belegt,<br />

die in die Deckskasse fließen, und <strong>von</strong> Zeit zu Zeit wird dann der Inhalt der Deckskasse<br />

in wüsten Gelagen gemeinschaftlich versoffen. Bei uns Funktionären gab es weder<br />

Decksgesetze noch Deckskasse noch einen Decksbullen, stattdessen einen fast zivilen,<br />

humanen Umgang.<br />

Zum Frühstück: Kaffee, Tee, Weißbrot, Butter, Marmelade, Nutella. Das Weißbrot<br />

hatte immer den typischen Kühllast-Beigeschmack. In der Mannschaftsmesse – einem<br />

relativ großen Saal auf der Backbordseite – gab es zwar keine absolut festen Sitzordnungen,<br />

aber doch Bereiche, in denen man als Funktionär besser nicht Platz nahm;<br />

insbesondere die Heizer hatten ihre angestammten Bänke und hätten es als Provokation<br />

empfunden, wenn jemand <strong>von</strong> uns dort erschienen wäre. Offiziere und PUO’s (Boots-<br />

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