Proble mit Ihr „Besten - Evangelisch in Büderich
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nie GeSCHrieBenen Briefe<br />
Aus „Die nie geschriebenen Briefe<br />
der Emma K, 75 Jahre“<br />
von Christ<strong>in</strong>e Nöstl<strong>in</strong>ger<br />
Werter Sohn!<br />
Du hast dich wieder e<strong>in</strong>mal darüber<br />
lustig gemacht, dass ich jedes Mal,<br />
wenn ich mich von de<strong>in</strong>er tante elisabeth<br />
verabschiede, sage: “Dann bis<br />
zum nächsten Mal, Lisi, falls ich es<br />
noch erlebe!“ Jaja, ich sage das nun<br />
schon fast 10 Jahre lang! Das ist – e<strong>in</strong>erseits-<br />
sicher e<strong>in</strong> bisschen komisch.<br />
Aber –anderseits- werter Herr Sohn,<br />
habe ich es eben schon sehr oft erlebt,<br />
dass es ke<strong>in</strong> „nächstes Mal“ mehr gegeben<br />
hat. Viele alte freunde konnte<br />
ich „nächstes Mal“ nur mehr auf dem<br />
friedhof besuchen. Warum sollte es<br />
dann unbed<strong>in</strong>gt für mich e<strong>in</strong> „nächstes<br />
Mal“ geben?<br />
ich weiß, werter Sohn, dass du nicht<br />
gerne an den tod und an das Sterben<br />
denkst. und schon gar nicht, wenn es<br />
um mich geht. Aber de<strong>in</strong> ewiges „Ach<br />
Mama, du wirst doch hundert Jahre<br />
alt“, hat nicht die Kraft, irgendetwas,<br />
was mir bevorsteht, abzuhalten. De<strong>in</strong>e<br />
Art, <strong>mit</strong> dem tod und dem Sterben<br />
umzugehen, kommt mir vor wie<br />
Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derart, sich die Hand vor die<br />
Augen zu halten, um nicht gesehen zu<br />
werden. ich nehme ja nicht an, werter<br />
Sohn, dass ich morgen oder übermorgen<br />
sterben werde; obwohl das weitaus<br />
eher im Bereich des Möglichen<br />
liegt als me<strong>in</strong> hundertster Geburtstag.<br />
rede dir also nicht e<strong>in</strong>, dass de<strong>in</strong>e Mutter<br />
garantiert hundert Jahre alt werden<br />
wird. Schau lieber den tatsachen <strong>in</strong>s<br />
Auge und nimm gefälligst zur Kenntnis,<br />
dass es schon demnächst „aus“<br />
se<strong>in</strong> könnte <strong>mit</strong> mir! Aber ne<strong>in</strong>, werter<br />
Sohn, ich b<strong>in</strong> nicht <strong>in</strong> untergangsstimmung.<br />
Ganz im Gegenteil! für mich,<br />
denke ich, hätte es ernorme Vorteile,<br />
wenn du endlich aufhören würdest,<br />
mir noch e<strong>in</strong>e Lebenszeit von e<strong>in</strong>em<br />
Vierteljahrhundert zuzugestehen. Warum?<br />
Weil du dich dann, hoffe ich wenigstens,<br />
mir gegenüber anders verhalten<br />
würdest.<br />
Ganz praktisch gedacht, werter Sohn.<br />
Me<strong>in</strong>e kaputten rollo, zum Beispiel,<br />
die müsstest du mir ja dann auch<br />
schon demnächst reparieren. und du<br />
müsstest mich auch schon demnächst,<br />
wie seit 10 Jahren versprochen, <strong>in</strong>s<br />
theater führen. Denn e<strong>in</strong>e theaterkarte,<br />
und sei es auch die teuerste, hat<br />
ja ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, wenn man sie an e<strong>in</strong>e<br />
Kranzschleife heftete.<br />
Also, lieber Sohn, vergiss gefälligst<br />
me<strong>in</strong>en hundertsten Geburtstag und<br />
behandle mich lieber so, als ob e<strong>in</strong><br />
„nächstes Mal“ gar nicht gewiss ist.<br />
Das wünscht sich, auch wenn sie hundert<br />
Jahre alt werden sollte,<br />
De<strong>in</strong>e Mutter<br />
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