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Clearing - Kinder- und Jugendhilfe Backhaus

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Leibliche <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> aufgenommene <strong>Kinder</strong><br />

Immer wieder stellt sich in unseren Erziehungskonferenzen<br />

die Frage, wie geht es den leiblichen <strong>Kinder</strong>n<br />

mit den aufgenommenen <strong>Kinder</strong>n. Die Sorge,<br />

dass die leiblichen <strong>Kinder</strong> unter der neuen Situation<br />

leiden, schwingt oft mit.<br />

Für leibliche <strong>Kinder</strong> bedeutet das Zusammenleben<br />

mit einem aufgenommenen Kind nicht nur, dass es<br />

seine Eltern teilen muss, was ja oft schon schwierig<br />

ist <strong>und</strong> zu Eifersucht führt, wenn ein weiteres Geschwisterkind<br />

in die Familie hineingeboren wird,<br />

sondern es wird die Erfahrung machen, dass es die<br />

Eltern teilen muss mit einem Kind, was sehr viel<br />

Unruhe in die Familie bringt.<br />

Zunächst freut es sich auf den Einzug des neuen<br />

Kindes, spürt dann aber schnell - besonders wenn<br />

es sich um ein seelisch stark verletztes Kind mit<br />

mehreren Beziehungsabbrüchen handelt - dass<br />

viele seiner Wünsche <strong>und</strong> Erwartungen an das aufgenommene<br />

Kind nicht in Erfüllung gehen. Neben<br />

dieser Enttäuschung kommt dann auch noch die<br />

Erfahrung, dass das aufgenommene Kind von den<br />

Eltern viel Kraft fordert, diese oft verzweifelt <strong>und</strong><br />

hilflos sind. Die täglichen Aufregungen überschatten<br />

stark das Leben des leiblichen Kindes. Oft schämen<br />

sich die leiblichen <strong>Kinder</strong> für das Verhalten des aufgenommenen<br />

Kindes außerhalb der Familie - in<br />

Schule <strong>und</strong> im Fre<strong>und</strong>eskreis.<br />

Die Eltern sind sich dieser Situation durchaus bewusst.<br />

In einer Untersuchung von Pflegefamilien<br />

ermittelten Poland <strong>und</strong> Groze (1993), „dass nur die<br />

Hälfte der befragten Pflegeeltern fand, dass ihre<br />

eigenen <strong>Kinder</strong> der Familienpflege gegenüber positiv<br />

eingestellt sind. 57 % beobachteten positive<br />

Auswirkungen auf sie <strong>und</strong> 43 % sowohl positive als<br />

auch negative. Fast alle Pflegeeltern waren jedoch<br />

der Meinung, dass ihre leiblichen <strong>Kinder</strong> wegen der<br />

Aufnahme eines Pflegekindes weniger Zeit zu Hause<br />

verbrachten. Ferner befürchteten einige, dass<br />

ihre <strong>Kinder</strong> die Pflegekinder ablehnen (13 %), dass<br />

sie unter deren Rückführung leiden könnten (10 %),<br />

dass sie von den Pflegekindern misshandelt werden<br />

(8 %) oder von ihnen schlechte Verhaltensweisen<br />

lernen könnten (8 %). Nur 5 % hielten die Familienpflege<br />

für eine durchweg positive Erfahrung für ihre<br />

leiblichen <strong>Kinder</strong>.“ (Textor)<br />

Auch unsere Profifamilien ® schätzen die Situation<br />

ihrer leiblichen <strong>Kinder</strong> sehr gut ein. Sie erkennen<br />

ihre Nöte <strong>und</strong> achten darauf. Die leiblichen <strong>Kinder</strong><br />

sind immer wieder Thema in den Erziehungskonferenzen.<br />

Sicherlich hängt das Erleben stark vom Alter<br />

der leiblichen <strong>und</strong> der aufgenommenen <strong>Kinder</strong> ab.<br />

Trotzdem gilt es immer wieder, auch die leiblichen<br />

<strong>Kinder</strong> ins Blickfeld zu nehmen. Frau Wiemann hat<br />

bezogen auf Pflegeeltern Punkte aufgeführt, die es<br />

zu beherzigen gilt:<br />

- Der Status Pflegekind - eigenes Kind darf sich im<br />

Lebensalltag spiegeln <strong>und</strong> muss nicht verleugnet<br />

werden.<br />

- Pflegeeltern sollen dem leiblichen Kind keine Verantwortung<br />

für das Pflegekind übertragen.<br />

- Sie sollen dem leiblichen Kind abverlangen, mit<br />

den besonderen Schwierigkeiten des Pflegekindes<br />

einerseits umzugehen <strong>und</strong> sich andererseits<br />

auch ohne schlechtes Gewissen abzugrenzen.<br />

- Pflegeeltern sollten sich das Vergleichen der <strong>Kinder</strong><br />

abgewöhnen.<br />

- Die Gefühle gegenüber leiblichen <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />

Pflegekindern dürfen verschieden sein.<br />

- Beide <strong>Kinder</strong> haben ein sehr unterschiedliches<br />

Leben hinter sich. Sie sind <strong>und</strong> bleiben im Spiel-,<br />

Leistungs- <strong>und</strong> Sozialverhalten sehr verschieden.<br />

- Pflegeeltern sollten auch den <strong>Kinder</strong>n dabei helfen,<br />

zu ihrer Unterschiedlichkeit Ja sagen zu lernen.<br />

- Pflegeeltern dürfen das Zusammensein mit dem<br />

leiblichen Kind weiterhin genießen, sie sollen trotz<br />

ihrer Zuwendung für das Pflegekind noch genug<br />

Platz lassen, dem leiblichen Kind besondere Zuwendung<br />

zu geben.<br />

- Für die <strong>Kinder</strong> sollten unterschiedliche Interessen,<br />

unterschiedliche Fre<strong>und</strong>eskreise, eigene Lebensbereiche,<br />

eigene Hobbys gefördert werden.<br />

- Nur wenn in der Familie jeder jedem anderen ein<br />

Stück Eigenleben, Anderssein <strong>und</strong> Autonomie zugesteht,<br />

kann das Zusammenleben gelingen.<br />

- Beide <strong>Kinder</strong> sind immer wieder neu zu ermutigen,<br />

dass sie trotz ihres anderen Status <strong>und</strong> trotz<br />

ihrer anderen Herkunft einzigartige <strong>und</strong> wertvolle<br />

Menschen sind.<br />

- Es gehört zum Pflegekind dazu, dass es anderswo<br />

noch eine Familie hat <strong>und</strong> dass es nicht leibliches<br />

Kind in dieser Familie ist. Das bleibt schwer<br />

<strong>und</strong> die Trauer darüber kann niemand dem Pflegekind<br />

ersparen. Pflegeeltern sollten sich selbst<br />

<strong>und</strong> den <strong>Kinder</strong>n gegenüber immer wieder verdeutlichen,<br />

dass jedes Kind seine einzigartige<br />

Geschichte hat. Die Folgen daraus gilt es immer<br />

wieder neu zu akzeptieren.<br />

Literatur:<br />

Irmela Wiemann: Leibliche <strong>Kinder</strong> in Pflegefamilien,<br />

aus Blickpunkt Pflegekinder 3, 1997<br />

Martin R. Textor: Resultate wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

- Folgerungen für Pflegefamilien, Referat<br />

im Rahmen der Pflege <strong>und</strong><br />

Adoptivelternwoche des Arbeitskreises<br />

Pflegekinderdienste der<br />

Städte Konstanz, Singen <strong>und</strong> des<br />

Landkreises Konstanz<br />

Marion Wischka<br />

Ausgabe 53 11 KIM

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