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Wilfried Härle: Vertrauenssache (Leseprobe)

»Glaube« bedeutet sowohl festes Vertrauen als auch eine nicht beweisbare Vermutung. Diese beiden Elemente machen miteinander die Besonderheit von »glauben« aus. Vom Beginn unseres Lebens an sind wir darauf angewiesen, auf Menschen und Botschaften zu vertrauen, für deren Glaubwürdigkeit wir keine Beweise haben. Auch die Wissenschaft basiert letztlich auf Glaubensüberzeugungen. Beim Glauben an Gott aber geht es darum, das ganze Leben einer unsichtbaren Macht anzuvertrauen. Das ist nicht immer leicht, Zweifel können aufkommen. Wilfried Härle ist in ganz Deutschland bekannt für seine dem Menschen nahe und darum verständliche Theologie. Erneut legt er ein packendes Werk vor, das Zerreißproben zwischen Glaube und Zweifel nicht auslässt. Aber es zeigt auch, wie Zweifel den Glauben reinigen kann und Glaube als Gottvertrauen sich gerade in schweren Zeiten als tragfähig erweist.

»Glaube« bedeutet sowohl festes Vertrauen als auch eine nicht beweisbare Vermutung. Diese beiden Elemente machen miteinander die Besonderheit von »glauben« aus. Vom Beginn unseres Lebens an sind wir darauf angewiesen, auf Menschen und Botschaften zu vertrauen, für deren Glaubwürdigkeit wir keine Beweise haben. Auch die Wissenschaft basiert letztlich auf Glaubensüberzeugungen. Beim Glauben an Gott aber geht es darum, das ganze Leben einer unsichtbaren Macht anzuvertrauen. Das ist nicht immer leicht, Zweifel können aufkommen.
Wilfried Härle ist in ganz Deutschland bekannt für seine dem Menschen nahe und darum verständliche Theologie. Erneut legt er ein packendes Werk vor, das Zerreißproben zwischen Glaube und Zweifel nicht auslässt. Aber es zeigt auch, wie Zweifel den Glauben reinigen kann und Glaube als Gottvertrauen sich gerade in schweren Zeiten als tragfähig erweist.

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Kapitel 2: Christlicher Glaube als Vertrauen auf Gott<br />

zum Ausdruck: „Vertrauen heißt: sein Herz an etwas oder<br />

jemanden hängen.“ Das wirkt so, als würde jemand sein<br />

Herz, das Zentralorgan, aus seinem Leib herausnehmen<br />

und an etwas oder jemand anderem festmachen. Und im<br />

übertragenen, also metaphorischen, Sinn gilt das tatsächlich.<br />

Diese bildhaften Formulierungen weisen zugleich darauf<br />

hin, dass die Struktur von Vertrauen offensichtlich<br />

komplexer ist, als dies bislang sichtbar wurde. Es handelt<br />

sich nicht nur um eine zweistellige Beziehung (eines X zu<br />

einem Y). Es geht vielmehr zugleich um eine reflexive Beziehung,<br />

die sich auf das vertrauende Subjekt selbst richtet<br />

und mit Begriffen wie „Sich-Anvertrauen“, „Sich-Hingeben“<br />

oder „Sich-Ausliefern“ umschrieben werden kann.<br />

Die Selbstauslieferung an ein Gegenüber ist allerdings keineswegs<br />

immer ein Ausdruck von Vertrauen. Sie könnte<br />

auch durch Druck, Drohung oder Gewaltanwendung erzwungen<br />

sein und wäre dann ein Sich-Ergeben oder Sich-<br />

Unterwerfen angesichts einer Übermacht.<br />

„Vertrauen“ meint demgegenüber ein Sich-gewinnen-<br />

Lassen durch ein vertrauenserweckendes Gegenüber, aufgrund<br />

dessen ein Mensch sich diesem Gegenüber anvertraut<br />

oder sogar hingibt. Erst dieses Sich-gewinnen-Lassen<br />

löst Handlungen des Vertrauens aus, z. B. wenn man ein<br />

Geheimnis oder die Vorsorge für die eigene Gesundheit<br />

oder die Betreuung der eigenen Kinder einem anderen<br />

Menschen übergibt, also anvertraut. Das heißt aber: Erst<br />

das Sich-gewinnen-Lassen, und das ist ein Akt der Selbstbeziehung<br />

und Selbstbestimmung, hat den Charakter des<br />

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