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„Grenzenlose Ausbildung“ Rede zur Gesellenbriefübergabe im ...

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<strong>„Grenzenlose</strong> <strong>Ausbildung“</strong> <strong>Rede</strong> <strong>zur</strong> <strong>Gesellenbriefübergabe</strong> <strong>im</strong><br />

Tischler-Handwerk 2010 und Zeugnisübergabe für Holzbearbeiter und<br />

Holzmechaniker am 30. Juni 2010 in Frankenberg<br />

Liebe Junghandwerkerinnen und Junghandwerker!<br />

Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Sie haben es geschafft. Sie haben Ihre Ausbildung erfolgreich beendet. Nach<br />

dem Schulabschluss haben sie einen weiteren bedeutsamen Abschnitt ich ihrem<br />

noch jungen Leben gemeistert. Heute erhalten Sie ihre Gesellenbriefe und<br />

Zeugnisse und dazu möchte ich Ihnen herzlich gratulieren.<br />

Was macht der Bürgermeister aus Hallenberg auf der Zeugnisübergabe der<br />

Tischler in Frankenberg?<br />

Als mich Herr Pauly eingeladen hat und mich gebeten hat heute über das Thema<br />

<strong>„Grenzenlose</strong> <strong>Ausbildung“</strong> zu sprechen habe ich mich darüber sehr gefreut,<br />

denn dies bestätigt die gute Zusammenarbeit zwischen unseren Städten und<br />

der Hans-Viessmann-Schule.<br />

Außerdem komme ich selbst aus einer Schreinerfamilie. Mein Vater ist Schreiner<br />

und werkelt auch heute mit 82 Jahren noch täglich in seiner Werkstatt. Mein<br />

Sohn hat bei der Firma Kusch + Co . Holzmechaniker gelernt, danach die<br />

Holztechnikerschule Beckum besucht und arbeitet inzwischen als Leiter der<br />

Arbeitsvorbereitung in einem großen Betrieb in Arnsberg. Ich bin sozusagen das<br />

schwarze Schaf in der Familie.<br />

Auch mit dem Thema <strong>„Grenzenlose</strong> <strong>Ausbildung“</strong> habe ich selbst persönliche<br />

meine Erfahrungen gemacht. Darauf komme ich noch <strong>zur</strong>ück.<br />

Ausbildung grenzenlos. Topografisch gesehen liegen zwischen Hallenberg und<br />

Frankenberg, nicht nur Stadtgrenzen, sondern die Kreisgrenzen zwischen dem<br />

Hochsauerlandkreis und dem Kreis Waldeck-Frankenberg und Ländergrenzen<br />

zwischen den Hessen und Nordrhein-Westfalen.<br />

Unsere Region ist eine waldreiche Region, in Hallenberg sind 48% der<br />

Stadtfläche Wald. Hier in Frankenberg dürfte es ähnlich sein. Daher haben die<br />

Menschen früher hier überwiegend von der Land- und Forstwirtschaft gelebt. Und<br />

auch heute zeichnet sich die Region durch ihre vielen Firmen der<br />

Holzverarbeitenden Industrie aus.<br />

Denken Sie nur an Ante-Holz, eines der größten Sägewerke Europas und an die<br />

Firma Thonet in Frankenberg. Auf westfälischer Seite ist die Firma Kusch zu<br />

erwähnen oder die Badmöbelfirmen Diedrich und TM2plus in Hallenberg.<br />

Die Grenzen über die wir reden sind unsichtbar, aber dennoch manchmal<br />

ziemlich hoch. Gerade <strong>im</strong> Bereich Schule und Ausbildung. Es gibt verschiedene<br />

1/5


Schulsysteme und auch die Ausbildungsordnungen sind in beiden<br />

Bundesländern unterschiedlich.<br />

Wenn jemand z.B. in Hallenberg eine Ausbildung macht, dann kann er nicht<br />

einfach <strong>zur</strong> nächsten Berufschule nach Frankenberg gehen, sondern muss eine<br />

Berufsschule in NRW besuchen. Ausnahmeregelungen müssen extra beantragt<br />

werden.<br />

Ich freue mich, dass wir - die Städte Hallenberg, Medebach und Frankenberg, die<br />

beiden Kreise - gemeinsam mit der Hans-Viessmann-Schule in den letzten<br />

Monaten diese Grenzen mehrfach durchbrochen haben.<br />

„Pro Be“ - Pro Berufsausbildung - so heißt die Ausbildung die wir von unserer<br />

Verbundschule Medebach-Hallenberg seit kurzem hier in der Hans-Viessmann-<br />

Schule durchführen. Unsere Schüler können dabei einmal in der Woche<br />

praktische Erfahrungen in den verschiedensten Berufsfeldern hier in der Schule<br />

in Frankenberg machen. Diese neue Ausbildungsform mit der wir Schülerinnen<br />

und Schüler frühzeitig an die Berufe heranführen wollen war nur möglich durch<br />

hohe finanzielle Unterstützung der Firma Kusch und Co aus Hallenberg.<br />

Bei der Vorstellung von Pro Be habe ich gesagt, dass wir mit dieser Partnerschaft<br />

einen Glückstreffer gelandet haben. Ich habe noch nie eine Schule gesehen, die<br />

so gut ausgestattet und ausgerüstet ist. Hier muss es einfach Spaß machen zu<br />

lernen. Das wir diese Schule als Partner gewinnen konnten ist ein großer<br />

Glücksfall für uns.<br />

Und in der letzten Woche haben wir in Hallenberg das Duale Studium der<br />

Fachhochschule Giessen-Friedberg, Außenstelle Frankenberg, unseren Firmen<br />

vorgestellt. Das man quasi vor der Haustür - hier in Frankenberg - ein Studium<br />

mit Bachelor-Abschluss durchführen kann, ist vielen Firmen noch nicht bekannt,<br />

aber für unsere he<strong>im</strong>ischen Betriebe und die Absolventen sehr interessant.<br />

Zurück <strong>zur</strong> heutigen Freisprechungsfeier.<br />

Liebe frischgebackene Junghandwerkerinnen und Junghandwerker,<br />

„Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens“ sagt der Philosoph Friedrich Nietzsche.<br />

Diese tragende Säule haben sie sich jetzt erobert. Sie haben einen<br />

anspruchsvollen Beruf erlernt und sind damit gerüstet für ihr weiteres Leben. Sie<br />

können heute mit Fug und Recht feststellen, dass Sie ausgelernt haben, denn<br />

ihre Ausbildungszeit ist beendet, das dokumentieren ihre Zeugnisse schwarz auf<br />

weiß.<br />

Ich sage aber niemanden etwas Neues, wenn ich von der Notwendigkeit<br />

lebenslangen Lernens spreche. Sie alle wissen, das die Arbeitswelt heute in<br />

einem steten Wandel begriffen ist. Neue Berufszweige kommen hinzu, alte<br />

verschwinden und auch innerhalb eines Berufs vollziehen sich ständig<br />

Veränderungen.<br />

2/5


Um weiterzukommen, um den Herausforderungen von Morgen gewachsen zu<br />

sein, wird es für Sie unerlässlich sein, Ihre Kenntnisse mit Fort- und<br />

Weiterbildungen auszubauen. Einige werden in ihrem Berufsleben auch um eine<br />

Umschulung nicht herumkommen oder sie werden sich plötzlich in einem neuen<br />

Beruf oder einem anderen Arbeitsfeld wiederfinden.<br />

Auch damit habe ich persönlich meine Erfahrungen gemacht. Auch ich habe<br />

meine Ausbildung hier in Frankenberg begonnen, in einem völlig anderen Beruf,<br />

als Sozialversicherungsfachangestellter bei der DAK. In diesem Beruf habe ich<br />

28 Jahre gearbeitet, war Geschäftsführer der DAK hier in Frankenberg und<br />

zuletzt in Korbach. Wenn mir damals einer gesagt hätte, das ich diesen Beruf, in<br />

dem ich mich <strong>im</strong>mer sehr wohl gefühlt habe, freiwillig aufgebe um Bürgermeister<br />

zu werden, ich hätte ihn für verrückt erklärt.<br />

Damit habe ich aber eine Erfahrung gemacht, die viele heute machen. Von der<br />

Lehre bis <strong>zur</strong> Rente in ein und demselben Beruf oder ein und derselben Sparte<br />

zu arbeiten, das ist nicht mehr der Normalfall, sondern eher die Ausnahme. Egal<br />

ob es sich, so wie bei mir, zufällig ergeben hat oder ob man einfach mal etwas<br />

Neues machen möchte oder ob es aus beruflichen Notwendigkeiten heraus<br />

geschieht. Doch auch für dieses Weiterlernen und evtl. Umorientieren haben Sie<br />

mit Ihrer Ausbildung eine gute Grundlage gelegt.<br />

Lehrjahre sind keine Herrenjahre, hieß es früher. Seitdem hat sich zum Glück viel<br />

geändert. Ausbilder und Auszubildende gehen anders miteinander um, die<br />

Lehrlinge bekommen anderes und mehr aufgetragen, ihre Meinung wird nicht von<br />

vornherein vom Tisch gewischt. Dennoch ist die Lehrzeit auch heute kein<br />

Zuckerschlecken. In den vergangenen Jahren mussten Sie Woche für Woche<br />

zeigen, was in Ihnen steckt, was Sie können und was Sie zu leisten bereit sind.<br />

Ohne Fleiß und Initiative, ohne Büffeln und Ausdauer säßen Sie heute nicht hier.<br />

Dass Sie es geschafft haben, verdanken Sie diesem Ehrgeiz, aber auch Ihren<br />

Ausbildern in Schule und Betrieb. Ihre Lehrer und Meister haben Sie unterstützt<br />

und gefördert, und deshalb haben sie auch einen Anteil an Ihrem Erfolg. Ihre<br />

Ausbilder haben Ihnen viel abverlangt, aber sie hatten auch Verständnis für Sie.<br />

Und sie haben Ihnen, wie Ihre Eltern, die Daumen gedrückt, als die Stunde der<br />

Abschlussprüfung geschlagen hatte.<br />

Jedes Ende ist zugleich ein Anfang. Ihr erfolgreicher Abschluss öffnet Ihnen nun<br />

die Tür zu beruflichem Ein- und Aufstieg. Allerdings, dieser Werdegang vollzieht<br />

sich nicht mehr so reibungslos und selbstverständlich, wie es früher der Fall war.<br />

Viele haben es schon bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erlebt.<br />

Vielleicht hat auch nicht jeder den Ausbildungsplatz bekommen, den er einmal<br />

angestrebt hat.<br />

Sie wissen, dass die wirtschaftliche Lage in unserem Land ist derzeit nicht rosig<br />

ist. Von der Finanz- und Wirtschaftskrise ist auch das Handwerk betroffen. Die<br />

Umsätze sind geschrumpft, die Zahl der Insolvenzen hat zugenommen,<br />

3/5


Arbeitsplätze wurden abgebaut und Schwarzarbeit wird <strong>zur</strong> <strong>im</strong>mer<br />

bedrängenderen Konkurrenz.<br />

Hier kommt außerdem noch den Faktor Demografie ins Spiel. Wir werden <strong>im</strong>mer<br />

weniger, und wir werden <strong>im</strong>mer älter. In unseren Städten hat dies schon viele<br />

Auswirkungen. Häuser und Läden stehen leer, Kindergärten und Schulen<br />

müssen schließen oder werden zusammengelegt.<br />

Andererseits bedeuten wenige Kinder die geboren werden, auch weniger<br />

Auszubildende die in Berufe streben und letztendlich weniger Facharbeiter. Wir<br />

werden in den nächsten Jahren einen riesigen Bedarf an Facharbeitern und<br />

Führungskräften haben.<br />

Ich bin sehr froh, dass es in unserer Region nach wie vor viele Betriebe gibt, die<br />

bereit sind, auszubilden. Bundesweit ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe in den<br />

letzten Jahrzehnten stark <strong>zur</strong>ückgegangen. Gerade das Handwerk bildet weitaus<br />

mehr aus als die übrige Wirtschaft. Für diese Bereitschaft möchte ich allen<br />

Betrieben herzlich danken. Die Firmen haben erkannt, das wir nur mit einem<br />

Lehrangebot vor Ort qualifizierte Kräfte heranbilden können, nur so bekommen<br />

wir die kompetenten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die wir<br />

angewiesen sind.<br />

Eine gute Ausbildung lohnt sich für alle. Dass sollten wir <strong>im</strong>mer m Kopf haben.<br />

Sie sich lohnt sich für die jungen Menschen, die einen Beruf von der Pike auf<br />

lernen und ihre Startchancen ins Leben verbessern, Sie lohnt sich für die<br />

Gesellschaft, die einerseits der nachwachsenden Generation eine Perspektive<br />

eröffnet und andererseits die qualifizierten Berufstätigen heranbildet, die sie<br />

braucht.<br />

Und sie lohnt sich für die Betriebe und Unternehmen, die ausbilden. Sie<br />

vermitteln ihren künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genau die Kenntnisse<br />

und Fertigkeiten die in ihren Sparten notwendig sind, und sorgen so dafür, dass<br />

der Kenntnisstand auf hohem Nivea bleibt und der Stab nahtlos weitergereicht<br />

werden kann. Damit investieren sie in die Zukunft und sichern den künftigen<br />

Gewinn.<br />

Auf jeden Fall wird jedoch weiterhin gelten, dass es auf die Initiative jedes<br />

Einzelnen ankommt, auf seine Flexibilität und seine Kompetenz. Genau da haben<br />

Sie, liebe jungen Gesellinnen und Gesellen, einiges vorzuweisen. Sie haben eine<br />

gute Ausbildung durchlaufen, Sie sind in Theorie und Praxis geschult. Unser<br />

duales System ist ein Modell, um das uns manche <strong>im</strong> Ausland beneiden, sein<br />

Wechselspiel von Theorie und Praxis hat sich bewährt. Und so konnten Sie in<br />

den Ausbildungsjahren nicht nur wertvolle Fachkenntnisse erwerben, sondern<br />

auch Ihre Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Aufgeschlossenheit beweisen.<br />

Auch heute noch kommt es bei aller Automation und Computerisierung auf den<br />

einzelnen Menschen an. Wertarbeit wird nicht bloß von Maschinen, sondern vor<br />

allem von Menschen erstellt. Und Qualität wird sich <strong>im</strong>mer durchsetzen.<br />

4/5


Qualität abliefern können jedoch nur diejenigen, die stets auf dem laufenden<br />

bleiben. Die wissen, was gefragt ist, die die neuesten Techniken beherrschen,<br />

deren Kenntnisse auf dem letzten Stand sind.<br />

Sie stehen nun am Beginn einer neuen Lebensphase. „Aller Anfang ist schwer“,<br />

weiß ein Sprichwort. Vielleicht haben Sie das am Beginn Ihrer Ausbildung erlebt,<br />

vielleicht müssen Sie es jetzt erfahren, wenn Sie nach einem Arbeitsplatz suchen<br />

oder Fuß fassen wollen in einem neuen Betrieb. Wenn es nicht sofort so klappen<br />

sollte, wie Sie sich das vorgestellt haben, dann lassen Sie sich bloß nicht<br />

entmutigen. Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn es Probleme gibt, denn vieles<br />

ist strukturell bedingt. Aber zeigen Sie auch <strong>im</strong>mer, was Sie können; suchen Sie<br />

nach jeder Tür, die sich Ihnen öffnen könnte, und nutzen Sie jede Chance, die<br />

sich Ihnen bietet.<br />

Leistungsbereitschaft ist das, worauf es ankommt in unserer Gesellschaft. Das ist<br />

gewiss manchmal anstrengend, aber es gibt einem auch etwas, ein Problem zu<br />

lösen und weiterzukommen. Die geforderte Leistung zu erbringen, das zahlt sich<br />

aus – nicht nur in klingender Münze, sondern auch in Zufriedenheit.<br />

Sie starten jetzt in Ihre berufliche Zukunft. In den letzten Jahren haben Sie sich<br />

das Rückgrat erworben, das Sie dabei tragen wird. Behalten Sie den Elan, die<br />

Zielstrebigkeit und die Zuversicht bei, die sie in ihrer Ausbildung an den Tag<br />

gelegt haben. Dann werden Sie auch die nie ausbleibenden Misslichkeiten<br />

verkraften und sich gegebenenfalls neu orientieren können. Sie haben gute<br />

Werkzeuge in die Hand bekommen um ihr Glück zu schmieden, Sie haben in<br />

Ihrer Ausbildung bewiesen, was Sie alles leisten können.<br />

Ich darf Ihnen nochmals zu Ihrem Erfolg gratulieren und wünsche Ihnen für ihren<br />

weiteren Lebensweg viel Erfolg und für ihre berufliche und persönliche Zukunft<br />

alles Gute.<br />

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