Ludwigsfelder Boter September 2022
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Ludwigsfelder</strong> Bote | Ausgabe 16 | 17. <strong>September</strong> <strong>2022</strong> | 13 |<br />
Erfolgreiche Premiere<br />
„Von hier aus kann ich dich hören – Eine dokumentarische Performance über Diskriminierung“<br />
Am 25. August hatte das Theaterstück<br />
„Von hier aus kann ich dich<br />
hören – Eine dokumentarische Performance<br />
über Diskriminierung“ der Laienschauspielgruppe<br />
vom Verein „VorOrtung<br />
– zeitgenössische Kunst und Kultur<br />
im Kontext” im Klubhaus Ludwigsfelde<br />
Premiere. Nach dreieinhalb Monaten<br />
intensiver Stückentwicklung und zwei<br />
Wochen täglicher Proben brachten die<br />
Mitwirkenden ihre multimediale Erfahrungsperformance<br />
auf die Bühne.<br />
Sie luden das Publikum ein, Zeug*innen<br />
von Diskriminierungserfahrungen<br />
zu werden und genau zuzuhören. Auch<br />
die Mitwirkenden haben im Laufe des<br />
gemeinsamen Prozesses mittels Fremderfahrungen<br />
durch Interviews und<br />
literarischer Texte sowie eigenen Erfahrungen,<br />
die sie im Vorhinein tiefgehend<br />
diskutierten, gelernt, genau zuzuhören.<br />
Einen Anspruch auf Vollständigkeit von<br />
möglichen Diskriminierungsweisen und<br />
-strukturen verwarfen die SchauspielerInnen<br />
als Unmöglichkeit. In zwölf<br />
Szenen ermöglichten sie vielfältige,<br />
berührende, immer sehr persönliche und<br />
konkrete Einblicke in Diskriminierungserfahrungen<br />
mit Klasse, Herkunft, Alter,<br />
sexueller Orientierung u. a.<br />
Da wird z. B. der Fall eines Mädchens<br />
aus einer Geflüchtetenunterkunft in<br />
Brandenburg verhandelt, wie auch der<br />
permanent wirkende Zwang sich als<br />
Person auf Grund äußerlicher Zuschreibungen<br />
rechtfertigen und erklären zu<br />
müssen. Da werden Perspektiven Stimmen<br />
gegeben und verweigert, Mauern<br />
eingerissen und eigene Leistungen<br />
gefeiert. Eindrücklich wird der Umgang<br />
mit Sexarbeiter*innen entworfen,<br />
Nachbarschaft als feindlich, uninteressiert<br />
entworfen, alles vor dem Hintergrund<br />
von gelebten und berichteten<br />
Erfahrungen.<br />
Das Bühnenbild überzeugt mit der<br />
Einfachheit der verwendeten Materialien<br />
bei gleichzeitiger Wandelbarkeit,<br />
ebenso die Kostüme. Mittels einer<br />
flexiblen Kamera werden Akteneinsichten<br />
projiziert, grafische Protokolle<br />
parallel zum gesprochenen Wort verfertigt<br />
und im Prozess an die Mauer aus<br />
Pappkartons geworfen. Die Kartons<br />
verwandeln sich stetig von einem<br />
Joghurtbecher, der einer auf den Kopf<br />
fällt, zu einer Supermarkt-Maschine und<br />
in einen Sichtschutz sowie in den Tisch<br />
von NachrichtensprecherInnen. Gegeneinanderstehende<br />
Ost-und West-Erfahrungen<br />
werden alphabetisch verhandelt<br />
wie die Adressierung und Zuschreibung<br />
von Alter, dabei möchte die als alt<br />
wahrgenommene Person lediglich<br />
gefragt werden, ob sie mit in die Disko<br />
kommt. Immer wieder werden Fragen<br />
nach Ressourcen, Zuschreibungen und<br />
Zugehörigkeiten gestellt.<br />
Aber auch Ein- und Ausblicke in<br />
konkrete und utopische Bedarfe, in<br />
Strategien und Wünsche zur Überwindung<br />
von Diskriminierung werden<br />
gewagt, gewährt und stiften das Publikum<br />
an, das eigene Handeln und die<br />
eigene Handlungsmacht zu hinterfragen,<br />
gar zu aktivieren.<br />
Nach der Aufführung wurde das<br />
Publikum dazu eingeladen, seine Gedanken<br />
und Eindrücke zu notieren und im<br />
Bühnenbild zu installieren. Die Eindrücke<br />
spiegelten Fragen nach eigenen<br />
Diskriminierungen, Kommentare zur<br />
Wirkmacht und emotionalen Involvierung<br />
des Stücks und dem Willen nach<br />
Intervention gegen Diskriminierung<br />
wieder. Auch der Wunsch nach weiteren<br />
Aufführungen wurde mehr als einmal<br />
geäußert. Gespannt können wir auf<br />
weitere Aufführungen und neue Projekte<br />
der künstlerischen Leitung unter<br />
Sharon On und Laura Söllner des Vorortung<br />
e. V. warten.<br />
Suse Schröder