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Bettina Renner: Bautzen im Dazwischen (Leseprobe)

Bautzen im Dazwischen ist eine Stadtgeschichte der 1980er und 1990er Jahre aus konsequent persönlicher Sicht. Das Buch basiert auf Interviews mit Menschen, die in den Umbruchsjahren viel bewegten und exzellente Beobachter waren: Initiatoren des Neuen Forums, Mitarbeiter des Deutsch-Sorbischen Theaters, ein Kirchenvorstand, ein Gefängnisleiter, eine Laborantin, eine Denkmalpflegerin, ein Steinmetz und andere. Das Buch vereint sehr persönliche Blicke. Sie offenbaren viel Neues und ergeben in ihrer verzahnten Zusammenstellung ein facettenreiches Bild des Alltags in jener Zeit. Von Euphorie, aber auch von großen Verunsicherungen und Belastungen wird erzählt. Die Gründung des Neuen Forums, die Rettung der zerstörten Altstadt, die Schlichtung einer Gefängnisrevolte. Visionen und Enttäuschungen. Es wird erlebbar, wie sich die Bürgergesellschaft in alle Entscheidungsprozesse einbrachte – mutig und entschlossen, oft auch ohne Kenntnisse oder strategische Überlegungen. Ein Buch, das Bautzen wie unter dem Brennglas zeigt.  Fotografien und Dokumente ergänzen die Erinnerungen.

Bautzen im Dazwischen ist eine Stadtgeschichte der 1980er und 1990er Jahre aus konsequent persönlicher Sicht. Das Buch basiert auf Interviews mit Menschen, die in den Umbruchsjahren viel bewegten und exzellente Beobachter waren: Initiatoren des Neuen Forums, Mitarbeiter des Deutsch-Sorbischen Theaters, ein Kirchenvorstand, ein Gefängnisleiter, eine Laborantin, eine Denkmalpflegerin, ein Steinmetz und andere.
Das Buch vereint sehr persönliche Blicke. Sie offenbaren viel Neues und ergeben in ihrer verzahnten Zusammenstellung ein facettenreiches Bild des Alltags in jener Zeit. Von Euphorie, aber auch von großen Verunsicherungen und Belastungen wird erzählt. Die Gründung des Neuen Forums, die Rettung der zerstörten Altstadt, die Schlichtung einer Gefängnisrevolte. Visionen und Enttäuschungen. Es wird erlebbar, wie sich die Bürgergesellschaft in alle Entscheidungsprozesse einbrachte – mutig und entschlossen, oft auch ohne Kenntnisse oder strategische Überlegungen. Ein Buch, das Bautzen wie unter dem Brennglas zeigt. 
Fotografien und Dokumente ergänzen die Erinnerungen.

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»In einer Diktatur macht sich jeder die Hände schmutzig,<br />

mehr oder weniger«<br />

»Ich kann erzählen, dass ich mich an Wehrmachtssoldaten<br />

erinnere und an den Einmarsch der Russen. Aber Hunger<br />

habe ich nicht erlebt. Wir lebten damals in einem Dorf und<br />

sind erst nach dem Krieg, 1949, nach Dresden gezogen. Mein<br />

Vater war in englischer Kriegsgefangenschaft in Italien. Er<br />

kam schon 1946 wieder nach Hause. Die Stadt Dresden war<br />

sehr zerstört, für uns Kinder war das natürlich schrecklich.<br />

Aber ich bin dann in den Kreuzchor gekommen und war dort<br />

bis zum Jahr 1958. Ich habe den 17. Juni 1953 in Dresden<br />

erlebt, habe gesehen, wie sowjetische Soldaten in die Luft<br />

schossen. Das war eindeutig. Ich erinnere mich auch an den<br />

Aufstand in Ungarn. Über ein kleines Radio hörte ich die<br />

Aufrufe: ›Helft uns, helft uns!‹ Seit dieser Zeit kenne ich die<br />

Ungarische Nationalhymne.<br />

1958 habe ich Abitur gemacht und bin dann zur Eisenbahn<br />

gegangen. Tja, und dann kam der Mauerbau. Ich habe<br />

damals <strong>im</strong> sogenannten Dresdner Knoten auf verschiedenen<br />

Stellwerken gearbeitet. Dort habe ich den 13. August 1961<br />

in der Frühschicht erlebt. Da kam einer, der eine Resolution<br />

mitbrachte. Wir sollten unterschreiben, dass nun – mit dem<br />

Mauerbau – endlich Frieden geschaffen war und wir die Sache<br />

begrüßen. Dass wir uns verpflichten, nicht mehr nach Berlin<br />

zu fahren und noch mehr arbeiten wollen. Ich war der Einzige<br />

von sechs Leuten, der das nicht unterschrieben hat. Dann kam<br />

das Duckmäusertum, das heißt, meine Kollegen kamen zu<br />

mir und sagten: ›Du musst uns verstehen. Es hilft doch nichts.<br />

Du bringst dich ja nur ins Unglück.‹<br />

Es gibt viele Verhaltensformen in einer Diktatur: Ich kann<br />

Mitläufer sein und zu allem nicken. Das haben viele gemacht.<br />

Damit sie ihre Ruhe haben. Ich kann aber auch Formen des<br />

leichten Widerstandes wählen. Von Schwarz zu Grau zu Weiß<br />

gibt es viele Nuancen. Da muss jeder seine Richtung finden.<br />

Ich wollte kein Mitläufer sein. Ich habe nicht ein einziges<br />

Mal für die SED oder eine Blockpartei gest<strong>im</strong>mt. Ich bin zur<br />

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