16.01.2023 Aufrufe

FOCUS MONEY 2023/04 Vorschau

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Alle FOCUS-Titel to go.

focus-shop.de

JETZT

E-PAPER LESEN:


moneyeditorial

EDITORIAL

Aktienanalyse

und Geopolitik

Anleger sind es gewöhnt, bei der Suche nach aussichtsreichen Unternehmen

eine ganze Vielfalt von Faktoren zu analysieren: den Markt, die Branche, die

Wettbewerbssituation, in der sich ein Konzern bewegt, das Geschäftsmodell,

die Innovationsfähigkeit, ebenso wie die Fundamentaldaten in der Bilanz, der Gewinn-

und Verlustrechnung, der Kapitalflussrechnung. Neben dem Errechnen von

Kennzahlen zur Rentabilität und zur finanziellen Stabilität braucht es den Blick auf

die Ausschüttungen und die Bewertung an der Börse, relativ zum Wettbewerb und

der eigenen Aktienhistorie. Wie steht es ferner um die Nachhaltigkeit?

Als wäre das alles nicht schon komplex genug, gewinnt nun ein neuer Faktor jeden

Tag mehr an Gewicht: das Verständnis für die Geopolitik und ihre Folgen. Das

unterstrich das Panel „Ein geopolitischer Kompass für Unternehmen!?“ bei der

Burda-Digitalkonferenz DLD, abzurufen auf YouTube (https://www.youtube.com/

watch?v=3z1p5PlSxd8).

„Ich kann mich in den letzten 50 Jahren an keine Phase erinnern, in der Geopolitik

so viel Einfluss auf die Unternehmensstrategie gehabt hätte wie heute“, sagt Jeffrey

Rosen von der Investmentbank Lazard, der seit 50 Jahren Unternehmen berät. Man

könne sogar argumentieren, dass Technologie und geopolitischer Wandel derzeit am

wichtigsten überhaupt seien. Zur Geopolitik: Die grundlegende Entscheidung für ein

Unternehmen ist die, wo es sein Geld investiert. Es folgt die, wo es seine Leute beschäftigt.

Und ein Konzern muss sich um Risiken für seinen Ruf, sein Ansehen kümmern.

Rosen sieht eine Ursache für den Wandel darin, dass China in den letzten Jahren von

einer politisch neutralen Marktchance zu einem Herausforderer aufgestiegen sei –

mit Folgen nicht nur für die US-Politik, sondern auch für US-Konzerne. Europas Konzerne

sitzen hier zwischen den Stühlen und stehen vor schwierigen Entscheidungen,

wie sie künftig investieren – gerade auch, weil die Vereinigten Staaten und China um

die technologische Vorherrschaft auf dem Globus ringen.

Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, betonte die Folgen

des heißen Krieges in der Ukraine: mehr Instabilität, mehr Konflikt, mehr Unsicherheit,

das Ende der Weltgemeinschaft. Eine Sorge von ihm mit Blick auf Deutschland:

Während Weltkonzerne à la BMW und Siemens geopolitische Kompetenz haben

oder sie sich sichern können, ist das für die Mittelständler in der Bundesrepublik

viel schwerer zu erreichen – die bräuchten dabei Hilfe.

Schon heute werden die Protokolle der Diskussionen von CEOs und CFOs

der Konzerne weltweit mit den Analysten von Investmentbanken analysiert,

zum Beispiel von Barclays. Dort zeigte sich bei den Gesprächen

zum dritten Quartal, dass das Thema Lieferketten an Bedeutung verliert,

das Leben mit den erhöhten Zinsen die Unternehmenslenker

aber mehr und mehr umtreibt. Unschwer zu prognostizieren, dass

die Geopolitik in diesen Protokollen immer häufiger als wichtiges

Thema auftauchen wird – und Anleger dies in ihre Überlegungen

einbeziehen müssen.

Ihr

FRANK MERTGEN

stellv. Chefredakteur

FOCUS MONEY

Aus aktuellem Anlass!

Lesen Sie FOCUS MONEY bequem zu Hause

Liebe Leserinnen und Leser,

die Inflation hat in Deutschland und auch im Durchschnitt der

Euro-Zonen-Länder zweistellige Werte erreicht. Bange blicken

die Börsianer auf die Notenbanken: Stürzen diese jetzt mit vielleicht

kleiner ausfallenden Zinsschritten, die aber Geld immer noch weiter

verteuern, die Volkswirtschaften in eine tiefe Rezession? Und was heißt

das für die Märkte und die Aktienkurse? Mein Tipp: Sie erfahren alles

Wichtige in FOCUS MONEY. Den portofreien Kombi-Bezug (Print und

Digital) für 1 Jahr erhalten Sie zum Vorzugspreis von nur 210,60 €* (statt

275,40 € – Sie sparen 24 %) und sichern sich einmalig eine 120-€-Prämie als

Dankeschön. Wie das geht?

Bestellen Sie einfach auf

www.focus-abo.de/money-editorial

das exklusive Angebot für FOCUS MONEY-Leser und erhalten Sie

FOCUS MONEY innerhalb von zwei Wochen portofrei nach Hause geliefert.

Die Digital ausgabe lesen Sie als einer der Ersten einen Tag früher – dienstags

ab 8.00 Uhr. Wenn Sie FOCUS MONEY nach Bezug wieder im Handel kaufen

möchten: Ein Anruf genügt, und das Abo ist beendet.

FOCUS MONEY 4/2023

*inkl. MwSt. und Versand. Sie haben ein gesetzliches Widerrufsrecht

3


moneyinhalt

moneykompakt

6 DLD: BMW baut auch auf den

Wasserstoffantrieb

7 Das kaufe ich jetzt: Datensicherheit

ist ein Muss. Secunet Security

kennt sich aus

7 Chart der Woche: Dax über

15 000 Punkten

7 Hit & Shit: Südzucker verdient

Geld, Linde-Abgang aus dem Dax

8 Investment-Ampel: Wo die

Ampeln auf Grün stehen

8 Wohnungsnotstand: Der Mangel

an bezahlbarem Wohnraum

schreit nach Gegenmaßnahmen

9 Apple/Aixtron: Das Zauberwort

heißt Insourcing. Direkt soll Apple

profitieren, indirekt Aixtron

30 Kolumne: Die Bundesvorsitzende

der „Jungen Unternehmer“ Sarna

Röser über Vollgas an die Wand

98 Andis Börsenbarometer: Vom

Nutzen eines Anlage-Tagebuchs

moneytitel

10 Strategien: Mit Systemen auf

Renditejagd. Wie FOCUS MONEY-

Strategien abschneiden

20 Indexfonds: Sie haben das

gewisse Etwas. Was Strategie-

ETFs leisten

24 Faulbär-Strategie: Die Letzten

werden die Ersten sein. Besser

kann man es nicht ausdrücken

28 Strategie-Zertifikate: Croci,

Buyback, Seasonal. Nie gehört?

Dann wird’s Zeit

moneymarkets

32 Märkte: Der Dollar macht

schlapp, Europa übernimmt die

Führung und China probt die

Wende

36 Interview: Wir sind nicht über den

Berg. Karen Pittel zum Stand der

Energiewende

40 Ölkonzerne: Warum der Ölpreis

zulegt und welche Konzerne

profitieren

44 Veolia: Ein französischer Umweltund

Wasserexperte auf dem Weg

nach oben

46 Medizintechnik: Von Siemens

Healthineers, GE Healthcare und

anderen Gesundmachern

10

Gewinner unter sich

Die besten Börsenstrategien:

Wie Sie zum Beispiel ohne

Stress neun Prozent p. a.

verdienen können. Plus: Anlagesysteme

via ETF oder Zertifikat

36

„Nichtsdestotrotz benötigen wir

Gas als Brückenenergieträger“

PROF. KAREN PITTEL,

ENERGIE-EXPERTIN DES IFO-INSTITUTS

4 Titelillustration: iStock

FOCUS MONEY 4/2023


18. JANUAR 2023 www.money.de

50 Deutsche Bank: Das Comeback

eines Finanzinstituts

56 Süss Microtec: Ein neuer CEO

und ein Paukenschlag – ein

Halbleiter-Experte dreht auf

58 Metalle: Aluminium, Kupfer,

Nickel, Silber. Mit welchen Papieren

Investoren an morgen denken

60 Schoko und mehr: An Süßigkeiten

geht kein Weg vorbei.

Börsianer mögen Schokolade

63 „Economist“-Analyse: Wenn

Tesla nicht mehr an die

Weltherrschaft glaubt

64 Macau: Monte Carlo liegt in Asien.

Wie die Glücksspielkonzerne an

der Börse performen

moneydigital

52 Social Trends: Elon Musks ganz

spezieller Weltrekord

53 Analyse: Der E-Commerce-Händler

Zalando besitzt Potenzial

55 Chartsignal: Der Euro-Stoxx-

50-Index unter der Lupe

55 Börsenwissen: Was ist

Hyperinflation?

dswanlegerschutz

68 Orientierung: Der Blick auf

Branchen in volatilen Zeiten.

Ein Gastbeitrag

moneysteuern&recht

70 Aktenzeichen: Der Bundesfinanzhof

nimmt sich den Soli vor

64

Spiel und Spaß

Chancen und Risiken liegen selten so dicht beieinander wie beim

Glücksspiel. Macau setzt auf Spiel und Spaß und auf die Festlandchinesen.

Was durchaus erfolgversprechend sein kann – auch für Anleger

moneyservice

72 Marktplatz: Vom Rewardprogramm

Miles & More der

Lufthansa über Hotels zu SUVs

74 PKV: Wie läuft es bei privaten

Krankenversicherungen in puncto

Fairness? Eine Untersuchung

moneyanalyse

81 Fonds

82 Deutsche Aktien

90 Internationale Aktien

96 ETFs

97 Zertifikate

moneyrubriken

3 Editorial

80 Leserbriefe – Impressum

98 Termine

32

Neue

Richtung

Der lange Zeit unverwüstliche

Dollar schwächelt. Quer über

den Globus proben Aktien die

Wende. Kann das gut gehen,

geht das weiter? Die Bestandsaufnahme

und der Ausblick

58

Zukunft inklusive

Es geht um den Megatrend Nachhaltigkeit.

Bei Metallen? Die Dekarbonisierung

der Wirtschaft beflügelt die

Nachfrage – und diese börsengehandelten

Papiere

FOCUS MONEY 4/2023

Inhalt: Fotos: Adobe Stock (3), R. Vinogradova/Ifo-Institut, Bloomberg Illustration: VectorStock 5


moneytitel

FAULTIER: Symbol für

energiesparendes

Vorgehen

STRATEGIEN

In der Faulheit liegt die Kraft

Nach Ablauf eines Jahres immer den Aktienmarkt (via ETF) kaufen, der im Vorjahr der größte Verlierer

war: Das simple System überzeugt langfristig mit 15 Prozent Rendite jährlich

Quelle: Bloomberg

von FRANK MERTGEN

Herber Dämpfer

Die Ende 2021 erreichte Anlagesumme fiel 2022 um mehr

als ein Fünftel, kann sich aber weiter sehen lassen.

Faulbär-Strategie-Depot

Depot-Vermögen in Tausend Euro

199295 2000 05 10 15 20

800

600

400

200

0

Spät im Jahr 2022, zu spät für die Faulbär-Strategie, begann

sich Chinas Aktienmarkt zu erholen – als die Diktatur von

ihrer Null-Covid-Strategie auf völlige Öffnung (teils erst Anfang

2023 umgesetzt) umschaltete. Am Ende hatte der in FOCUS

MONEY 3/2022 für die Umsetzung der Strategie vorgeschlagene

Indexfonds iShares-MSCI-China-A-ETF im Jahresverlauf 20,9 Prozent

eingebüßt. Wer Anfang 1992 die Strategie mit einem Einsatz

von 10 000 Euro gestartet hatte, steht nun nach nur einem ETF-

Trade pro Jahr bei einer Summe von 687 604,62 Euro. Das entspricht

einer Rendite von 14,6 Prozent p. a. Immer noch brillant,

aber Ende 2021 waren bereits über 870 000 Euro erreicht worden.

Aufholjagd erhofft. Die Strategie ist wahrlich einfach und erfordert

keinen besonderen Fleiß: Jedes Jahr zu Jahresbeginn erwirbt

der Anleger einen ETF auf einen führenden Aktienindex aus dem

größten Verlierermarkt des abgelaufenen Jahres. Das Kalkül dabei:

Der Investor will von der erhofften Aufholjagd profitieren. Nach einem

Jahr wird die komplette Summe erneut in den Loser-Markt

24 Illustration: VectorStock

FOCUS MONEY 4/2023


GELD-IDEE IM

ANZEIGE

FONDS-TIPP

In der Ruhe liegt der Ertrag

Das Grundprinzip für Buy and Hold steckt schon im Namen der Anlagestrategie

und bietet mit einem Investmentfonds, dessen Laufzeit von vornherein begrenzt ist,

viele Vorteile – zum Beispiel eine gewisse Sorglosigkeit

Wenn der Finanzmarkt schwächelt,

dann lohnen sich kluge

Investitionen. Gerade jetzt

scheint der Zeitpunkt günstig, um langfristig

einzusteigen. Denn jedes Tief

wird irgendwann wieder ein Hoch. Dann

sollte man vorbereitet sein und die Anlagestrategie

Buy and Hold ist dabei

eine gute Möglichkeit.

Das Familienunternehmen Carmignac

startete im vergangenen Jahr den Laufzeitfonds

Carmignac

Credit 2027, der fünf

Jahre laufen wird.

Laufzeitfonds haben

eine begrenzte Laufzeit,

Vermögenswerte

bleiben bis dahin im

Fonds, am Ende werden

Kapital und Ertrag

ausgeschüttet.

Investieren, Beine

hochlegen und in einigen

Jahren auf ein

Vermögen blicken? Das

geht nur mit einem

starken Partner. Die erfahrenen

Fondsmanager von Carmignac

behalten die Märkte im Auge und werden

reagieren, wenn sie eine Verschlechterung

des Risikos erwarten oder sich eine

Anlagemöglichkeit ergibt, die von der

vorher festgelegten Anlagestrategie abweicht.

In anderen Worten, der Fonds wird

Seit mehr als 30 Jahren verfolgt

das Familienunternehmen Carmignac

einen globalen Investitionsansatz

mit einem von Überzeugung

betriebenen Anlagestil.

nicht sich selbst überlassen, sondern

immer neu kalibriert. Eine Strategie, die

sich schon immer bewährt hat. Mit Carmignac

Credit 2027 bekommen Anleger

eine strenge Titelauswahl, die auf einer

tiefgreifenden Analyse beruht, bekannte

Renditenangabe und ein Datum, wann

das investierte Kapital verfügbar ist.

Die Experten bei Carmignac identifizieren

weltweit attraktive Credit Spreads,

um ein breit aufgestelltes Portfolio aufzubauen,

und möchten

dabei den Wert des

investierten Kapitals

im Einklang mit seiner

Carry-Strategie über

einen Horizont von

fünf Jahren steigern.

Anleger nutzen eine

einfache und vorhersehbare

Strategie, bei

der die Option der vorzeitigen

Fälligkeit im

dritten und vierten Jahr

besteht, sofern die Bedingungen

erfüllt sind.

Durch das Kaufen von

Anleihen zu einem günstigen Zeitpunkt

und das Halten bis zum Ablauf der Laufzeit

kann man von einer im Vorfeld geschätzten

Rendite profitieren. Die Buyand-Hold-Option

bietet Transparenz,

während gleichzeitig das Zins-, Kreditund

Volatilitätsrisiko vermindert wird.

Carmignacs Expertise –

mit Gold ausgezeichnet

Carmignac wurde von Citywire für seine

Expertise in der Kategorie „Bonds –

Euro Corporates“ mit „Gold“ bewertet.

Um eine Gruppenbewertung in einem

der über 160 Sektoren zu erhalten,

die Citywire derzeit abdeckt, müssen

Gruppen die durchschnittliche Punktzahl

in den Sektoren, in denen sie tätig

sind, um 33 Prozent übertreffen. Die

Gruppen-Ratings werden basierend

auf der risikobereinigten Performance

des Managers von mindestens drei bis

sieben Jahren berechnet.

Quelle und Urheberrecht: Citywire. Carmignac wurde im

Sektor „Bonds – Euro Corporates“ von Citywire für seine

fortlaufende, risikobereinigte Performance im Zeitraum

vom 30.06.2015 bis 30.06.2022 mit „Gold“ bewertet.

Citywire Rankings sind Eigentum von Citywire Financial

Publishers Ltd („Citywire“) und © Citywire 2022. Alle

Rechte vorbehalten.

Mehr Informationen über

den Fixed Income Fonds

Carmignac Credit 2027

sowie das Unternehmen

selbst und die verantwortlichen

Finanzexperten finden Sie mithilfe des

QR-Code und auf www.carmignac.de

MARKETING-ANZEIGE. Bitte lesen Sie den KID / Prospekt, bevor Sie eine endgültige Anlageentscheidung treffen. Hauptrisiken des Fonds: KREDITRISIKO: Das Kreditrisiko besteht in der Gefahr, dass der

Emittent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. ZINSRISIKO: Das Zinsrisiko führt bei einer Veränderung der Zinssätze zu einem Rückgang des Nettoinventarwerts. LIQUIDITÄTSRISIKO: Punktuelle Marktstörungen

können die Preisbedingungen beeinträchtigen, zu denen der Investmentfonds gegebenenfalls Positionen auflösen, aufbauen oder verändern muss. RISIKO IN VERBINDUNG MIT DER VERWAL-

TUNG MIT ERMESSENSSPIELRAUM: Die von der Verwaltungsgesellschaft vorweggenommene Entwicklung der Finanzmärkte wirkt sich direkt auf die Performance des Fonds aus, die von den ausgewählten

Titeln abhängt. Weitere Informationen zum Anlageziel finden Sie im Fondsprospekt. Es stellt in keinem Fall ein Versprechen einer Rendite oder Performance des Fonds dar. Es gibt keine Garantie für

die Wertentwicklung. Der Fonds ist mit einem Kapitalverlustrisiko verbunden. Die Bezugnahme auf ein Ranking oder einen Preis beeinträchtigt nicht die zukünftigen Rankings oder Preise dieser UCIs oder

der Verwaltungsgesellschaft. Quelle: Carmignac, 31.12.2022.

FOCUS MONEY 4/2023

Fotos: xxxxxxxxxxx/FOCUS MONEY Composing: xxx/FOCUS MONEY 25


moneymarkets

INTERVIEW

Wir müssen im

Krisenmodus

bleiben“

Auch ohne Gasmangellage in diesem

Winter sind wir nicht über den Berg, ist Karen

Pittel überzeugt. Die Energie-Expertin des

Ifo-Instituts sagt, welche Hebel wir umlegen

müssen, um die Energiewende zu schaffen

von HEIKE BANGERT

Wie wichtig Energie ist, hat 2022 gezeigt. Um eine Mangellage

zu vermeiden, mussten andere Ziele zurückstehen. Bis 2045

möchte Deutschland klimaneutral sein. Ist das zu schaffen?

Karen Pittel: Ich bin im Grunde meines Herzens Optimistin.

Insofern denke ich, dass wir das schaffen können.

Dazu müssen wir aber viele Hebel in Bewegung

setzen. Der derzeitige Pessimismus resultiert aus dem

aktuellen Fokus auf fossilen Energieträgern. Dieser

muss langfristig überwunden werden. Da diese Transformation

der gesamten Wirtschaft aber Auftrieb geben

wird, bin ich optimistisch.

Welche Bedeutung kommt fossilen Energieträgern dabei zu?

Pittel: Eine wieder wichtigere. Rankten sich in den

Jahren vor der Energiekrise sämtliche Diskussionen

noch um die Umstellung der Industrie auf die erneuerbaren

Energien, so konzentrierte sich im Vorjahr alles

36

Foto: R. Vinogradova/Ifo-Institut

FOCUS MONEY 4/2023


auf die Sicherstellung von Energie – gerade seitens fossiler

Energieträger und Gas als Brückentechnologie. Das darf aber

nicht den Fokus auf die Transformation verstellen.

BEI DER BEREITSTEL-

LUNG VON ERNEUER-

BAREN ENERGIEN

wird Europa an seine

Grenzen kommen, ist Karen

Pittel überzeugt. Selbst bei

mehr Effizienz wird Europa

Energie importieren müssen

Vita

Prof. Karen Pittel

Geb. 1969 in Hamburg,

VWL-Studium in

Göttingen und Chapel

Hill/North Carolina,

Promotion, TU Chemnitz,

Habilitation, ETH Zürich

2009–2010 Leitung des

Zentrums für Wirtschaftspolitik

der ZHAW

Winterthur, Forschungsaufenthalte

im Ausland

Seit 2010 ist sie Direktorin

des Zentrums für

Energie, Klima und

Ressourcen des Ifo-Instituts,

Leibniz-Institut für

Wirtschaftsforschung, und

Professorin für VWL an der

Ludwig-Maximilians-Universität

München, sie ist

Mitglied von etlichen Beiräten

und Kommissionen

Laufen Investitionen in LNG-Terminals der Energiewende nicht

entgegen?

Pittel: Der Instinkt, die Flüssiggasterminals so lange laufen

zu lassen wie technisch möglich, besteht natürlich. Deshalb

ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass diese ab 2043 in

der Lage sein müssen, Wasserstoff zu verarbeiten. Noch ist

allerdings nicht klar, wie das funktionieren soll. So wissen

wir noch nicht, wie wir Wasserstoff importieren werden. Die

Gefahr, dass Vermögenswerte abgeschrieben werden müssen,

besteht. Nichtsdestotrotz benötigen wir Gas als Brückenenergieträger

im Zuge der Transformation.

Die Einweihung des ersten deutschen LNG-Terminals in Wilhelmshaven

nach einer Bereitstellung von wenigen Monaten zeigt, dass es

auch schnell gehen kann – eine Blaupause für andere Projekte?

Pittel: Nur bedingt. Bei den Genehmigungsverfahren wurden

einige Abkürzungen genommen, etwa bei Umweltverträglichkeitsprüfungen.

Ein Ziel kann nicht auf Dauer

zugunsten eines anderen geopfert werden. Energie ist per se

nicht wichtiger als Artenvielfalt. Das ist juristisch unmöglich

und wäre auch der Glaubwürdigkeit der Energiewende

nicht zuträglich. Aber man kann sehen, welche Verfahrensschritte

geändert werden müssen, um Prozesse zu beschleunigen.

Ein Windpark, für dessen Genehmigung wir derzeit

bis zu sechs Jahre brauchen, kann in zwei bis drei Jahren bewerkstelligt

werden.

Sind die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen?

Pittel: Auf der Ebene der EU gibt es dazu Vorgaben. Und

auch die Bundesregierung hat ein Paket verabschiedet, das

zu schnelleren Verfahren führen soll, indem Prüfungen beispielsweise

einheitlicher gestaltet werden. Die Tauglichkeit

muss sich aber erst in der Praxis erweisen. Gerade beim Artenschutz

kann es sein, dass an verschiedenen Standorten

unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen sind.

Sie sagten, man müsse viele Hebel in Bewegung setzen – welche?

Pittel: Wir müssen überall gleichzeitig anfangen. Wir

benötigen ausreichend Strom aus erneuerbaren Energiequellen

und neue Technologien für die Mobilität und die

Industrie. Viele dieser Technologien existieren zwar, stehen

aber noch nicht in den benötigten Mengen zur Verfügung

oder sind noch nicht wettbewerbsfähig einsetzbar. Grüner

Wasserstoff für die Stahl- und Chemieindustrie ist da nur ein

Beispiel.

Die Energiewende gibt es nicht umsonst. Sie haben nachgerechnet

und diese Kosten bis zum Jahr 2050 auf 500 Milliarden bis 3000 Milliarden

Euro beziffert. Wie erklärt sich diese Spanne?

Pittel: Sie erklärt sich daraus, dass unterschiedliche Rechnungen

und Annahmen dahinterstehen. Ein Beispiel: Auf

3000 Milliarden Euro kann man kommen, wenn man davon

ausgeht, dass der Wasserstoffbedarf in Deutschland selbst

gedeckt wird. Lässt man hingegen Importe zu, gehen die

FOCUS MONEY 4/2023

37


moneymarkets

ROHÖL

Der Preis

ist heiß

Das erwartete Ausbleiben einer Rezession

und die weitere Öffnung Chinas drohen den

Ölpreis wieder nach oben zu treiben

von HANS-PETER SIEBENHAAR

Die Zentrale des Ölkartells Opec im Herzen Wiens verfolgt

den Verfall des Ölpreises mit Argusaugen.

Schließlich starteten die Ölpreise in der ersten Januarwoche

mit einem Verlust von gut acht Prozent in das neue

Jahr. Das ist der größte Preisrückgang in der ersten Handelswoche

seit sieben Jahren. Der Ölpreis hatte ohnehin im vergangenen

Jahre eine außergewöhnliche Berg-und-Tal-Fahrt

hinter sich. Nach Spitzenpreisen unmittelbar nach dem Angriff

Russlands auf die Ukraine sanken die Preise im vierten

Quartal – sogar mit Jahrestiefständen. Die Volatilität des Ölpreises

war im vergangenen Jahr sogar noch höher als im

überaus turbulenten Corona-Jahr 2020.

Die Opec gibt sich vom Preisverfall nach außen hin unbeeindruckt.

Das Ölkartell zeigt sich gern selbstsicher – trotz

aller Kritik von Klimaschützern und Anstrengungen zum

Ausbau der erneuerbaren Energien. „Der Anteil von Erdöl am

globalen Energiemix wird bis 2045 mindestens 29 Prozent

betragen. Allein auf erneuerbare Energien zu setzen, wird

nicht die Energie liefern, die die Welt braucht“, behauptete

TOTAL

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Das Unternehmen: Der französische Öl- und Gaskonzern Total Energies gehört

zu den größten Unternehmen Europas. Das in Paris ansässige Unternehmen

hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein.

Der global agierende Konzern verkauft nicht nur Sprit, Gas und petrochemische

Produkte, sondern investiert zunehmend in erneuerbare Energien. Total

verfügt über ein Netz von rund 3500 Ladepunkten für Elektrofahrzeuge.

Die Zahlen: Total gilt als robuster Energiekonzern. 2021 erzielte das Unternehmen

einen Umsatz von 156 Milliarden Euro bei einem operativen Ergebnis

von knapp 21 Milliarden Euro. Mit einer Dividendenrendite von 6,2 Prozent

gilt der Energieriese als populäre Aktie für Anleger, die nicht

ausschließlich nach Kriterien der Nachhaltigkeit investieren. Experten schätzen

das Kurspotenzial auf 12,5 Prozent in diesem Jahr.

Quelle: Bloomberg

Rally gestartet

Der starke Aufwärtstrend ist intakt. Trotz des

gesunkenen Öl- und Gaspreises legte die

Aktie im vierten Quartal des vergangenen

Jahres zu. Analysten erwarten ein Kurspo-

TotalEnergies

tenzial von durchschnittlich 67 Euro.

Kurs der Total-Aktie in Euro

200-Tage-Linie

20

2018 19 20 21 22 2023

50

40

30

40

Foto: Bloomberg

FOCUS MONEY 4/2023

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!