FOCUS_2022-39_Vorschau
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EDITORIAL<br />
Über Emotionen und Innovationen<br />
Von Robert Schneider, Chefredakteur<br />
Fotos: Peter Rigaud für <strong>FOCUS</strong>-Magazin, Jens Hartmann<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
ich finde dieser Tage nicht allzu<br />
viele Gründe für Happiness, außer<br />
vielleicht man ist in München und<br />
schwelgt mit Freunden bierselig<br />
von Festzelt zu Festzelt. Es ist kühl<br />
geworden, der Sommer vorbei. Die<br />
Tage kürzer, die Nachrichten düster.<br />
Alles wird immer teurer und/oder ist<br />
Mangelware. An den Fronten der<br />
Ukraine kein Frieden in Sicht – im<br />
Gegenteil, Putins „Teilmobilmachung“<br />
vom Mittwoch gleicht einer<br />
zweiten Kriegserklärung.<br />
Ja, es fällt mir zurzeit schwer, positiv<br />
zu sein, und ich gebe an dieser<br />
Stelle auch gern zu, dass ich mich<br />
ziemlich schnell von Stimmungen anstecken<br />
lasse und in einem Labyrinth von<br />
Gedanken verlaufe. Umso dankbarer war<br />
ich, kürzlich einen Abend in gänzlich hoffnungsvoller<br />
Energie verbringen zu dürfen.<br />
Denn <strong>FOCUS</strong> lud zum „Champions Dinner“<br />
ins Münchner Restaurant „Schmock“,<br />
um aus den neun Finalisten den Sieger<br />
unseres Innovationspreises zu feiern.<br />
Trommelwirbel, Applaus und der Gewinner<br />
ist: das Start-up Enpal aus Berlin.<br />
Welche Branche die Firma gerade aufmischt,<br />
wie schnell sie wächst und Jobs<br />
schafft, das lesen Sie auf Seite 62. Nur<br />
so viel sei hier verraten: Enpal ist das erste<br />
grüne „Einhorn“ unter den deutschen<br />
Start-ups, also mindestens eine Milliarde<br />
Euro wert.<br />
Insgesamt 120 Unternehmen mit zukunftsweisenden<br />
Ideen hatten sich beworben<br />
für unseren Preis, den wir zum dritten<br />
Mal vergaben und der mit einer Million<br />
Euro Mediavolumen dotiert ist. Ich möchte<br />
mich bei all diesen Wirtschaftspionieren<br />
herzlich bedanken, ebenso bei unserer<br />
Jury und der Schirmherrin Bettina Stark-<br />
Watzinger, Bundesministerin für Bildung<br />
und Forschung und treibende Kraft für<br />
Zukunft und Innovation. Wir freuen uns<br />
schon auf das kommende Jahr.<br />
Je nach Gesprächspartner und<br />
Sensibilität des Themas können<br />
Interviews eine spannende Sache,<br />
manchmal aber auch eine heikle<br />
Glückwunsch! Robert Schneider überreicht Wolfgang<br />
Gründinger den Innovationspreis, im Hintergrund freut sich<br />
Laudator Helmut Schönenberger, CEO von UnternehmerTUM<br />
Mission werden. Das gilt erst recht, wenn<br />
man aktuell mit einem hohen deutschen<br />
Militär über den Ukraine-Krieg sprechen<br />
will. Wie in solchen Fällen üblich, wird<br />
vorher gerade im deutschen Sprachraum<br />
vereinbart, dass der Text vor dem<br />
Erscheinen deshalb noch mal autorisiert<br />
werden darf. Man kennt das ja:<br />
Nicht jeden Satz, den man im Eifer einer<br />
Debatte sagt, will man später noch lesen.<br />
So war’s auch mit Vier-Sterne-General<br />
Eberhard Zorn vereinbart, mit dem meine<br />
Kollegen Franziska Reich und Thomas<br />
Tuma für die vorherige Ausgabe ein<br />
Interview führten.<br />
Zorn ist als Generalinspekteur der Bundeswehr<br />
der ranghöchste deutsche Sol-<br />
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dat – und er hatte durchaus klare<br />
Ansichten, die auch unser Verfahren<br />
des Gegenlesens überstanden.<br />
Wer immer sich neben Zorn selbst<br />
und seinen Leuten über den Text<br />
beugte – sie feilten hier und da ein<br />
bisschen, ließen aber wichtige Einschätzungen<br />
unberührt.<br />
Und die hatten es in sich, vor<br />
allem bei der Frage, wie Zorn die<br />
jüngsten Gegenoffensiven der Ukrainer<br />
einschätzte: „Was wir wahrnehmen,<br />
sind Gegenangriffe und<br />
Gegenstöße, mit denen man Orte<br />
oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen,<br />
aber nicht Russland<br />
auf breiter Front zurückdrängen<br />
kann“, zeigte sich der versierte General<br />
skeptisch über manche Jubelmeldungen<br />
der vergangenen Wochen.<br />
Auch in der Frage, ob die Ukraine für<br />
eine echte Gegenoffensive überhaupt<br />
die Kraft habe, beantwortete Zorn klar:<br />
„Sie bräuchten eine Überlegenheit von<br />
mindestens drei zu eins“ – die Zorn aber<br />
derzeit nicht sieht. Zugleich bekräftigte er<br />
seine Sorge, dass Putin sogar eine zweite<br />
Front aufmachen könne: „Die Fähigkeiten<br />
hätte Putin.“ Und: „Würde Putin eine<br />
Generalmobilmachung anordnen, hätte er<br />
auch keine Personalprobleme.“<br />
Das Interview war noch nicht mal erschienen,<br />
da sorgte die an Nachrichtenagenturen<br />
verschickte Vorabmeldung<br />
schon für Echo bzw. für große Empörung:<br />
„Atemberaubend dürftig“ sei Zorns Analyse,<br />
schimpfte Ben Hodges, einst Chef<br />
der US Army Europe. Verteidigungs ministerin<br />
Christine Lambrecht sah sich<br />
genötigt, sich schützend vor ihren General<br />
zu stellen, der es gewagt hatte, sich<br />
seine etwas skeptischere, pragmatische<br />
Haltung zu bewahren. Am Mittwoch dann<br />
zeigte Putin, dass der Vier-Sterne-General<br />
damit nicht so falsch liegt: Der Kreml-<br />
Chef sprach eine Teilmobilmachung aus.<br />
300 000 Reservisten müssen sich nun fertig<br />
machen für den Krieg ihres Präsidenten.<br />
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<strong>FOCUS</strong> <strong>39</strong>/<strong>2022</strong> 3