WIR SIND PROFIFAMILIE - Kinder- und Jugendhilfe Backhaus
WIR SIND PROFIFAMILIE - Kinder- und Jugendhilfe Backhaus
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Ausgabe 80 Juni / Juli 2011<br />
<strong>WIR</strong> <strong>SIND</strong> <strong>PROFIFAMILIE</strong> ®<br />
Kann ich das überhaupt? (Seite 16)<br />
Ich habe mehr als eine Familie (Seite 30)<br />
Verselbstständigung (Seite 50) Ausbildung (Seite 51)<br />
®
<strong>Kinder</strong>-<br />
erziehung<br />
Im kommenden Heft möchten<br />
wir unter diesem Thema einiges<br />
veröffentlichen. Wir würden<br />
uns freuen, wenn auch<br />
viele außerhalb des Redaktionsteams<br />
dazu Beiträge einreichen<br />
würden. Es müssen<br />
nicht immer seitenfüllende<br />
Artikel sein, auch kurze Bemerkungen,<br />
Hinweise <strong>und</strong><br />
Statements können wir unterbringen.<br />
Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit.<br />
Lesen Sie auch:<br />
Wonneproppen des Monats<br />
Seite 22<br />
Nachwuchs in der IPW Borken<br />
Seite 48<br />
Wissenswertes über die<br />
<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
<strong>Backhaus</strong> Seite 59<br />
Inhalt<br />
Seite<br />
Vorwort ................................................................................................. 2<br />
Intro Familie <strong>Backhaus</strong> Fam. <strong>Backhaus</strong> ........................................... 3<br />
„Wir sind Profifamilie ® “ Y. Schauf .................................................... 4<br />
Fotowettbewerb P. Schmackpfeffer ................................................... 5<br />
GfS Aurich H. Treblin .......................................................................... 6<br />
- Frau + Frau + <strong>Kinder</strong> = Profifamilie ® PR <strong>und</strong> H. Treblin .............. 7<br />
- Und wie geht es weiter H. Treblin ................................................. 8<br />
GfS Berlin K. Barth <strong>und</strong> S. Tönjes .................................................... 11<br />
- Das erste Kind in Berlin vor 5 Jahren K. Barth ......................... 12<br />
GfS Bremen H. Ache, U. Pügner-Selke <strong>und</strong> C. Struck ..................... 13<br />
- Wenn wir dich nicht hätten U. Eykamp ...................................... 15<br />
GfS Emsland ..................................................................................... 16<br />
- Kann ich das überhaupt? C. Lüken ............................................ 16<br />
- Wie gestaltet sich der Weg zum Kind R. Weusthof ................... 17<br />
- Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie U. Meiners ......................... 18<br />
- Rückblick: Wir wurden Profifamilie ® I. Stehmann ..................... 19<br />
- Jennifer <strong>und</strong> Andrea erzählen J. Burke u. A. Stehmann ............. 19<br />
- Erster Fachtag für Profieltern im Emsland C. Lüken ................ 20<br />
GfS Hamburg A. Schmitz Köster u. C. Arndt .................................... 22<br />
GfS Lüneburg D. Arlt <strong>und</strong> A. Schmitz-Köster ................................... 23<br />
GfS Münster U. Kunze ....................................................................... 26<br />
GfS Oldenburg K. Heimberg ............................................................ 28<br />
- „Aber ich hab dir doch alles gegeben“ K. Heimberg ................ 28<br />
- Ich habe mehr als eine Familie P. Schmackpfeffer .................... 30<br />
GfS Osnabrück .................................................................................. 32<br />
- In (Ver-) Bindung bleiben PR <strong>und</strong> U. Hesselkamp ..................... 33<br />
- Wir sind unsere Familie PR <strong>und</strong> C. Gerbus ................................ 34<br />
GfS Uckermark .................................................................................. 35<br />
- Profifamilie ® in der Uckermark G. Steinmetz ............................. 35<br />
- Ein Lebenstraum PR <strong>und</strong> K. Buse ............................................... 36<br />
- „Was ist das Besondere daran, Profieltern zu sein?“ R. Kraus 37<br />
Der psychologische Dienst U. Sabrowski-Lübbers ........................ 40<br />
Die Mädchengruppe J. Oelerink ...................................................... 40<br />
Traumatisierte <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> ihr Verhalten M. Wischka ................... 41<br />
Bindungskonzept in Gruppenpädagogischen Einrichtungen ...... 42<br />
D. Robben<br />
Diagnostik in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> E. Keeve ................... 44<br />
Professionelle Distanz <strong>und</strong> persönliche Nähe in der Clearingstelle ... 46<br />
C. Rensmann<br />
Die Intensiv Pädagogische Wohngruppe Borken stellt sich vor . 47<br />
Einblicke in die Arbeit <strong>und</strong> das Leben im Kleinstheim <strong>Backhaus</strong> . 48<br />
Verselbstständigung A. Lübken <strong>und</strong> D. Hölscher ........................... 50<br />
Ein Weg wird fortgeführt A. Lübken <strong>und</strong> D. Hölscher ..................... 51<br />
Ausbildung in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> ................. 51<br />
- HauswirtschafterIn B. Struckmann ................................................ 52<br />
- Fachpraktiker in Hauswirtschaft S. Vogel ................................... 53<br />
- Der Ausbildungsberuf Koch/Köchin in der KJHB H. Stover ...... 53<br />
Sonderpädagogische Zusatzausbildung M. Schute ..................... 55<br />
Rätsel <strong>und</strong> Lösungen ....................................................................... 56<br />
Fast das Letzte Diesmal: Was ist „In“ <strong>und</strong> „Out“? .............................. 58<br />
Ausgabe 80 1 KiM ®
Einsendeschluss<br />
des August-/ September-Durchblicks<br />
ist der<br />
1. Juli 2011<br />
Liebe Leserin!<br />
Lieber Leser!<br />
Vorwort<br />
„Wir sind Profifamilie ® “ ist das Leitthema dieser Durchblick-Ausgabe.<br />
Das trifft nun auch auf meine Familie zu, wir sind eine Profifamilie ® . Vor<br />
nunmehr über 11 Jahren haben meine Frau <strong>und</strong> ich entschlossen, <strong>Kinder</strong><br />
bei uns aufzunehmen. Unsere eigenen <strong>Kinder</strong> hatten ein gewisses<br />
Alter erreicht <strong>und</strong>, eingeweiht in unser Vorhaben,<br />
waren auch sie gespannt auf die neuen „Geschwister“.<br />
Nachdem wir die Vorbereitungszeit abgeschlossen<br />
hatten, war es dann am 23. Dezember 2000<br />
soweit. Unsere Familie bekam Zuwachs. Auf dem<br />
Bild links sehen Sie die gesamte Profifamilie ® , wie<br />
wir uns vor ca. 3 Jahren haben ablichten lassen,<br />
zugegeben schon einige Tage alt, die gesamte Profifamilie<br />
® .<br />
Ich könnte an dieser Stelle von den Voraussetzungen,<br />
eine Profifamilie ® zu gründen, von der Vorbereitungszeit,<br />
der Anbahnungszeit, den Herausforderungen<br />
der letzten 10 Jahre, vom Verhältnis zwischen<br />
einer Profifamilie ® <strong>und</strong> der Nachbarschaft,<br />
den Vereinen oder der Schule berichten, dies tun<br />
aber schon verschiedene Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen in dem Ihnen nun<br />
vorliegenden Heft. Wenn Sie viel über unser Konzept <strong>und</strong> unsere Arbeit<br />
erfahren wollen, empfehle ich Ihnen die Lektüre der nun folgenden Seiten.<br />
Sie erfahren auch, dass verschiedene <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendwohngruppen<br />
mit den verschiedensten Konzepten, Kleinstheimen <strong>und</strong> die<br />
Clearingstelle wichtiger Bestandteil unserer Arbeit sind. Wir freuen uns<br />
auch, dass wir in verschiedenen Bereichen Jugendlichen die Möglichkeit<br />
einer Ausbildung zu einem Beruf ermöglichen können. Über all diese<br />
Themen werden sie in dieser Ausgabe informiert. Wir möchten aber<br />
in diesem Zusammenhang auf unseren Internetauftritt hinweisen. Dort<br />
können sie unter der Adresse www.profifamilie.de noch viele weitere<br />
Details über unsere Arbeit erfahren.<br />
Noch ein Jubiläum in eigener Sache: In diesen Tagen jährt sich meine<br />
Arbeit in der Durchblick-Redaktion. Seit nun 10 Jahren, für 60 Ausgaben,<br />
war ich für die Gestaltung des Durchblicks tätig. Der Durchblick ist<br />
aber ein Gemeinschaftswerk aller Mitarbeiter der Einrichtung <strong>und</strong> ich<br />
freue mich, dass wir Ihnen immer wieder, alle zwei Monate, eine interessante<br />
Ausgabe aushändigen können. Ich hoffe, Sie sind mit unserer<br />
Arbeit zufrieden. Viele Ausgaben (bis zurück zur Ausgabe 40 aus dem<br />
Jahr 2004) können Sie sich auch im Internet anschauen. Auf der oben<br />
schon genannten Hompage klicken Sie links auf „Veröffentlichungen“<br />
<strong>und</strong> dann auf „Ausgabe Durchblick“. Zwei Optionen stehen hier zur<br />
Verfügung: 1. Ansicht des aktuellen Durchblicks <strong>und</strong> 2. Durchblick Archiv.<br />
In diesem Sinne, viel Freude beim Lesen wünscht<br />
Ausgabe 80 2 KiM ®<br />
Ihr<br />
Durchblick Redaktion<br />
Erziehungsleiter<br />
GfS Emsland
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
bisher konnte keine Ausgabe des Durchblicks unsere Kernkompetenz<br />
„Profifamilie ®“ besser darstellen als diese. Durch die unterschiedlichen<br />
Perspektiven der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren, können<br />
wir Ihnen in einer großen Vielfalt das Leben, die Arbeit, die<br />
Profession <strong>und</strong> den Sinn einer Profifamilie ® näher bringen. Zu<br />
verdanken sind diese tiefen Einblicke ehemaligen <strong>Kinder</strong>n, die in<br />
unseren Erziehungsstellen aufwuchsen, Profieltern, die hier viele<br />
Jahre ihres professionellen Engagements resümieren <strong>und</strong> Erziehungsleitungen,<br />
die zum Teil seit Jahrzehnten für die <strong>Kinder</strong>-<br />
<strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> im Einsatz sind. Eindrucksvoll erfahren<br />
Sie von Profieltern, über ihre bewusste Entscheidung ihren<br />
Arbeitsplatz nach Hause zu verlegen. Jedoch werden Sie bei dieser<br />
Lektüre feststellen, dass die Entscheidung, einem jungen<br />
Menschen Heimat <strong>und</strong> Perspektiven zu bieten, nur bedingt durch<br />
ein Arbeitsverhältnis motiviert ist. Eine Bindung einzugehen, bedeutet<br />
Verantwortung zu übernehmen. Eine Verantwortung, die<br />
nicht nur das Leben des aufgenommenen Kindes /Jugendlichen<br />
prägt, sondern das gesamte Familiensystem. Großer Respekt gebührt<br />
den Profifamilien ® für ihren nachhaltigen Einsatz an der<br />
Gesellschaft!<br />
Durch das Bindungskonzept, gepaart mit unserem Leitmotiv<br />
„KiM ®“ (Kind im Mittelpunkt), ist es uns heute möglich, mit 365<br />
überwiegend pädagogischen Fachkräften 384 jungen Menschen<br />
einen geschützten Rahmen für deren Entwicklung zu bieten.<br />
Trotz der immer stärkeren Differenzierung unserer Hilfeangebote,<br />
steht die Konzeption der Profifamilie ® für uns an erster Stelle.<br />
Keine anderen stationären Erziehungshilfen lassen eine so intensive<br />
Bindungsarbeit zu, wie sie im familiären <strong>und</strong> doch professionellen<br />
Rahmen einer Profifamilie ® geleistet werden können.<br />
Wenn Sie als Pädagogin oder Pädagoge einem Kind, das nicht in<br />
seiner Herkunftsfamilie leben kann, ein neues Zuhause geben<br />
möchten, sind Sie willkommen, an unserer 36-jährigen Erfahrung<br />
teilzuhaben. Gerne stellen wir Ihnen Ihre Vorteile <strong>und</strong> Perspektiven<br />
vor, die Sie bei den Pionieren der Erziehungsstellenarbeit<br />
erwarten können.<br />
Herzliche Grüße<br />
Ihre<br />
Familie <strong>Backhaus</strong><br />
Ausgabe 80 3 KiM ®
„Wir sind Profifamilie ®“<br />
Aber was ist eigentlich eine Profifamilie ® ?<br />
Die <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong>, folgend<br />
KJHB genannt, bietet ein breites Spektrum an Hilfen<br />
für benachteiligte junge Menschen. Neben gruppenpädagogischen,<br />
ambulanten <strong>und</strong> diagnostischen<br />
Angeboten wird der überwiegende Teil der KJHB -<br />
Hilfen innerhalb der Profifamilien ® realisiert.<br />
Die KJHB wurde 1976 von Gerhard <strong>und</strong> Marianne<br />
<strong>Backhaus</strong> gegründet, die heute als Träger fungieren.<br />
Die Zentrale <strong>und</strong> die Verwaltung befinden sich im<br />
emsländischen Meppen. Arbeitgeber der Profifamilien<br />
® sind die Gesellschaften für familienorientierte<br />
Sozialpädagogik. Jede Gesellschaft hat ihren Sitz in<br />
einem pädagogischen Zentrum. Diese Zentren sind<br />
so angesiedelt, dass die Erreichbarkeit der Profifamilie<br />
® gewährleistet ist. In den Zentren finden die<br />
Vorbereitungskurse, regelmäßige Erziehungskonferenzen,<br />
Herkunftsfamilienkontakte <strong>und</strong> Fortbildungen<br />
statt. Die Erziehungsleiter sind Ansprechpartner<br />
für die Profifamilien ® . Die Profifamilien ® der Regionen<br />
bilden, gemeinsam mit dem Erziehungsleiter,<br />
ein vertrauensvolles professionelles Kollegium, die<br />
in einer großen Methodenvielfalt, individuell nach<br />
Maßgaben des Hilfeplans arbeiten. Die gesetzliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage der Unterbringung ist der SGB VIII § 34.<br />
Gr<strong>und</strong>lage der pädagogischen Arbeit in der KJHB,<br />
ist die Bindungstheorie <strong>und</strong> das daraus abgeleitete<br />
Bindungskonzept. Von der Profifamilie ® werden junge<br />
Menschen aufgenommen, die durch ihre Lebenssituation<br />
sehr hoch belastet sind. Eine Tag <strong>und</strong><br />
Nacht Betreuung außerhalb der Herkunftsfamilie ist<br />
notwendig.<br />
In einem sicheren Rahmen wird den jungen Menschen<br />
die Möglichkeit gegeben, ihre traumatischen<br />
Erfahrungen aufzuarbeiten.<br />
Um den Bindungsprozess tragfähig umsetzen zu<br />
können verläuft der Prozess in folgenden Schritten:<br />
In den pädagogischen Zentren werden Vorbereitungskurse<br />
zur Aufnahme eines Kindes durchgeführt.<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzung zur Aufnahme eines Kindes<br />
ist, dass wenigstens ein Teil der Familie eine<br />
abgeschlossene <strong>und</strong> anerkannte pädagogische<br />
Ausbildung hat. Gr<strong>und</strong>lage dieses intensiven Vorbereitungskurses<br />
ist das hauseigene Curriculum welches<br />
folgende Themenschwerpunkte beinhaltet.<br />
Vorbereitung auf die Veränderung in der Familiendynamik<br />
- Bindungskonzept<br />
- Übertragung <strong>und</strong> Gegenübertragung<br />
- Erkennen von Bindungsstörungen <strong>und</strong> traumatischen<br />
Erfahrungen, deren Ursachen, Auswirkungen<br />
<strong>und</strong> Verarbeitung<br />
- Trauer <strong>und</strong> Abschied<br />
- Rechte <strong>und</strong> Pflichten aller Beteiligten<br />
- Eine intensive Biographiearbeit<br />
- Arbeit mit der Herkunftsfamilie<br />
- Wünsche <strong>und</strong> Erwartungen aller Beteiligten<br />
- Definition der Bindungstheorie<br />
- Erkennung von Störungen <strong>und</strong> der Umgang damit<br />
- Welches Kind passt in meine Familie<br />
In der Zeit der Vorbereitung ist es uns ein Anliegen,<br />
die Familie auf die Aufgabe vorzubereiten. Nur,<br />
wenn allen Familienmitgliedern vor der Aufnahme<br />
klar ist, was sich durch die Aufnahme in der Familie<br />
verändert, können wir Abbrüchen vorbeugen.<br />
Nach der Teilnahme am Kolloquium wird über das<br />
jeweilige Landesamt eine Betriebserlaubnis für die<br />
jeweilige Familie <strong>und</strong> deren Wohnraum beantragt.<br />
Erst wenn diese Schritte erfolgreich gemeistert <strong>und</strong><br />
alle Beteiligten sich sicher sind, dass die Aufnahme<br />
eines Kindes stattfinden kann, kommt es zur Anbahnung<br />
vor der Aufnahme. In der Regel ist es so, dass<br />
das Jugendamt eine Kindesanfrage an die Einrichtung<br />
stellt. Im Leitungsteam wird sorgfältig geprüft,<br />
welche Hilfen das Kind benötigt <strong>und</strong> welche Familie<br />
hierfür geeignet wäre.<br />
Bevor es zu einem Kontakt zwischen den Erwachsenem<br />
<strong>und</strong> dem Kind kommt, haben sich alle Beteiligten<br />
eingehend über die Biographie des Kindes<br />
informiert. Erst wenn alle Beteiligten ein Kennenlernen<br />
befürworten, kommt es zu einem ersten anonymen<br />
Sichtkontakt in der gewohnten Umgebung des<br />
Kindes. Hier kommt es besonders auf den „ersten<br />
Funken“ zwischen den Beteiligten an. Erfahrungen<br />
haben gezeigt, dass sich Sympathien bzw. Antipathien<br />
bereits nach einigen Minuten der Begegnung<br />
abzeichnen.<br />
Ist diese Begegnung positiv verlaufen, bestimmen<br />
die Bedürfnisse des Kindes das Tempo der Anbahnung.<br />
Die potentielle Profifamilie ® besucht das Kind<br />
mehrfach in seiner gewohnten Umgebung. Hat das<br />
Kind Vertrauen gefasst, kann es auch gemeinsame<br />
Unternehmungen außerhalb der vertrauten Umgebung<br />
geben. Ist die Neugier auf das Umfeld der<br />
familiären Umgebung gewachsen, wird ein Besuch<br />
in der Profifamilie ® arrangiert. Diese Besuche werden<br />
bis hin zu mehreren Übernachtungen intensiviert,<br />
bis das Kind letztendlich ganz in die Profifamilie<br />
® einzieht.<br />
Mit der Aufnahme des <strong>Kinder</strong>s bekommt der pädagogische<br />
Teil der Familie eine Anstellung mit 20<br />
St<strong>und</strong>en über die KJHB.<br />
Durch die Anstellung bleibt der Erziehungsleiter<br />
weisungsbefugt. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit<br />
als Profifamilie ® ist die regelmäßige Teilnahme an<br />
Erziehungskonferenzen. Die Inhalte der Konferenzen<br />
richten sich vorrangig nach den pädagogischen<br />
Notwendigkeiten in den Bedürfnissen der uns anvertrauten<br />
<strong>Kinder</strong>. Es findet eine Reflexion über Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> Ereignisse mit dem Kind statt. Die Arbeit<br />
Ausgabe 80 4 KiM ®
mit der Herkunftsfamilie wird in der Erziehungskonferenz<br />
thematisiert <strong>und</strong> Besuche werden vorbereitet<br />
<strong>und</strong> reflektiert. Des Weiteren können in den Konferenzen<br />
organisatorische Dinge geklärt werden.<br />
Die Qualität der Arbeit ergibt sich aus der<br />
- Leidenschaft an dieser Arbeit<br />
- Zielgruppenzuordnung<br />
- Fortbildung <strong>und</strong> Weiterbildung der Mitarbeiterschaft<br />
- Kontinuierliche Begleitung aller Prozesse<br />
- Alltagstauglichkeit <strong>und</strong> Realisierbarkeit<br />
- Vorgehensweise nach Richtlinien des Qualitätsmanagementes<br />
Fotowettbewerb<br />
- Entwicklungsgerechte Ausgestaltung<br />
Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden<br />
durch die Qualitätssteuerungsgruppe ständig aktualisiert,<br />
erweitert <strong>und</strong> die in die Handbücher des Qualitätsmanagementes<br />
eingepflegt.<br />
Unser Leitmotiv ist wegweisendes<br />
Kriterium in allen Entscheidungsprozessen:<br />
KiM ® - Kind im<br />
Mittelpunkt.<br />
Yvonne Schauf<br />
Pädagogische Gesamtleitung<br />
Mein schönstes Urlaubsfoto zum Thema „Wasser“<br />
Die Urlaubs- <strong>und</strong> Reisezeit steht vor der Tür! Ein<br />
wichtiger Begleiter auf jeder Reise ist heutzutage die<br />
Digitalkamera <strong>und</strong> solch eine gibt es auch bei unserem<br />
Fotowettbewerb zu gewinnen!!! Also, aufgepasst<br />
<strong>und</strong> mitgemacht! Fotografiert fleißig, spontan<br />
oder auch wohl überlegt während des Urlaubes <strong>und</strong><br />
sucht ein schönes Foto aus, was besonders toll <strong>und</strong><br />
originell ist <strong>und</strong> mit dem Thema „Wasser“ zu tun hat!<br />
Das kann zum Beispiel ein Wasserfall, eine Kanutour,<br />
ein Tautropfen auf dem Gras, ein laufender<br />
Wasserhahn, ein Foto im Schnee oder ein Geysir<br />
sein! Alles ist möglich, wichtig ist nur, dass es zum<br />
Thema „Wasser“ passt <strong>und</strong> auf dem Foto aus datenschutzrechtlichen<br />
Gründen keine Gesichter von<br />
aufgenommenen <strong>Kinder</strong>n erkennbar sind.<br />
Wird das Foto aus Sardinien gewinnen? Nein, denn es ist<br />
von mir…<br />
Das Foto sollte in digitalisierter Form in einer maximalen<br />
Auflösung von 1 MB (!) per E-Mail an zentrale@profifamilie.de<br />
oder auf CD an die KJHB, Stichwort<br />
„Fotowettbewerb“ (Fillastr. 7, 49716 Meppen),<br />
eingesandt werden. 20.08.2011 ist Einsendeschluss.<br />
Jeder kann daran teilnehmen <strong>und</strong> maximal 2 Fotos<br />
einsenden, die er selber fotografiert hat. Zu jedem<br />
Foto sollte stehen, wo <strong>und</strong> auf welcher Reise es<br />
aufgenommen wurde <strong>und</strong> natürlich von wem!<br />
Der Gewinner bekommt eine Digitalkamera im Wert<br />
von 80,- Euro, die Preisträger des 2. <strong>und</strong> 3. Platzes<br />
erhalten eine Überraschung im Wert von ca. 10,-<br />
Euro.*<br />
Ich bin gespannt, was eingesandt wird. Die Fotos<br />
der Gewinner werden in der 81.<br />
Ausgabe des Durchblicks veröffentlicht.<br />
Viel Spaß beim Fotografieren!<br />
Petra Schmackpfeffer<br />
Erziehungsleiterin<br />
GfS Oldenburg<br />
*Teilnahmebedingungen:<br />
Teilnehmen können alle, ausgenommen sind Berufsfotografen.<br />
Die Teilnehmer versichern, dass sie über alle<br />
Rechte am eingereichten Foto verfügen <strong>und</strong> das Foto frei<br />
von Rechten Dritter ist sowie bei der Darstellung von Personen<br />
keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Die<br />
KJHB übernimmt keine Haftung für den Verlust oder eventuelle<br />
Beschädigungen an den eingereichten Fotos. Jeder<br />
Teilnehmer räumt der KJHB mit der Einreichung seiner<br />
Fotos unentgeltlich die Berichterstattung darüber in dem<br />
Durchblick <strong>und</strong> die nicht kommerzielle Nutzung der Bilder<br />
für Dekoration <strong>und</strong> zu Ausstellungszwecken innerhalb der<br />
KJHB ein. Die von den Einsendern eingereichten personenbezogenen<br />
Daten werden bei einer Veröffentlichung<br />
der Bilder im Rahmen des Fotowettbewerbs (Berichterstattung<br />
im Durchblick) weitergegeben. Der Teilnehmer<br />
erklärt sich ausdrücklich hiermit einverstanden.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Ausgabe 80 5 KiM ®
Die GfS - Aurich ist nach dem Stammhaus in Meppen<br />
die älteste<br />
Einrichtung der<br />
<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><strong>Backhaus</strong>.<br />
Ihr sind<br />
Profifamilien ®<br />
(Erziehungsstellen)<br />
aus der<br />
gesamten Region<br />
zugeordnet.<br />
Hier befinden sich die Büros der drei Erziehungsleitungen<br />
<strong>und</strong> verschiedene Gruppen- <strong>und</strong> Gesprächsräume.<br />
Die ansprechenden Räumlichkeiten dienen der<br />
Durchführung von wöchentlichen Erziehungskonferenzen,<br />
für Hilfeplangespräche <strong>und</strong> für Kontakte zwischen<br />
den aufgenommenen <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> ihren Herkunftsfamilien.<br />
Die GfS Aurich verfügt über eine große Außenanlage<br />
mit vielfältigen Spiel- <strong>und</strong> Erlebnismöglichkeiten<br />
für <strong>Kinder</strong>, zum Beispiel eine Hüpfkissenanlage, die<br />
� seit 18 Jahren gibt es die GfS in Aurich -<br />
Walle<br />
� 23 Profifamilien ® werden durch die GfS<br />
Aurich momentan betreut <strong>und</strong> begleitet<br />
� zurzeit leben 35 <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />
in Profifamilien ®<br />
� es sind 13 Mädchen <strong>und</strong> 22 Jungen im<br />
Alter von 1;6 bis 20;4 Jahren<br />
� wir arbeiten mit 31 Herkunftsfamilien eng<br />
zusammen<br />
� 3 Erziehungsleitungen begleiten die Profifamilien<br />
®<br />
� 5 Profifamilien ® -Teams beraten sich regelmäßig<br />
kollegial<br />
� 7 Tage im Jahr findet eine GfS eigene<br />
Ferienfreizeit für alle <strong>Kinder</strong> aus den Profifamilien<br />
® statt<br />
GfS Aurich<br />
GfS-Aurich in Zahlen<br />
große Lagerfeuerstelle, ein Sandkasten, Klettergeräte<br />
oder die beliebten Mooncars.<br />
Ein besonderes Angebot des Trägers<br />
für seine Mitarbeiter/innen ist<br />
die Bereitstellung von Ferienwohnungen.<br />
Im Pädagogischen Zentrum Aurich steht dafür das<br />
gesamte Dachgeschoss zur Verfügung.<br />
Hier machen Profifamilien ® Urlaub, tanken Kraft <strong>und</strong><br />
Energie <strong>und</strong> genießen das platte Ostfriesland <strong>und</strong><br />
die Nähe zur Nordseeküste.<br />
Ab <strong>und</strong> an übernachten in der Ferienwohnung auch<br />
Herkunftsfamilien im Rahmen ihrer regelmäßigen<br />
Besuchskontakte.<br />
� ca. 270 m 2 beträgt die Nutzfläche im pädagogischen<br />
Zentrum in Aurich- Walle<br />
� ca. 2000 m 2 umfasst das Gr<strong>und</strong>stück mit<br />
Spiel- <strong>und</strong> Sportmöglichkeiten um das<br />
Pädagogische Zentrum herum<br />
� 1 Ferienwohnung befindet sich im Dachgeschoß<br />
des Pädagogischen Zentrums<br />
� 18 Jugendämter kooperieren derzeit mit<br />
der GfS Aurich<br />
Ausgabe 80 6 KiM ®
Drei Erziehungsleitungen begleiten, unterstützen <strong>und</strong> beraten in der GfS Aurich ihre Profifamilien<br />
Natascha<br />
Helga Treblin<br />
Schmidt-Rademaker<br />
® .<br />
Katrin Feldmeyer<br />
Helga Treblin ist seit 1996 für<br />
die GfS Aurich tätig.<br />
Sie war langjährig selbst Profimutter<br />
- seit 2002 arbeitet<br />
sie als Erziehungsleiterin.<br />
Die GfS Aurich entwickelt sich kontinuierlich weiter<br />
<strong>und</strong> greift die Anforderungen der Zeit <strong>und</strong> die aktuellen<br />
Bedarfe für eine gelingende <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
auf.<br />
Neue Herausforderungen stehen für die Mitarbeiter/innen<br />
der GfS an, zum Beispiel:<br />
• die Verstärkung der Kooperation mit regionalen<br />
Jugendämtern<br />
Natascha Schmidt - Rademaker<br />
ist seit September 2007<br />
als Erziehungsleiterin tätig.<br />
• die Verstärkung regionaler Netzwerke<br />
• der Ausbau neuer Erziehungsstellen <strong>und</strong> die<br />
damit verb<strong>und</strong>ene verantwortungsvolle Vorbereitung<br />
neuer Profifamilien ®<br />
• die fachliche <strong>und</strong> strukturelle Entwicklung von<br />
Nachbetreuungsangeboten zur Verselbständigung<br />
von Jugendlichen aus Profifamilien ®<br />
Frau + Frau + <strong>Kinder</strong> = Profifamilie ®<br />
Wir, das sind Anna (39 J.), Julia (29 J.), Paula(10 J.)<br />
Tom(5 J.) <strong>und</strong> Lilli (3 J.). Als wir damals unseren<br />
Vorbereitungskurs gemacht haben, setzten wir uns<br />
sehr intensiv mit den Aufgaben <strong>und</strong> der Verantwortung,<br />
die wir als Paar übernehmen würden, auseinander.<br />
Gemeinsam <strong>und</strong> mit unseren Familien<br />
machten wir uns Gedanken: „Was können wir schaffen<br />
<strong>und</strong> was für ein Kind passt zu uns? Würde es<br />
Jugendämter geben, die ein Kind in unsere Lebensgemeinschaft<br />
geben würden?” Es gab viele Fragen<br />
<strong>und</strong> viele Gespräche <strong>und</strong> wir stellten uns auf eine<br />
lange Wartezeit ein.<br />
Auf einmal waren wir die ersten aus unserem Kurs,<br />
die ein Kind aufnehmen sollten. Innerhalb einer Woche<br />
waren wir zu Dritt!<br />
Ein Jugendamt stellte die Anfrage, ob es eine Profifamilie<br />
® gibt, die auch relativ schnell ein achtjähriges<br />
Mädchen aufnehmen kann. Paula lebte zu der<br />
Zeit in einer Pflegefamilie <strong>und</strong> sollte jetzt in einer<br />
professionellen Erziehungsstelle untergebracht werden.<br />
Zum Kindeswohl sollte eine kurzfristige Unterbringung<br />
in einer Bereitschaftspflege vermieden<br />
werden, <strong>und</strong> so haben wir entgegen unserer Konzeption,<br />
die eine Anbahnung von 3 Monaten vorsieht,<br />
aber getreu unserem Leitmotiv KIM (Kind im<br />
Katrin Feldmeyer ist seit April<br />
2011 als Erziehungsleiterin tätig.<br />
Sie hat langjährige Erfahrung<br />
in Bereich der Krisenintervention<br />
bei Kindeswohlgefährdung.<br />
Mittelpunkt), eine sehr kurze <strong>und</strong> intensive Anbahnung<br />
durchgeführt.<br />
Die damals achtjährige Paula zog bei uns ein, von<br />
diesem Zeitpunkt an hat sich unser Leben in nur<br />
wenigen Tagen völlig verändert. Wir wurden eine<br />
Familie. Für Paula stellte sich niemals die Frage,<br />
warum sie bei zwei Frauen lebt. Vielleicht war es<br />
<strong>und</strong> ist es „unser Selbstverständnis” mit dem wir<br />
leben, das ihr viel Sicherheit <strong>und</strong> Geborgenheit gibt.<br />
Trotzdem machten wir uns immer wieder Gedanken<br />
darüber, wie die Menschen in unserer Umgebung<br />
reagieren. Bei Arztbesuchen, in der Schule, bei der<br />
Elternschaft gab es bisher nur positives Feedback,<br />
auch Paula gegenüber. Ihr Schlüsselerlebnis mit<br />
dem Leben bei zwei Frauen war für ihre Geschichte<br />
sehr wichtig. Für sie ist es schwer, zu sich selbst zu<br />
stehen <strong>und</strong> ehrlich zu sein. Sie hat es mit ganz viel<br />
Selbstbewusstsein geschafft als ihre Mitschülerinnen<br />
fragten, wer denn jetzt ihre Mama sei <strong>und</strong> sie<br />
sagte: Keine! Meine Mama kann nicht für mich sorgen,<br />
aber meine beiden Herzensmamas. Für mich<br />
sind das Anna <strong>und</strong> Julia. Unser Alltag, unser Leben<br />
zu dritt hat sich sehr schnell eingespielt. Der Alltag<br />
ist nicht immer leicht, wobei jeder, der ein Kind aufnimmt,<br />
diese alltäglichen Stolpersteine kennt.<br />
Ausgabe 80 7 KiM ®
Die wöchentlichen Erziehungskonferenzen bieten<br />
Raum <strong>und</strong> Zeit, die alltäglichen An- <strong>und</strong> Herausforderungen<br />
in <strong>und</strong> mit der Gruppe zu besprechen <strong>und</strong><br />
daraus Anregungen, neue (Er)Kenntnisse <strong>und</strong> Stärkung<br />
für den Alltag in der Profifamilie ® zu gewinnen.<br />
Und wir wurden mutig, äußerten den Wunsch, ein<br />
weiteres Kind in unserem „Weiberhaushalt“ aufzunehmen.<br />
Wieder ging es relativ schnell, im Frühjahr 2009 wurden<br />
wir gefragt ob wir ein kleines einjähriges Mädchen<br />
mit damals schweren Behinderungen aufnehmen<br />
möchten. Für uns stand schon im Vorbereitungskurs<br />
fest, dass wir auch <strong>Kinder</strong> mit körperlichen<br />
oder geistigen Behinderungen aufnehmen würden, da<br />
wir beide über ausreichend Erfahrung im Bereich der<br />
Behindertenarbeit verfügen. Lilli zog Ostern bei uns<br />
ein. Die beiden Mädchen wurden sehr wichtig für<br />
einander. Lilli lernte (lernt) viel von Paula <strong>und</strong> Paula<br />
ist eine sehr stolze große Schwester, für die es auch<br />
immer wieder wichtig ist, in die Regression gehen zu<br />
können im Spiel mit der kleinen Lilli.<br />
Im Sommer 2009 zogen wir aufgr<strong>und</strong> der besseren<br />
Infrastruktur für die <strong>Kinder</strong> in eine Kleinstadt um.<br />
Das Leben für uns vier lief in ihren alltäglichen Bahnen<br />
<strong>und</strong> nahm auch für unser Umfeld zunehmend<br />
Normalität an.<br />
Wir dachten unsere Familie sei komplett. Bis der<br />
Bruder von Lilli ein Zuhause suchte.<br />
Sechs Monate nach dem Einzug von Lilli fand ein<br />
erstes Hilfeplangespräch mit dem Jugendamt statt.<br />
Die enormen Entwicklungsfortschritte von Lilli bewegten<br />
das JA zu der Frage, ob es nicht auch eine<br />
ähnliche Profifamilie ® für den Bruder Tom gäbe.<br />
Ohne großes Nachdenken haben wir gesagt, die<br />
beiden sollen eine Chance bekommen, zusammen<br />
aufzuwachsen <strong>und</strong> als Bruder <strong>und</strong> Schwester groß<br />
zu werden.<br />
Erneut gingen Erziehungsleiterin <strong>und</strong> Profifamilie ®<br />
ins Gespräch über die Möglichkeit, auch Tom in<br />
dieser Profifamilie ® unterzubringen. Wir wissen,<br />
dass eine gemeinsame Unterbringung von Geschwistern<br />
Angst reduzierend wirken kann. Die <strong>Kinder</strong><br />
können sich langfristig besser stabilisieren, weil<br />
sie sich nicht komplett entwurzelt fühlen müssen. Es<br />
blieb aber dennoch die Frage, wo kann Tom eine<br />
männliche Identitätsfigur für sich finden.<br />
Dass es nicht leicht wird mit Tom war uns sehr be-<br />
Und wie geht’s weiter?<br />
wusst. Er ist schwer traumatisiert <strong>und</strong> wir wussten,<br />
dass er eine sehr enge <strong>und</strong> intensive Begleitung<br />
benötigt. Dass er ein Junge ist, stand für uns an<br />
zweiter Stelle. Da wir aus der Vergangenheit mit<br />
unseren beiden Mädchen feststellten, dass sie sich<br />
ihre männliche Bezugsperson in unserem sozialen<br />
Umfeld gesucht <strong>und</strong> auch gef<strong>und</strong>en haben. Tom<br />
wird einen Platz haben <strong>und</strong> einen Fre<strong>und</strong> fürs Leben<br />
finden. Für Tom ist es mittlerweile ganz selbstverständlich,<br />
dass er bei uns ist. Dass wir zwei Frauen<br />
sind, ist für ihn im Moment noch nicht wichtig. Ein<br />
Schwager ist mittlerweile eine wichtige zusätzliche<br />
Bezugsperson für Tom geworden.<br />
Der kleine Mann ist eine Herausforderung <strong>und</strong> hat<br />
uns schon unendlich viele schlaflose Nächte beschert.<br />
Nicht weil er ein Junge ist, sondern weil das<br />
Leben für ihn schwer ist <strong>und</strong> er das Leben erst kennen<br />
<strong>und</strong> lieben lernen muss.<br />
Jetzt schon eine ganze Weile leben wir zu fünft in<br />
unserem Häuschen im Moor. Alle <strong>Kinder</strong> haben sich<br />
kennen gelernt <strong>und</strong> haben ein „Stück Zuhause” gef<strong>und</strong>en.<br />
Jeder hat für sich in seinem Tempo schon<br />
tolle Sachen gelernt. Paula lernt immer wieder von<br />
Neuem, dass es Menschen gibt, die es gut mit ihr<br />
meinen. Tom kann mittlerweile auch entspannter<br />
schlafen <strong>und</strong> lachend mit seiner kleinen Schwester<br />
Blödsinn machen <strong>und</strong> Lilli zeigt es der Welt, dass<br />
man nicht so schnell urteilen sollte. Sie fängt an zu<br />
laufen <strong>und</strong> entdeckt die Sprache.<br />
Wir sind eine Familie, jeder von uns bringt seine<br />
Biografie mit <strong>und</strong> bereichert so das Miteinander.<br />
Was wir leben <strong>und</strong> den <strong>Kinder</strong>n mitgeben möchten<br />
ist: Offenheit, Achtung, Toleranz, Selbstbewusstsein,<br />
Liebe, Sicherheit <strong>und</strong> Spaß am Leben.<br />
Das können wir, weil wir offen sind, uns achten,<br />
selbstbewusst durchs Leben gehen. Ganz viel Toleranz<br />
erleben die drei „Moorkinder” <strong>und</strong> wir sind ganz<br />
sicher, dass das der richtige Weg ist <strong>und</strong> wir haben<br />
dabei gemeinsam ganz viel Spaß am Leben.<br />
Anna <strong>und</strong> Julia, Profifamilie ®<br />
Helga Treblin<br />
Erziehungsleiterin<br />
GfS Aurich<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Notwendigkeiten nach dem Auslaufen<br />
der „<strong>Jugendhilfe</strong>-Maßnahme“ Profifamilie ®<br />
Bei psychisch schwerstgeschädigten <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />
Jugendlichen sind die letzten in einer Profifamilie ®<br />
begleiteten Jahre keineswegs synchron mit einer<br />
abgeschlossenen Verselbständigung.<br />
Ausgabe 80 8 KiM ®
Die Lebensbewältigungsfähigkeit des vormals professionell<br />
begleiteten jungen Familienmitgliedes <strong>und</strong><br />
nunmehr autonomen jungen Erwachsenen richtet<br />
sich nicht eins zu eins an den gesetzlich vorgegebenen<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Strukturen aus. Vielmehr besteht<br />
oft ein erheblicher Bedarf an nachsorgender<br />
Lebensbewältigungshilfe. Der Bedarf bezieht sich oft<br />
sogar auf eine engmaschige Nachsorge, zeitlich mit<br />
offenem Ende oder gar, prognostisch mit an Sicherheit<br />
grenzender Wahrscheinlichkeit, für ein ganzes<br />
Leben.<br />
Hier genau befinden wir uns an der Grenzlinie zwischen<br />
zeitlich begrenzt vom Kostenträger eingekaufter<br />
professionell-emotionaler Bindung einerseits <strong>und</strong><br />
gewachsener, emotional durchsättigter professioneller<br />
Bindung ohne Bezug auf irgendeinen Kostenträger<br />
andererseits.<br />
Die bezahlte, zeitlich abgegrenzte, professionell<br />
f<strong>und</strong>ierte Bindung ist ob ihrer Bezahlung nicht weniger<br />
wirksam oder moralisch gar verwerflicher als<br />
eine emotional gesättigte Bindung.<br />
Aber eine emotional durchsättigte, professionell<br />
f<strong>und</strong>ierte Bindung, die sich mit der Zeit abgelöst hat<br />
vom Maßnahme-Denken, hält ganz oft die<br />
Profifamilien ® in einem Zustand verantwortlicher Verb<strong>und</strong>enheit.<br />
Solche Verb<strong>und</strong>enheit in Verantwortung<br />
erschwert ein endgültiges Abschiednehmen nach<br />
Ende der „Maßnahme“ immer dann, wenn die begründete<br />
Prognose lautet, dass die Lebensbewältigung<br />
des Herangewachsenen in ihren Hauptfacetten<br />
scheitern wird.<br />
Über Jahre hat die Profifamilie ® besonders viel Kraft,<br />
Zeit <strong>und</strong> Profession bereitgestellt, neue Erfahrungen<br />
verarbeitet, Erlerntes verschlissen <strong>und</strong> wieder ganz<br />
neu gewonnen, um gemeinsam mit einem jungen<br />
Menschen die Perspektive der Stabilität, Flexibilität<br />
<strong>und</strong> Selbständigkeit zu erringen - um dann zu erkennen,<br />
dass dieses Ziel im Gr<strong>und</strong> nicht zu erreichen<br />
war.<br />
Dennoch ist unendlich viel geschehen.<br />
Ein solcher junger Mensch kann, unter der Voraussetzung<br />
fortlaufender Betreuung in Teilbereichen,<br />
sein Leben meistern <strong>und</strong> würde doch ohne das vorangegangene<br />
Engagement seiner Bezugsfamilie<br />
scheitern.<br />
Zu erleben, wie das Mögliche in einem jungen Menschen<br />
auch tatsächlich möglich wird, ist beglückend<br />
<strong>und</strong> „Lohn“ für all die Mühe der Jahre.<br />
Ist es da nicht allzu verständlich, dass Profieltern<br />
sich lebhaft wünschen, alles aufgewandte Engagement<br />
möge fruchtbar bleiben <strong>und</strong> ein Scheitern möge<br />
vermieden werden, weil da ein Mensch ist, an<br />
dessen Weg man nach wie vor teilhat?<br />
Ist es da nicht verständlich, dass die Profieltern zwar<br />
loslassen können, um das ehemals anvertraute Kind<br />
der Selbständigkeit im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />
zu überantworten, dass sie aber aus freien Stücken<br />
weiterhin zur Begleitung bereit sind, um den bis dato<br />
gestalteten gemeinsamen Weg nicht an einem Abgr<strong>und</strong><br />
enden erleben zu müssen?<br />
(Obgleich es selbstredend auch verständlich ist,<br />
wenn das Ende der Maßnahme auch tatsächlich zu<br />
einem unwiderruflichen Abschluss wird, weil die<br />
Möglichkeiten, warum auch immer, erschöpft sind.<br />
Allerdings ist die Haltung der Weiterführung in Mitverantwortung<br />
keineswegs selten, denn Bindung<br />
scheint erstaunliche Kraft frei zu setzen.)<br />
Bei Norbert (Name geändert), inzwischen 23 J. <strong>und</strong><br />
verheiratet, 1 Sohn, ist das exakt so mit Weiterleben<br />
der Verb<strong>und</strong>enheit in Mitverantwortung, inzwischen<br />
nunmehr sogar zugunsten der gesamten jungen Familie,<br />
nicht mehr zugunsten allein Norberts. Es gilt,<br />
einen mit prognostischer Sicherheit ohne Begleitung<br />
bevorstehenden Scherbenhaufen zu vermeiden <strong>und</strong><br />
das Selbstgefühl der jungen Erwachsenen „wir bekommen<br />
das Leben (mit unaufdringlicher Hilfe) sehr<br />
gut hin“, zu kräftigen.<br />
(Norberts Vorgeschichte steht im Durchblick 74,<br />
Juni-Juli 2010).<br />
Warum nur dieses Bemühen um Norbert <strong>und</strong> seine<br />
Familie?<br />
Helfersyndrom? Keine Lust zu dem Eingeständnis,<br />
als Profifamilie ® alles vergeblich auf den Weg gebracht<br />
zu haben?<br />
Mag alles mit hineinspielen, wer weiß. Aber letztlich<br />
reduziert sich alles auf eine ganz simple Aussage,<br />
an der jedes Hinterfragen scheitert. Die Aussage<br />
lautet: Wir haben Norbert mit allen seinen Verhaltensbesonderheiten,<br />
mit denen er sich selbst herumschlägt,<br />
<strong>und</strong> mit allen seinen Liebenswürdigkeiten<br />
<strong>und</strong> Naivitäten, ganz schlicht <strong>und</strong> einfach lieb<br />
gewonnen.<br />
Das ist Motivation für unendliche Geduld bei der<br />
unterstützenden Begleitung des Alltags. Dabei ist<br />
zusätzlich darauf zu achten, dass nicht doch<br />
manchmal aus Ungeduld ein Stellvertreterhandeln<br />
an den Stellen Platz greift, an denen Norbert durchaus<br />
begrenzt-autonom handeln kann. Reine Fürsorge<br />
ist weitaus einfacher als Unterstützung mit zumutenden<br />
Anteilen <strong>und</strong> dem Risiko von Irrwegen <strong>und</strong><br />
Sackgassen.<br />
Jedoch: Wenn es um den einjährigen Sohn geht,<br />
dann ist das Prinzip von Versuch <strong>und</strong> Irrtum gefährlich.<br />
Insofern bedeutet fortlaufende Unterstützung<br />
hier: Training, ja bisweilen Dressur der jungen Eltern,<br />
<strong>und</strong> unaufdringliche Kontrolle. Langsames Lernen<br />
hat nur begrenzt Platz, wenn es um das Wohl<br />
des Kleinkindes geht. Insofern bedeutet fortlaufende<br />
Begleitung hier fast eine Neuauflage der Profi-<br />
(Groß)mutter- Rolle mit ein wenig Abstand zum täglichen<br />
Geschehen, aber mit höchster Aufmerksamkeit.<br />
Ausgabe 80 9 KiM ®
Unterstützende Begleitung des Alltags bedeutet<br />
auch Paarberatung mit dem Ziel, dass nicht gleich<br />
ein zweites Kind kommt, weil das die jungen Erwachsenen<br />
hoffnungslos überfordern würde.<br />
Unterstützende Begleitung bedeutet Absicherung<br />
der Gr<strong>und</strong>bedürfnisse durch Wohnungssuche, Mietvertragsgestaltung,<br />
Einrichten der Wohnung als<br />
Gr<strong>und</strong>lage all dessen: Klärung der Finanzen.<br />
Da die jungen Erwachsenen überhaupt keine Idee<br />
<strong>und</strong> Fähigkeit zum Haushalten haben, wird das<br />
Budget samt allen Kontobewegungen von der ehemaligen<br />
Profimutter verwaltet.<br />
Das Zusammenwirken in den Finanzdingen ist ein<br />
äußeres Bild dafür, dass zwischen allen Beteiligten<br />
ein unerschütterliches Vertrauen gewachsen ist.<br />
Jeder weiß vom anderen, dass niemand die Absicht<br />
hat, jemanden zu schädigen. Das ist nach der biografischen<br />
Vorgeschichte keineswegs selbstverständlich.<br />
Ein ganz wichtiger Faktor für das lebendige Vertrauen<br />
ist, dass Norbert wie selbstverständlich nach wie<br />
vor in die gesamte Profifamilie ® als vollgültiges Geschwisterkind<br />
integriert ist, dass seine Frau den gleichen<br />
Status wie die Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e der<br />
Geschwister hat, dass sein Kind die gleiche Aufmerksamkeit<br />
erfährt wie das Kind seiner (Profi-)Schwester.<br />
Norbert nimmt mit seiner Familie an den Familienfeiern<br />
teil, seine Profimutter ist seine Mama, <strong>und</strong><br />
deren Zuwendung, Rat, Ansage, Lob <strong>und</strong> Kritik akzeptiert<br />
er begierig.<br />
Norbert ist durch die Förderung der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> zum Garten- <strong>und</strong> Landschaftsbaugehilfen<br />
ausgebildet worden.<br />
Er wird saisonal fest beschäftigt, verdient dann fast<br />
komplett das Geld für seine Familie, welche allerdings<br />
ALG II - Aufstockung braucht, sonst reicht das<br />
Familieneinkommen nicht ganz. Außerhalb der Saison<br />
ist die Familie vollständig auf ALG II angewiesen.<br />
Fortlaufende Betreuung bedeutet auch, die verlangten<br />
Anträge mit ihm zu stellen <strong>und</strong> ihn bei Behördengängen<br />
zu begleiten. Der ALG-Erstantrag hatte<br />
weit über 100 Seiten, <strong>und</strong> selbst ein des Sozialrechts<br />
K<strong>und</strong>iger, der mit herangezogen wurde, hat in<br />
Teilen die Behördensprache nicht verstanden.<br />
Wie sollte es dann Norbert möglich sein, solch eine<br />
Hürde ohne Hilfe allein zu nehmen. Norbert achtet<br />
penibel auf seine Mitwirkungspflicht gegenüber dem<br />
Jobcenter <strong>und</strong> legt umgehend jedes Schreiben seiner<br />
„Mama“ zur weiteren Bearbeitung vor.<br />
Neben diesen Hauptunterstützungsgebieten gibt es<br />
wieder <strong>und</strong> wieder eine große Zahl zu bearbeitender<br />
Vorgänge: GEZ, Krippenplatzbewerbungsantrag,<br />
MoFa-Haftpflicht, Versicherungen abschließen.<br />
Bei Norbert zeigt sich, dass sich an die vergangene<br />
„Maßnahme“ des Aufwachsens in der Profifamilie ®<br />
nahtlos die Begleitung durch die Profigroßmutter<br />
anschließt, damit alles gut weitergehen soll.<br />
ehemalige Profifamilie ®<br />
GfS Aurich<br />
Ausbildung in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
Lesen Sie zu den Ausbildungsmöglichkeiten in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
<strong>Backhaus</strong> mehr ab Seite 51 in diesem Heft.<br />
In der Ausgabe 75 des Durchblicks<br />
haben wir ausführlich über<br />
die Ausbildungsmöglichkeiten in<br />
der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
<strong>Backhaus</strong> berichtet. Im Internet<br />
können Sie sich hierzu die Zeitschrift<br />
aus dem Durchblick-Archiv<br />
herunterladen.<br />
Besuchen Sie hierzu unsere Internetseite<br />
unter:<br />
www.profifamilie.de<br />
<strong>und</strong> wählen Sie dort links die Option<br />
„Veröffentlichungen“ <strong>und</strong> klicken<br />
dann auf „Ausgabe Durchblick“.<br />
Sie finden auf unserer Homepage<br />
natürlich auch viele weitere interessante<br />
Informationen.<br />
Ausgabe 80 10 KiM ®
Vor 5 ½ Jahren begann der Aufbau der GfS in Berlin,<br />
zunächst mit 2 Vorbereitungskursen mit vielen<br />
Bewerbern. Vor ca. 5 Jahren ist das erste Kind in<br />
eine vorbereitete Profifamilie ® eingezogen.<br />
Wie sieht es heute bei uns aus:<br />
Momentan leben 21 <strong>Kinder</strong> in 14 Profifamilien ® . Von<br />
den 21 <strong>Kinder</strong>n sind 14 Jungen <strong>und</strong> 7 Mädchen, der<br />
Jüngste ist 1 ½ <strong>und</strong> der Älteste fast 17 Jahre alt.<br />
Bis auf vier <strong>Kinder</strong> haben alle regelmäßig Kontakt zu<br />
ihren Herkunftseltern, einige auch zu anderen Verwandten<br />
wie z.B. Großeltern, Geschwister, Onkel.<br />
Die Berliner Profifamilien ® sind örtlich gesehen weit<br />
verteilt - Berlin ist groß <strong>und</strong> einige von ihnen leben<br />
im Umland (das ist dann schon Brandenburg), eine<br />
Familie sogar im Spreewald. Ganz schön weite Wege<br />
sind da nicht vermeidbar.<br />
Am 01.07.08 eröffneten wir in Berlin-Hellersdorf eine<br />
Erziehungswohngruppe - das heißt ein Erzieher<br />
wohnt mit 5 <strong>Kinder</strong>n zusammen <strong>und</strong> es kommt Personal<br />
von außen dazu.<br />
Die Wohngruppe befindet sich in einem Hellersdorfer<br />
Hochhaus. Es wurden zwei Wohnungen auf einer<br />
Etage zusammengelegt. So stehen jetzt 150 m 2 zur<br />
Verfügung. Im Juli <strong>und</strong> August 2008 zogen dann<br />
auch schon <strong>Kinder</strong> ein. Es wohnen dort jetzt 4 Ge-<br />
GfS Berlin<br />
Seit über 5 Jahren in der Hauptstadt<br />
schwister - zwei Jungen <strong>und</strong> zwei Mädchen im Alter<br />
von 3 ½ bis 13 Jahren.<br />
Im Herbst 2010 zogen wir mit unseren Büroräumen<br />
von der Landsberger Alle im Friedrichshain in das<br />
neue Haus nach Berlin-Marzahn.<br />
In diesem Haus soll jetzt eine weitere Wohngruppe<br />
für 6 <strong>Kinder</strong> entstehen.<br />
Hier befinden sich aber natürlich schon die Büros.<br />
Es arbeiten drei Erziehungsleiter in der GfS Berlin -<br />
eine Vollzeitkraft <strong>und</strong> zwei Halbtagskräfte - Fr. Barth,<br />
Fr. Tönjes <strong>und</strong> Herr Stephan.<br />
Weiterhin haben die Mitarbeiter des gesamten Trägers<br />
die Möglichkeit, in Berlin ein paar Tage zu verbringen,<br />
es gibt Gästezimmer.<br />
Die drei ErziehungsleiterInnen der GfS Berlin:<br />
Katrin Barth Sabine Tönjes Ivo Stephan<br />
Ivo Stephan, neuer Mitarbeiter in Berlin<br />
Ich möchte mich<br />
Ihnen als neuer<br />
Mitarbeiter der<br />
GfS Berlin vorstellen.<br />
Mein Name ist<br />
Ivo Stephan <strong>und</strong><br />
ich bin 47 Jahre<br />
alt. Ich arbeite<br />
seit dem 15. Februar<br />
2011 als<br />
Erziehungsleiter für das Unternehmen <strong>Backhaus</strong>.<br />
Von Beruf bin ich Sozialpädagoge, Erzieher <strong>und</strong><br />
Nachrichtentechniker <strong>und</strong> seit fast 25 Jahren in verschiedensten<br />
sozialen Bereichen tätig.<br />
Das Erfahrungsspektrum reichte im Laufe der Jahre<br />
von der Arbeit mit geistig behinderten Erwachsenen<br />
über Betreutes Wohnen für sozial gefährdete Jugendliche,<br />
Straßensozialarbeit mit Strichern <strong>und</strong><br />
Tagesgruppenarbeit mit <strong>Kinder</strong>n. Fast zehn Jahre<br />
habe ich als Pflegevater einer heilpädagogischen<br />
Pflegestelle zwei schwer traumatisierte seelisch<br />
behinderte Jungen betreut. Seit langem gebe ich<br />
meine Berufs- <strong>und</strong> Lebenserfahrungen in Lehr- <strong>und</strong><br />
Fortbildungsveranstaltungen für Pflege- <strong>und</strong> Adoptiveltern<br />
sowie pädagogische Fachkräfte weiter <strong>und</strong><br />
befinde mich dabei selbst noch ständig in einem<br />
Weiterbildungsprozess.<br />
Ich liebe die Arbeit mit Menschen wegen ihrer Vielfalt.<br />
Betroffenen auftretende Krisen als Chancen zur<br />
Veränderung <strong>und</strong> Entwicklung begreifbar zu machen,<br />
empfinde ich auch nach so vielen Berufsjahren<br />
noch immer als Herausforderung.<br />
In der GfS Berlin möchte ich meine Erfahrungen nun<br />
den MitarbeiterInnen der Erziehungsstellen <strong>und</strong><br />
Wohngruppen zur Verfügung stellen. Mit meinen<br />
KollegInnen in Berlin <strong>und</strong> Brandenburg möchte ich<br />
die Weiterentwicklung der Region gestalten.<br />
Einen Teil der von Frau Barth betreuten Erziehungsstellen<br />
habe ich in den letzten Wochen übernommen.<br />
Sie wird sich in der Abteilungsleitung neuen<br />
Aufgaben zuwenden. In den bestehenden Erziehungsstellen<br />
erlebe ich ein hohes Maß an Professionalität,<br />
erfrischendem Enthusiasmus <strong>und</strong> Authentizität<br />
im Umgang mit den anvertrauten <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />
Jugendlichen. Diese „Standards“ möchte ich bei der<br />
Auswahl neuer Fachkräfte für Erziehungsstellen<br />
gern beibehalten <strong>und</strong> kultivieren.<br />
Ich wurde sehr herzlich im Team aufgenommen <strong>und</strong><br />
freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Fachkräften<br />
aller Bereiche des Trägers. Ich wünsche<br />
Ihnen viel Erfolg, Zufriedenheit <strong>und</strong> immer eine ges<strong>und</strong>e<br />
Portion Humor bei der Bewältigung ihrer vielfältigen<br />
Aufgaben..<br />
Ausgabe 80 11 KiM ®
Das erste Kind in Berlin vor 5 Jahren: ein Junge mit 11 Jahren<br />
Wie sieht es nach 5 Jahren aus - Interview mit einer Profimutter<br />
Das erste unserer aufgenommenen <strong>Kinder</strong> in Berlin<br />
kam Anfang Februar 2006 in eine unserer Profifamilien<br />
® . Die Profifamilie ® hat drei eigene Töchter, die<br />
zum Zeitpunkt der Aufnahme 17, 19 <strong>und</strong> 25 Jahre alt<br />
waren.<br />
K., der damals 11-jährige, ist heute fast 17 Jahre alt,<br />
lebt weiterhin in der PR <strong>und</strong> besucht eine Realschule.<br />
Fr. T., wenn sie heute an die ersten Tage zurückdenken,<br />
an was erinnern sie sich spontan?<br />
Ich erinnere mich an einen kleinen zarten Jungen,<br />
der körperlich nicht wie 11 wirkte <strong>und</strong> in seinem<br />
Verhalten eher wie ein 5-jähriger reagierte. Für ihn<br />
war alles neu <strong>und</strong> ungewohnt - Familienleben, Umfeld,<br />
Sprache, Schule … Er kam aus NRW, an der<br />
Sprache war das sofort zu merken. Anfänglich hatte<br />
er Probleme mit unserem Dialekt.<br />
Bereits nach 5 Tagen kam es zu einer ersten Auseinandersetzung,<br />
die K. zum Anlass nahm, seinen<br />
Tränen freien Lauf zu lassen. Das „Heulen“ dauerte<br />
fast 1 St<strong>und</strong>e lang. Anschließend schien er gelöster<br />
<strong>und</strong> offener.<br />
An diesem Tag realisierte ich seine tiefe Verzweiflung<br />
über seine Situation. Er wirkte wie ein Schiff<br />
ohne Anker <strong>und</strong> ohne Hafen.<br />
Was waren am Anfang die Schwierigkeiten von<br />
K., die er mitbrachte <strong>und</strong> die ihre Familie beschäftigt<br />
haben?<br />
Für K. war es nicht verständlich, dass man sich um<br />
ihn Sorgen macht. Er war unzuverlässig <strong>und</strong> konnte<br />
unsere Sorge <strong>und</strong> Aufregung nicht nachvollziehen.<br />
Immer wieder gab es darüber Auseinandersetzungen.<br />
Für ihn war es ungewohnt, dass wir als Familie<br />
immer präsent waren <strong>und</strong> uns für ihn <strong>und</strong> seine Belange<br />
interessierten. K. war nur mit Schummeln <strong>und</strong><br />
Lügen in der Lage, seine Interessen durchzusetzen.<br />
Formen der Verhandlung <strong>und</strong> sich für sich <strong>und</strong> seine<br />
Interessen einzusetzen, kannte er nicht <strong>und</strong> wusste<br />
nicht, wie er dies umsetzen sollte. Anfänglich fiel es<br />
ihm schwer Fre<strong>und</strong>e zu finden, in der Familie zog er<br />
sich eher zurück.<br />
Überraschend für uns war, dass er überfordert<br />
schien, Kleidung für sich selbst auszusuchen.<br />
Sportliche Aktivitäten fielen ihm schwer, alles was<br />
damit zu tun hatte, sich anzustrengen <strong>und</strong> durchzuhalten,<br />
war schwierig.<br />
Was hat sich in den 5 Jahren verändert?<br />
Aus dem kleinen, dünnen Jungen ist ein körperlich<br />
drahtiger <strong>und</strong> inzwischen pubertierender Jugendlicher<br />
geworden, er wirkt heute sportlich. Er hat nach<br />
ca. 3 Jahren des Zusammenlebens mit uns begonnen,<br />
Verantwortung innerfamiliär zu übernehmen.<br />
Er kümmert sich sehr zuverlässig um den H<strong>und</strong>, die<br />
Oma in der Einliegerwohnung ist ihm wichtig, er<br />
verteidigt unsere Familie auch nach außen.<br />
Inzwischen hat er einen sehr charmanten Humor<br />
entwickelt <strong>und</strong> ist bei weitem nicht mehr steif, wie<br />
anfänglich.<br />
Im letzten Jahr hat er begonnen sich für sich selbst<br />
einzusetzen <strong>und</strong> seine Belange als wichtig anzusehen.<br />
Er spielt mit Begeisterung Fußball <strong>und</strong> setzt<br />
sich auch dort für seine Mannschaft ein.<br />
Durch ein erfolgreiches Praktikum hat er einen Berufswunsch<br />
entwickelt - Mechatroniker. Das hatte<br />
sogar zur Folge, dass Schule wieder wichtig für ihn<br />
geworden ist.<br />
K. kann über seine Herkunftsfamilie sprechen <strong>und</strong><br />
sich in der Familie auch dazu öffnen. Vor geraumer<br />
Zeit hat er das erste Mal geäußert, dass er jetzt<br />
weiß, nicht Schuld daran zu sein, als einziger nicht<br />
in der Herkunftsfamilie leben zu können.<br />
Das einzige, was wir nicht erreicht haben in den<br />
vergangenen 5 Jahren - trotz intensiver Bemühungen<br />
- ist ein Wechsel als Fan von Schalke 04 zu<br />
Hertha BSC.<br />
Wie waren die 5 Jahre für sie als Profimutter?<br />
Die Anfangszeit habe ich als sehr intensiv wahrgenommen.<br />
Ich hätte nicht vermutet, dass ein<br />
11jähriger Junge so intensive Betreuung benötigt.<br />
Ich habe gelernt, dass die Auseinandersetzung mit<br />
der eigenen Person ungeheuer wichtig ist, auch um<br />
seinen Anteil an einigen Situationen zu sehen <strong>und</strong><br />
um die persönlichen Verletzungen zu verarbeiten.<br />
Der Spagat, den Kontakt zu K. nicht abreißen zu<br />
lassen <strong>und</strong> seine Provokationen nach Ablehnung<br />
<strong>und</strong> der Bestätigung, dass ihn doch keine Familie<br />
aushalten könne, war dabei die größte Herausforderung.<br />
Wenn ich auf meine Familie schaue, haben alle in<br />
dieser Zeit viel dazugelernt.<br />
Egal was an Schwierigem passiert ist, K. ist aus<br />
unserer Familie als Familienmitglied<br />
nicht mehr wegzudenken.<br />
Katrin Barth<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Berlin<br />
Unsere neue PZ Adresse lautet:<br />
GfS Berlin<br />
Schönagelstraße 56<br />
12685 Berlin<br />
Ausgabe 80 12 KiM ®
Die GfS-Bremen besteht mit dem Pädagogischen<br />
Zentrum Bremen in der vorderen Neustadt seit September<br />
2000. 27 <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche leben in<br />
Bremen <strong>und</strong> im Bremer Umland in Profifamilien ® .<br />
Die Begleitung <strong>und</strong> Fachberatung der Profifamilien ®<br />
GfS Bremen<br />
erfolgen durch die Erziehungsleitungen Helga Ache,<br />
Ute Pügner-Selke <strong>und</strong> Christian Struck.<br />
Neben dem Pädagogisches Zentrum in Bremen gibt<br />
es neu in diesem Jahr <strong>Backhaus</strong> Vollersode im<br />
Landkreis Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. Hier<br />
befinden sich eine Heimgruppe <strong>und</strong> ein Pädagogisches<br />
Zentrum unter einem Dach. In die Heimgruppe<br />
integriert sind zwei Krisenplätze für <strong>Kinder</strong> aus<br />
Profifamilien ® .<br />
Helga Ache, Ute Pügner-Selke <strong>und</strong> Christian Struck<br />
Ein Blick zurück auf das Leben in der Profifamilie ®<br />
Zwei junge Menschen, ehemals GfS Bremen, berichten<br />
10 Jahre Profifamilien ® in Bremen - das ist eine<br />
recht lange Zeit, um Erfahrungen zu sammeln. Und<br />
auch schon lang genug, dass die ersten <strong>Kinder</strong>, die<br />
in einer Erziehungsstelle gelebt haben <strong>und</strong> inzwischen<br />
volljährig sind, ihre Profifamilien ® verlassen<br />
<strong>und</strong> ein eigenständiges Leben angefangen haben.<br />
Nicht alle <strong>Kinder</strong>, die wir in den Profifamilien ® betreuen,<br />
bleiben bis zur Volljährigkeit. Manche Jugendliche<br />
haben in der Pubertät solche heftigen<br />
Konflikte, dass diese in einer Familie nicht mehr<br />
aufzufangen sind. Vor allem Übertragungen, die sich<br />
nicht auflösen lassen, sind oft ein großes Problem.<br />
Wenn die ganze Wut, die sich über Jahre gegen die<br />
leiblichen Eltern angestaut hat, in der Pubertät plötzlich<br />
ausbricht, wird sie oft nicht gegen die leiblichen<br />
Eltern gerichtet. Hier ist die Gefahr für die Jugendlichen<br />
zu groß, die Eltern endgültig zu verlieren, wenn<br />
man gegen sie agiert. Also wird die Wut gegen die<br />
Profieltern gerichtet, die in den Fällen, in denen die<br />
Wut in offene Gewalt übergeht, überfordert sind. Vor<br />
allem, wenn noch weitere <strong>Kinder</strong> in der Familie leben,<br />
ist diese Situation nicht zu tragen.<br />
Im Folgenden soll es um diejenigen jungen Menschen<br />
gehen, die ihre meist schwierige Pubertät in<br />
der Profifamilie ® durchlebt haben <strong>und</strong> nach Beendigung<br />
der Schulzeit, i.d.R. mit 18 Jahren, ausgezogen<br />
sind. Für die Profieltern ist dieses meist eine<br />
sehr ambivalente Sache. Einerseits spüren sie, dass<br />
sie dem jungen Menschen nun nicht mehr das geben<br />
können, was er braucht, andererseits sind sie<br />
sehr in Sorge, ob „ihr“ Kind das Leben allein schon<br />
Melanie<br />
„…2007 war ein schweres Jahr. Ich war insgesamt<br />
7,5 Monate in der Klinik; das heißt ich war mehr in<br />
der Klinik als zu Hause (in der Profifamilie ®). Das<br />
fing an mit der Gerichtsverhandlung. Kurz davor<br />
hatte ich meinen ersten Suizidversuch gemacht. In<br />
bewältigen kann. Die Sorge ist meist groß, dass der<br />
junge Mensch, der seine Entwicklungsverzögerung<br />
noch nicht ganz aufgeholt hat, der trotz Therapie<br />
<strong>und</strong> Elternarbeit nicht immer seine schwierige Geschichte<br />
bis zur Volljährigkeit aufarbeiten konnte,<br />
noch nicht stark genug ist, die Krisen, die das Leben<br />
bereit hält, zu meistern. Umso größer ist die Erleichterung,<br />
wenn sie, wie bisher in allen Fällen geschehen,<br />
den jungen Menschen in eine Einrichtung abgeben<br />
konnten, wo er in einem noch immer geschützten<br />
Raum seine Ausbildung machen <strong>und</strong> noch<br />
nachreifen konnte, ohne schon voll allein für sich<br />
verantwortlich zu sein.<br />
Wir haben zwei junge Menschen, Melanie <strong>und</strong> Erhard,<br />
nach ihrem Blick zurück auf das Leben in der<br />
Profifamilie ® gefragt. Wir fragten die Beiden nach<br />
ihrer Erinnerung an die Zeit in der Profifamilie ® , was<br />
sie dort gelernt haben <strong>und</strong> welche Bedeutung die<br />
Familie heute noch für sie hat. Ihr Erzähltes geben<br />
wir nahezu im Wortlaut weiter.<br />
Melanie, jetzt 22 Jahre alt, hat 6 Jahre, im Alter zwischen<br />
14 <strong>und</strong> 19, in einer Profifamilie ® gelebt. Sie<br />
öffnete bald nach dem Einzug in der Profifamilie ®<br />
ihre traumatischen Gewalterfahrungen in der Herkunftsfamilie<br />
<strong>und</strong> zeigte den Vater, der alles abstritt,<br />
schließlich an. Bis heute „krankt“ Melanie daran <strong>und</strong><br />
lebt in einer Einrichtung für junge Menschen.<br />
Erhard, heute 19 Jahre alt, war 10, als er in seine<br />
Profifamilie ® kam <strong>und</strong> zog nach seinem Schulabschluss<br />
mit 17 in eine Wohngruppe in Meppen, um<br />
seine Ausbildung in der GfS Meppen zu machen.<br />
der Klinik haben sie dann eine Borderline-Diagnose<br />
gestellt. Ohne Ines (die Profimutter) wäre ich untergegangen.<br />
Wenn sie mich nicht unterstützt hätte<br />
<strong>und</strong> für mich da gewesen wäre, hätte ich das nicht<br />
durchgestanden. Ines ist immer in die Klinik gekommen,<br />
obwohl es ihr nicht leicht fiel. Anfangs<br />
Ausgabe 80 13 KiM ®
hatte sie noch die Kleinen mitgenommen, aber das<br />
ging dann nicht mehr. Das ist ja auch kein Ort für<br />
<strong>Kinder</strong>. Auch als ich in die Klinik in Bremen gewechselt<br />
bin, war Ines für mich da. Wie gut, dass sie<br />
mir zur Seite gestanden hat. Als ich entlassen wurde,<br />
ging es mir immer noch schlecht. Ines hatte mich<br />
gut versorgt zu Hause, trotzdem wollte ich wieder<br />
zurück in die Klinik. Da war es dann für alle klar,<br />
dass es nicht mehr geht in der Familie. Ich hab‘ da<br />
einfach so viel Scheiß gebaut, hab‘ mich verletzt <strong>und</strong><br />
viel an Suizid gedacht. Ines hatte mir mal später<br />
erzählt, dass sie oft Angst hatte, wenn sie morgens<br />
in mein Zimmer kam, dass ich mir was angetan<br />
haben könnte. Sie ist auch deshalb immer nachts<br />
noch mal rein in mein Zimmer <strong>und</strong> hat nach mir<br />
geschaut. Die Jahre davor waren super, da kam ich<br />
sehr gut klar.<br />
Ich hatte eigentlich ursprünglich nicht die Vorstellung,<br />
in eine Familie zu gehen, aber ich fand das<br />
o.k., als mir das Jugendamt eine Familie vorgeschlagen<br />
hatte. Meine einzige Angst war, dass ich von<br />
denen nicht akzeptiert werde <strong>und</strong> womöglich nur da<br />
bin wegen des Geldes. Aber das war ja gar nicht so.<br />
Obwohl ich nicht das „Wunschkind“ war. Das<br />
„Wunschkind“ war eigentlich ein Junge, ca. 7 Jahre<br />
alt. Und dann kam stattdessen ich: ein Mädchen,<br />
vierzehn Jahre alt. Ich habe mich aber ganz schnell<br />
angenommen gefühlt.<br />
Ich bin am 21.02.2003 eingezogen. Ich erinnere<br />
mich noch, als ich am 21.02.2004 nach Hause kam;<br />
da standen Kaffee <strong>und</strong> Berliner auf dem Tisch <strong>und</strong><br />
Ines sagte: „Schön, dass Du schon ein Jahr bei uns<br />
lebst. Wir würden uns freuen, wenn Du noch viele<br />
Jahre bei uns bleibst“. Oh ja, wir haben auch gestritten<br />
<strong>und</strong> gezofft, ich habe auch teilweise gar nicht<br />
mehr geredet. Wir hatten viele Meinungsverschiedenheiten,<br />
aber das ist ja normal: das war einfach<br />
die Pubertät.<br />
Ines hatte immer geahnt, dass mir früher etwas<br />
Schlimmes passiert war. Ich hatte auch schon mal<br />
einen Brief an eine Beratungsstelle geschrieben,<br />
ohne dass Ines das wusste. Irgendwann war dann<br />
mal ein Telefonat mit meiner Oma. Oma war da<br />
richtig doof zu mir <strong>und</strong> Ines kriegte das mit <strong>und</strong><br />
wollte das Telefonat schon abbrechen. Da habe ich<br />
dann Ines auch erzählt, was früher passiert war. Ich<br />
wollte meinen Vater unbedingt anzeigen. Und die<br />
Beratungsstelle hat dann für mich einen guten Anwalt<br />
besorgt. Sie hat mich unterstützt, war auch<br />
dann noch immer weiter für mich da. Das war eine<br />
gute Erfahrung <strong>und</strong> auch eine gute Zeit.<br />
Ich habe auch viel gelernt. Mit Ines Unterstützung<br />
habe ich den Schulabschluss geschafft <strong>und</strong> auch<br />
eine Ausbildung angefangen, die ich dann leider aus<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen abgebrochen habe. Von<br />
Ines habe ich auch Kochen gelernt <strong>und</strong> auch wie<br />
man den Haushalt macht. Ines hat auch Vertrauen<br />
in mich gehabt <strong>und</strong> mich mal ein Wochenende allein<br />
zu Hause gelassen, nur mit Unterstützung von<br />
ihrer Mutter, die öfter mal nach mir geschaut hat.<br />
Außerdem habe ich gelernt, wie man mit <strong>Kinder</strong>n<br />
umgeht. Dann habe ich auch eine Erzieherausbildung<br />
angefangen.<br />
Ines hatte immer gesagt, wenn das Jugendamt nicht<br />
mehr bezahlt, kann ich trotzdem bei ihr bleiben; das<br />
hatte sie mir versprochen. Ich hätte dann Miete <strong>und</strong><br />
Essen dort bezahlt. Letztlich wollte ich aber doch<br />
ausziehen, wollte eine stationäre Trauma-Therapie<br />
machen. Durch die vielen Klinikaufenthalte war<br />
dann aber irgendwann klar, dass ich nicht mehr<br />
zurück kann. Ich wollte schließlich ja auch raus aus<br />
der Familie, wollte meine Ruhe haben, wollte die<br />
Streitereien nicht mehr, <strong>und</strong> auch nicht mehr die<br />
Kontrolle, die Ines ausüben musste, damit ich nicht<br />
wieder einen Suizid versuche. Ich wollte einfach<br />
meine Ruhe haben. Jetzt habe ich die Ruhe gef<strong>und</strong>en.<br />
Wenn ich bei Ines bin, spüre ich meine Ängste<br />
nicht mehr <strong>und</strong> fühle mich geborgen. Aber nach<br />
zwei Tagen halte ich das nicht mehr aus, <strong>und</strong> ich<br />
will wieder weg. Und das geht dann ja auch. Wenn<br />
ich Lust habe, zu Besuch zu kommen, frage ich Ines<br />
oder sie lädt mich ein. Zu Weihnachten oder Ostern<br />
bin ich immer dort. Je nachdem, wie ich drauf bin –<br />
oder wenn Ines Geburtstag hat, dann gehe ich immer<br />
hin.<br />
Ines war immer meine Pflegemutter. Sie war ein<br />
Ersatz für meine Mutter, aber nicht meine Mutter.<br />
Das war für mich immer klar.…“<br />
Erhardt<br />
„…Meine Zeit bei Antje (die Profimutter) war ganz<br />
gut. Klar, es gab gute Dinge <strong>und</strong> auch schlechte<br />
Dinge. Wenn ich Mist gebaut habe, dann habe ich<br />
einen „über den Deckel“ bekommen. Aber ich habe<br />
auch Hilfe bekommen <strong>und</strong> Antje hat mir viel unter<br />
die Arme gegriffen.<br />
Ich habe auch mit geholfen mit den anderen kleinen<br />
(<strong>Kinder</strong>n) in der Familie. Und mit den H<strong>und</strong>en bin<br />
ich mal mitgegangen, wenn das nötig war. Und ich<br />
habe geholfen, wenn es Antje mal schlecht ging. Ich<br />
konnte gut mit Antje reden - nicht wie es früher in<br />
meiner eigenen Familie war. Da war alles egal <strong>und</strong><br />
ich konnte tun <strong>und</strong> lassen was ich wollte. Keiner hat<br />
Ausgabe 80 14 KiM ®
sich so wirklich gekümmert. Das war dann nicht gut<br />
für mich. Bei Antje war das dann ganz anders, die<br />
hat mit mir geredet, sich gekümmert <strong>und</strong> mal gesagt:<br />
„…nein, jetzt ist Schluss…“. Da gab es klare Regeln<br />
<strong>und</strong> klare Verhältnisse <strong>und</strong> wir hatten feste Vereinbarungen.<br />
Aber es gab auch Kompromisse, wenn<br />
ich mal was wollte. Wenn ich mal sagte: „…kannst<br />
Du mir mal Taschengeld vorschießen?“, dann konnte<br />
ich was aushandeln, dann musste ich dafür auch<br />
was machen.<br />
Über die Zeit haben wir Vertrauen aufgebaut - klar<br />
ist das Vertrauen auch mal wieder verloren gegangen,<br />
weil ich Mist gebaut hatte. Aber wir haben das<br />
Vertrauen immer wieder aufgebaut. Das ging obwohl<br />
es nicht immer leicht zwischen uns war. Wenn<br />
die Telefonrechnung zu hoch war, weil ich zu viel<br />
verbraten hatte, dann gab es Ärger, aber wir konnten<br />
uns wieder aussprechen <strong>und</strong> wir haben uns wieder<br />
zusammengetan.<br />
Also die meiste Zeit bei Antje war alles super. Es ist<br />
auch schon sehr lange her, als ich zu ihr kam. Ich<br />
muss so 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein, glaube ich.<br />
Ich habe kaum noch Erinnerungen daran, weil das<br />
Marc lebt seit 2 Jahren bei uns <strong>und</strong> hat aus kinderlosen<br />
Doppelverdienern Eltern gemacht<br />
Diskussion mit<br />
Marc beim<br />
Abendessen:<br />
Wenn wir dich<br />
nicht hätten, hätten<br />
wir eine kleinere<br />
Mülltonne.<br />
Dann wüssten<br />
wir in unserem<br />
Alter wahrscheinlich nicht, wer Heppo <strong>und</strong> Mixi sind,<br />
<strong>und</strong> würden nicht endlose Diskussionen mit einem<br />
„Miau“ beenden.<br />
Keiner würde über Holzschienen der Brio-Eisenbahn<br />
stolpern <strong>und</strong> das Auto würde nicht aussehen, als<br />
wenn wir gerade den Inhalt des Sandkastens auf<br />
dem Rücksitz transportiert haben.<br />
Wir würden nicht sämtliche pädiatrischen Fachärzte<br />
in der Umgebung kennen gelernt haben, <strong>und</strong> auch<br />
nicht erklären müssen, dass der Vorm<strong>und</strong> nicht in<br />
den M<strong>und</strong> gucken muss.<br />
Wir würden nicht erfahren haben, dass einer unserer<br />
hartgesottenen Motorradfre<strong>und</strong>e auf einmal mit einem<br />
Gespann vor der Tür steht, um mit Marc ein<br />
paar (mehr) R<strong>und</strong>en zu drehen.<br />
Wenn wir dich nicht hätten…<br />
zu lange her ist. Ich erinnere mich, dass ich in der<br />
Schule Fre<strong>und</strong>e gef<strong>und</strong>en habe <strong>und</strong> ich war eigentlich<br />
viel unterwegs. Irgendwann kam ein weiteres<br />
Kind zu uns. Das andere Kind war nicht ganz einfach.<br />
Aber ich merkte, dass es schon besser war, bei<br />
Antje zu wohnen. Alles war dort besser.<br />
Ich habe auch gemerkt <strong>und</strong> immer wieder bei den<br />
anderen <strong>Kinder</strong>n gesehen, dass man sich nicht so<br />
gepflegt hat <strong>und</strong> hat das dann über die Zeit gelernt.<br />
Man pflegt sich viel besser als vorher. Antje hat<br />
mich aber auch in allem versucht zu unterstützen.<br />
Sie hat mir bei der Schule geholfen. Sie hat mit mir<br />
gelernt <strong>und</strong> Hausaufgaben mit mir gemacht <strong>und</strong> oft<br />
bei Referaten geholfen, Sachen dafür aus dem Internet<br />
zu holen <strong>und</strong> sie hat mir sogar eine Nachhilfe<br />
besorgt, die ich dann dreimal die Woche hatte. Antje<br />
hat mir bei den Bewerbungsschreiben für meine<br />
Berufsausbildung geholfen <strong>und</strong> ist mit mir auch<br />
hingefahren zu den Bewerbungsgesprächen.<br />
Meine Lehre jetzt ist gut <strong>und</strong> auch das Wohnen hier<br />
in Meppen ist ganz gut. Ich will aber noch mehr<br />
selber entscheiden dürfen, möchte weniger Kontrolle<br />
durch die Erzieher.…“<br />
Wenn wir Dich nicht hätten, könnten wir mal wieder<br />
ausschlafen <strong>und</strong> müssten nicht morgens um sechs<br />
schon mal lautstarke Attacken abwehren. Wir können<br />
entspannt Fre<strong>und</strong>e besuchen, die so richtig<br />
klasse ihr Badezimmer mit hochglänzenden Lackmöbeln<br />
eingerichtet haben <strong>und</strong> nicht darauf stehen<br />
die Spuren von Creme weg zu polieren. Wir könnten<br />
die Motorräder rausholen <strong>und</strong> einfach drauf losfahren.<br />
Tja...<strong>und</strong> was ist alles dazu gekommen.....<br />
Ohne Marc wäre ich selber nicht wieder auf ein<br />
Pferd gestiegen, hätte nie die C-Lizenz für Übungsleiter<br />
gemacht <strong>und</strong> würde nicht jeden Mittwoch in der<br />
Turnhalle stehen, damit Marc ganz normal am Breitensport<br />
teilnehmen kann. Ohne ihn hätten wir nicht<br />
so viele tolle Menschen kennen gelernt, würden wir<br />
uns nicht so oft kringelig lachen <strong>und</strong> hätten viele<br />
tolle Momente nicht erlebt.<br />
...<strong>und</strong> wenn wir dann mal denken, wer hat uns gezwungen<br />
die Entscheidung zu treffen mit einem<br />
behinderten Kind zu leben, dann steht Marc da <strong>und</strong><br />
sagt; “… wie gut, dass ich Euch ausgesucht habe!“<br />
<strong>und</strong> für uns ist klar ... seine Lebensversicherung ist,<br />
dass wir ihn so klasse finden.<br />
Ulrike Eykamp<br />
Profimutter<br />
GfS Bremen<br />
Ausgabe 80 15 KiM ®
Die GfS-Emsland in Meppen/ Bokeloh ist das<br />
Stammhaus der KJHB. Es ist Sitz der Geschäftsführung,<br />
der pädagogischen Leitung aller Gesellschaften<br />
<strong>und</strong> der Gesamtverwaltung. Hier finden die Konferenzen<br />
der Leitungsebene statt. Im Umfeld dieses<br />
Zentrums befinden sich zudem verschiedene <strong>Kinder</strong>-<br />
<strong>und</strong> Jugendwohngruppen, ein Kleinstheim, die<br />
Clearingstelle <strong>und</strong> die zentrale Verwaltung. Unser<br />
Einzugsgebiet reicht von Papenburg Norden, über<br />
das westliche gelegene Nordhorn <strong>und</strong> Bentheim <strong>und</strong><br />
das östliche Haselünne bis Steinfurt im Süden.<br />
Im Bereich der GfS Emsland sind fünf ErziehungsleiterInnen<br />
in Voll- <strong>und</strong> Teilzeit beschäftigt. Über 80<br />
GfS Emsland<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche wohnen bei 57 Profifamilien<br />
® . Wir benutzen drei Pädagogische Zentren (PZ)<br />
für unsere regelmäßigen Erziehungskonferenzen,<br />
Besuchskontakte, Hilfeplangespräche <strong>und</strong> sonstige<br />
Treffen.<br />
Im Folgenden möchten die ErziehungsleiterInnen<br />
der GfS Emsland in verschiedenen Beiträgen über<br />
die Vorüberlegungen <strong>und</strong> die Vorbereitung zur Profifamilie<br />
® , über die Zeit der Anbahnung <strong>und</strong> über die<br />
Arbeit mit den Herkunftsfamilie berichten. Zudem<br />
schauen eine Kollegin mit zwei heute jungen Erwachsenen<br />
zurück auf ihre Zeit der Profifamilie ® .<br />
PZ Meppen PZ Lingen PZ Schapen<br />
Ulrike Meiners Irene Stehmann Bodo Hansmann Christa Lüken Renate Weusthof<br />
Kann ich das überhaupt?<br />
Die Vorbereitung <strong>und</strong> Entscheidung zur Profifamilie ®<br />
Manch einer erwägt vielleicht schon in jungen Jahren,<br />
eines Tages ein Kind in seine Lebensgemeinschaft<br />
aufzunehmen. Andere bewegt dieser Gedanke<br />
womöglich erst, nachdem bereits eigene <strong>Kinder</strong><br />
nahezu erwachsen geworden sind <strong>und</strong> bald das<br />
Haus verlassen. Gemeinsam ist allen Interessierten<br />
der Wunsch, etwas abzugeben von dem, was sie<br />
selber haben: Kraft <strong>und</strong> Energie, materielle Sicherheit,<br />
emotionale Stabilität, räumliche Kapazitäten.<br />
Sie alle würden gerne ein Kind auf seinem Weg ins<br />
Leben begleiten, ihm Halt <strong>und</strong> Orientierung bieten.<br />
Gerade die <strong>Kinder</strong>, die in einem Profifamilien ® - Setting<br />
„fremdplatziert“ werden, haben nicht selten Bindungsabbrüche<br />
hinter sich, haben die Unzuverlässigkeit<br />
elterlicher Bezugspersonen oft bitterlich erfahren<br />
<strong>und</strong> aushalten müssen. Daher benötigen sie<br />
neben der Liebe <strong>und</strong> Fürsorge (dem Bindungsangebot)<br />
auch eine professionelle Betreuung. Auf diesen<br />
umfassenden Auftrag will ein Vorbereitungskurs die<br />
werdenden Profieltern einstimmen.<br />
Denn es ergeben sich auch viele Fragen, die zunächst<br />
verunsichern können: Schaffen wir das überhaupt?<br />
Wer hilft uns, wenn wir mal nicht weiter wissen?<br />
Was braucht ein aufgenommenes Kind? Worin<br />
unterscheidet es sich von den eigenen leiblichen<br />
<strong>Kinder</strong>n? Welche Rolle spielt die Herkunftsfamilie<br />
des Kindes? Wie reagieren Fre<strong>und</strong>e, Nachbarn,<br />
Verwandte? Haben wir überhaupt genügend Le-<br />
benserfahrung, um uns dieser komplexen Herausforderung<br />
zu stellen?…..<br />
Damit diese Fragen beantwortet <strong>und</strong> Unsicherheiten<br />
abgebaut werden können, bereiten wir als Erziehungsleiter<br />
interessierte Menschen (Familien, Paare<br />
<strong>und</strong> auch Alleinerziehende mit pädagogischer Ausbildung)<br />
intensiv auf ihre Aufgabe vor. Im Rahmen persönlicher<br />
Gespräche <strong>und</strong> im Rahmen eines Vorbereitungskurses<br />
(der individuell angepasst werden kann)<br />
gemeinsam mit einem überschaubaren Kreis gleichgesinnter<br />
Interessierter lernen wir das familiäre System<br />
der Teilnehmer näher kennen, um dann ein Kind<br />
zu finden, das gut in diese Profifamilie ® hineinpasst<br />
<strong>und</strong> nicht deren Rahmen sprengt (gute Passung).<br />
Eine Profifamilie ® bietet einem oder zwei <strong>Kinder</strong>n (im<br />
Rahmen des §34 SGB VIII) in ihrem Zuhause eine<br />
Heimat, lebt mit dem Kind/den <strong>Kinder</strong>n Tag <strong>und</strong><br />
Nacht zusammen. Hier unterscheidet sie sich überhaupt<br />
nicht von einer Pflegefamilie, welche <strong>Kinder</strong><br />
nach §33 SGB VIII aufnimmt. Die Profifamilie ® übernimmt<br />
wie eine Pflegefamilie die Erziehung <strong>und</strong> trifft<br />
selbständig alltägliche Entscheidungen. Im Unterschied<br />
zur Pflegefamilie wird eine Profifamilie ® allerdings<br />
von Anfang an durch einen Erziehungsleiter<br />
begleitet, der beratend <strong>und</strong> unterstützend kontinuierlich<br />
zur Seite steht. Seine Funktion - als Nahtstelle<br />
zwischen Jugendamt, Vorm<strong>und</strong>, Herkunftsfamilie<br />
<strong>und</strong> Profifamilie ® mit aufgenommenem Kind - dient<br />
Ausgabe 80 16 KiM ®
primär der Entlastung der Profifamilie ® <strong>und</strong> wird im<br />
Rahmen der Vorbereitung ausführlich verdeutlicht.<br />
Zusätzlich bereiten wir darauf vor, wie sich der Alltag<br />
im Zusammenleben mit einem aufgenommenen Kind<br />
gestalten kann: da gibt es unterschiedliche Phasen,<br />
die das Kind durchlaufen wird, wenn es eine Bindung<br />
mit den Profieltern eingehen möchte. Da setzt das<br />
aufgenommene Kind all die Verhaltensmuster wieder<br />
ein, die ihm in seinem Herkunftssystem das Überleben<br />
gesichert haben. Oder es wiederholt erlebte seelische<br />
Verletzungen, indem es seine negativen Erfahrungen<br />
auf die Profifamilie ® projiziert.<br />
Hier gilt es, dem Kind neue Erfahrungen anzubieten<br />
<strong>und</strong> positive Verhaltensweisen zu entwickeln, die<br />
bald seine alten Verhaltensmuster überflüssig machen<br />
könnten. Auch gehört dazu, dass Profieltern<br />
bereit sind, sich bewusst als Reibungsfläche anzubieten,<br />
indem sie Präsenz zeigen, Zeit haben <strong>und</strong><br />
Konflikte aushalten. Immer wieder stehen sie vor der<br />
Herausforderung, die Signale des Kindes richtig zu<br />
interpretieren <strong>und</strong> empathisch zu reagieren. In der<br />
Vorbereitungszeit werden deshalb eigene Stärken<br />
<strong>und</strong> Ressourcen neu entdeckt, unter anderem durch<br />
die individuelle Auseinandersetzung mit der eigenen<br />
Biographie. Auch können die Profieltern auf die beratende<br />
Unterstützung der Erziehungsleiter <strong>und</strong><br />
eines eng vertrauten Kollegenkreises (regelmäßige<br />
Erziehungskonferenzen) zählen.<br />
Voraussetzung für die Arbeit als Profifamilie ® ist<br />
jedoch zunächst eine Ausbildung entsprechend dem<br />
Fachkräftegebot des jeweiligen Landesamtes: zum<br />
Erzieher oder Sozialpädagogen, in einigen B<strong>und</strong>esländern<br />
auch zum Heilpädagogen, Heilerziehungspfleger,<br />
Diplom-Pädagogen. Hinzu kommt unbedingt<br />
eine positive Gr<strong>und</strong>haltung zum Leben sowie Kraft<br />
<strong>und</strong> Leidenschaft im Alltag. Auch auf die positive<br />
Zusammenarbeit mit den leiblichen Eltern des Kindes<br />
<strong>und</strong> seinem ganzen Herkunftssystem (z.B. in<br />
Form von Besuchskontakten in angemessenen zeitlichen<br />
Abständen) werden die Teilnehmer während<br />
der Vorbereitungszeit eingestimmt, damit später der<br />
Kontakt zur Ursprungsfamilie entsprechend dem<br />
Kindeswohl gepflegt werden kann.<br />
Auch die rechtliche Situation einer Profifamilie ® ist<br />
ein spannender Teil der Vorbereitung: einerseits<br />
Bindung anzubieten wie eine Pflegefamilie <strong>und</strong> von<br />
daher nicht wie eine Wohngruppe oder eine Heimgruppe<br />
mit den <strong>Kinder</strong>n lebend, andererseits aber<br />
dennoch als Elternteil angestellt zu sein <strong>und</strong> für den<br />
professionellen Part der Tätigkeit „entlohnt“ zu werden.<br />
Es wäre müßig, die Arbeit, die tatsächlich mit<br />
der Aufnahme eines Kindes in das eigene familiäre<br />
System verb<strong>und</strong>en ist, ausreichend finanziell zu<br />
vergüten. Ein Gehalt erhält der angestellte Profielternteil<br />
dennoch, damit er nicht noch außerhalb der<br />
Familie eine volle Stelle suchen muss, sich aber<br />
eine Halbtagsstelle durchaus suchen darf.<br />
Ein Kind in seiner Lebensgemeinschaft zu beheimaten,<br />
bedeutet heutzutage eine mutige <strong>und</strong> spannende<br />
Herausforderung, auf die sich jeder Interessierte<br />
intensiv vorbereiten sollte.<br />
Und sich dieser Herausforderung<br />
trotz anfänglicher Unsicherheiten<br />
zu stellen - darin liegt zugleich<br />
eine große Bereicherung.<br />
Christa Lüken<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Emsland-Lingen<br />
Wie gestaltet sich der Weg zum Kind<br />
Ein spannender Prozess beginnt, wenn die Erziehungsleitung<br />
nach guter Prüfung der potenziellen<br />
Profifamilie ® das Kind vorstellt, Informationen gibt,<br />
u.a. über seine Stärken <strong>und</strong> Schwächen, seine Vorgeschichte<br />
<strong>und</strong> das, was das Kind benötigt, Informationen,<br />
die der zuständige Kollege im Jugendamt<br />
gab, die aus vorliegenden Gutachten stammen können<br />
etc.<br />
Nach gründlicher Auseinandersetzung hiermit entscheidet<br />
sich die Profifamilie ® vielleicht dazu, mehr<br />
über das Kind zu erfahren.<br />
Erste Gespräche mit allen Beteiligten, die das Kind<br />
kennen, helfen bei der weiteren Entscheidungsfindung.<br />
Sind sowohl die Mitarbeiter des Jugendamtes als<br />
auch die Profifamilie ® mit der Erziehungsleitung<br />
Anbahnung<br />
davon überzeugt, dass das vorgestelltes Kind gut in<br />
diese Profifamilie ® passt <strong>und</strong> hier eine Zukunft finden<br />
könnte, findet der nächste Schritt im Anbahnungsprozess<br />
statt.<br />
Ein anonymer Sichtkontakt - möglichst unter Bedingungen,<br />
unter denen sich das Kind sicher <strong>und</strong> wohl<br />
fühlt - wird gemeinsam organisiert. Hierbei wird<br />
deutlich, ob der „Funke“, der bei der Auseinandersetzung<br />
mit den Informationen häufig schon von der<br />
Erziehungsleitung gespürt werden kann, auch überspringt,<br />
ob „die Chemie“ stimmt. Dies ist unverzichtbar,<br />
leben doch zukünftig Profifamilie ® <strong>und</strong> anvertrautes<br />
Kind sehr nah miteinander.<br />
Gefühle am Anfang dieses Prozesses müssen sehr<br />
intensiv wahr- <strong>und</strong> ernstgenommen werden. Kann<br />
sich eine Profifamilie ® ein zukünftiges Leben mit<br />
Ausgabe 80 17 KiM ®
diesem Kind nicht vorstellen, so gehört auf alle Fälle<br />
Mut, aber auch Professionalität aller am Prozess<br />
beteiligten Berater dazu, dies zulassen zu können,<br />
anzusprechen <strong>und</strong> dann eine gemeinsame Entscheidung<br />
gegen die Aufnahme dieses Kindes auszusprechen.<br />
Sind sich die Beteiligten einig, dass die Kontaktanbahnung<br />
beginnen kann, so werden Absprachen<br />
getroffen über deren Gestaltung.<br />
Die Dauer der Anbahnung ist natürlich für das weitere<br />
Zusammenleben von großer Bedeutung. Diese<br />
Zeit dient dem Kind <strong>und</strong> der Profifamilie ® , erstes<br />
Vertrauen zueinander entwickeln zu können. Häufig<br />
zeigen in dieser Zeit die <strong>Kinder</strong> ihre Themen, prüfen<br />
ihre neuen Bezugspersonen. Geduld, Zeit, Verlässlichkeit<br />
<strong>und</strong> Präsenz sind notwendig auf Seiten der<br />
zukünftigen Profifamilie ® .<br />
In der ersten Zeit der Anbahnung benötigt das Kind<br />
eine ihm vertraute Umgebung, in der es sich sicher<br />
sein kann. Die Bezugserzieherin (oder eine andere<br />
vertraute Person) begleitet das Kind, zieht sich dann<br />
aber mehr <strong>und</strong> mehr zurück.<br />
Hat das Kind Vertrauen gefasst, so werden die<br />
nächsten Kontakte nach außen verlagert. Die Profifamilie<br />
® unternimmt Ausflüge in die nähere Umgebung,<br />
bereitet das Kind so langsam auf den letzten<br />
Teil der Anbahnung vor, das Kennenlernen des zukünftigen<br />
Lebensortes durch Besuche in der Profifamilie<br />
® <strong>und</strong> spätere Übernachtungen, die dann zur<br />
Aufnahme führen.<br />
Im gesamten Prozess ist es notwendig, genau auf<br />
die Signale zu achten, die das Kind sendet.<br />
Gute, professionelle Begleitung <strong>und</strong> gutes Einfühlungsvermögen<br />
der begleitenden Fachkräfte sind<br />
notwendig, um in gemeinsamen, zwischenzeitlichen<br />
Reflexionsgesprächen entstandene Themen zu bearbeiten<br />
<strong>und</strong> den weiteren Prozess auf die Bedürfnisse<br />
sowohl des Kindes als auch der Profifamilie ®<br />
abstimmen zu können.<br />
In der Profifamilie ® werden mit allen Familienmitgliedern<br />
die Besuche gemeinsam reflektiert, ambivalente<br />
Gefühle thematisiert, abgeklärt <strong>und</strong> ggf. ausgeräumt.<br />
Zudem bereitet in dieser Zeit die aufnehmende Familie<br />
„das Nest“ für das aufzunehmende Kind vor,<br />
gibt ihm einen Platz im Familiensystem.<br />
Optimal ist es auch, wenn sich in dieser Zeit Profifamilie<br />
® <strong>und</strong> Herkunftseltern kennenlernen können,<br />
letztere dadurch ihre <strong>Kinder</strong> einfacher loslassen <strong>und</strong><br />
ihm die „Erlaubnis“ geben können, in einer neuen<br />
Familie aufwachsen zu dürfen.<br />
Es gibt keine pauschal verlaufende Kennenlernzeit.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass Familien <strong>und</strong> <strong>Kinder</strong> sehr<br />
unterschiedliche Bedürfnisse haben können. Zudem<br />
muss beachtet werden, dass diese Phase auch von<br />
bisherigen Beziehungserfahrungen des Kindes geprägt<br />
ist.<br />
Das bisherige Beziehungsgefüge der Profifamilie ®<br />
gerät durch die Aufnahme des Kindes aus dem<br />
Gleichgewicht <strong>und</strong> benötigt enge, professionelle<br />
Begleitung. Ein neues Familienmitglied mit einem<br />
besonderen Status muss seinen Platz finden, alle<br />
anderen Familienmitglieder sind in Bewegung.<br />
Die Familie steht am Anfang eines<br />
begleiteten „Abenteuers“.<br />
Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie<br />
Mein Name ist Ulrike Meiners <strong>und</strong> ich bin 52 Jahre<br />
alt. Seit 34 Jahren bin ich mit der Einrichtung <strong>und</strong><br />
Konzeption <strong>Backhaus</strong> vertraut. Seit 24 Jahren arbeite<br />
<strong>und</strong> lebe ich selbst als Profimutter im Bindungskonzept<br />
<strong>und</strong> seit 15 Jahren arbeite ich als Erziehungsleiterin<br />
im Emsland. Mein Beitrag in diesem<br />
Durchblick soll einen kleinen Einblick in unsere professionelle<br />
Arbeit mit der Herkunftsfamilie <strong>und</strong> den<br />
uns anvertrauten <strong>Kinder</strong>n geben.<br />
Vor der Aufnahme eines Kindes in eine Profifamilie ®<br />
ist es wichtig, soviel wie möglich von der Kultur der<br />
Herkunft des Kindes zu wissen <strong>und</strong> sie vor allem<br />
auch anzunehmen. In welchem äußeren Umfeld z.B.<br />
lebte das Kind, mit welchen Personen <strong>und</strong> was bedeuten<br />
sie fürs Kind? Spielen, Drogen, Alkohol, psychische<br />
Erkrankungen, Minderbegabung usw. eine<br />
Rolle? Welche Symptome hat das Kind entwickelt,<br />
mit welchen Hindernissen können wir rechnen? Wie<br />
sieht die Bindung zu unterschiedlichen Bezugsper-<br />
Renate Weusthof<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Emsland/ Schapen<br />
sonen aus? Kann sich die potentielle Profifamilie ®<br />
auf ein abenteuerliches, zu Beginn noch ungewisses,<br />
Leben mit einem traumatisierten Kind einlassen?<br />
Weiterhin ist es wichtig, dass das Kind die Bindungsadresse<br />
der neuen Eltern annehmen kann.<br />
Was hilft es, wenn die Rahmenbedingungen perfekt<br />
sind, aber das Kind die neuen Eltern nicht annehmen<br />
kann, aus welchen Gründen auch immer? Dazu<br />
ist das genaue Kennenlernen wichtig. Meine Kollegin<br />
Renate Weusthof schreibt dazu genaueres. (siehe<br />
vorherigen Beitrag)<br />
Die Organisation <strong>Backhaus</strong> bietet der Herkunftsfamilie,<br />
dem Kind <strong>und</strong> den neuen Bindungspersonen<br />
einen objektiven äußeren Rahmen, in dem sich alle<br />
unbelastet bewegen können. Die Räumlichkeiten<br />
sind gemütlich <strong>und</strong> wohlwollend eingerichtet <strong>und</strong><br />
bieten Schutz nach außen. Die Erziehungsleitung<br />
sorgt für eine kongruente Moderation.<br />
Ausgabe 80 18 KiM ®
Es ist vorab abzuschätzen, wer genau an den Treffen<br />
teilnehmen sollte. Oft haben die <strong>Kinder</strong> (wenn<br />
sie nicht zu klein sind) nur mit der Erziehungsleitung<br />
den größten Gewinn. Sie kommen in keine Solidaritätskonflikte<br />
<strong>und</strong> lernen, beide Familiensysteme in<br />
sich zu integrieren <strong>und</strong> wenn es sich auch paradox<br />
anhört, auch voneinander zu trennen <strong>und</strong> Unterschiede<br />
zu erkennen.<br />
Die Kontakte werden mit den <strong>Kinder</strong>n gemeinsam<br />
konstruiert. Die Erziehungsleitung darf vom Kind <strong>und</strong><br />
auch von der Herkunftsfamilie als Sprachrohr funktionalisiert<br />
werden, mit dem Ziel, dass das Kind mit<br />
den Jahren immer mehr Stärke entwickelt, mit den<br />
Kindeseltern in eine interaktionale Kommunikation<br />
zu gehen.<br />
Die Erziehungsleitung trägt in dem Ganzen eine<br />
Schlüsselrolle. Sie hat den „Spagat“ zu leisten, auf<br />
der einen Seite eine neutrale Haltung zu haben, die<br />
es immer wieder ermöglicht, neu zu schauen. Sie<br />
macht sich auf der anderen Seite zum Anwalt des<br />
Kindes <strong>und</strong> darf trotz allem auch eine Allparteilichkeit<br />
zeigen. In der Arbeit mit der Herkunft des Kindes,<br />
wie es Bowlby gesagt hat, ist eine wohlwollende<br />
Behandlung aller Bindungspersonen wichtig.<br />
Eine gute Elternarbeit gibt den <strong>Kinder</strong>n die Möglich-<br />
keit, in sich stabil zu werden <strong>und</strong> eine persönliche<br />
Reife zu entwickeln. Ein größer werdender Selbstwert<br />
ermöglicht den <strong>Kinder</strong>n, offen zu werden für die<br />
Welt, für Bindung <strong>und</strong> auch für Bildung.<br />
Die Profieltern sind aufgefordert, in sich hineinzuschauen<br />
<strong>und</strong> das Herkunftssystem anzunehmen wie<br />
es ist. Wie gehen sie mit eigenen Verletzungen um?<br />
Wie sieht es mit dem eigenen Bindungsmuster aus?<br />
Werden die aufgenommenen <strong>Kinder</strong> dazu angehalten,<br />
dem zu entsprechen oder dürfen sie ein neues<br />
Bindungsmuster mit ihren neuen Bindungspersonen<br />
entwickeln? Regelmäßigen Erziehungskonferenzen<br />
bieten eine Möglichkeit, mit den eigenen Gefühlen<br />
umgehen zu lernen, konstruktive Kritik anzunehmen<br />
<strong>und</strong> zu geben.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist eine wohlwollende, aber auch klare<br />
Haltung in der Arbeit mit der Herkunftsfamilie notwendig.<br />
Wie konkret die Herkunftsarbeit<br />
aussieht, entscheiden<br />
das Kind <strong>und</strong> der Prozess.<br />
Ulrike Meiners<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Emsland<br />
Rückblick: „Wir wurden Profifamilie ® “<br />
September 1989, der Zeitpunkt, der alles veränderte,<br />
uns forderte, uns an Grenzen brachte, uns zu<br />
Zerreißproben zwang, doch, der uns auch fröhliche<br />
St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Zufriedenheit gebracht hat. Wir wurden<br />
Profieltern. Wie oft habe ich an meiner Professionalität<br />
gezweifelt, habe an mir gezweifelt, bin an mir<br />
verzweifelt. Anfangs war alles so leicht, zwei <strong>Kinder</strong><br />
mehr zu unseren eigenen zwei. Wir hatten ein großes<br />
Haus, Zeit, fühlten uns dieser Aufgabe gewachsen.<br />
Ich konnte meinen Beruf mit nach Hause nehmen,<br />
konnte Berufstätigkeit, Hausfrau- <strong>und</strong> Muttersein<br />
miteinander verbinden. Die ersten Jahre<br />
vergingen ohne große Aufregungen doch mit vielen<br />
Gesprächen, manchmal die halbe Nacht. Viele Reaktionen<br />
der <strong>Kinder</strong> waren uns fremd, erschreckten<br />
uns. So konnte ich nun nicht mehr einfach das Zimmer<br />
verlassen ohne Ängste auszulösen, musste<br />
jeden Schritt erklären, musste mich beweisen.<br />
Gemeinsam, auch mit Unterstützung unserer <strong>Kinder</strong>,<br />
haben wir die Zeit gemeistert, uns über kleine Fortschritte<br />
gefreut. Wir wurden Familie.<br />
Ich kann kaum den Schmerz beschreiben, den ich<br />
fühlte, als der Ältere die Familie verlassen musste.<br />
Jennifer: Hallo, mein Name ist Jennifer <strong>und</strong> ich bin<br />
22 Jahre. 1989 bin ich mit meinem älteren Bruder<br />
Sascha in der Einrichtung <strong>Backhaus</strong> aufgenommen<br />
Jennifer <strong>und</strong> Andrea erzählen<br />
S. ist für Jahre durch das Jugendamt in Namibia<br />
untergebracht worden. Er lebt heute noch dort <strong>und</strong><br />
hat sich eine neue Heimat geschaffen. Jennifer, die<br />
sich Jahre später entschieden hat, in eine Wohngruppe<br />
zu ziehen, war trotzdem immer noch Teil unserer<br />
Familie. Wir konnten die Verbindung halten, selbst als<br />
sie Drogen genommen hat <strong>und</strong> straffällig wurde. 2009<br />
wollte sie freiwillig in eine Therapie gehen mit einem<br />
guten Ergebnis. Während der Therapie wurde viel<br />
gesprochen, viel aufgearbeitet, viel verarbeitet.<br />
Heute nun können wir glücklich <strong>und</strong> mit Stolz berichten,<br />
dass Jennifer den Schritt geschafft hat. Sie lebt<br />
in einer Beziehung, macht zwei Ausbildungen<br />
gleichzeitig, ist von niemandem mehr abhängig. Es<br />
ist immer wieder eine Freude, sie bei uns zu haben,<br />
sie ist Teil unserer Familie <strong>und</strong><br />
wird es immer sein.<br />
Irene Stehmann<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Emsland<br />
worden. An die erste Zeit in der Familie kann ich<br />
mich nicht mehr erinnern, ich war wohl noch zu<br />
klein. Ich weiß heute, dass ich eine schöne Zeit<br />
Ausgabe 80 19 KiM ®
hatte <strong>und</strong> meine neue Familie immer<br />
als meine gesehen habe. Außerdem<br />
bekam ich mit dem Einzug<br />
noch zwei w<strong>und</strong>erbare Geschwister.<br />
Hendrik <strong>und</strong> Andrea, die leiblichen<br />
<strong>Kinder</strong> von meinen Eltern. Klar gab<br />
es Höhen <strong>und</strong> Tiefen. Die Tiefs<br />
fingen bei mir wohl so richtig an, als mein leiblicher<br />
Bruder die Familie verlassen hat. Obwohl meine Eltern<br />
immer hinter mir standen, fing ich an, auf die<br />
schiefe Bahn zu geraten. Mit 16 Jahren habe ich mich<br />
entschieden, in eine Wohngruppe zu ziehen. Ich wollte<br />
mich nicht mehr an die Regeln halten, bin nachts<br />
weg geblieben. Danach verbrachte ich meine Zeit in<br />
der „Jugendwohngruppe <strong>Backhaus</strong>“. Das war ziemlich<br />
schwer für mich, aber auch für meine Eltern. Der<br />
Kontakt zwischen meinen Eltern <strong>und</strong> mir wurde<br />
dadurch aber besser, vielleicht war mir eine Familie<br />
einfach zu intensiv. Heute weiß ich, auch durch viele<br />
Gespräche in der Therapie, dass ich mich nie zu<br />
100% dazugehörig gefühlt habe, obwohl meine Eltern<br />
uns immer wie eigene <strong>Kinder</strong> behandelt haben. Aber<br />
auch in der Jugendwohngruppe klappte es schon<br />
bald nicht mehr, weil ich mich auch hier nicht an die<br />
Regeln hielt. Ich kam wann ich wollte, nahm Drogen<br />
<strong>und</strong> trank Alkohol. Ich entschied mich, vor meinem<br />
18. Lebensjahr zu meinen damaligen Fre<strong>und</strong> zu zie-<br />
Andrea: Mein Name ist Andrea. Ich bin 25 Jahre alt<br />
<strong>und</strong> habe vier Geschwister. Allerdings habe ich nur<br />
einen leiblichen älteren Bruder <strong>und</strong> drei nicht leibliche<br />
Geschwister. Im Alter von vier Jahren sind gleich zwei<br />
Geschwister in unsere Familie gekommen. Meine<br />
Eltern haben vorher mit uns gesprochen <strong>und</strong> uns ihre<br />
Pläne mitgeteilt. Ich fand diesen Gedanken total klasse<br />
<strong>und</strong> habe gleich Pläne gemacht. Als J. <strong>und</strong> S.<br />
endlich bei uns ankamen waren sie erst einmal sehr<br />
ängstlich, aber zuckersüß. Wir wurden innerhalb eines<br />
Tages zur Großfamilie. Die Jahre vergingen, <strong>und</strong><br />
wir wuchsen auf wie ganz normale Geschwister mit<br />
dem typischen Streitereien, aber auch den typischen<br />
Verschwörungen <strong>und</strong> Blödsinn.<br />
Später wurde es schwieriger, gerade für mich. J. hat<br />
mir ständig Sachen geklaut, so dass ich mein Zimmer<br />
immer abschließen musste. Dadurch, dass Beide<br />
so auffällig waren, bedurften sie mehr Aufmerksamkeit<br />
meiner Eltern. Ich musste daher oft eigene<br />
Bedürfnisse zurücknehmen, obwohl ich gerade in<br />
hen. Meine Eltern versuchten alles, um mich davon<br />
abzuhalten. Und von da an ging es nur noch bergab.<br />
Mit 20 <strong>und</strong> sämtlichen Vorstrafen wollte ich mich in<br />
eine stationäre Drogentherapie begeben. Meine Eltern<br />
standen voll hinter mir. Meine Mama fuhr mit mir<br />
zusammen nach Kempen <strong>und</strong> sah sich mit mir zusammen<br />
meinen Therapieplatz an. Mein Fre<strong>und</strong>, mit<br />
dem ich jetzt glücklich in Oldenburg lebe, war zu diesem<br />
Zeitpunkt schon in einer stationären Therapie.<br />
Meine Eltern <strong>und</strong> mein Fre<strong>und</strong> waren die Einzigen die<br />
mich unterstützten, die an mich geglaubt haben. Am<br />
meisten tat es mir weh als ich realisierte, wie ich mit<br />
den Menschen, die mich liebten, umgegangen bin,<br />
die immer für mich da waren <strong>und</strong> immer nur das Beste<br />
wollten. In der Therapie konnte ich viele Dinge<br />
aufarbeiten, natürlich fiel es mir sehr schwer, über<br />
mich zu reden, Gründe für die Sucht zu finden <strong>und</strong> zu<br />
verstehen. Ohne sie hätte ich das alles nicht so gut<br />
meistern können. Heute verläuft mein Leben geregelt,<br />
ich mache eine Ausbildung, verdiene Geld, habe<br />
meinen geregelten Tagesablauf <strong>und</strong> lebe abstinent.<br />
Außerdem bin ich gerade dabei, meinen Führerschein<br />
zu machen. Mit meinen Eltern verbindet mich<br />
heute ein super Eltern - Kind Verhältnis <strong>und</strong> ich fahre<br />
sie gerne <strong>und</strong> regelmäßig besuchen.<br />
Jennifer Burke<br />
der Pubertät steckte <strong>und</strong> selber viele Probleme hatte.<br />
In der Zeit habe ich mich sehr mit meiner Mutter<br />
verkracht. Ich habe vieles einfach nicht mehr verstanden.<br />
Sie ließ J. mehr durchgehen als mir <strong>und</strong> ich<br />
hatte oft das Gefühl, unfair behandelt zu werden.<br />
Heute, nach vielen Gesprächen mit ihr, kann ich ihre<br />
Gründe verstehen <strong>und</strong> nachvollziehen. Wir können<br />
mittlerweile über alles reden <strong>und</strong> verstehen uns gut.<br />
Die Erfahrungen haben mich sehr gestärkt <strong>und</strong> mich<br />
auf das Leben vorbereitet. Ich kann behaupten, dass<br />
meine soziale Kompetenz dadurch gereift ist <strong>und</strong> ich<br />
heute sehr davon profitiere.<br />
Wir sind als Familie zusammen gewachsen <strong>und</strong><br />
hängen sehr aneinander. Ich weiß, dass ich mich<br />
immer auf meine Eltern verlassen kann. Meine nicht<br />
leiblichen Geschwister gehören genauso dazu wie<br />
ich <strong>und</strong> mein Bruder.<br />
Andrea Stehmann<br />
Erster Fachtag für Profieltern im Emsland<br />
Profieltern für das Leben im Alltag gestärkt<br />
Am 18. März 2011 fand der erste Fachtag im Emsland<br />
statt. Er stand unter dem Thema „Leben im<br />
Spannungsfeld von Kindeswohl, Elternrecht <strong>und</strong><br />
professionellem Bindungskonzept“.<br />
Mit Frau Bettina Mannhart - Richterin am Amtsgericht<br />
in Lingen - <strong>und</strong> Frau Andrea Stroet -<br />
Vormünderin, Verfahrensbeistand <strong>und</strong> Supervisorin<br />
aus Münster - konnten zwei Referentinnen<br />
Ausgabe 80 20 KiM ®
gewonnen werden, die jeweils aus einem großen<br />
Erfahrungsschatz heraus lebendig <strong>und</strong> konkret, mit<br />
viel Humor berichtet haben.<br />
Zunächst ging es darum aufzuklären,<br />
was beim Familiengericht<br />
geschieht. Wie verläuft ein typisches<br />
Verfahren? Um welche<br />
Themen handelt es sich vorrangig<br />
bei familienrechtlichen Verfahren?<br />
Wie erhält das Gericht seine Informationen?<br />
Welche Informationen<br />
benötigt das Gericht, um eine<br />
Entscheidung im Sinne des Kindeswohls<br />
fällen zu können? Wer<br />
alles darf <strong>und</strong> kann sich bei Gericht<br />
melden? Welche Form sollte<br />
gewählt werden? Welchen Status<br />
bei Gericht haben Profifamilien ® ,<br />
die ja nach dem Bindungskonzept<br />
arbeiten, im Vergleich zu Pflegefamilien<br />
(§33) oder anderen Erziehungsstellen<br />
(§34)?<br />
Anschließend setzten sich die Profieltern damit auseinander,<br />
wie sie dem Kind <strong>und</strong> seinen Wurzeln<br />
gerecht werden können, wenn sie zugleich den Auftrag<br />
erfüllen, professionelle Bindung zu leben <strong>und</strong><br />
das Elternrecht ebenfalls einen breiten Raum einnimmt.<br />
Welche Möglichkeiten bieten sich? Und wo<br />
liegen die Grenzen einer vermittelnden Position,<br />
besonders z.B. wenn leibliche Eltern mit der Maßnahme<br />
nicht einverstanden sind? Um welchen Preis<br />
lohnt es sich bzw. lohnt es sich nicht in eine gerichtliche<br />
Auseinandersetzung einzusteigen?<br />
Im Rahmen eines komplexen Rollenspiels konnten<br />
im letzten Teil die verschiedenen Perspektiven aller<br />
Beteiligten an einem familiengerichtlichen Verfahren<br />
auf der Basis anonymisierter, realer Fälle konkret<br />
eingenommen <strong>und</strong> reflektiert werden. Dabei wurde<br />
auch die eigene Haltung als Profieltern kritisch in<br />
den Blick genommen.<br />
Diese Veranstaltung erfuhr einen sehr großen Zuspruchvonseiten<br />
der Profieltern<br />
<strong>und</strong> fand<br />
auch in den<br />
nachfolgenden<br />
Erziehungskonferenzen<br />
einen<br />
positiven Nachhall.<br />
Die rechtli-<br />
Wer zieht <strong>und</strong> zerrt denn da alles am<br />
Kind? - Wo ist das Kind überhaupt?<br />
chen Inhalte -<br />
gepaart mit dem<br />
Auftrag der<br />
Profifamilien ®<br />
<strong>und</strong> dem aktuellen Elternrecht - haben die Profieltern<br />
für ihren Alltag gestärkt. Viele offene Fragen<br />
konnten beantwortet werden, der Status einer Pro-<br />
fifamilie ® hat neue Aspekte erhalten, der Blickwinkel<br />
der Teilnehmer hat sich erweitert.<br />
Bild 1: Jugendamt <strong>und</strong> Sachverständige werden vom<br />
Gericht befragt<br />
Bild 2: PR <strong>und</strong> Verfahrensbeistand ringen um Worte<br />
Bild 3: Der leibliche Vater verdeutlicht dem Gericht seine<br />
Position. Dabei wird er von seiner Anwältin unterstützt.<br />
Bild 4: Die Richterin verkündet ihren Beschluss<br />
Ganz herzlich danken wir Frau Mannhart (ganz<br />
links mit Frau Lüken) <strong>und</strong> Frau Stroet (rechts) für<br />
Ihren Einsatz!<br />
Wesentlich zum<br />
Gelingen des<br />
Tages beigetragen<br />
hat unsere<br />
hauswirtschaftliche<br />
Abteilung,<br />
der an dieser<br />
Stelle ein großes<br />
Lob ausgesprochen werden soll. Durch die<br />
„R<strong>und</strong>umversorgung“ mit kulinarischen Kleinigkeiten<br />
durften sich auch die ansonsten stets im Einsatz<br />
befindlichen Profieltern einmal zurücklehnen <strong>und</strong><br />
genießen. Vielen Dank!<br />
Und last not least auch ein Dankeschön an unsere<br />
Technische Abteilung, Herrn Oudehinkel, der für uns<br />
die Medien aufgebaut <strong>und</strong> eingestellt hat!<br />
Interne Fortbildungen in der KJHB haben gerade in<br />
der letzten Zeit eine neue Relevanz erfahren. Daher<br />
werden zukünftig weitere qualitativ<br />
hochwertige Veranstaltungen konzeptionell<br />
eingeb<strong>und</strong>en sein.<br />
Christa Lüken<br />
Erziehungsleitung <strong>und</strong> Fachtagsorganisation<br />
GfS Emsland - Lingen<br />
Ausgabe 80 21 KiM ®<br />
1<br />
3 4<br />
2
Das Hamburger PZ finden sie im grünen Stadtrandbereich.<br />
Im Stadtteil Fuhlsbüttel. Man muss nur die<br />
Straße überqueren <strong>und</strong> schon ist man am Alsterlauf<br />
<strong>und</strong> kann dort lange Spaziergänge im Grünen unternehmen<br />
oder auf dem gegenüber liegenden Spielplatz<br />
spielen.<br />
Dieses PZ ist im Aufbau. Von hier aus werden zurzeit<br />
drei Familien mit insgesamt fünf aufgenommenen<br />
<strong>Kinder</strong>n betreut. Eine Familie ist zurzeit im Betriebserlaubnisverfahren<br />
<strong>und</strong> wird danach auch zur<br />
Verfügung stehen, um <strong>Kinder</strong> aufzunehmen. Drei<br />
weitere Familien nehmen seit einigen Wochen am<br />
aktuellen Vorbereitungskurs teil.<br />
GfS Hamburg<br />
Ein neuer Vorbereitungskurs soll im Mai 2011 beginnen.<br />
Wir haben viel Spaß an unserer Arbeit <strong>und</strong> freuen<br />
uns, dass der Aufbau so gut voranschreitet.<br />
Andrea Schmitz-<br />
Köster (links)<br />
Christiane Arndt<br />
Neue Erziehungsleitung in der GfS Hamburg<br />
Am 01.12. 2010 habe ich als neue Erziehungsleitung<br />
der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> für die<br />
GfS Hamburg auf einer halben Stelle angefangen zu<br />
arbeiten. Meine Aufgabe ist es, zusammen mit Andrea<br />
Schmitz-Köster die „GfS Hamburg“ weiter aufzubauen.<br />
Von Beruf bin ich Diplom-Pädagogin <strong>und</strong> habe neben<br />
meiner langjährigen Tätigkeit in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />
Jugendarbeit auch eine Supervisionsausbildung<br />
absolviert. Nachdem ich diese beendet hatte, wurde<br />
zunächst mein Sohn geboren. Als er 1 Jahr alt war,<br />
übernahm ich die Leitung eines Schulhortes um<br />
etwas überschaubarere Arbeitszeiten zu haben. 4<br />
Jahre später wurde meine Tochter geboren <strong>und</strong> ich<br />
nahm für eine Weile Elternzeit. Während meiner<br />
Elternzeit arbeitete ich freiberuflich als Supervisorin<br />
<strong>und</strong> in der SPFH. Nach Beendigung der Elternzeit<br />
stieg ich wieder in die Arbeit im Schulhort ein. Da<br />
mein Sohn mittlerweile selber die Gr<strong>und</strong>schule besuchte<br />
wurde mir das Thema Schule auf Dauer etwas<br />
zu viel. Meine <strong>Kinder</strong> sind jetzt 4 <strong>und</strong> 9 Jahre alt<br />
<strong>und</strong> ich werde wohl noch ziemlich lange mit dem<br />
Thema Schule konfrontiert sein, so blieb mir nur eins<br />
übrig: ich musste mich beruflich umorientieren. Das<br />
Wonneproppen des Monats<br />
hat ja jetzt ganz gut geklappt <strong>und</strong> ich bin froh über<br />
die neue Herausforderung bei <strong>Backhaus</strong>. Hier in<br />
Hamburg gibt es noch viel zu tun <strong>und</strong> ich werde<br />
mich bemühen, Konstanz <strong>und</strong> Verlässlichkeit in die<br />
Arbeit einzubringen. Als meine Stärken bringe ich<br />
Freude an der Arbeit, Tatkraft <strong>und</strong> Humor mit. Was<br />
mich immer nervt, ist zu viel Bürokratie <strong>und</strong> Humorlosigkeit.<br />
Bisher habe ich mit den Kollegen auch<br />
schon viel gelacht.<br />
In meiner knapp bemessenen Freizeit interessiere<br />
ich mich für zeitgenössische Kunst, bin mit meinen<br />
<strong>Kinder</strong>n viel in der Natur (wir leben mitten in der<br />
Stadt!), mache Yoga oder fahre Fahrrad. Zum Lesen<br />
komme ich zurzeit recht wenig, liebe es dennoch<br />
sehr.<br />
Aber, die <strong>Kinder</strong> werden ja auch<br />
größer <strong>und</strong> das geht leider dann<br />
doch sehr sehr schnell…<br />
Christiane Arndt<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Hamburg<br />
Gemeinsam mit unserer Mitarbeiterin Frau Astrid Stagge <strong>und</strong> ihrem<br />
Partner freuen wir uns über die Geburt von<br />
Nick<br />
Geb. am 09.03.2011 um 1:37 Uhr<br />
Größe 54 cm <strong>und</strong> einem Gewicht von 3350 Gramm<br />
Wir wünschen der Familie alles Gute!<br />
Ausgabe 80 22 KiM ®
… ach ja, <strong>und</strong> da gibt es noch das kleine Dorf bei<br />
Schneverdingen, mitten in der Nordheide.<br />
Das heißt tatsächlich Insel. Dort liegt, idyllisch gelegen<br />
unser pädagogisches Zentrum.<br />
Das Zentrum wird von Andrea Schmitz-Köster <strong>und</strong><br />
Detlev Arlt geleitet. Frau Schmitz-Köster hatte die<br />
ehemalige Dorfschmiede 1997 zu dem heutigen PZ<br />
aufbauen lassen.<br />
Hier werden zur Zeit 34 <strong>Kinder</strong> in 20 Profifamilien ®<br />
betreut.<br />
Die Belegungen sind in einem großen Umkreis von<br />
Eversen bei Bremen im Westen bis Lehmke bei<br />
Uelzen im Osten, von Hamfelde bei Hamburg im<br />
Norden bis Hannover im Süden.<br />
Das große zum Zentrum gehörende Gelände eignet<br />
sich hervorragend für Ferienfreizeiten, die hier<br />
1xjährlich in den Sommerferien stattfinden.<br />
Hier finden auch gruppenübergreifende Aktivitäten<br />
statt. So unterstützen sich die Profifamilien ® z.B. bei<br />
Auszeiten mit den <strong>Kinder</strong>n, sie machen gemeinsam<br />
Fortbildungen <strong>und</strong> organisieren Feste mit. Auch für<br />
die <strong>Kinder</strong> ist das PZ eine Anlaufstelle, wenn sie <strong>und</strong><br />
die Profifamilie ® eine kurze Auszeit brauchen oder<br />
sich ein Kind wieder beruhigen muss.<br />
Die Ferienfreizeiten werden durchgeführt <strong>und</strong> geplant<br />
vom Team der Erziehungsleitung <strong>und</strong> den<br />
Betreuern. In den Freizeiten wurden bisher immer<br />
wieder Dinge geschaffen, die den <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> den<br />
Mitarbeitern des Zentrums gut in Erinnerung bleiben.<br />
So wurde schon ein Lehmbackofen gebaut <strong>und</strong> erfolgreich<br />
benutzt, es wurden Filme gedreht, ein Circus<br />
organisiert <strong>und</strong> den Profieltern vorgespielt, T-<br />
Shirts gefärbt, Stühle mit Hilfe von Pappmaschee<br />
bearbeitet <strong>und</strong> bemalt, Mauersteine bemalt <strong>und</strong> zusammengestellt.<br />
In den Ferienfreizeiten werden<br />
auch gerne lokale Künstler <strong>und</strong> Kunsthandwerker<br />
eingeladen, die mit den <strong>Kinder</strong>n kreativ basteln <strong>und</strong><br />
arbeiten.<br />
Im Zentrum finden auch die Vorbereitungskurse für<br />
künftige Profieltern statt. Dabei tauchen immer wieder<br />
Fragen auf, die am besten von erfahrenden Profieltern<br />
beantwortet werden können. So kam uns die<br />
Idee einige dieser Fragen <strong>und</strong> Antworten zusammenzustellen.<br />
Gefragt von einer Bewerberin des letzten Kurses<br />
<strong>und</strong> beantwortet von einer sehr erfahrenen Profimutter,<br />
die jetzt schon 14 Jahre <strong>Kinder</strong> betreut.<br />
Inwieweit hat sich Ihr Familienleben durch die<br />
Aufnahme verändert?<br />
Wir haben keine leiblichen <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> unser erstes<br />
aufgenommenes Kind war ein sechsjähriger Junge<br />
mit ADHS. Unser bis dahin ruhiges Leben war vorbei<br />
<strong>und</strong> in den ersten 4 Jahren hatten wir keine ruhige<br />
Minute mehr, es sei denn, er schlief oder war in<br />
der Schule. Da hatten wir kaum Zeit, nachzudenken<br />
<strong>und</strong> sind währenddessen total zusammengewachsen.<br />
GfS Lüneburg<br />
Wie haben Sie die Anbahnungsphase erlebt?<br />
Wie lange hat es vom ersten Kontakt bis zur tatsächlichen<br />
Aufnahme gedauert?<br />
Ich habe vier Anbahnungsphasen erlebt.<br />
Dreimal bin ich vor Ungeduld fast geplatzt <strong>und</strong> einmal<br />
ging es „ratzfatz“. Meistens bekommt man zuerst<br />
einen Bericht vom unterbringenden Jugendamt<br />
über das Kind. Die Sachbearbeiterin des Jugendamtes<br />
bekommt oft mehrere Profile von Profifamilien®<br />
Wenn man sich das Kind für seine Familie vorstellen<br />
kann <strong>und</strong> das mitteilt, dauert es oft ein bis drei Monate,<br />
bis ein Termin mit dem Jugendamt/Heim stattfindet.<br />
Es kommt bei diesem Kontakt erst einmal mit den<br />
Sachbearbeitern/Heimerziehern oder auch Herkunftseltern<br />
zu einem Gespräch. Mir war es wichtig,<br />
bei diesem Treffen auch schon einmal in einem<br />
anonymen Kontakt das Kind zu sehen, (ohne dass<br />
es weiß, worum es geht), einfach um eine Vorstellung<br />
zu haben, ob ich das Kind mögen könnte. (Bislang<br />
mochte ich sie alle.)<br />
Beim ersten Mal fand ich den Jungen zwar niedlich,<br />
habe aber fast einen Rückzieher gemacht, weil ich<br />
plötzlich Angst bekommen hatte.<br />
Eine Weile nach dem Erstkontakt findet der erste<br />
offizielle Kontakt mit dem Kind statt, bei dem das<br />
Kind dann schon vorher gesagt bekommt: „Da sind<br />
interessierte Pflegeeltern. Guck sie dir doch mal an,<br />
ob du sie dir vorstellen kannst!“<br />
Das Treffen findet dann mit einem ganz aufgeregten,<br />
scheuen Kind statt. Normalerweise werden<br />
dann weitere Treffen verabredet, anfangs immer in<br />
der Umgebung des Kindes.<br />
Einige Treffen später, wenn man sich ein wenig<br />
kennt <strong>und</strong> ein bisschen Vertrauen aufgebaut ist,<br />
kommt ein Erzieher mit dem Kind zu Besuch, anfangs<br />
als Tagesbesuch. Je nachdem steigert sich<br />
das, bis das Kind dann zum Probewohnen da ist.<br />
Und nach diesem Erlebnis ist es dann schon so gut<br />
wie eingezogen. Jetzt entsteht manchmal eine Pause,<br />
bei der alle Beteiligten überlegen sollen, ob sie<br />
ihre Entscheidung wirklich durchziehen wollen. Das<br />
auszuhalten kann manchmal schon anstrengend<br />
werden.<br />
Bei unserer letzten Aufnahme ging es um einen<br />
vierzehnjährigen Jungen, der in einer Auszeitfamilie<br />
untergebracht war, die selbst aber gerade in einer<br />
Anbahnung mit einem Kind ging. Bei diesem Jungen<br />
ging alles ganz schnell, nach zwei Wochen war er<br />
bei uns. Bei den anderen drei, die in einer Heimeinrichtung<br />
untergebracht waren, dauerte es 2/3/4 Monate<br />
vom Erstkontakt bis zur Aufnahme.<br />
Wie erleben Sie den Kontakt zu den leiblichen<br />
Eltern?<br />
Ganz verschieden. Ein Kind war inkognito untergebracht<br />
<strong>und</strong> hatte keinerlei Kontakt zu den Eltern.<br />
Ausgabe 80 23 KiM ®
Dadurch hat sich das Kind stärker an seine „neue“<br />
Familie geb<strong>und</strong>en.<br />
Unsere Zweite hat psychisch kranke Eltern. Die<br />
Kontakte zu den Eltern waren sehr schwierig, <strong>und</strong><br />
die Kontakte wirkten auf das Kind immer noch lange<br />
nach.<br />
Ein weiteres Kind hat auch regelmäßigen Kontakt zu<br />
den Eltern, der begleitet ist.<br />
Ihm tut es gut zu merken, dass er seinen Eltern<br />
wichtig ist. Daneben nimmt er seine Eltern mittlerweile<br />
auch differenzierter wahr <strong>und</strong> weiß, dass die<br />
Mutter lieb, nett aber auch labil ist. Auch den Vater<br />
sieht er nicht mehr als den coolen Millionär, der ihn<br />
auf Händen trägt, sondern eher als einen Blender,<br />
der ihm ganz viel erzählt <strong>und</strong> Versprechungen<br />
macht, die er nicht halten kann. Trotzdem hängt er<br />
an ihm.<br />
Inwiefern sind Ihre Eltern, Fre<strong>und</strong>e, Verwandte<br />
bei der Bewältigung des Alltags involviert?<br />
Unsere Eltern leben weit weg, so dass sie in den<br />
Alltag nicht involviert sind. Allerdings ist es schon<br />
etwas Besonderes, gerade wenn die <strong>Kinder</strong> kleiner<br />
sind, mal zur Oma zu dürfen.<br />
Da die <strong>Kinder</strong> wie eigene <strong>Kinder</strong> mit uns leben, halten<br />
sie sich natürlich im eigenen Fre<strong>und</strong>eskreis mit<br />
auf. Allerdings muss man mit aufgenommenen <strong>Kinder</strong>n<br />
manchmal sehr viel konsequenter als mit den<br />
eigenen sein, was einem manche Auseinandersetzung<br />
mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Angehörigen beschert.<br />
Gibt es noch persönliche Freiräume?<br />
Es kommt darauf an. In absoluten Stresszeiten hatte<br />
ich manchmal das Gefühl, überhaupt nicht mehr aus<br />
der Mühle herauszukommen <strong>und</strong> dann habe ich mir<br />
manchmal gewünscht, einfach weggehen zu können.<br />
In diesen Superstresszeiten hat es selten funktioniert,<br />
dass ich ein Wochenende zum Durchatmen<br />
freischaufeln konnte, dafür sorgten die <strong>Kinder</strong>.<br />
Haben sich dann einmal tatsächlich Möglichkeiten<br />
ergeben, sich voneinander zu erholen, konnte es<br />
sein, dass die <strong>Kinder</strong> plötzlich krank wurden <strong>und</strong> ich<br />
deshalb bei ihnen bleiben musste.<br />
Genauso gibt es aber auch Zeiten, in denen alles so<br />
toll läuft, dass ich schon fast ein schlechtes Gewissen<br />
hatte, dafür Geld zu bekommen.<br />
Ist es möglich als Profimutter eine weitere Teilzeitstelle<br />
zu haben?<br />
In Absprache mit der Erziehungsleitung ist es so,<br />
dass man wenn man ein Kind aufgenommen hat die<br />
Möglichkeit besteht einen weitere „halbe Stelle“ anzunehmen.<br />
So konnte ich zu manchen Zeiten mehr arbeiten <strong>und</strong><br />
in stressigen Zeiten zurückschrauben. Viele Profieltern<br />
arbeiten nebenbei als Tagesmutter oder studieren<br />
auch. Für mich war es immer wichtig, einen persönlichen<br />
Ausgleich für meine kleinen „Energiesauger“<br />
zu haben.<br />
Welche praktische Unterstützung bekommen Sie<br />
von der GfS?<br />
Die GfS nimmt den Profieltern die Arbeit mit den<br />
Herkunftseltern ab, so dass die Herkunftseltern nicht<br />
in die eigene Familie kommen um ihre <strong>Kinder</strong> zu<br />
sehen, sondern die Treffen finden meistens begleitet<br />
im Pädagogischen Zentrum (PZ) statt. Dies ist eine<br />
fühlbare Erleichterung für die meist traumatisierten<br />
aufgenommenen <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> bietet ihnen einen wirklichen<br />
weiteren Rahmen, gleichzeitig wird auch die<br />
eigene Privatsphäre gewahrt.<br />
Auch wird die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt<br />
von der Erziehungsleitung wahrgenommen, sodass<br />
man Unterstützung bei den Hilfeplänen <strong>und</strong> bei der<br />
Durchsetzung eigener Anliegen für die <strong>Kinder</strong> hat.<br />
Ich empfand das PZ immer als Ort an dem ich alles<br />
abladen konnte <strong>und</strong> belassen konnte.<br />
Mit wem tauschen Sie sich über die Arbeit aus?<br />
Jahrelang waren die wöchentlichen Erziehungskonferenzen<br />
im pädagogischen Zentrum sehr wichtig für<br />
mich. Dort bekam ich einmal von den anderen <strong>Kinder</strong>n<br />
zu hören, konnte aber genauso meine Probleme<br />
erzählen <strong>und</strong> durch die Gespräche eine neue<br />
Sichtweise <strong>und</strong> einen neuen Abstand bekommen.<br />
Mittlerweile, nach 13 Jahren, brauche ich nicht mehr<br />
so intensiven Austausch.<br />
Gibt es unter den Profieltern eine Kultur des gegenseitigen<br />
Unterstützens <strong>und</strong> Entlastens?<br />
Ja <strong>und</strong> Nein. Durch die in meiner Gruppe großen<br />
Entfernungen der anderen zu meinem Wohnort ist<br />
dieses „kurz mal eben“ nicht unbedingt der Fall. Ich<br />
hatte eine Kollegin, die eine Viertelst<strong>und</strong>e von mir<br />
entfernt wohnte. Mit ihr war das toll, da meine aufgenommenen<br />
mit ihren <strong>Kinder</strong>n eine Altersstruktur<br />
hatten. So konnten wir uns kindertechnisch gut unterstützen<br />
<strong>und</strong> dabei entwickelten sich auch viele<br />
Gespräche über Probleme mit den <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> ihre<br />
Lösungen. Leider ist diese Kollegin vor einigen Jahren<br />
in ein anderes B<strong>und</strong>esland gezogen, sodass wir<br />
uns jetzt nur noch hin <strong>und</strong> wieder telefonisch austauschen.<br />
Die Unterstützung hängt meines Erachtens, in erste<br />
Linie von der räumlichen Entfernung zu den anderen<br />
Profieltern ab.<br />
Was waren die größten Herausforderungen in<br />
Ihrer Arbeit mit den <strong>Kinder</strong>n?<br />
Jedes Kind hat mich auf ganz eigene Weise an neue<br />
Grenzen gebracht, die ich überschreiten musste.<br />
Unser erstes Kind war panisch-aggressiv in den<br />
ersten Jahren. Manchmal war er durch Auslöser, die<br />
ich nicht erkennen konnte, so außer sich, dass er<br />
ohne Intervention st<strong>und</strong>enlang geschrien <strong>und</strong> unsere<br />
Einrichtung zerlegt hätte, das Ganze bei einer Größe<br />
von ca. 1,20 m.<br />
Unser zweites Kind konnte sehr gut Intrigen spinnen.<br />
Sie kam erst mit 12 Jahren zu uns. Als wir spä-<br />
Ausgabe 80 24 KiM ®
ter mit ihr umgezogen waren <strong>und</strong> sie die Leute in der<br />
neuen Umgebung noch nicht so kannten, ging sie<br />
ans Werk:<br />
Sie kannte ganz schnell sämtliche Erwachsene der<br />
Umgebung <strong>und</strong> saß dauernd bei ihnen im Wohnzimmer,<br />
wenn sie unzufrieden war. Dort erzählte sie<br />
dann, wie schlimm wir sie hielten, wie im Gefängnis,<br />
<strong>und</strong> Kleidung <strong>und</strong> Essen würde sie auch nicht bekommen.<br />
In der ersten Zeit im neuen Dorf gab es<br />
viele Leute, die uns komisch beäugten, <strong>und</strong> manche<br />
Dinge kommen erst jetzt, 7Jahre nach ihrem Auszug,<br />
ans Licht.<br />
Was waren die größten Krisen? Wer hat sich für<br />
Sie in diesen Fällen als besonders hilfreich erwiesen?<br />
Als unser erstes aufgenommenes Kind ständig seine<br />
Panikattacken mit Zerstörungswut <strong>und</strong> Geschrei<br />
bekam, war ich irgendwann mit den Nerven zu Fuß<br />
<strong>und</strong> habe ihn eines Tages aus lauter Verzweiflung<br />
am Boden festgehalten <strong>und</strong> seine Arme <strong>und</strong> Beine<br />
umklammert , um mich vor ihm zu schützen. Das tat<br />
ihm unerklärlicherweise gut, aber ich hatte ein<br />
schlechtes Gewissen, nutzte diese Möglichkeit aber<br />
trotzdem weiter.<br />
Eine Psychologin erklärte mir, dass dieses Festhalten<br />
für den Jungen eine super Erleichterung sei, da<br />
er dadurch das Vertrauen bekommt, dass es einen<br />
Menschen auf der Welt gibt, der ihn halten kann.<br />
Also hatte ich ihn nicht „gebrochen“, war unendlich<br />
erleichtert, nutzte das Festhalten noch 2-3 Jahre<br />
<strong>und</strong> brauchte es später nicht mehr (auch war er<br />
dann zu groß <strong>und</strong> kräftig geworden).<br />
Auch später, wenn es für mich unverständliche Probleme<br />
gab <strong>und</strong> ich wegen eines Kindes zur Psychologin<br />
ging, halfen mir diese Gespräche sehr, da ich<br />
dadurch immer mal wieder von außen auf die Situation<br />
sehen konnte. Ich denke, gerade wenn man so<br />
bedürftige <strong>und</strong> anstrengende <strong>Kinder</strong> hat, ist es gut,<br />
auf ein Netzwerk zu bauen mit Lehrern, Psychologen,<br />
z.T. Ergotherapeuten <strong>und</strong> am besten noch mit Kollegen<br />
in der Nähe, denn auch in seiner ganzen Professionalität<br />
kommt man an seine Grenzen.<br />
Was waren besondere Momente / Highlights?<br />
Welche Entwicklungsschritte haben Sie besonders<br />
beeindruckt?<br />
Im täglichen Leben gibt es neben Frustmomenten<br />
auch eine ganze Menge kleinerer Highlights. Mit<br />
einem Kind hatte ich besonderen Stress, weil er<br />
seine Hausaufgaben selten <strong>und</strong> wenn, dann<br />
schlecht machte, obwohl er eigentlich ein einigermaßen<br />
guter Schüler hätte sein können. Nachdem<br />
diese normalen Sachen über Jahre nicht funktionierten<br />
bekam er die Aufgabe, allein dafür zuständig zu<br />
sein, jede einzelne St<strong>und</strong>e, ob mit Hausaufgaben<br />
oder nicht, vom jeweiligen Lehrer abzeichnen zu<br />
lassen. Fehlte nur eine St<strong>und</strong>e, so konnte er am Tag<br />
weder spielen gehen noch fernsehen. Nach einem<br />
halben Jahr klappte es durchgängig mit Spielen<br />
gehen, nach zwei Jahren holte er sich noch immer<br />
die Unterschriften der Lehrer, obwohl ich das Heft<br />
gar nicht mehr nachsah <strong>und</strong> zusätzlich übte er freiwillig<br />
für Arbeiten, die anstanden, schrieb bessere<br />
Arbeiten <strong>und</strong> möchte nun dringend auf die Realschule.<br />
Ein wirkliches Highlight ist unser Ältester. Mittlerweile<br />
ist er 19 Jahre alt <strong>und</strong> wohnt seit 5 Jahren nicht<br />
mehr bei uns, jedoch noch immer in der Nähe. Er<br />
hält mehr oder weniger regelmäßig den Kontakt zu<br />
uns. Er gerät zwar noch immer regelmäßig in merkwürdige<br />
Umstände <strong>und</strong> ebensolche Bekanntenkreise,<br />
kriegt aber immer wieder die Kurve in ein „anständiges“<br />
Leben <strong>und</strong> freut sich, dass er wider Erwarten<br />
zum Sommer eine Lehrstelle antreten kann.<br />
Was hat Sie persönlich am Konzept der KJHB<br />
überzeugt?<br />
Was hat Ihnen dabei geholfen, sich für die Profifamilie<br />
® zu entscheiden?<br />
Anfangs orientierte ich mich über die unterschiedlichen<br />
Träger, die eine vergleichbare Tätigkeit anbieten.<br />
In meiner Gegend gibt es zwei große andere<br />
Träger, bei denen ich mich damals informiert hatte.<br />
Beide Träger zahlten besser.<br />
Bei beiden waren <strong>Kinder</strong> auf jeweils zwei Jahre untergebracht<br />
<strong>und</strong> die Herkunftseltern hatten die Möglichkeit,<br />
die <strong>Kinder</strong> in deren Lebensraum zu besuchen<br />
<strong>und</strong> dort selbst auch zu übernachten. Das wäre<br />
allerdings dann auch mein Lebensraum gewesen<br />
<strong>und</strong> das konnte ich mir nicht vorstellen.<br />
Ich finde es einfach gut, dass bei unserer Einrichtung<br />
die Kontakte zu den Herkunftseltern <strong>und</strong> auch<br />
zum Jugendamt außerhalb des Privatbereichs stattfinden,<br />
sodass ich mich zuhause fühlen kann <strong>und</strong><br />
die <strong>Kinder</strong> in meinen Privatbereich hineinlasse. Mit<br />
all den Menschen, die bei anderen Trägern ein Anrecht<br />
auf mein Privatleben hätten haben wollen,<br />
wäre ich nicht glücklich geworden.<br />
Sind Sie glücklich mit den <strong>Kinder</strong>n, die Sie aufgenommen<br />
haben?<br />
Ja, das bin ich. Ich habe jetzt insgesamt 4 <strong>Kinder</strong><br />
aufgenommen, immer jeweils 2. Und irgendwie<br />
passten sie immer zu unserer jeweiligen Lebenssituation.<br />
Unsere ersten beiden waren, um es mal so<br />
zu sagen, wirklich schwierig. Die beiden jetzigen<br />
sind leichter im Umgang.<br />
Das<br />
Erziehungsleiter<br />
-Team der GfS<br />
Lüneburg<br />
Andrea Schmitz-Köster Detlev Arlt<br />
Ausgabe 80 25 KiM ®
Die Entstehungsphase der GfS Münster ist gekennzeichnet<br />
durch das Motto:<br />
• „Alles braucht seine Zeit“ in Verbindung mit<br />
• „Wir sind ein Teil des/vom Ganzen“.<br />
Als im Juli 2009 meine Tätigkeit in Münster begann<br />
waren bereits die Räumlichkeiten mit Inventar gut<br />
ausgestattet vorhanden. Neben dem Konferenzraum<br />
war bereits ein Büro mit integriertem Küchenbereich<br />
vorhanden. Jetzt im Jahr 2011 haben sich die<br />
Räumlichkeiten erweitert<br />
Aus den durchgeführten Vorbereitungskursen nach<br />
hausinternem Curriculum sind neun Plätze für Unterbringungsmöglichkeiten<br />
für <strong>Kinder</strong> mit <strong>Jugendhilfe</strong>bedarf<br />
entstanden. Eine weitere vorbereitete Profifamilie<br />
® geht zunächst noch in eigene Prozesse um<br />
für eine Aufnahme eines Kindes bereit zu sein. Profifamilien<br />
® mit unterschiedlichen Ressourcen sind<br />
ihrem Profil gemäß zur Aufnahme von ein oder zwei<br />
<strong>Kinder</strong>n bereit. Jede Mitarbeiterin <strong>und</strong> Mitarbeiter<br />
haben ihre Qualität mit in die GfS Münster hineingebracht.<br />
Die eigene Beruflichkeit, das familiäre Miteinander<br />
im eigenen System <strong>und</strong> auch die Dynamik<br />
im zukünftigen kollegialen Miteinander wurden mit<br />
den Leitzielen des Trägers <strong>Backhaus</strong> in Einklang<br />
gebracht. Beeindruckend war das Engagement der<br />
Einzelnen in den Vorbereitungskursen. Die Partner<br />
der zukünftigen Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen<br />
wurden „nicht mitgebracht“, sondern erkannten die<br />
Notwendigkeit des „Mitmachens“, dies in Ihrer Rolle<br />
<strong>und</strong> der Unterstützerfunktion.<br />
Heute sind bereits zwei <strong>Kinder</strong> in Profifamilien ® der<br />
GfS Münster untergebracht. Mehrere Profifamilien ®<br />
befinden sich im Prozess der Anbahnung. Eine Teilnahme<br />
an den kontinuierlich stattfindenden Erziehungskonferenzen<br />
wird jedoch auch von den noch<br />
nicht belegten Familien möglich gemacht. Kollegiale<br />
Beratung in dem multidisziplinären Team wird heute<br />
schon bereits umgesetzt. Die anstehende Teilung<br />
der Erziehungskonferenz in zwei Gruppen wird<br />
durch die Mitarbeiter getragen. Jedoch wird der<br />
Wunsch geäußert auch Kontakt zu den Kollegen aus<br />
der anderen Konferenz beizubehalten. Sicherlich<br />
werden dann hier die hausinternen Fortbildungen,<br />
Familienprojekte <strong>und</strong> erziehungskonferenzübergreifende<br />
Themen dazu beitragen den Kontakt zu den<br />
anderen Mitarbeitern zu pflegen <strong>und</strong> umzusetzen.<br />
Zu der im niedersächsischen Emsland liegenden<br />
Hauptverwaltung des <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong>verb<strong>und</strong>es<br />
<strong>Backhaus</strong>, empfinden die Mitarbeiter eine<br />
GfS Münster<br />
Aufbau seit Juli 2009<br />
Zugehörigkeit <strong>und</strong> fühlen sich mit dem Träger verb<strong>und</strong>en.<br />
In Erinnerung ist mir eine Situation innerhalb<br />
des Betriebserlaubnisverfahrens. Der zuständige<br />
Kollege aus der Heimaufsicht fragte die Profimutter<br />
warum Sie sich geradewegs für den Träger<br />
<strong>Backhaus</strong> entschieden habe. Neben der Qualität der<br />
halbjährlichen Vorbereitung, das Leitziel KiM ® (Kind<br />
im Mittelpunkt), das gute Miteinander innerhalb des<br />
Mitarbeiterstamms, die regelmäßige Möglichkeit<br />
einer Begleitung durch die Erziehungsleitung wie<br />
innerhalb der regelmäßig stattfindenden Erziehungskonferenzen<br />
wurde die familiäre Ausprägung<br />
des Trägers - die Familie <strong>Backhaus</strong> benannt.<br />
Innerhalb des Kolloquiums vom Juni 2010 wurden<br />
symbolisch die Zugehörigkeit zum Träger <strong>und</strong> die<br />
Qualität der eigenen Arbeit durch den Bau des „besonderen<br />
Hauses“ dargestellt. Benannt wurde: „Zunächst<br />
einmal hat jedes Haus hat ein F<strong>und</strong>ament.<br />
„Wir sehen <strong>Backhaus</strong> als F<strong>und</strong>ament - mit seiner<br />
Haltung, mit dem Konzept <strong>und</strong> seine Qualität“. Unser<br />
Haus ist gebaut aus Steinen. Wir sind die Steine <strong>und</strong><br />
„wir sind ein Teil des Ganzen“. „Unsere Erziehungsleitung<br />
ist für uns das Dach. Durch unser Dach werden<br />
wir ein Ganzes…“ (Kolloquium 14.6.2010).<br />
Zwei Vorbereitungskurse, zwei <strong>Kinder</strong> in zwei Profifamilien<br />
® , mehrere vorbereitete Familien in Anbahnungsprozessen<br />
- sind im Moment das Resultat aus<br />
der Zeit ab Juni 2009. Weitere Familiensysteme sind<br />
in Informationsgesprächen vor Ort in Münster - <strong>und</strong><br />
werden eventuell am nächsten Vorbereitungsseminar<br />
nach hausinternem Curriculum teilnehmen. Der<br />
Aufbau der GfS Münster ist weiterhin im Prozess.<br />
Im Mai findet wieder das Frühlingsfest in Meppen<br />
statt. Die vorbereiteten <strong>und</strong> tätigen Profifamilien ®<br />
werden dann vor Ort sein <strong>und</strong> die Fortbildungsveranstaltung<br />
am Nachmittag mit dem anschließenden<br />
geselligen Beisammensein ausfüllen.<br />
Ein Kennenlernen der Profifamilien<br />
® aus den anderen GfS wird<br />
dann u.a. Thema sein.<br />
Ulrike Kunze<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Münster<br />
Danken möchte ich der Profimutter Ulrike B. <strong>und</strong> Ilka<br />
S., die ein geführtes Telefonat niedergeschrieben <strong>und</strong><br />
zur Verfügung stellen. Die „Telefonschnagge“ spiegelt<br />
u.a. das Motto „Alles braucht seine Zeit“ wieder.<br />
Ein Gespräch zwischen zwei Profifamilien ® aus dem PZ Münster<br />
Wie alles begann….<br />
Ein Rückblick mit Zukunftsgedanken<br />
Ilka <strong>und</strong> Ulli,<br />
ein „Telefongeschnagge“…..<br />
Weißt du noch, wie du dich bei <strong>Backhaus</strong> beworben<br />
hast?? Man was war ich aufgeregt!!! Ich fand das<br />
Ausgabe 80 26 KiM ®
Konzept ja sehr gut…<br />
Echt?? Ich auch. KiM ® ! Kind im Mittelpunkt. Alleine<br />
dieser Satz hat mich mitgerissen…<br />
Ja das hat mir auch super gefallen. Weil es ja auch<br />
so ist. Im Vordergr<strong>und</strong> steht nun mal das Kind, welches<br />
in meine Familie kommt…<br />
Eben…<br />
Und als ich Frau Kunze kennengelernt habe, wusste<br />
ich erst gar nicht, was auf mich zukommt. Ich hatte<br />
mich zwar auf der Internet Seite informiert, aber das<br />
ist ja nicht dasselbe. Mein Mann war am Anfang<br />
nicht davon überzeugt, dass wir das mit dem Kind<br />
aufnehmen schaffen….<br />
Ja das kenne ich. So ging es mir auch erst, aber<br />
schon nach kurzer Zeit im Gespräch mit ihr wurde<br />
mir immer wohler. Frau Kunze erklärte mir <strong>und</strong> meinem<br />
Mann, was das Pädagogische Zentrum (PZ)<br />
alles leistet, wir eine Vorbereitungsphase haben <strong>und</strong><br />
das wir nicht alleine gelassen werden. …<br />
Genau. Es wurde gut dargestellt, was da auf uns<br />
zukommt <strong>und</strong> was ich noch gut fand, das da echt<br />
verschiedene Berufe die gleiche Arbeit haben. So<br />
etwas fördert den Informationsaustausch <strong>und</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
legt da großen Wert drauf. Ich meine Sozialpädagogen<br />
<strong>und</strong> zum Beispiel Erzieher ergänzen<br />
sich in vielen Themen. Sie haben alle das gleiche<br />
Ziel…<br />
Ja das finde ich auch. Sozialpädagogen, Erzieher,<br />
Ergotherapeuten <strong>und</strong> Heilerziehungspfleger. Da<br />
kann man sich gut austauschen, wenn ich eine Frage<br />
habe <strong>und</strong> umgekehrt...<br />
So ist es. Ich fand ja schon den Vorbereitungskurs<br />
sehr gut <strong>und</strong> super informativ. Die ganzen Themen<br />
die wir alle zusammen erarbeitet haben <strong>und</strong> auch<br />
mal was zu Hause machen mussten. So für uns<br />
alleine arbeiten <strong>und</strong> sich hier noch mal mit einem<br />
Thema auseinander zu setzen. Das intensiviert. ….<br />
Ich weiß noch, als wir uns gegenseitig vorstellen<br />
sollten, also das erste Gespräch mit den Kursteilnehmern.<br />
Da haben wir uns alle sehr schwer getan.<br />
Ich kam mir vor wie in der Schule. So viel <strong>und</strong> laut<br />
habe ich schon lange nicht mehr gelacht. Was dabei<br />
alles raus kam….<br />
Ja das weiß ich noch. Aber es hat uns gut zusammen<br />
geschweißt. Ich möchte keinen davon missen<br />
<strong>und</strong> es hatte den Vorteil, dass wir uns nicht selber<br />
vorstellen mussten, denn da fehlt sonst immer die<br />
Hälfte....<br />
Da sagst du was. Unsere Männer haben es zu Anfang<br />
schwer empf<strong>und</strong>en. Am besten hat mir das<br />
Mobile bauen gefallen. Da habe ich die Familien<br />
näher kennen gelernt <strong>und</strong> mein Mann wusste nicht<br />
wie ihm geschieht. Aber so konnte er sich auf die<br />
Situation einstellen, wenn ein Kind in der Familie ist,<br />
auch mal zu basteln …<br />
Ja, da hat meiner auch erst komisch geguckt. Hat es<br />
aber brav mitgemacht <strong>und</strong> wir hatten echt viel Spaß.<br />
Oder, das Biografie Wochenende, ne, was haben<br />
wir da gelacht. Man hat sich <strong>und</strong> seine Familie <strong>und</strong><br />
deren Angehörigen mal näher betrachtet. Da ist sehr<br />
viel bei rausgekommen. Und es hat uns noch näher<br />
zusammen gebracht, da wir alle mitgemacht haben,<br />
zusammen geschaut haben, wo es Parallelen gibt<br />
<strong>und</strong> so. Klasse…<br />
Richtig. Das hätte ich jetzt fast schon vergessen.<br />
Man was die Zeit läuft…Ja da sagst du was…Weißt<br />
du was ich auch noch super fand?...<br />
Nee sag mal…<br />
Das auch Alleinerziehende dabei sind. Das auch<br />
<strong>Kinder</strong>, die zum Beispiel mit Männern nicht umgehen<br />
können auch in eine Familie vermittelt werden<br />
<strong>und</strong> das es Menschen gibt, die sich das zutrauen.<br />
Hut ab. Ich bin froh, dass mein Mann da ist. Aber sie<br />
sind durch die Erziehungskonferenzen <strong>und</strong> Frau<br />
Kunze ja nicht ganz alleine. Und wir haben ja auch<br />
mittlerweile privat miteinander zu tun. Da kann man<br />
sich auch gegenseitig helfen.<br />
Das ist richtig gut <strong>und</strong> mutig. Ich fühle mich eh wie<br />
ein Teil vom Ganzen. Das hat man ja beim Kolloquium<br />
gesehen. Die Themen waren heftig <strong>und</strong> anstrengend,<br />
welcher Pädagoge spricht alltäglich über<br />
missbrauchte <strong>Kinder</strong> oder FAS. Ich habe bemerkt:<br />
Jeder hat zugehört <strong>und</strong> sich Gedanken gemacht.<br />
Das Puzzle war auf einmal ganz. Weißt du?? Erst<br />
nur wir, dann die anderen Teilnehmer, die anderen<br />
Kurse <strong>und</strong> jetzt alle auf einmal. Wie ein Puzzle<br />
halt…<br />
Genau, da war keiner außen vor. Jeder hatte die<br />
Chance sich vorzustellen <strong>und</strong> sich ein Bild von den<br />
anderen Teilnehmern zu machen. Aber das mit dem<br />
Puzzle finde ich gut. Es kamen immer mehr Teile.<br />
Nur noch eines fehlt….Das Kind, aber das kommt<br />
noch…<br />
Das wir hier die anderen Gruppen kennen gelernt<br />
haben <strong>und</strong> auch das Ehepaar <strong>Backhaus</strong>, hat sich so<br />
richtig in mein Gedächtnis eingeprägt. Ich war ganz<br />
schön stolz auf mich <strong>und</strong> uns, dass wir alle an einem<br />
Strang gezogen haben…<br />
Ja, das stimmt. Bei mir ist es genauso. Im Moment<br />
finde ich die Erziehungskonferenzen gut. Erst mal<br />
sehen wir uns alle wieder <strong>und</strong> wir können den Fortschritt<br />
in den Familien sehen <strong>und</strong> darüber reden,<br />
also wer wie weit in den Prozess gegangen ist <strong>und</strong><br />
wer schon in der Anbahnung ist…<br />
Ist zwar erst ein Kind da in unserer Gruppe, aber<br />
hier gibt es ja viel zu reflektieren <strong>und</strong> zu berichten.<br />
Das zweite Kind zieht ja auch bald ein… Das letzte<br />
Thema war gut. Da konnte ich viel Rückschlüsse<br />
ziehen für unseren eigenen Prozess. Ich habe mich<br />
um die passsende Schule zu finden informiert….<br />
Ja, bei dem Thema Schule … da kamen so alle in<br />
Fahrt. Jeder konnte was dazu sagen <strong>und</strong> hatte Beispiele.<br />
Da war er wieder, der Informationsfluss.<br />
Richtig. Und durch die Beratung von Frau Kunze<br />
wurde das Problem gelöst. Das macht mich immer<br />
sicherer, dass ich im PZ gut aufgehoben bin. Ich bin<br />
Ausgabe 80 27 KiM ®
mal gespannt ob sich das Jugendamt bei Frau Kunze<br />
gemeldet hat. Bin schon ganz nervös. Wann zieht<br />
wohl ein Kind bei uns ein <strong>und</strong> was bringt es mit. Ich<br />
finde das so spannend…<br />
Es braucht so seine Zeit. Ich bin ja auch „neun Monate<br />
schwanger“ <strong>und</strong> weiß nicht, was das Kind welches<br />
dann irgendwann zu uns kommt mitbringt. Aber<br />
ich bin auch aufgeregt <strong>und</strong> am liebsten hätte ich<br />
einen kleinen Zwerg schon hier…<br />
Oh ja richtig, so sehe ich das auch. …<br />
Immerhin wurden <strong>und</strong> werden wir nicht ins kalte<br />
Wasser geschmissen. Ich weiß was da auch auf<br />
mich zukommt <strong>und</strong> ich kann euch um Hilfe bitten<br />
Das Pädagogische Zentrum (PZ) der GfS (Gesellschaft<br />
für familienorientierte Sozialpädagogik)<br />
Oldenburg besteht seit 12 Jahren. Ländlich gelegen<br />
<strong>und</strong> nach einem Umzug 2006 in einem renovierten<br />
Bauernhaus in Huntlosen bietet es Platz für alle<br />
Bedürfnisse. Neben den regelmäßig stattfindenden<br />
Erziehungskonferenzen können hier ungestört die<br />
GfS Oldenburg<br />
Unser PZ in Huntlosen Karen Heimberg, Petra Schmackpfeffer<br />
Kontakte der <strong>Kinder</strong> zur Herkunftsfamilie begleitet<br />
<strong>und</strong> auf neutralem Boden stattfinden. Hierfür steht<br />
u.a. ein Kickerraum, ein Spielzimmer, ein Gruppenraum<br />
<strong>und</strong> die Wohnküche zur Verfügung. Draußen<br />
gibt es eine Fußballwiese mit Toren, einen Sand-<br />
<strong>und</strong> durch das PZ habe ich immer eine Fachperson<br />
im Hintergr<strong>und</strong>…<br />
Das ist es, was mich sehr sicher macht. Ich weiß,<br />
dass jemand da ist, wenn es Schwierigkeiten gibt…<br />
Mal sehen wann wir ein Kind aufnehmen…<br />
Ja ich bin auch schon gespannt…<br />
So lange wird es wohl nicht mehr dauern, oder?...<br />
Ne, glaube ich nicht. Wir werden sehen…<br />
Ja das werden wir…<br />
Wir sehen uns bei der nächsten Erziehungskonferenz…<br />
Jupp…. Also bis denn… denke dran<br />
….Alles braucht seine Zeit!!!...<br />
kasten, Schaukel <strong>und</strong> Rutsche sowie eine Tischtennisplatte.<br />
Auch für Hilfeplangespräche <strong>und</strong> Vorbereitungskurse<br />
für Bewerber wird das PZ genutzt. Huntlosen<br />
hat einen eigenen Bahnhof, so dass das PZ<br />
auch mit der Bahn gut erreichbar ist.<br />
Bei der jährlich stattfindenden Sommerfreizeit mit den<br />
aufgenommenen <strong>Kinder</strong>n übernachten alle auf der<br />
Wiese in großen Zelten, in der<br />
Scheune ist der „Speisesaal“, auf<br />
dem Gr<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> in der Umgebung<br />
finden zahlreiche Aktivitäten<br />
<strong>und</strong> Ausflüge statt.<br />
In der GfS Oldenburg arbeiten 2<br />
Erziehungsleiterinnen, Frau<br />
Schmackpfeffer seit gut 7 Jahren<br />
<strong>und</strong> ich seit Februar 2010.<br />
Zur GfS Oldenburg gehören zurzeit<br />
20 Profifamilien ® , in denen<br />
27 aufgenommene <strong>Kinder</strong> leben. Drei Plätze in Profifamilien<br />
® sind noch frei. Zurzeit findet ein Vorbereitungskurs<br />
statt, in dem sich interessierte Familien<br />
mit der Frage beschäftigen, ob sie ein Kind aufnehmen<br />
möchten <strong>und</strong> sich auf diese Aufgabe vorbereiten<br />
<strong>und</strong> vorbereitet werden.<br />
„Aber ich hab dir doch alles gegeben!“<br />
Belastete <strong>Kinder</strong> verstehen <strong>und</strong> im Alltag begleiten<br />
Interne Fortbildung der GfS Oldenburg<br />
Die GfS Oldenburg veranstaltete am 12.03.2011<br />
eine ganztägige interne Fortbildung mit dem oben<br />
genannten Thema. 20 Familien der GfS Oldenburg<br />
nahmen an der Fortbildung teil, zum Teil auch mit<br />
Partnern. Auch zwei neue Profifamilien ® in Anbahnung<br />
nahmen engagiert teil. Der Abteilungsleiter<br />
Herr Robben nutzte die Fortbildung, um die Profifamilien<br />
® der GfS Oldenburg kennenzulernen.<br />
Der Referent Peter Rudolph (Bild<br />
rechts), Diplom-Sozialwissenschaftler,<br />
der u.a. Supervisor,<br />
Heilpraktiker für Psychotherapie<br />
sowie lehrender Transaktionsanalytiker<br />
im Oldenburger Institut<br />
für Weiterbildung, Beratung <strong>und</strong><br />
Psychotherapie (OLIW) ist, gestaltete<br />
den Tag lebendig mit<br />
Herr Rudolf<br />
Vorträgen, Arbeitsgruppen <strong>und</strong> Fallbesprechungen.<br />
Ausgabe 80 28 KiM ®
Im ersten Teil der Fortbildung ging es vor allem darum,<br />
das eigene Verhalten im Umgang mit anderen,<br />
z.B. den uns anvertrauten <strong>Kinder</strong>n, zu verstehen <strong>und</strong><br />
zu analysieren. Ziel dabei ist es, festgefahrene Muster<br />
<strong>und</strong> Rollen zu erkennen <strong>und</strong> eigene Möglichkeiten<br />
zu sehen, aus Mustern auszusteigen, z.B. um bei <strong>Kinder</strong>n<br />
Entwicklungen zu sehen, anerkennen zu können,<br />
anzustoßen o.ä.. Die Ich-Zustände werden bezeichnet<br />
als<br />
Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich<br />
<strong>und</strong> Kind-Ich.<br />
Jeder Mensch,<br />
auch ein Kind,<br />
verfügt über die<br />
drei Ich-Zustände.<br />
In jeder Situation<br />
agieren<br />
wir aus einem der Ich-Zustände heraus. Es ist oft<br />
hilfreich zu verstehen, aus welchem Ich-Zustand heraus<br />
wir oder unsere Gegenüber oft handeln, welche<br />
Reaktionen darauf oft erfolgen (Transaktionen), um<br />
eigene Veränderungsmöglichkeiten zu erkennen.<br />
Im zweiten Teil der Fortbildung ging es um die Frage,<br />
warum es vielen der uns anvertrauten <strong>Kinder</strong> so<br />
schwer fällt, für sich gute Entscheidungen zu treffen,<br />
Fürsorglichkeit anzunehmen, warum sie trotz besseren<br />
Wissens immer wieder in bestimmte Situationen<br />
geraten, provozieren, einen erreichten Erfolg zerstören<br />
oder oder oder. Dazu stellte Herr Rudolph das<br />
Modell des Scripts vor. Mit Script bezeichnet die<br />
Transaktionsanalyse den individuellen Lebensplan<br />
eines Menschen, der aufgr<strong>und</strong> unserer frühen Erfahrungen<br />
<strong>und</strong> der Erwartungen <strong>und</strong> Einflüsse der Eltern<br />
<strong>und</strong> Bezugspersonen unbewusst entworfen wird.<br />
Das Script beinhaltet Aussagen über unsere Daseinsberechtigung,<br />
über die Art, wie wir denken,<br />
fühlen <strong>und</strong> handeln, über die Art, was wir meinen,<br />
wie andere dies tun, über die Art, wie die Welt funktioniert<br />
<strong>und</strong> über die Qualität des Lebens sowie über<br />
den Wert von uns selbst <strong>und</strong> anderen in der Welt.<br />
Der Lebensplan entsteht unbewusst in seinen<br />
Gr<strong>und</strong>zügen in der Regel bereits vor dem sechsten,<br />
meist in seinen wesentlichen Inhalten sogar bis zum<br />
dritten Lebensjahr.<br />
Neben konstruktiven <strong>und</strong> destruktiven elterlichen<br />
Botschaften <strong>und</strong> Erfahrungen wird der Lebensplan<br />
auch durch äußere Umstände <strong>und</strong> eigene Entscheidungen<br />
geprägt.<br />
Einschärfungen (destruktive Botschaften) <strong>und</strong> Antreiber<br />
(restriktive Botschaften der Eltern) sind Inhalte<br />
des Scripts, die das Denken, Fühlen <strong>und</strong> Handeln<br />
sowie die Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen<br />
beeinflussen.<br />
Einschärfungen sind z.B. „Sei nicht!“ (z.B. bei unerwünschten<br />
<strong>Kinder</strong>n), „Denke nicht!“ (z.B. wenn<br />
Nachdenken ein Problem aufdecken würde oder das<br />
Kind nicht klüger sein darf als ein Geschwister o.ä.),<br />
„Sei nicht wichtig!“<br />
(bei <strong>Kinder</strong>n,<br />
die gelernt<br />
haben, ihre Bedürfnissezurückzustellen).<br />
Die Transaktionsanalyse<br />
kennt<br />
12 solcher Einschärfungen.<br />
Mit Hilfe des Modells der Einschärfungen<br />
ist z.B. zu verstehen, wenn ein Kind sein liebstes<br />
Spielzeug immer wieder kaputtmacht, da es z.B.<br />
durch der Einschärfung „Sei nicht wichtig“ in der Frage,<br />
ob das Kind es wert ist, gute Dinge zu haben, zu<br />
dem Ergebnis gekommen sein kann, dass dies nicht<br />
der Fall ist.<br />
Antreiber sind z.B. „Sei stark“, „Beeile dich“ oder<br />
„Mach´s mir recht!“. Das Kind fühlt sich nur dann mit<br />
sich selbst <strong>und</strong> der Welt wohl <strong>und</strong> angenommen,<br />
wenn es seine Antreiber erfüllt.<br />
In Gruppenarbeit wurde die Arbeit <strong>und</strong> die Anwendung<br />
der Modelle an Beispielen aus der Praxis geübt<br />
<strong>und</strong> anschließend im Plenum ausgewertet <strong>und</strong><br />
ergänzt. Diese Phase hatte supervisorischen Charakter<br />
<strong>und</strong> konnte zu einigen „Aha-Erlebnissen“ zum<br />
Verständnis der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> zu den eigenen Verhaltensmöglichkeiten<br />
führen.<br />
Es kam unter anderem zu einer angeregten Diskussion<br />
über die Aussage von Herrn Rudolph, dass wir<br />
im Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen der<br />
<strong>Kinder</strong> als Helfer <strong>und</strong> Profieltern niemals hilflos sind,<br />
sondern immer Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsmöglichkeiten<br />
haben- sei es eine hilfreiche Intervention,<br />
das Aufsuchen von anderen Helfern, eine Veränderung<br />
unserer eigenen Meinung zu einem Verhalten<br />
oder die Entscheidung, nichts zu verändern <strong>und</strong> z.B.<br />
„auszuhalten“ oder zu warten. Wichtig ist es, als<br />
Helfer eine professionelle Entscheidung zu treffen.<br />
Der Fachtag wurde von den anwesenden Profifamilien<br />
® als sehr anregend <strong>und</strong> weiterbringend empf<strong>und</strong>en.<br />
Die Modelle erleichtern im Alltag, aus Dynamiken<br />
auszusteigen, sich zu hinterfragen <strong>und</strong> die Metaebene<br />
einzunehmen. Zum Teil wurden sie schon<br />
direkt in den nächsten Erziehungskonferenzen<br />
fruchtbar angewendet.<br />
Die Erziehungskonferenz-übergreifende Zusammenarbeit<br />
wurde von den Profifamilien ® wieder als<br />
sehr positiv <strong>und</strong> fruchtbar erlebt <strong>und</strong> der Wunsch<br />
nach häufigerem Austausch in größerer R<strong>und</strong>e lebte<br />
wieder auf, was wir mit einem gemeinsamen Arbeitsfrühstück<br />
aller MitarbeiterInnen noch vor Ostern<br />
starten konnten.<br />
Die Verpflegung für den Fachtag<br />
war vom Café KiM ® Gruppenarbeit<br />
zubereitet <strong>und</strong><br />
sehr lecker, vielen Dank an Herrn<br />
Stover <strong>und</strong> Team!<br />
Karen Heimberg<br />
Erziehungsleiterin<br />
GfS Oldenburg<br />
Ausgabe 80 29 KiM ®
„Ich habe mehr als eine Familie!“<br />
Besuchskontakte der <strong>Kinder</strong> aus Profifamilien ®<br />
- Mit einem Interview eines Jugendlichen -<br />
In unserer Einrichtung wird der Arbeit mit der Herkunftsfamilie<br />
eine wichtige Funktion zugeschrieben,<br />
denn aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir,<br />
dass alle <strong>Kinder</strong> eine Sehnsucht nach der Wahrheit<br />
ihrer Vergangenheit in sich tragen. In unserer Konzeption<br />
heißt es dazu: „<strong>Kinder</strong>, die mit einer Lebenslüge<br />
aufwachsen <strong>und</strong> ihre Geschichte leugnen, können<br />
sich nicht zu einer authentischen Persönlichkeit<br />
entwickeln. Durch Versöhnung mit dem eigenen<br />
Schicksal verliert die Brisanz der Vergangenheit an<br />
Einfluss auf die Gegenwart. Deshalb stellt die Elternarbeit<br />
einen wichtigen Teil der pädagogischen<br />
Arbeit dar. … Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie<br />
orientiert sich an der Sicht des Kindes. Die Herkunftsfamilie<br />
gehört zum Leben des jungen Menschen.“<br />
Für den Bereich der Profifamilien ® (Erziehungsstellen)<br />
nimmt die Erziehungsleitung die Zusammenarbeit<br />
mit der Herkunftsfamilie in die Hand, organisiert<br />
Kontakte <strong>und</strong> steht als Ansprechpartner allen Verwandten<br />
des Kindes zur Verfügung. Wenn es möglich<br />
ist, lernen die Eltern vor der Aufnahme des Kindes<br />
die Profifamilie ® kennen. Besuche zwischen<br />
dem Kind <strong>und</strong> der Herkunftsfamilie finden in der<br />
Regel in Begleitung der Erziehungsleitung <strong>und</strong> einem<br />
Profielternteil in dem zuständigen Pädagogischen<br />
Zentrum unserer Einrichtung statt. Für das<br />
Kind bleibt so sein neues Zuhause in der Profifamilie<br />
® ein geschützter Rahmen. Die Pädagogischen<br />
Zentren haben fast alle einen Garten <strong>und</strong> verfügen<br />
über vielfältige Spiel- <strong>und</strong> auch Rückzugsmöglichkeiten;<br />
sie bieten sich als neutrale Begegnungsstätten<br />
an, um möglichen Belastungen im Beziehungsgeflecht<br />
Herkunftsfamilie-Kind-Profifamilie ® entgegen<br />
zu wirken. Gr<strong>und</strong>sätzlich sind die Treffen aber<br />
auch an anderen Orten möglich, sofern dies im Interesse<br />
des Kindes liegt.<br />
Garten mit Spielgeräten des Pädagogischen Zentrums<br />
Oldenburg<br />
Hier nun ein kleiner Einblick in den Umfang meiner<br />
Arbeit als Erziehungsleiterin mit den Herkunftsfamilien:<br />
Ich bin seit über 7 Jahren bei der GfS Oldenburg<br />
tätig <strong>und</strong> betreue zurzeit 19 aufgenommene<br />
<strong>Kinder</strong> in Profifamilien ® . Von diesen <strong>Kinder</strong>n hat die<br />
Hälfte regelmäßig jeden Monat einen Besuchskontakt<br />
mit ihren Verwandten, zumeist sind es die Eltern,<br />
entweder kommen Mutter <strong>und</strong> Vater gemeinsam<br />
oder aufgr<strong>und</strong> von Trennungen auch abwechselnd.<br />
Diese Eltern leben in stabilen Lebensverhältnissen<br />
<strong>und</strong> haben konstant ein großes Interesse an<br />
Kontakt zu ihren <strong>Kinder</strong>n. Sie nehmen seit Aufnahme<br />
der <strong>Kinder</strong> zuverlässig <strong>und</strong> kooperativ die Besuchstermine<br />
wahr, manche schon seit über 9 Jahren.<br />
Für diese <strong>Kinder</strong> gehören die monatlichen Besuchskontakte<br />
zum Alltag <strong>und</strong> sind ein fester Bestandteil<br />
ihres Lebens in der Profifamilie ® geworden.<br />
Die <strong>Kinder</strong> freuen sich auf die Treffen <strong>und</strong> haben die<br />
Möglichkeit, ihre Eltern zu erleben <strong>und</strong> sich altersentsprechend<br />
<strong>und</strong> nach ihren Bedürfnissen im geschützten<br />
Rahmen mit ihnen auseinanderzusetzen.<br />
Zumeist nutzen sie die Zeit, mit ihnen zu spielen <strong>und</strong><br />
entstandene Rituale wie Erzählr<strong>und</strong>e, gemeinsamer<br />
Spaziergang oder Tischfußballspiel zu pflegen; inhaltliche<br />
Gespräche, warum sie z. B. nicht bei der<br />
Mutter oder dem Vater aufwachsen konnten oder<br />
können, verebben im Laufe der Jahre <strong>und</strong> sind während<br />
der Treffen selten von Belang. Die <strong>Kinder</strong> haben<br />
dafür ihre Erklärung häufig schon vor Jahren<br />
oder während der Aufnahme in unserer Einrichtung<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hinterfragen ihre Geschichte zumeist<br />
erst wieder, wenn sie pubertär oder erwachsen sind.<br />
Auch die meisten anderen <strong>Kinder</strong> haben den<br />
Wunsch, regelmäßig ihre Eltern zu sehen, doch<br />
schaffen ihre Eltern es aus unterschiedlichen Gründen<br />
nicht (Alkohol- <strong>und</strong> Drogensucht, JVA, psychisch<br />
instabil etc.), diesem Wunsch nachzukommen,<br />
obgleich sie es oftmals ebenfalls gern möchten.<br />
So sehen zurzeit 3 der von mir betreuten <strong>Kinder</strong><br />
ihre Eltern ca. viermal im Jahr <strong>und</strong> 5 <strong>Kinder</strong> sehen<br />
ihre Eltern selten, d.h. ein- bis zweimal jährlich bis<br />
hin zu alle 2 Jahre einmal. 2 Mädchen hatten zu<br />
ihren Eltern seit der Aufnahme (vor 5 <strong>und</strong> 2 Jahren)<br />
keinerlei Kontakt mehr; das eine Mädchen möchte<br />
auch - ebenso wie ihre Eltern - partout keinen Kontakt.<br />
Das andere Mädchen wünscht sich den Kontakt<br />
zur Mutter sehr, doch ist diese bisher leider nicht<br />
dazu zu bewegen. Diese beiden Mädchen haben<br />
aber Kontakte zu Geschwistern, ein Mädchen zudem<br />
auch regelmäßig zur Großmutter. Auch die<br />
anderen aufgenommenen <strong>Kinder</strong> haben fast alle<br />
Kontakt zu ihren Geschwistern <strong>und</strong> sehen diese in<br />
regelmäßigen Abständen, sofern sich die Geschwister<br />
ebenso in <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong>maßnahmen<br />
befinden <strong>und</strong> nicht noch zuhause leben. Die Kontak-<br />
Ausgabe 80 30 KiM ®
te zu den Geschwistern führen in der Regel die Profifamilien<br />
® nach Vorgaben des Hilfeplanes ohne die<br />
Begleitung der Erziehungsleitung durch; die Treffen<br />
finden häufig auch außerhalb des pädagogischen<br />
Zentrums statt.<br />
Fußballwiese am Pädagogischen Zentrum<br />
In den Schulferien finden oft auch Ausflüge <strong>und</strong><br />
mehrstündige Besuchskontakte statt, bei denen die<br />
<strong>Kinder</strong> mit den Eltern gemeinsam im Pädagogischen<br />
Zentrum kochen oder backen, in einen Tier- oder<br />
Freizeitpark fahren, zum Schwimmen oder Eisessen<br />
gehen - vorausgesetzt die Eltern <strong>und</strong> Verwandten<br />
sind physisch <strong>und</strong> psychisch dazu in der Lage <strong>und</strong><br />
es dient dem Wohl des Kindes. Wenn es pädagogisch<br />
sinnvoll ist <strong>und</strong> dem Wunsch der <strong>Kinder</strong> entspricht,<br />
besuche ich mit den <strong>Kinder</strong>n die Eltern <strong>und</strong><br />
Verwandten auch zuhause oder auch umgekehrt,<br />
die Eltern lernen das Zuhause des Kindes kennen.<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage für eine gute Zusammenarbeit mit<br />
der Herkunftsfamilie ist eine wertschätzende Haltung<br />
<strong>und</strong> die Bereitschaft aller Parteien (Herkunftsfamilie,<br />
Erziehungsleitung <strong>und</strong> Profifamilie ® ), kooperativ,<br />
einfühlsam <strong>und</strong> professionell miteinander umzugehen.<br />
Das aufgenommene Kind kann im Idealfall „mit<br />
2 Familien“ aufwachsen <strong>und</strong> ist nicht gezwungen,<br />
sich loyal für die eine oder andere Familie entscheiden<br />
zu müssen. Es bekommt die Möglichkeit <strong>und</strong><br />
wird dabei unterstützt, sich seine Wurzeln <strong>und</strong> Geschichte<br />
anzusehen, Realitäten zu erleben, sich <strong>und</strong><br />
seine Eltern zu verstehen <strong>und</strong> sich mit seinem Leben<br />
(-sweg) zu versöhnen. Die Eltern können eine<br />
wertvolle Ressource in der Arbeit mit dem Kind sein.<br />
Ich habe einen Jungen zu seiner Sichtweise der<br />
Besuchskontaktgestaltung in unserer Einrichtung<br />
interviewt, der schon seit über 9 Jahren in einer<br />
Profifamilie ® lebt <strong>und</strong> regelmäßig <strong>und</strong> zuverlässig<br />
Kontakte zu seinen Eltern pflegt:<br />
Kannst du dich noch an deinen ersten Besuchskontakt<br />
mit deiner Mutter <strong>und</strong> deinem Vater erinnern?<br />
Nein, das ist ja schon 9 Jahre her… (überlegt) oh<br />
doch, ja, ich kann mich noch vage erinnern. Es war<br />
ein kleiner Raum mit Dachschrägen, wo wir uns<br />
getroffen haben. Ich hatte Fotos mitgebracht: ich auf<br />
dem Fahrrad, weil ich gerade Fahrrad fahren gelernt<br />
hatte.<br />
Du siehst deine Mutter <strong>und</strong> deinen Vater abwechselnd<br />
jeden Monat. Ist diese Regelung in Ordnung?<br />
Ja.<br />
Möchtest du deine Eltern gern öfter oder seltener<br />
sehen?<br />
Nein, so ist es in Ordnung.<br />
Welches Treffen mit deiner Mutter <strong>und</strong> deinem Vater<br />
fandest du besonders schön?<br />
Eigentlich alle… (überlegt) Mit Mama das Familientreffen<br />
bei Tante D., weil wir da alle zusammen waren:<br />
Tante D. <strong>und</strong> Familie, Oma <strong>und</strong> meine Mama<br />
mit ihrem Fre<strong>und</strong>.<br />
Mit meinem Papa fand ich den Ausflug ins<br />
Schwimmbad gut.<br />
Was fandest du bei den Besuchskontakten besonders<br />
blöd oder anstrengend?<br />
Als wir Mama zum Bahnhof gebracht haben - ich<br />
war da noch jünger - <strong>und</strong> fand es nicht so gut, als<br />
Mama wieder wegfuhr. Und in Zusammenhang mit<br />
meinem Papa fand ich es blöd, als wir in der Küche<br />
des alten Hauses (Pädagogische Zentrum) auf ihn<br />
gewartet haben. Er hatte sich im Ort verlaufen, wir<br />
mussten ihn mit dem Auto suchen <strong>und</strong> einsammeln<br />
gehen.<br />
Und ein paar Mal hatte ich auch früher im alten<br />
Haus auf Papa gewartet <strong>und</strong> er kam nicht, hatte<br />
auch nicht Bescheid gesagt, das war doof.<br />
Wie findest du es, dass die Treffen in der Regel hier<br />
im Pädagogischen Zentrum stattfinden <strong>und</strong> nicht z. B.<br />
bei dir zuhause in der Profifamilie ® ?<br />
Hier finde ich es gut, weil ich nicht so weit fahren<br />
muss, z. B. zu meinen Eltern nach … <strong>und</strong> Mama<br />
<strong>und</strong> Papa müssen auch nicht so weit fahren, wir<br />
treffen uns ungefähr in der Mitte. Wir haben hier<br />
einen Raum, wo wir uns in Ruhe treffen können <strong>und</strong><br />
nicht gestört werden, wie z. B. zuhause, wenn wir<br />
uns in der Profifamilie ® treffen würden, dann würden<br />
wir im Alltag durch die anderen Familienmitglieder<br />
oder den H<strong>und</strong> gestört werden.<br />
Gefällt es dir, dass die Erziehungsleiterin die Treffen<br />
begleitet bzw. in der Nähe ist?<br />
Gut, denn ohne wäre es anders. Es wäre nicht so<br />
geplant. So hat man jemanden zum Fragen, gemeinsamen<br />
Planen <strong>und</strong> jemand ist da, der den<br />
Überblick hat.<br />
Wie findest du es, dass seit ein paar Jahren die<br />
Profimutter nicht mitkommt <strong>und</strong> du selbständig mit<br />
dem Zug anreist?<br />
Gut, weil ich Y. (Profimutter) nicht aufhalte. Auch<br />
gefällt es mir, selbstständig ohne Begleitung etwas<br />
zu machen.<br />
Was möchtest du mal gern mit deinen Eltern machen?<br />
Ausgabe 80 31 KiM ®
Ich weiß nicht, was man noch zusammen machen<br />
könnte. Ausflüge machen wir schon. Und in ein paar<br />
Wochen zeige ich meiner Mama mein Zuhause,<br />
dass habe ich mir gewünscht <strong>und</strong> Mama freut sich<br />
auch sehr darauf. Und noch einmal wieder ein Familientreffen<br />
mit allen zu machen - Mama, Oma <strong>und</strong><br />
Tante D. mit Familie - das wäre schön.<br />
Wie könntest du dir eine Veränderung in der Kontaktregelung<br />
vorstellen, z. B. deine Eltern auch ganz<br />
allein zu treffen?<br />
Ja, das kann ich mir vorstellen.<br />
Wie stellst du dir deine Kontakte zu deiner Mutter<br />
<strong>und</strong> deinem Vater, Tante <strong>und</strong> Oma vor, wenn du aus<br />
der Profifamilie ® ausgezogen bist?<br />
Dann werde ich meine Mama oder meinen Papa am<br />
Wochenende oder in der Woche, wenn ich frei habe,<br />
besuchen.<br />
Auch meine Tante <strong>und</strong> Oma werde ich besuchen<br />
<strong>und</strong> mit ihnen telefonieren, es sei denn, die ziehen<br />
weit weg.<br />
Wie oft siehst du deine anderen Verwandten?<br />
Meine Tante D. mit Familie sehe ich jetzt ein paar<br />
Mal im Jahr - aber erst seit kurzem - zumeist in den<br />
Ferien, dass ist okay. Meine Oma möchte ich gern<br />
öfter sehen, so alle 2 bis 3 Monate, die lebt vielleicht<br />
nicht mehr so lange <strong>und</strong> ist was Besonderes für<br />
mich, halt ´ne Oma.<br />
––<br />
Die GfS Osnabrück gibt es nunmehr seit 15 Jahren.<br />
Im Laufe dieser Zeit ist eine große Anzahl von <strong>Kinder</strong>n<br />
in Profifamilien ® des Osnabrücker Landes aufgenommen<br />
worden. Einige sind inzwischen schon<br />
verselbständigt. Zurzeit werden 27 <strong>Kinder</strong> in 17 Profifamilien<br />
® von 3 Erziehungsleiterinnen betreut. Einige<br />
pädagogische Fachkräfte werden auch in diesem<br />
Jahr wieder auf ihre zukünftige Rolle als Profieltern ®<br />
vorbereitet.<br />
Die regelmäßigen, wöchentlichen Erziehungskonferenzen<br />
tragen wesentlich dazu bei, dass auch die<br />
Profifamilien ® untereinander in Verbindung stehen<br />
<strong>und</strong> mithilfe der Gruppe <strong>und</strong> der Erziehungsleitung<br />
ihre Arbeit reflektieren <strong>und</strong> das Kind in seinem Entwicklungsprozess<br />
professionell begleiten <strong>und</strong> fördern<br />
können.<br />
GfS Osnabrück<br />
In ein paar Jahren stehst du auf eigenen Füßen. Wo<br />
willst du dann leben?<br />
In … <strong>und</strong> Umgebung will ich bleiben. Hier sind meine<br />
Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> lebt die Profifamilie ® .<br />
Hast du zwei Familien, zu denen du dich zugehörig<br />
fühlst?<br />
Irgendwie ja, denn in der Profifamilie ® lebe ich schon<br />
9 Jahre. Stammbaummäßig aber nicht, da gehöre<br />
ich zu Mamas <strong>und</strong> Papas Familie.<br />
Wissen deine Fre<strong>und</strong>e, dass du deine Eltern regelmäßig<br />
triffst?<br />
Ja, ich erzähl ihnen das, wenn ich z. B. nach der<br />
Schule mit dem Rad zum Bahnhof fahre <strong>und</strong> die<br />
mich fragen, wo ich hin will, dann sage ich ihnen<br />
das.<br />
Du hattest vor kurzem ein kirchliches Fest. Neben<br />
der Profifamilie ® waren auch deine Mama <strong>und</strong> Oma<br />
sowie 2 Fre<strong>und</strong>e aus deiner Schule dabei. Wie war<br />
das für dich, ein Fest mit allen zusammen zu feiern?<br />
Sehr gut, mal was anderes. Ich<br />
fand es schön, dass meine Verwandten<br />
<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e dabei waren.<br />
Petra Schmackpfeffer<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Oldenburg<br />
Die 3 Erziehungsleiterinnen U. Hesselkamp, C. Gerbus<br />
<strong>und</strong> A. Schmeer-Schröder (Bilder links) sind alle<br />
in Teilzeit tätig <strong>und</strong> fördern die Professionalität, das<br />
kollegiale Miteinander <strong>und</strong> das Wachsen im Pädagogischen<br />
Zentrum.<br />
Eine Erziehungskonferenz im Pädagogischen Zentrum<br />
der GfS Osnabrück<br />
Eine langjährige Profimutter trug ihre praktischen<br />
Erfahrungen in der folgenden Beschreibung anhand<br />
eines konkreten Fallbeispiels (anonymisiert) zusammen:<br />
Ein spannender <strong>und</strong> ermutigender Bericht,<br />
Ausgabe 80 32 KiM ®
der die vielen Facetten unserer Arbeit, die Stagnati- onen <strong>und</strong> Fortschritte deutlich werden lässt:<br />
In (Ver-) Bindung bleiben!<br />
„Die Reise eines traumatisierten Jungen zum selbständigen jungen Mann“<br />
Als ich vor einigen Jahren die Anfrage zur Anbahnung<br />
eines 9jährigen Jungen erhielt, war ich enorm<br />
glücklich, da unsere Familie bis dahin ein absoluter<br />
„Frauenhaushalt“ war. Also lernte ich Benjamin kennen,<br />
der nach 1 ½ Jahren in einer Erziehungsstelle<br />
eines anderen Trägers einen Abbruch erlebt hatte.<br />
Vor Einzug in diese Erziehungsstelle hatte er 1 ½<br />
Jahre im Heim gelebt, nachdem er bis zu seinem 6.<br />
Lebensjahr bei seiner alkoholkranken Mutter <strong>und</strong><br />
seinen Halbgeschwistern aufgewachsen war.<br />
Bereits nach seinem ersten „Probe-Wochenende“<br />
fehlten den beiden Mädchen Hörspielkassetten, ein<br />
Taschenmesser <strong>und</strong> diverse andere Kleinteile, die wir<br />
teilweise kaputt in einem Versteck im Garten fanden.<br />
Benjamin („Benni“) zog trotzdem bei uns ein <strong>und</strong> sowohl<br />
die leibliche Tochter Sarah (11) als auch die angenommene<br />
Kira (15) achteten stets darauf, ihre Lieblings-Spielsachen<br />
vor Benni in Sicherheit zu bringen.<br />
Anfangs passte Benni sich wie selbstverständlich<br />
an, wobei er sich stark an Kira orientierte. Er kam<br />
mit zum Reitstall, wo die Mädchen sich ständig aufhielten,<br />
war stets hilfsbereit <strong>und</strong> offen für die neue<br />
Umgebung. Als es eines Tages zu einer Auseinandersetzung<br />
zwischen ihm <strong>und</strong> einer Reiterin kam,<br />
deren Pferd Benni geärgert haben sollte, wollte ich<br />
ihn trösten <strong>und</strong> musste feststellen, dass er erstarrte,<br />
sobald ich Körperkontakt zu ihm aufnahm. Dieses<br />
Verhalten fiel mir daraufhin vermehrt auf <strong>und</strong> es dauerte<br />
mehr als ein Jahr, bis er genügend Zutrauen<br />
hatte, zu verstehen, dass ich ihm nicht wehtun wollte.<br />
Im Laufe der Zeit näherten wir uns einander an. Es<br />
kam immer mal wieder zu kleinen <strong>und</strong> auch großen<br />
Zwischenfällen, etwa als Benni beim Reitstall zündelte<br />
<strong>und</strong> eine Scheune abbrannte, oder als er in der<br />
Schule Feuerwerkskörper zündete. Auch sonst gab<br />
es in der Schule oft Probleme: Wenn ein Klassenkamerad<br />
in der Klasse nach vorne kommen musste,<br />
stand Bennis Schultasche oder sein Fuß plötzlich im<br />
Weg, so dass das andere Kind stolperte. Auf dem<br />
Schulhof landeten immer wieder Bälle auf dem Dach<br />
oder Schüler auf dem Boden. Bald war Benni der<br />
„Schrecken“ der Schule <strong>und</strong> musste zur Förderschule<br />
für Erziehungshilfe wechseln.<br />
Zuhause ging die Katze Benni aus dem Weg, da sie<br />
sich belästigt fühlte, dem H<strong>und</strong> war in seiner Gegenwart<br />
auch nicht so ganz geheuer, <strong>und</strong> Kira distanzierte<br />
sich völlig, während Sarah noch manchmal<br />
mit Benni spielte. Ich verdeutlichte dem Jungen, dass<br />
ich sein Verhalten stark missbillige, <strong>und</strong> wir dringend<br />
gemeinsam etwas verändern müssten. Ein Auszug<br />
aus unserer Familie stand dabei nie zur Debatte.<br />
Wir kämpften uns durch diese schwierige Zeit.<br />
Die nächsten Monate waren für mich super anstrengend.<br />
Ich erreichte meine Grenzen. Wir konnten den<br />
Jungen nicht alleine lassen, da anschließend häufig<br />
Geld, Taschenmesser, vor allem Feuerzeuge verschw<strong>und</strong>en<br />
waren. Benni leugnete jegliche Verantwortung.<br />
Anscheinend gab es bei uns einen Geist.<br />
Daraus resultierte, dass alle anderen Schlafzimmer,<br />
Speisekammer, Keller usw. abgeschlossen wurden.<br />
Wir fühlten uns im eigenen Haus wie Gefängniswärter,<br />
ließen uns hierauf jedoch ein, ich wollte in dieser<br />
Phase „aushalten“ <strong>und</strong> auch „durchhalten“. In den<br />
Erziehungskonferenzen beschrieb ich den Alltag,<br />
erarbeitete Erklärungsmodelle <strong>und</strong> Handlungsstrategien.<br />
Mir war klar, dass Benni bei uns „angekommen<br />
war“, er sich sicher fühlte <strong>und</strong> uns durch seine heftigen<br />
Auffälligkeiten zeigte, was er in der Vergangenheit<br />
alles erlebt hatte. Ich konnte ihm Sicherheit,<br />
Rückhalt <strong>und</strong> Unterstützung anbieten.<br />
Neben all den belastenden Verhaltensweisen zeigte<br />
Benni gleichzeitig viel Fleiß <strong>und</strong> Hilfsbereitschaft. Er<br />
half gerne bei der Gartenarbeit, wollte alleine für das<br />
Rasenmähen verantwortlich sein, <strong>und</strong> übernahm<br />
unaufgefordert Reparaturarbeiten im Haus. Selbst<br />
beim Hausputz <strong>und</strong> beim Kochen ging er mir zur<br />
Hand. Für eine Weile war sein Wunschberuf „Koch“,<br />
denn er aß so gerne.<br />
Als Kira volljährig wurde, blieb sie bei uns wohnen,<br />
obwohl die Maßnahme durch das Jugendamt beendet<br />
war. Diese Tatsache brachte Benjamin ins Grübeln,<br />
denn er musste feststellen, dass ich die <strong>Kinder</strong><br />
lieb hatte <strong>und</strong> es mir nicht in erster Linie darum ging,<br />
Geld zu verdienen. Dennoch ließ er keine Gelegenheit<br />
aus, zu testen, ob er mir wichtig wäre.<br />
Während dieser Zeit bauten wir unser Haus aus, um<br />
einem weiteren Kind Platz zu schaffen. Benni freute<br />
sich, half gerne bei der Arbeit, zündelte gleichzeitig<br />
allerdings wieder extrem. Dann kam Marie zu uns.<br />
Sie war 9 Jahre, stark entwicklungsverzögert <strong>und</strong><br />
leicht behindert. Benni zeigte sich ihr gegenüber<br />
vom ersten Tag an sehr feindselig; er provozierte sie<br />
mit Schimpfworten, da sie sich dagegen aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer Sprachstörung nicht wehren konnte. Es bedurfte<br />
ständiger Ermahnungen <strong>und</strong> Beaufsichtigung,<br />
damit die beiden <strong>Kinder</strong> sich annähern konnten.<br />
Selbst diese sehr schwere Zeit ging vorüber <strong>und</strong><br />
festigte im Nachhinein unseren Zusammenhalt. Wir<br />
lernten, einander zu vertrauen. Benni lernte, dass<br />
ich sein Verhalten zwar oft missbilligte <strong>und</strong> ihn begrenze,<br />
aber dennoch zu ihm hielt.<br />
In den folgenden Jahren durchlebten wir Höhen <strong>und</strong><br />
Tiefen. Der Junge war weiterhin fleißig <strong>und</strong> um Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> Zugehörigkeit bemüht. Anderer-<br />
Ausgabe 80 33 KiM ®
seits zündelte er, zerstörte die verschiedensten Dinge<br />
oder entwendete Eigentum der anderen Familienmitglieder.<br />
Mit 16 Jahren wollte Benjamin dann<br />
unbedingt zu seiner leiblichen Mutter <strong>und</strong> seiner<br />
Halbschwester ziehen. Er provozierte <strong>und</strong> kritisierte<br />
die Profifamilie ® <strong>und</strong> sehnte sich nach seiner Herkunftsfamilie,<br />
zu der er regelmäßig Kontakt hatte.<br />
Gleichzeitig wurde der Jugendliche auch in der<br />
Schule wieder sehr auffällig. Er hatte es geschafft, in<br />
der 7. Klasse von der Förderschule für Erziehungshilfe<br />
zur Gesamtschule zu wechseln. Nun wollte er<br />
die Schule nach der 9. Klasse unbedingt verlassen,<br />
er konnte <strong>und</strong> wollte sich den schulischen Anforderungen<br />
nicht mehr stellen. Mit dem Hauptschulabschluss<br />
beendete er seine Schulpflicht, absolvierte<br />
ein Berufsvorbereitungsjahr <strong>und</strong> begann eine überbetriebliche<br />
Ausbildung. Dabei musste er immer<br />
wieder zum Durchhalten motiviert werden.<br />
Dann kam die Zeit der Verselbständigung. Kochen<br />
<strong>und</strong> putzen konnte Benjamin ganz gut, aber der<br />
Umgang mit dem Geld war für ihn eine echte Herausforderung.<br />
Hinzu kam, dass er mit seinen 17<br />
Jahren meinte, bereits erwachsen zu sein. Durch<br />
sein kräftiges Äußeres wirkte er älter <strong>und</strong> kam so an<br />
Alkohol <strong>und</strong> Tabakwaren. Zudem nahm Benjamin es<br />
Wir sind unsere Familie<br />
mit den Regeln in unserem Haus nicht mehr so<br />
ernst. Er genoss die wachsende Autonomie <strong>und</strong><br />
fürchtete sich gleichzeitig vor der Verantwortung.<br />
Als er volljährig wurde, suchten wir gemeinsam eine<br />
geeignete Wohnung in einem Nachbarort, wo er<br />
anfangs durch Fachleistungsst<strong>und</strong>en der Profimutter<br />
betreut wurde. Er lebte sich gut ein, lud die gesamte<br />
Profifamilie ® mit den Großeltern <strong>und</strong> die Herkunftsfamilie<br />
zur Einweihung ein <strong>und</strong> schaute hin <strong>und</strong> wieder,<br />
vor allem sonntags zum Mittagessen bei der<br />
Profifamilie ® rein. Nach einem halben Jahr hatte<br />
Benjamin gelernt, einigermaßen mit seinem Geld<br />
auszukommen <strong>und</strong> seine behördlichen Angelegenheiten<br />
zu regeln. Die Fachleistungsst<strong>und</strong>en liefen<br />
aus, <strong>und</strong> Benni zog mit seiner Fre<strong>und</strong>in in eine neue<br />
Wohnung ganz in der Nähe der Profifamilie ® .<br />
Seitdem kommt er mindestens alle ein bis zwei Wochen<br />
vorbei oder ruft an, wenn er noch schnell etwas<br />
benötigt; aber auch, um seine Hilfe anzubieten.<br />
Unsere Nachbarn <strong>und</strong> Familienangehörigen<br />
schmunzeln oft, dass gerade dieser junge Mann<br />
immer wieder Zuflucht im Hotel „Pflegemama“ sucht.<br />
Das hätte eigentlich niemand von ihm erwartet. Und<br />
ich bin gespannt, wie es weitergeht.<br />
Profimutter Sabine<br />
Aus dem Alltag einer allein erziehenden Profimutter<br />
Als wir uns am Ende des Weihnachtsabends, die 8jährige<br />
Lena lebte seit Oktober bei mir, von meinen<br />
Eltern verabschiedeten, sagte das Kind an der Gartentür<br />
stehend langsam, leise <strong>und</strong> etwas unsicher:<br />
„Es ist schön… Weihnachten in einer Familie… in<br />
meiner Familie!“<br />
Danach blinzelte sie mich zaghaft von unten an.<br />
Dies war das schönste Weihnachtsgeschenk seit<br />
langem <strong>und</strong> es ließ mich mit einem Schlag die ganzen<br />
schwierigen, anstrengenden Wochen seit ihrer<br />
Aufnahme vergessen.<br />
Eine hübsche Geschichte, aber nichts besonderes<br />
mag mancher denken. Stimmt! Ist es auch nicht<br />
unbedingt, auch für uns nicht; eher eine liebevolle<br />
Bestätigung einer sich festigenden Familieneinbindung.<br />
Oder doch etwas Besonderes?! Unsere Familie<br />
setzt sich<br />
nämlich aus Lena,<br />
mir <strong>und</strong><br />
unserer Katze<br />
Nicki zusammen;<br />
im weiteren<br />
Sinne gehören<br />
auch meine<br />
Eltern <strong>und</strong> mein<br />
Bruder dazu.<br />
Klein aber fein! Lena soll ein Familienrahmen gebo-<br />
ten werden, in dem sie bedingungslose Akzeptanz,<br />
Geborgenheit, Verständnis, Sicherheit, Vertrauen,<br />
Rückhalt <strong>und</strong> Bestätigung findet <strong>und</strong> in dem sie die<br />
Chance bekommt, entsprechend ihrer Bedürfnisse<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten zu leben.<br />
Alleinstehende Menschen wie ich wollen <strong>und</strong> können<br />
diesen Rahmen auch ohne ehelichen Partner<br />
anbieten. Es gibt viele <strong>Kinder</strong>, die gerade in dieser<br />
Zweierkonstellation Lebenskonzepte entwickeln<br />
können; ja, es gibt sogar <strong>Kinder</strong>, für die sich, aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer Vorgeschichte, solch ein kleiner Orientierungsrahmen<br />
als besonders günstig erweisen kann.<br />
Natürlich ist die Skepsis mancher Mitmenschen,<br />
darunter auch Berufskollegen, berechtigt. Bei allem<br />
Optimismus <strong>und</strong> Idealismus sind einige Probleme<br />
dieser Familienform nicht von der Hand zu weisen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Verhaltensweisen der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> der<br />
häufig allzu kritischen Einstellung des Umfeldes,<br />
steht unsere psychische <strong>und</strong> körperliche Belastbarkeit<br />
im Vordergr<strong>und</strong>. Wir sind, abgesehen vom „sozialen<br />
Netz“ unseres Fre<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Bekanntenkreises<br />
sowie des Erziehungsleiters, 24 St<strong>und</strong>en am<br />
Tag, 365 Tage im Jahr auf uns allein gestellt. Deshalb<br />
sind gerade wir allein erziehenden Profimüttern<br />
auf ein solches Netz angewiesen. Es muss nicht<br />
groß sein, aber es muss kleinmaschig <strong>und</strong> reißfest<br />
strukturiert sein.<br />
Ausgabe 80 34 KiM ®
Die Tatsache aber, dass wir uns bewusst <strong>und</strong> freiwillig<br />
für diese Familienform entschieden haben, wirkt<br />
sich auf unsere Belastbarkeit <strong>und</strong> Problembewältigungsstrategien<br />
eher positiv aus. Für mich hat diese<br />
Form des Zusammenlebens keinen defizitären Charakter,<br />
sie kann uns <strong>und</strong> den <strong>Kinder</strong>n eher eine große<br />
Chance bieten. Wir können uns zeitlich flexibler<br />
<strong>und</strong> intensiver mit den <strong>Kinder</strong>n auseinander setzen.<br />
Und nicht immer ist die Geschlechtlichkeit der Bezugspersonen<br />
von so hoher Bedeutung, wie ihr gerne<br />
zugeschrieben wird, sondern vielmehr die Konstanz<br />
<strong>und</strong> Zuverlässigkeit in der Beziehung.<br />
Für mich stellen sich allerdings andere Probleme.<br />
Bei aller zeitlichen Flexibilität ergibt sich für mich<br />
doch eine verstärkte Notwendigkeit an Zeitmanagement.<br />
Nicht alles ist mit Lena zu unternehmen. Auch<br />
die Gefahr der zu starken emotionalen Zuwendung<br />
<strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen starken Zentrierung der<br />
Zweierbeziehung zwischen Kind <strong>und</strong> Erwachsenem<br />
mit einer Überforderung des Kindes ist nicht auszuschließen.<br />
Ferner sind schnelle, kurzzeitige Entlastungen in<br />
Überforderungssituationen, bzw. in Situationen, in<br />
denen Eskalation droht, nicht gegeben, lediglich<br />
telefonisch mit uns wichtigen Personen im außerfamiliären<br />
Bereich. Bisher halfen uns beiden in solchen<br />
Situationen dabei allerdings so genannte „Auszeiten“<br />
über die R<strong>und</strong>en. Auch die Problematik des<br />
Seit 1999 wird auch in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />
Brandenburg <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern nach<br />
dem bewährten Bindungskonzept der KJHB gearbeitet.<br />
Die GfS Uckermark ist die erste Gesellschaft der<br />
<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> auf ostdeutschem<br />
Boden.<br />
Nicht weit von der polnischen Grenze entfernt hatte<br />
sie bis vor kurzem<br />
ihren Sitz in<br />
Seehausen, 15<br />
km südlich von<br />
Prenzlau gewählt.<br />
Die GfS verfügt<br />
über mehr als<br />
Kerstin Buse Richard Kraus<br />
55 Heimplätze,<br />
die sich in den<br />
Wer sich fragt „Wo befindet sich die Uckermark?“,<br />
sollte wissen, dass die Uckermark der größte Flächenkreis<br />
Deutschlands ist <strong>und</strong> ganz im Osten der<br />
neuen B<strong>und</strong>esländer liegt.<br />
GfS Uckermark<br />
Profifamilie ® in der Uckermark<br />
„burn out Syndroms“ darf bei der hohen Belastung<br />
nicht außer Acht gelassen werden. Wir können zwar<br />
mit Hilfen rechnen, sind aber letztendlich doch auf<br />
uns allein gestellt, müssen uns dies bewusst machen<br />
<strong>und</strong> es voll <strong>und</strong> ganz akzeptieren.<br />
Nach fast zwei Jahren Zusammenleben mit dem<br />
Kind habe ich, so unglaublich es für manchen klingen<br />
mag, nicht einen Tag daran gezweifelt, dass<br />
dieser Schritt für mich richtig gewesen ist <strong>und</strong> dass<br />
wir beide auch weiterhin aus Krisen gestärkt hervorgehen<br />
werden; denn Krisen bieten auch immer neue<br />
Chancen, die man allerdings erkennen <strong>und</strong> beim<br />
Schopfe packen muss!<br />
Eine Profimutter der GfS Osnabrück<br />
Literatur<br />
Peuckert, Rüdiger: Familienformen im sozialen<br />
Wandel. Opladen 1991<br />
Swientek, Christine: Alleinerziehende - Familien wie<br />
andere auch? Zur Lebenssituation<br />
von Ein - Eltern - Familien. Bielefeld<br />
1984<br />
Christiane Gerbus<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Osnabrück<br />
Bereichen Prenzlau, Angermünde, Templin, Pasewalk<br />
<strong>und</strong> Neustrelitz verteilen. Neben den 20 Profifamilien<br />
® gibt es drei innewohnende Erziehungswohngruppen,<br />
in denen vorwiegend junge Geschwistergruppen<br />
ihr Zuhause gef<strong>und</strong>en haben.<br />
Weitere Heimplätze werden aufgr<strong>und</strong> des hohen<br />
Bedarfs laufend geschaffen. Die GfS Uckermark hat<br />
expandierenden Charakter <strong>und</strong> will ihr <strong>Jugendhilfe</strong>angebot<br />
auf andere Bereiche ausdehnen (u. a. Mutter-Kind-Projekte,<br />
Regelwohngruppe, betreutes Einzelwohnen).<br />
Die räumliche Nähe zur B<strong>und</strong>eshauptstadt<br />
Berlin bedingt eine enge Kooperation mit den<br />
dort ansässigen Jugendämtern. Die betreuten <strong>Kinder</strong><br />
entstammen jedoch überwiegend der Region<br />
(ortsnaher Ansatz). Berlin ist der zweitgrößte Beleger.<br />
Einige <strong>Kinder</strong> entstammen den alten B<strong>und</strong>esländern.<br />
Wir wohnen in Angermünde, einer Kleinstadt in unmittelbarer<br />
Nähe zur Oder. In 20 Minuten Autofahrt<br />
sind wir im Nachbarland Polen. Bei uns gibt es nicht<br />
viel Industrie, aber dafür viel Natur. Zum Beispiel<br />
Ausgabe 80 35 KiM ®
das UNESCO-Biosphärenreservat „Schorfheide“<br />
oder der Nationalpark „Unteres Odertal”. Auch das<br />
größte <strong>und</strong> älteste Schiffshebewerk Europas in Niederfinow<br />
befindet sich nur einige Minuten Autofahrt<br />
von uns entfernt.<br />
Im Herbst 2008 wurden wir auf die GfS Uckermark<br />
mit dem pädagogischen Zentrum in Seehausen aufmerksam.<br />
Das Leitbild KiM ® - Kind in Mittelpunkt -<br />
des Trägers KJHB entsprach unseren Vorstellungen<br />
von Beziehungsarbeit mit <strong>Kinder</strong>n.<br />
Nach mehreren Gesprächen mit der Erziehungsleitung<br />
entschlossen wir uns, an einem Vorbereitungskurs<br />
teilzunehmen. Die Erziehungsleiter Herr Kraus<br />
<strong>und</strong> Frau Buse verstanden es, uns mit der Spezifik<br />
dieses besonderen Konzeptes vertraut zu machen.<br />
Dass wir als Ehepaar diesen Vorbereitungskurs<br />
gemeinsam besuchen konnten, bestärkte unseren<br />
Entschluss, „Profieltern“ bei <strong>Backhaus</strong> zu werden.<br />
Es dauerte dann auch nicht mehr lange bis es konkret<br />
wurde. Ein 9jähriger Junge wurde uns vorgestellt.<br />
Ganz in Ruhe <strong>und</strong> trotzdem mit viel Herzklopfen<br />
wurde immer wieder überlegt <strong>und</strong> besprochen bis<br />
wir die Anbahnungsphase begannen.<br />
Wichtig war es auch, unsere zwei erwachsenen Söhne<br />
immer wieder in den Prozess mit einzubeziehen,<br />
auch wenn diese unser Haus schon längst verlassen<br />
hatten. Vor dem Zusammenleben mit einem Jungen<br />
hatten wir also am wenigsten Ängste. Dies war uns<br />
vertraut <strong>und</strong> trotzdem war es dann ganz anders als<br />
wir es aus unseren Erfahrungen kannten.<br />
Ich kündigte meine Arbeit als Kita-Erzieherin <strong>und</strong><br />
gemeinsam zogen wir in das kleine Städtchen Angermünde.<br />
Mein Mann <strong>und</strong> ich sowie der 9jährige<br />
Junge richteten nun also gemeinsam unsere neue<br />
Wohnung ein. Mir fiel der Umzug nach Angermünde<br />
nicht schwer, war dies doch meine Geburtsstadt. Ich<br />
kehrte also nach vielen Jahren ein Stück zu meinen<br />
Wurzeln zurück.<br />
Mein Vater lebt hier noch <strong>und</strong> ich bin in seiner Nähe.<br />
Familie also, die einfach da ist.<br />
Für die <strong>Kinder</strong>, die mit in unserer Familie leben, sind<br />
die Herkunftsfamilien meistens nicht so einfach erreichbar.<br />
Dies können wir nur wenig verändern, aber<br />
wir können das Leben der uns anvertrauten <strong>Kinder</strong><br />
mit unserer Familien ergänzen <strong>und</strong> bereichern.<br />
Mit der Aufnahme des ersten Jungen in unserer<br />
Familie hat sich unser Leben noch einmal vollständig<br />
verändert.<br />
Der Alltag stellte nun viele neue Herausforderungen<br />
an uns.<br />
Eine Profimutter aus der Uckermark berichtet:<br />
Nach vielen Arbeitsjahren in Berlin, als meine <strong>Kinder</strong><br />
„flügge“ geworden waren, konnte ich mir endlich<br />
Anfangs passte er sich, wie erwartet, den neuen<br />
Gegebenheiten an. Und wir stürzten uns natürlich<br />
sofort auf ihn. Er bekam die Rolle des Nesthäkchens,<br />
es drehte sich fast alles um ihn <strong>und</strong> er stand<br />
fast immer im Mittelpunkt, was er sehr genoss.<br />
Aber nach geraumer Zeit kam es zu den ersten Konflikten.<br />
Nicht nur in der Schule oder im Freizeitverein,<br />
auch innerhalb der Familie gab es Reibereien.<br />
Immer wieder das Austesten - kann ich hier bleiben?<br />
Haltet ihr mich aus?<br />
Die Übertragungen der Erfahrungen aus seiner Herkunftsfamilien<br />
<strong>und</strong> die Enttäuschung darüber, nicht<br />
in seiner Familie leben zu können, erfordern eine<br />
andere Art des Zusammenlebens.<br />
Durch viele Gespräche, gepaart mit Geduld, Einfühlungsvermögen<br />
<strong>und</strong> Verständnis aber auch mit einer<br />
liebevollen Konsequenz, haben wir bisher viele Hürden<br />
gemeistert.<br />
Besonders wichtig war, dass klare Umgangsformen<br />
<strong>und</strong> Regeln im täglichen Miteinander bestehen <strong>und</strong><br />
umgesetzt werden.<br />
Die regelmäßigen Erziehungskonferenzen innerhalb<br />
des Trägers sind in der Arbeit mit den <strong>Kinder</strong>n für<br />
uns sehr hilfreich. Hier kann ich mit meinen Kollegen<br />
die Situationen besprechen, Lösungen finden oder<br />
einfach nur im Austausch sein.<br />
Aufgr<strong>und</strong> unserer Erfahrungen im ersten Jahr der<br />
Zusammenarbeit entschieden wir uns, einen weiteren<br />
Jungen in unsere Familie aufzunehmen.<br />
Seit einigen Monaten bereichert nun ein 6 jähriger<br />
Junge unser Familienleben.<br />
Wieder ist viel Bewegung in unserer Familie. Familienzuwachs<br />
heißt erneute Rollenklärung, Positionen<br />
müssen verteidigt, bzw. erobert werden. Bestehende<br />
Regeln werden verändert, den Erfordernissen angepasst<br />
usw..<br />
Unsere Erfahrung besagt, jeder Morgen ist ein neuer<br />
Anfang mit neuen Herausforderungen, mit neuen<br />
Erlebnissen, mit neuen Freuden, mit neuen Konflikten.<br />
Unsere damals getroffene Entscheidung haben wir<br />
nicht bereut.<br />
Es ist ein schönes Gefühl, <strong>Kinder</strong> ein Stück in unser<br />
Leben mit einzubinden, um eventuell lebenslange<br />
Bindungen herzustellen.<br />
Gudrun Steinmetz<br />
Profimutter<br />
GfS Uckermark<br />
Ein Lebenstraum<br />
gemeinsam mit meinem Mann einen Kindheitstraum<br />
erfüllen: “Einen eigenen kleinen Bauernhof auf dem<br />
platten Land!“<br />
Ausgabe 80 36 KiM ®
Ein altes Haus mit Scheune <strong>und</strong> Ställen auf einem<br />
w<strong>und</strong>erschönen Gr<strong>und</strong>stück direkt am See in Mecklenburg-Vorpommern<br />
zum erschwinglichen Preis -<br />
fast zu schön um wahr zu sein!<br />
Zunächst war viel instand zu setzen <strong>und</strong> zu renovieren.<br />
Ein Stall wurde zum Ferienhaus ausgebaut,<br />
denn alle unsere Berliner Fre<strong>und</strong>e wollten natürlich<br />
kommen <strong>und</strong> sich bei uns erholen.<br />
Nachdem wir endgültig übergesiedelt waren, wurden<br />
nach <strong>und</strong> nach die Tiere angeschafft: ein Kater,<br />
Kaninchen, Enten <strong>und</strong> Milchschafe. Später kamen<br />
noch Ponys, Hühner, bunte Bentheimer Schweine<br />
<strong>und</strong> unser "Therapieh<strong>und</strong>" Max dazu. Natürlich haben<br />
wir Obstbäume angepflanzt, <strong>und</strong> auch Gemüse<br />
<strong>und</strong> Kartoffeln werden angebaut. Alles in überschaubaren<br />
Rahmen für die Eigenversorgung.<br />
So haben wir uns eine kleine Idylle à la Bullerbü<br />
geschaffen, in der nur eines fehlte: <strong>Kinder</strong>!<br />
Unsere Enkelkinder, inzwischen schulpflichtig geworden,<br />
kommen viel zu selten, <strong>und</strong> wir fühlen uns<br />
noch nicht alt genug um „in Rente" zu gehen.<br />
Da entdeckte mein Mann die Anzeige der GfS<br />
Uckermark in der Tageszeitung: „Profifamilien gesucht.“<br />
Wir fragten uns, was das wohl sein könnte <strong>und</strong> riefen<br />
an.<br />
Die Idee von <strong>Backhaus</strong> „Profifamilien ® “ begeisterte<br />
uns, <strong>und</strong> wir absolvierten den Vorbereitungskurs in<br />
Seehausen /Uckermark.<br />
Nach der Erteilung des Zertifikates zog bald ein 12<br />
jähriger Junge bei uns ein.<br />
Er lebte eineinhalb Jahre bei uns. Danach zog er in<br />
eine Jugendwohngruppe mit mehreren Gleichaltrigen.<br />
Seit dem Sommer 2010 teilen wir nun unser Leben<br />
mit einem 5jährigen Mädchen.<br />
So oft wie möglich spielt sie mit den Hühnerküken<br />
auf dem Hof, die sie gern herumträgt oder ihnen<br />
lehrt auf einem Ast zu sitzen. Mehrmals täglich kontrolliert<br />
sie, ob schon Eier gelegt wurden. Die kleinen<br />
Kätzchen werden von ihr stets mit Leckerlis versorgt.<br />
Und Alma, unser Fohlen, erst ein halbes Jahr<br />
alt, muss "gezähmt" <strong>und</strong> "trainiert" werden.<br />
Der unbeschwerte Umgang mit den Tieren unterstützt<br />
unser Zusammenleben.<br />
Und dann der am Hof grenzende See! Im Sommer<br />
gehört das Schwimmen im See zum täglichen Leben,<br />
oftmals bedarf es vieler Überredungskünste<br />
unsererseits das kleine Mädchen aus dem Wasser<br />
zu locken. Im Winter bietet er die besten Möglichkeiten<br />
das Schlittschuhlaufen zu erlernen.<br />
So eine kleine Idylle bietet viele Möglichkeiten,<br />
Pflaster auf Lebensw<strong>und</strong>en zu legen um diese heilen<br />
zu lassen.<br />
Und wenn nachts unser H<strong>und</strong> Max vor ihrer Zimmertür<br />
liegt <strong>und</strong> aufpasst, dass keine Monster <strong>und</strong> Geister<br />
hereinkommen können, dann kann das kleine<br />
Mädchen auch wieder ruhig schlafen.<br />
Profimutter<br />
GfS Uckermark<br />
Kerstin Buse<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Uckermark<br />
„Was ist das Besondere daran, Profifamilie ® zu sein?“<br />
Ausschnitte aus den Beiträgen von acht Profifamilien ® aus der Uckermark<br />
1. Aus dem Tagebuch einer Profimutter: Es war<br />
heute Nacht um 2.07 Uhr: „Das war es dann wohl<br />
wieder alles, was es heut an Schlaf gegeben hat?“<br />
Die letzten Nächte waren alle kurz <strong>und</strong> heute endet<br />
mein Schlaf: „Die <strong>Kinder</strong> kommen, was muss noch<br />
alles vorbereitet <strong>und</strong> bedacht werden?“ Seit Herr<br />
Kraus mich am letzten Donnerstagabend angerufen<br />
hat <strong>und</strong> mir die Frage stellte: „Könnten sie sich vorstellen,<br />
kurzfristig zwei kleine <strong>Kinder</strong> bei sich aufzunehmen?“<br />
geht es bei mir im Kopf drunter <strong>und</strong><br />
drüber. Dass es nun so schnell von einer Woche auf<br />
die andere losgehen soll, da bin ich natürlich erst<br />
mal baff. Tja, wie hat das eigentlich angefangen, mit<br />
dem Gedanken <strong>Kinder</strong> bei sich aufzunehmen? Ich<br />
überdenke Zeiten <strong>und</strong> Entscheidungen, die ich getroffen<br />
habe <strong>und</strong> komme dabei immer wieder zu<br />
dem Gedanken: „Ich möchte zurück zu meinen ei-<br />
gentlichen Zielen!“ Ich wollte kleine Menschen ein<br />
Stück ihres Lebens begleiten, ihnen Liebe <strong>und</strong> Zuwendung<br />
zeigen, mit ihnen spielen <strong>und</strong> toben <strong>und</strong><br />
ihnen jede Menge Rüstzeug zur Lebensbewältigung<br />
mitgeben………..<br />
Heute Vormittag war dann das zuständige Jugendamt<br />
bei uns, hat sich von unseren Wohnverhältnissen<br />
ein Bild gemacht, hat uns mit den wichtigsten<br />
Informationen versorgt. Wir sollten die <strong>Kinder</strong> jetzt<br />
gleich abholen………<br />
2. Das Interessante an unserer Arbeit ist, wir stellen<br />
keine Maschinen, keine Produkte her. Wir arbeiten<br />
mit <strong>Kinder</strong>n, die ihre eigene Geschichte mit in unsere<br />
Familie bringen. Ich kann mich auch nicht von<br />
einem Kleidungsstück, was ich lieben gelernt habe,<br />
welches seine eigene Geschichte hat, so einfach<br />
Ausgabe 80 37 KiM ®
von heute auf morgen trennen. Wir müssen unseren<br />
<strong>Kinder</strong>n Zeit geben <strong>und</strong> Zeit braucht Geduld…<br />
Der Wechsel von meiner Familie zur Familie meines<br />
Mannes war für mich auch nicht ganz einfach. Ich<br />
hatte nun täglich eine andere Familie um mich. Diese<br />
Familie hatte andere Gewohnheiten, führte andere<br />
Gespräche, hatte andere Fre<strong>und</strong>e, ein anderes zu<br />
Hause. Es war einfach alles anders. Mir fehlte meine<br />
gewohnte Umgebung, meine Mutter, mein Zimmer,<br />
mein Bett usw.. Ich habe lange Zeit gebraucht, um<br />
mich an die neue Situation zu gewöhnen. Wie mag<br />
es B. <strong>und</strong> Y. damit gehen ihre Familie verlassen zu<br />
haben?........<br />
Wichtige Voraussetzung ist eine erzieherische Ausbildung.<br />
Sie ist eine gute Gr<strong>und</strong>lage für die Arbeit<br />
mit <strong>Kinder</strong>n. Wir können die Nähe der <strong>Kinder</strong> zulassen<br />
<strong>und</strong> haben trotzdem eine ges<strong>und</strong>e Distanz entwickelt.<br />
Die Kommunikation zwischen Profieltern ® ,<br />
Herkunftsfamilie <strong>und</strong> Jugendamt erfolgt über die<br />
Erziehungsleitung, es ist eine Entlastung der Profieltern……..<br />
Die Familiennachmittage in Seehausen bieten den<br />
Profieltern eine gute Gelegenheit, sich <strong>und</strong> die <strong>Kinder</strong><br />
näher kennen zu lernen <strong>und</strong> Erlebnisse auszutauschen……<br />
3. Als Bürgermeister dieser Gemeinde war ich zu<br />
diesem Zeitpunkt sehr daran interessiert, die GfS<br />
nach Seehausen zu bekommen, denn ich konnte mir<br />
ausmalen, dass die Ansiedlung dieser Einrichtung<br />
eine gute Sache sei <strong>und</strong> somit auch einige Menschen<br />
in der Region in Lohn <strong>und</strong> Brot kommen<br />
könnten, denn zu diesem Zeitpunkt hatte die<br />
Uckermark eine Arbeitslosenquote von über 27 %<br />
<strong>und</strong> da kam jeder Investor, der es ernst mit der Region<br />
meinte, gerade richtig. Die Mühen haben sich<br />
gelohnt <strong>und</strong> es ist mittlerweile ein stattliches Unternehmen<br />
daraus geworden……<br />
Wenn uns heute die Frage gestellt wird, ob wir diese<br />
Aufgabe übernommen haben, weil wir keine Beschäftigung<br />
hatten, so müssen wir das verneinen,<br />
denn wir waren beide in einem Beschäftigungsverhältnis.<br />
Es war einfach die neue Herausforderung….<br />
Dieser Aufgabe sich zu stellen, weil man gerade<br />
keinen anderen Job hat, dass funktioniert auf keinen<br />
Fall <strong>und</strong> das sollte auch nicht der Beweggr<strong>und</strong> sein.<br />
Wichtig ist, dass man sich darüber im Klaren ist,<br />
dass es irgendwo kleine Menschenkinder gibt, welche<br />
Liebe, Zuneigung einfach Familie brauchen.<br />
Ohne dieses Verständnis sollte man die Finger von<br />
dieser Aufgabe lassen……<br />
Hoffen wir, dass wir ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> munter bleiben <strong>und</strong><br />
die Aufgabe bis zum verdienten Rentenalter ausfüllen<br />
können….<br />
4. Wichtig in dieser Zeit war für mich der Austausch<br />
in der Gruppe <strong>und</strong> im pädagogischen Zentrum. Die<br />
Selbstreflexion gewinnt hier an Bedeutung <strong>und</strong> hilft,<br />
die Realität mit anderen Augen zu betrachten. Ich<br />
denke, dass Pflegeltern, die nur innerfamiliär ihre<br />
Probleme lösen müssen, oft ratlos sind.<br />
Das Wichtigste im Alltag, woraus man Kraft schöpft:<br />
Positiv denken..., kann man nicht immer, vor allem<br />
wenn der Alltag mit unseren <strong>Kinder</strong>n schwer ist, man<br />
Krisen durchstehen muss <strong>und</strong> manchmal nicht weiß,<br />
wie es weiter geht!<br />
Mir persönlich hilft dann, mich zu besinnen auf die<br />
vielen positiven Seiten, die T. auch hat. Die vielen<br />
tollen Charaktereigenschaften wie Sensibilität, Empathie,<br />
Humor, Phantasie, Kreativität, Vertrauen.........usw.<br />
sind Dinge, die man bei genauem Hinsehen<br />
auch spürt.<br />
Wenn man sich auch in schweren Zeiten auf diese<br />
positiven Seiten des Kindes besinnen kann, gehen<br />
Krisen schneller vorbei <strong>und</strong> der gemeinsame Alltag<br />
wird wieder warm <strong>und</strong> herzlich!<br />
5. Schön ist, dass unsere Familien <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e die<br />
<strong>Kinder</strong> so „normal“ angenommen haben. Obwohl<br />
nach 7 Jahren viel im Zusammenleben normal für<br />
uns geworden ist, ist das schon noch Besonders.<br />
Als J. sich die Kniescheibe ausgerenkt hat, sind wir<br />
alle vier ins KHS gefahren. Wir haben für die 22 km<br />
fast eine ¾ St<strong>und</strong>e gebraucht, da jedes Schlagloch,<br />
jede Bremsung Schmerzen auslöste, konnten wir<br />
nur sehr langsam fahren. J. weinte, schrie manchmal<br />
<strong>und</strong> war trotzdem tapfer. Es hat uns alle sehr<br />
berührt, ich musste weinen, sie tat mir auch so<br />
leid…..Nach dem Einrenken war J. so glücklich, sie<br />
hat allen Danke gesagt <strong>und</strong> zu uns: „Ihr seid so toll,<br />
danke dass Ihr da seid“…….<br />
Wir fuhren mit gemischten Gefühlen nach Berlin. Wir<br />
wollten nicht die „Bösen“ sein, die N. aus seiner<br />
vertrauten Umgebung reißen…..So schnell wie er im<br />
Auto angeschnallt war, lag er auch schon unangeschnallt<br />
im Fußraum <strong>und</strong> schrie jämmerlich nach<br />
seiner bisherigen Pflegemutter. In einem unbeobachteten<br />
Moment lief er weinend in Richtung Pflegemutter.<br />
J. schaffte es ihn zurückzuholen. Es war<br />
herzzerreißend. Wir kamen uns wie Kidnapper<br />
vor…..<br />
Während einer Autofahrt waren die <strong>Kinder</strong> sehr laut.<br />
Ich bat die <strong>Kinder</strong> leise zu sein <strong>und</strong> J. sagte zu N. er<br />
solle sie nicht so nerven, worauf Nico antwortete:<br />
„Das ist mein Schicksal“……<br />
Die <strong>Kinder</strong> sind eine Bereicherung für unser Leben<br />
<strong>und</strong> wir hoffentlich für sie……..<br />
Den <strong>Kinder</strong>n die nötige Zeit lassen, um mit ihren<br />
Ängsten <strong>und</strong> Aggressionen umzugehen <strong>und</strong>/oder<br />
abzubauen ist wichtig <strong>und</strong> nicht immer leicht, manches<br />
dauert Jahre.<br />
6. Die Gespräche mit unseren Familien <strong>und</strong> insbesondere<br />
mit unseren eigenen <strong>Kinder</strong>n im Vorfeld<br />
waren mit Abstand das wichtigste, denn sie mussten<br />
bereit sein, ein neues Familienmitglied zu bekom-<br />
Ausgabe 80 38 KiM ®
men, bereit sein zu teilen <strong>und</strong> M. so zu akzeptieren,<br />
wie er ist. Es wurde von ihnen viel Geduld abverlangt<br />
…..ohne den Rückhalt in der eigenen Familie, ohne<br />
meine Eltern <strong>und</strong> Schwiegereltern, hätte ich niemals<br />
die Kraft, diese Aufgabe zu meistern - danke<br />
……….leider mussten wir während der ganzen Zeit<br />
feststellen, dass es auch Menschen in unserem<br />
Bekanntenkreis gab, die nicht mal „Guten Tag“ sagen,<br />
sondern M. einfach ignorieren. Das hat mich<br />
sehr betroffen gemacht<br />
……….Letztens musste ich einfach nur schmunzeln,<br />
im Vorbeigeh`n hörte ich, wie M. im spielerischen<br />
Selbstgespräch in seinem Zimmer das „Sch“ - Wort<br />
entschlüpfte <strong>und</strong> er sich im selben Atemzug gleich<br />
dafür entschuldigte, obwohl ja keiner weiter anwesend<br />
war<br />
………ich hörte M. hinter mir im Auto plötzlich lachen<br />
<strong>und</strong> kichern. Und dann seh‘ ich, wie er aus der<br />
Scheibe winkt, schau neben uns <strong>und</strong> da ist der kleine<br />
Kerl fleißig am Schäkern <strong>und</strong> Flirten mit einem<br />
jungen Mädchen im Nebenauto, ca. 16 Jahre, die<br />
voll mitmacht – also ich kannte sie nicht……<br />
7. Sehr besonders ist der gute Kontakt zur leiblichen<br />
Familie dieser <strong>Kinder</strong> zu uns. Für die <strong>Kinder</strong> ist es<br />
schön, keine Spannungen zwischen den Familien zu<br />
spüren. Sie haben eigentlich zwei Familien…..<br />
Es gibt immer Möglichkeiten zum Austausch oder<br />
zur Unterstützung der Profifamilie ® . Die 2-wöchigen<br />
Arbeitsgespräche sind sehr wichtig….<br />
Wir haben erkannt, dass für diese <strong>Kinder</strong> eine<br />
gleichbleibende Erziehung sehr wichtig ist. Dass sie<br />
unbedingt Rituale brauchen, um Sicherheit zu spüren.<br />
Sie brauchen sehr viel Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />
Zuwendung, da sie oft Verlassensängste spüren<br />
mussten <strong>und</strong> auch verlassen wurden…..<br />
Ich möchte nichts anderes machen, als mich dieser<br />
interessanten, wertvollen Arbeit zu stellen……<br />
M. ist in der AG „Feuerwehr“ in der Schule. Eines<br />
Abends berichtete er uns, dass er heute den „Arschloch“<br />
nicht bekommen hat. Nach langen Nachfragen<br />
konnten wir herausbekommen, dass er den A-<br />
Schlauch meinte….<br />
Zitat von Goethe (entdeckt von Richard Kraus)<br />
Sage es mir <strong>und</strong> ich werde es vergessen<br />
Zeige es mir <strong>und</strong> ich werde es vielleicht behalten<br />
Lasse mich es tun <strong>und</strong> ich werde es können.<br />
J. W. v. Goethe (1749-1832)<br />
Er hatte stets Angst , von irgendetwas nichts abzubekommen<br />
- diese Panik ist geblieben….<br />
8. Der Vorbereitungskurs war für uns ein wichtiges<br />
F<strong>und</strong>ament. In unserer späteren Arbeit stellten wir<br />
immer wieder fest, dass die Dinge, wie sie dort benannt<br />
wurden, immer wieder zutrafen…….<br />
Wichtig sind die 14-tägigen Treffen, wo man immer<br />
wieder Kraft schöpfen kann. Hinterher ist manches<br />
Problem nicht mehr so groß <strong>und</strong> man sieht manche<br />
Sachen aus einer ganz anderen Sichtweise……<br />
Für M. war immer wichtig, dass Absprachen eingehalten<br />
wurden. Sie war immer sehr misstrauisch…….<br />
Bei K. war von Anfang an eine große Co-<br />
Abhängigkeit zu ihrer Mutter zu spüren. Sie wollte<br />
immer wieder wissen wie es ihr geht <strong>und</strong> ihr helfen.<br />
Obwohl sie von ihrer Mutter wenig Liebe <strong>und</strong> Hilfe<br />
erhalten hat. Sie fühlte sich für sie verantwortlich…………<br />
K. wollte eine kleine Ente aus dem Wassernapf retten,<br />
die Entenmutter kam ihr zuvor <strong>und</strong> schlug ihr<br />
mit dem Flügel die Brille vom Kopf - K. nahm es<br />
gelassen…..<br />
In der Baude im Fichtelgebirge, wo wir übernachteten,<br />
lag der Schnee bis ans Fenster. Abends beim<br />
Duschen kletterten die Mädchen aus dem Fenster<br />
<strong>und</strong> tanzten im Schnee herum……<br />
Wir haben es uns als Gr<strong>und</strong>satz gemacht, sich immer<br />
in die <strong>Kinder</strong> hinein zu versetzen, <strong>und</strong> niemals<br />
vergessen, weshalb sie zu uns gekommen sind.<br />
……<br />
Man darf von den <strong>Kinder</strong>n keine Dankbarkeit erwarten.<br />
Sie sind es, können es aber oft nicht zeigen.<br />
Äußerungen der <strong>Kinder</strong> darf man nie persönlich<br />
nehmen. ……<br />
Wichtig ist für mich mein Mann. Er<br />
ist für mich der Ruhepol.<br />
Richard Kraus<br />
Erziehungsleitung<br />
GfS Uckermark<br />
Unsere neue PZ Adresse lautet ab 14.3.2011<br />
GfS Uckermark<br />
Am Ring 21 A<br />
Warnitz<br />
17291 Oberuckersee<br />
Ausgabe 80 39 KiM ®
Der psychologische Dienst wird vorrangig von den<br />
sechs gruppenpädagogischen Einrichtungen der<br />
KJHB sowie besonders auch dem Clearinghaus in<br />
Anspruch genommen. Vor allem im Clearinghaus<br />
steht dabei die psychologische Diagnostik im Vordergr<strong>und</strong>,<br />
zu der neben der Durchführung von Testungen<br />
auch weiterführende Einzeltermine mit diagnostischem<br />
aber auch immer emotional stabilisierendem<br />
Inhalt gehören. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage findet<br />
der intensive Austausch mit den pädagogischen<br />
Mitarbeitern der Gruppe statt, so dass eine psychologische<br />
Beratung auf der Basis eigener f<strong>und</strong>ierter<br />
Eindrücke den gesamten Klärungsprozess begleiten<br />
sowie eine verantwortliche Entscheidungsfindung für<br />
eine weitere Perspektive der <strong>Kinder</strong> unterstützen<br />
kann.<br />
In den weiteren Gruppen richtet sich die zeitliche<br />
Intensität psychologischer Begleitung nach Art der<br />
Wohngruppenform <strong>und</strong> dementsprechend getroffenen<br />
Leistungsvereinbarungen sowie darüber hinaus<br />
immer wieder auch nach dem von den <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />
Jugendlichen selber oder auch von den Hausleitern<br />
angemeldeten dringlichen Bedarf. Einen Schwerpunkt<br />
der psychologischen Arbeit bildet hier die<br />
Durchführung von Einzelterminen, die je nach Alter/Entwicklungsalter<br />
der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
gestaltet werden. Auf der Gr<strong>und</strong>lage des konzeptionell<br />
festgeschriebenen Bindungskonzeptes finden<br />
vor allem Elemente der zielorientierten Gesprächspsychotherapie,<br />
der Verhaltenstherapie aber auch<br />
systemische, gestalttherapeutische sowie traumatherapeutische<br />
Interventionen bzw. Techniken Anwendung.<br />
Besonders intensiv gestaltet sich die Arbeit des psychologischen<br />
Dienstes in der therapeutischen Wohngruppe:<br />
So erhält jedes Kind wöchentlich stattfindende<br />
Einzeltermine, ebenfalls findet jede Woche<br />
das therapeutisch geleitete <strong>Kinder</strong>team der Gruppe<br />
statt. Die für das Kind zuständige Psychologin bietet<br />
auch den Eltern regelmäßige Gesprächstermine an<br />
<strong>und</strong> nimmt üblicherweise an Hilfeplangesprächen<br />
Der psychologische Dienst<br />
Die Mädchengruppe<br />
Die Mädchengruppe der<br />
KJHB ist ein Projekt,<br />
das vor ca. 2 Jahren ins<br />
Leben gerufen wurde.<br />
Es sollte ein<br />
spezielles Angebot<br />
für Mädchen<br />
aus Profifamilien<br />
® geschaffen<br />
werden,<br />
um ihre sozialen<br />
Fähigkeiten durch<br />
gegenseitigen Austausch, Ge-<br />
teil. Zentrale Bedeutung besitzt auch die Teilnahme<br />
an der wöchentlich durchgeführten Teambesprechung<br />
der pädagogischen Mitarbeiter: Hier geht es<br />
neben dem interdisziplinären Austausch um Beratung<br />
im Sinne der therapeutisch/pädagogischen<br />
Zielsetzung sowie insbesondere in dieser Gruppe<br />
um die Etablierung eines sogenannten „therapeutischen<br />
Milieus“ (Gahleitner,2010). Therapeutisches<br />
Milieu im Sinne Gahleitners meint dabei „ …nicht<br />
etwa eine Therapeutisierung des Alltags, sondern<br />
realisiert sich in einer humanistischen, personzentrierten<br />
Gr<strong>und</strong>haltung <strong>und</strong> Vorgehensweise unter<br />
Einbezug eines professionellen Verständnisses von<br />
Störungsbildern, Krisenanfälligkeiten, Dynamiken,<br />
jedoch auch Ressourcen in der Wahrnehmung der<br />
Jugendlichen durch das Betreuungsteam.“ (Gahleitner,<br />
2010, S.129).<br />
Die Zusammenarbeit mit den gruppenpädagogischen<br />
Einrichtungen bildet derzeit einen deutlichen<br />
Schwerpunkt der psychologisch/therapeutischen<br />
Arbeit, immer wieder werden jedoch auch Anfragen<br />
unterschiedlicher Art von Erziehungsleitern bzw.<br />
Profieltern gestellt. Je nach Bedarf werden sehr<br />
zeitnah Beratungsgespräche angeboten, weiterführende<br />
Maßnahmen evtl. begleitet oder - in Ausnahmefällen<br />
- eine begrenzte Anzahl fortlaufender Termine<br />
für <strong>Kinder</strong> oder Jugendliche aus den Profifamilien<br />
® durchgeführt.<br />
Literatur:<br />
Gahleitner, S. B. (2010). Das „Therapeutische Milieu“<br />
als Antwort auf frühe Gewalterfahrung. Trauma<br />
& Gewalt, Forschung <strong>und</strong> Praxisfelder, 4.Jahrgang,<br />
Heft 2, (S. 128 - 140).<br />
Ulrike Sabrowski-Lübbers<br />
Psychologische Psychotherapeutin<br />
<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendlichenpsychotherapeutin<br />
GfS Emsland<br />
meinschaft <strong>und</strong> Gruppengefühle zu fördern.<br />
So entstand eine Gruppe für sechs Mädels, die unterschiedlicher<br />
nicht sein konnten, aber gerade<br />
durch ihre besondere Rolle als aufgenommenes<br />
Kind sehr viel gemeinsam hatten. Einmal im Monat<br />
treffen sich nun die „Kichererbsen“ im Bereich des<br />
Psychologischen Dienstes, um die unterschiedlichsten<br />
Themen <strong>und</strong> Fragen zu behandeln. Es entwickelten<br />
sich besondere Regeln <strong>und</strong> Rituale an die<br />
sich alle Teilnehmer halten. Beispielsweise bereitet<br />
immer ein Mädchen ein Spiel für das nächste Mal<br />
vor.<br />
Ausgabe 80 40 KiM ®
Spielen stellt in der Mädchengruppe einen Schwerpunkt<br />
dar, da durch das Spiel Gemeinschaft, Spaß,<br />
aber auch Emotionalität <strong>und</strong> Freude erlebt werden<br />
können. Die Mädchen erleben durch die Erfahrung<br />
des „Selbst Mitgestaltens“ ihre Kompetenzen <strong>und</strong><br />
ihre Selbstwirksamkeit, was einen wertvollen Baustein<br />
im Aufbau von Selbstwertgefühl darstellt.<br />
Gerade durch die Heterogenität in der Gruppe durch<br />
die unterschiedlichen Entwicklungsstadien, in denen<br />
sich die Mädchen befinden, können sie voneinander<br />
lernen, sich gegenseitig zuhören <strong>und</strong> so wertvolle<br />
Soziale Kompetenzen erlernen. Sie profitieren voneinander,<br />
lernen aber auch der Anderen zuzuhören<br />
auch wenn sie eine andere Meinung hat.<br />
Regelmäßig werden Themen besprochen, die in der<br />
Gruppe behandelt werden sollen. So wurde bereits<br />
über wichtige Alltagserlebnisse wie Fre<strong>und</strong>schaft,<br />
Mobbing, Jungs, Was Mädchen wollen, Zukunft,<br />
Identität usw. gesprochen.<br />
In der Gruppe erleben die <strong>Kinder</strong> eine Dynamik, die<br />
im Einzelkontakt schwer möglich wäre. Durch die<br />
Erlebnisse der Anderen fühlen sie sich gestärkt <strong>und</strong><br />
ermutigt selbst etwas beizutragen <strong>und</strong> über ihre<br />
eigenen Empfindungen zu sprechen. Durch einen<br />
sehr respektvollen Umgang fühlen sie sich ernst<br />
genommen. Sie trauen sich, zu sich <strong>und</strong> ihren Gefühlen<br />
zu stehen ohne Angst zu haben, ausgelacht<br />
zu werden.<br />
Gerade wenn es um die Rolle eines aufgenommenen<br />
Kindes in einer Profifamilie ® geht, können nur<br />
andere aufgenommene <strong>Kinder</strong> nachempfinden wie<br />
es ist, wie es ihnen damit geht usw.. Über diese<br />
Themen kommen die Mädels an für sie wichtige<br />
Fragen, die sie sich gegenseitig stellen können.<br />
Welche Rolle haben deine Eltern bei dir? Hast du<br />
Kontakt? usw.…. Die besondere Herkunftsgeschichte<br />
wird für die Mädchen immer ein Teil ihres Lebens<br />
sein, daher spielt dieses Thema eine übergeordnete<br />
Rolle in der Mädchengruppe, das immer wieder<br />
seinen Platz finden wird.<br />
Ich freu mich schon auf das nächste<br />
Treffen zum Thema „Dazugehören?!“<br />
Julia Oelerink<br />
Dipl. Psychologin<br />
GfS Emsland<br />
Traumatisierte <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> ihr Verhalten<br />
Im Alltagsleben mit traumatisierten <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
wird immer wieder deutlich, wie schwierig<br />
es ist, ihr Verhalten zu verstehen <strong>und</strong> sie annehmend<br />
zu begleiten. Die vielfältigen „Verhaltensauffälligkeiten“<br />
sind sehr starr <strong>und</strong> es bedarf eines sehr<br />
‚langen Atems‘ im pädagogischen Alltag. Es ist wichtig,<br />
sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass<br />
die Verhaltensauffälligkeiten Abwehrmechanismen<br />
sind.<br />
„Traumata lösen immer schreckliche Ängste aus, die<br />
beständige Begleiter des Kindes bleiben. Da kein<br />
Mensch (über-)leben kann, wenn er ständig voller<br />
schrecklicher Angst ist, müssen die <strong>Kinder</strong> ihre<br />
Ängste abwehren. Sie entwickeln unbewusste Abwehrmechanismen,<br />
die dann als ‚auffälliges Verhalten‘<br />
beobachtet werden können.“ (Ebel, A., 2002).<br />
Alice Ebel hat eine Auflistung der besonders häufig<br />
vorkommenden Abwehrmechanismen vorgenommen,<br />
die wir alle aus dem pädagogischen Alltag<br />
kennen <strong>und</strong> die den Alltag mit den uns anvertrauten<br />
<strong>Kinder</strong>n oft zu „schwierig“ machen.<br />
• „Pseudo-Autonomie (<strong>Kinder</strong> die schon früh für sich<br />
selber oder sogar Geschwister sorgen, sich für<br />
unabhängig <strong>und</strong> quasi erwachsen halten <strong>und</strong> keine<br />
Bindung mehr eingehen wollen, d.h. nie wieder<br />
abhängig sein wollen)<br />
• Übermäßige Bewegung / Hyperaktivität (diese<br />
<strong>Kinder</strong> sind ständig ‚auf der Flucht‘ vor ihren Ängs-<br />
ten <strong>und</strong> versuchen diese durch Zappeligkeit <strong>und</strong><br />
ständige ‚Aktion‘ zu betäuben)<br />
• Überanpassung (diese <strong>Kinder</strong> hoffen, durch<br />
übermäßiges Brav-Sein, durch blinden, ggf. vorauseilenden<br />
Gehorsam die stets als bedrohliche<br />
erlebten Erwachsenen zu beschwichtigen <strong>und</strong> so<br />
ihre Ängste zu reduzieren)<br />
• Totstell-Reflex (völliges Erstarren, nicht mehr<br />
Mucksen beim kleinsten Anflug von Gefahr. Erscheint<br />
oft bei sexuellem Missbrauch. Oft haben<br />
diese <strong>Kinder</strong> ihre Körperwahrnehmung völlig abgespalten)<br />
• Sich selber schlecht machen (Dies ist der Versuch<br />
der <strong>Kinder</strong>, eine letzte Übereinstimmung mit den<br />
Eltern herzustellen, indem sie ihnen Recht geben<br />
<strong>und</strong> die Schuld / Schlechtigkeit auf sich nehmen,<br />
in der Hoffnung, durch diese Zustimmung verschont<br />
zu bleiben)<br />
• Sexualisiertes Verhalten (z.B. Lolita-Verhalten. Dies<br />
ist der Versuch des Kindes, die Kontrolle über die<br />
erwartete Missbrauchssituation zu behalten. ‚Wenn<br />
ich selber aktiv anfange, dann hab ICH mehr Kontrolle,<br />
als wenn ich es passiv ertragen muss‘. Es<br />
kann aber auch ein Hinweis sein, dass das Kind<br />
glaubt, sein Bedürfnis nach Nähe nur in Verbindung<br />
mit Sexualität befriedigt zu bekommen)<br />
• Identifikation mit dem Aggressor (diese <strong>Kinder</strong><br />
sind sehr aggressiv <strong>und</strong> zerstörerisch. Sie versu-<br />
Ausgabe 80 41 KiM ®
chen durch ‚Rambo-Gehabe‘ abzuschrecken <strong>und</strong><br />
stark zu erscheinen, in der Hoffnung, dass sich<br />
keiner mehr an sie heranwagt um sie zu misshandeln.<br />
‚Wenn ich nie wieder schwach bin, kann mir<br />
keiner mehr was tun‘)<br />
• Verleugnung / Verdrängung (diese <strong>Kinder</strong> versuchen<br />
so zu tun, als sei nichts gewesen <strong>und</strong> unterdrücken<br />
bzw. spalten ihre Ängste ab. Manche <strong>Kinder</strong><br />
idealisieren sogar ihre Erfahrungen bzw. Eltern,<br />
um sich selber (<strong>und</strong> andere) davon zu überzeugen,<br />
dass doch gar nichts Schlimmes passiert ist. Oft<br />
bahnen sich die Gefühle dann andere Wege, z.B.<br />
über psychosomatische Krankheiten, Phobien, Albträume<br />
etc.) Dissoziation.“ (a.a.O.)<br />
• Dissoziation - führt Frau Ebel aus - tritt nicht nach<br />
der Traumatisierung, sondern schon während der<br />
Traumatisierung auf. Dabei wird das Erleben in<br />
einzelne Teile zerlegt. „Es sind nur solche Gedächtnisinhalte<br />
bewusst abrufbar, die im Hippocampus<br />
(dem neuzeitlichen ‚bibliotheken Gedächtnis‘)<br />
abgespeichert werden. Diese Inhalte<br />
können versprachlicht, in eine zeitliche Reihenfolge<br />
gebracht bzw. einem ‚Damals‘ zugeordnet oder/<strong>und</strong><br />
als reproduzierbare sinnliche Erinnerungen<br />
abgerufen werden. Der Hippocampus wird<br />
auch ‚kühler Speicher‘ genannt, weil über die dort<br />
gespeicherten Erinnerungen mit relativ geringer<br />
emotionaler Beteiligung berichtet werden kann.<br />
Man kann sich das wie einen zersprungenen<br />
Spiegel vorstellen, von dem einige der Splitter in<br />
den Hippocampus gelangen, der Rest kommt dort<br />
nicht an. Das bedeutet aber nicht, dass der Rest<br />
nicht gespeichert wird. Er wird allerdings in einem<br />
anderen stammesgeschichtlich älteren Teil, der<br />
Amygdala gespeichert. Dort ist das gesamte<br />
traumatische Erlebnis mit allen sensorischen <strong>und</strong><br />
emotionalen Anteilen, d.h. alle Splitter aufbewahrt,<br />
jedoch ohne bewussten Zugang.“ (a.a.O.)<br />
Durch scheinbar harmlose Auslöser können diese<br />
Erinnerungen ausgelöst werden <strong>und</strong> das Kind erlebt<br />
dann, alle Gefühle <strong>und</strong> Ängste, die es während der<br />
Traumatisierung erlebt hat. Es ist wie eine Retraumatisierung.<br />
Das Kind ist nicht in der Lage diese<br />
aufbrechenden Ängste zu kontrollieren, es wird davon<br />
überrollt.<br />
Wie oft wird dies im pädagogischen Alltag erlebt,<br />
dass <strong>Kinder</strong> offensichtlich ohne verstehbaren Gr<strong>und</strong>,<br />
plötzlich völlig außer sich geraten. Sie können sich<br />
dann nicht mehr kontrollieren. Sie sind nicht in der<br />
Lage sich zu steuern, sie werden von ihren Gefühlen<br />
überwältigt. Sie können auch nicht erkennen, dass<br />
sich jetzt die Situation geändert hat, dass sie keine<br />
Angst mehr haben brauchen. Die <strong>Kinder</strong> wissen<br />
selber nicht warum sie sich so verhalten, auf Vorhaltungen<br />
oder Fragen danach, können sie nur mit den<br />
„Schultern zucken“. Sie wissen es nicht. Aber sie<br />
haben einen „guten Gr<strong>und</strong>“ sich so zu verhalten.<br />
Alice Ebel nennt es das „Konzept des guten Gr<strong>und</strong>es“.<br />
Sie teilen uns damit etwas über ihre überwältigenden<br />
Erfahrungen mit. Im Umgang mit traumatisierten<br />
<strong>Kinder</strong>n ist dieses Wissen über den „guten<br />
Gr<strong>und</strong>“ ganz wichtig. Wird das Verhalten des Kindes<br />
lediglich sanktioniert, wird sich sein Gefühl „schlecht<br />
zu sein“ - „schuld zu sein“ verstärken. Die <strong>Kinder</strong><br />
brauchen ein einfühlsames Verständnis <strong>und</strong> ein<br />
Verstehen <strong>und</strong> Versichern, dass ihr Verhalten begreiflich<br />
ist. Erst dann können sie allmählich Zugang<br />
zu ihren traumatischen Erlebnissen haben <strong>und</strong> es<br />
kann eine Heilung in Gang gesetzt werden. Dafür<br />
brauchen die pädagogischen Fachkräfte einen langen<br />
Atem. Aber jeder Mensch hat das Recht sein<br />
Tempo selber zu bestimmen.<br />
Literatur:<br />
Ebel, Alice: Traumatisierte <strong>Kinder</strong>/Jugendliche<br />
in Pflegefamilien.<br />
2002, www.agsp.de/htmal/a73.html<br />
Marion Wischka<br />
Abteilungsleitung<br />
GfS Emsland<br />
Bindungskonzept in Gruppenpädagogischen Einrichtungen?<br />
In unserer Einrichtung wird nun seit über 30 Jahren<br />
nach dem Bindungskonzept gearbeitet. Pädagogische<br />
Fachkräfte können nach einem Besuch unserer<br />
Vorbereitungskurse in die Anstellung zur Profifamilie<br />
® gelangen. Somit können sie nach ca. einem<br />
halben Jahr Vorbereitung ein Kind in der eigenen<br />
Familie aufnehmen. Die Erziehungsleitung, die<br />
die Profifamilie ® ausgebildet hat, berät, begleitet <strong>und</strong><br />
betreut in wöchentlichen Sitzungen die Familie weiterhin<br />
<strong>und</strong> in vielen Fällen nimmt dann die Profifamilie<br />
® nach einer gewissen Zeit ein weiteres Kind auf.<br />
Dieses allseits bekannte Verfahren der Erziehungsstellen<br />
(bei uns heißen Erziehungsstellen Profifamilien<br />
® ) ist b<strong>und</strong>esweit bekannt <strong>und</strong> in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> sehr umfangreich ausgebaut<br />
<strong>und</strong> heute in vielen B<strong>und</strong>esländern vertreten.<br />
Wie jedoch kann in einer Einrichtung wie der<br />
<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> neben einem<br />
Bindungskonzept in einer Familie doch ebenfalls<br />
ein Gruppenpädagogisches System entstehen?<br />
Konkurrieren diese Systeme nicht miteinander?<br />
Müssten nicht alle junge Menschen die Gelegenheit<br />
bekommen, in einer intakten Familie die notwendigen<br />
Werte <strong>und</strong> Normen zu erfahren, um so das eigene<br />
Wertesystem verändern zu können? Warum<br />
entstand in den letzten Jahren in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> ein gruppenpädagogischer<br />
Ausgabe 80 42 KiM ®
Bereich mit jetzt ca. 100 Plätzen? Denn neben den<br />
Gruppen in Meppen sind mittlerweile auch gruppenpädagogische<br />
Systeme in Berlin, Templin <strong>und</strong> Seehausen<br />
entstanden <strong>und</strong> neuerdings öffnet eine<br />
Wohngruppe für junge Menschen mit einem Aufnahmealter<br />
von 8 bis 14 Jahren in Vollersode, ca. 40<br />
Kilometer nördlich von Bremen. Wie passen diese<br />
Gruppen in eine Einrichtung, die das Bindungskonzept<br />
als das „Non Plus Ultra“ betrachtet?<br />
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die<br />
Vergangenheit der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
(KJHB) hinweisen. Die KJHB ist vor über 37<br />
Jahren aus einem Kleinstheim entstanden. Aus der<br />
Erfahrung heraus, dass auch in einem kleinen Rahmen<br />
immer wieder <strong>Kinder</strong> nicht zu ihrem Recht finden<br />
können, weil auch dieser kleine Rahmen noch<br />
zu groß ist <strong>und</strong> somit zu unübersichtlich, entstand<br />
eine erste Profifamilie ® . Eine angestellte Erzieherin<br />
nahm ein Kind mit in die eigene Familie, um so dem<br />
Kind einen noch kleineren Rahmen zu geben. Das<br />
Kind konnte Zusammenhänge besser verstehen,<br />
musste sich nur auf wenige Personen einlassen <strong>und</strong><br />
konnte die Verhaltensweisen besser einschätzen.<br />
Somit war in der KJHB der Gedanke für das Ausbilden<br />
der Profifamilien ® entstanden. Junge Menschen<br />
sollten in den Familien die Möglichkeit erhalten, sich<br />
neue Verhaltensweisen anzueignen <strong>und</strong> die Werte<br />
der Profifamilien ® zu übernehmen. Die Bindung in<br />
der Profifamilie ® sollte über den natürlichen Rahmen<br />
der <strong>Jugendhilfe</strong> hinausgehen <strong>und</strong> somit sollten die<br />
jungen Menschen auch nach der Zeit der <strong>Jugendhilfe</strong><br />
das Bindungsangebot der Profifamilie ® behalten.<br />
Die vielen Anbahnungen mit <strong>Kinder</strong>n, die zwischen<br />
der Herkunftsfamilie <strong>und</strong> der Profifamilie ® erfolgten,<br />
zeigten sich oft als schwierig. <strong>Kinder</strong> waren zwischen<br />
den beiden Familien hin- <strong>und</strong> hergerissen <strong>und</strong><br />
wollten oder konnten sich nicht dazwischen entscheiden.<br />
Somit wurde der Gedanke einer Zwischenstelle<br />
geboren. Um das Jahr 2000 entstand<br />
auch in Meppen eine Clearingstelle, die hauptsächlich<br />
den Übergang von der Herkunftsfamilie zur Profifamilie<br />
® erleichtern sollte. Zusätzlich konnte in dieser<br />
Zeit eine Klärung des Ist-Standes erfolgen <strong>und</strong><br />
eine Perspektive für den weiteren Lebensweg ausgegeben<br />
werden. Die zunehmende Anzahl der psychisch<br />
erkrankten Eltern machte die Clearingstelle<br />
ziemlich schnell unverzichtbar.<br />
In den darauf folgenden Jahren konnte die Arbeitsweise<br />
der Clearingstelle weiter ausgebaut werden.<br />
Heute leistet die Clearingstelle eine pädagogische<br />
<strong>und</strong> psychologische Diagnostik <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der<br />
Kooperation mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum in<br />
Meppen auch eine medizinische <strong>und</strong> psychiatrische<br />
Abklärung.<br />
Doch auch in einigen Profifamilien ® mussten wir<br />
bemerken, dass es den jungen Menschen oft in<br />
einem gewissen Alter zu eng in der Familie wurde.<br />
Sie fühlten sich zunehmend bevorm<strong>und</strong>et („ge-<br />
stresst“) <strong>und</strong> verlangten ein anderes Setting. Um die<br />
Verbindung zur Profifamilie ® nicht abreißen zu lassen,<br />
entwickelten wir Jugendwohngruppen, um dem<br />
jungen Menschen einen Schutzraum zu geben, in<br />
dem er sich weiter entwickeln <strong>und</strong> so zu einer Eigenständigkeit<br />
kommen konnte. In diesem Zeitraum<br />
wollen die jungen Menschen ihre Wurzeln entdecken<br />
<strong>und</strong> sich mit den eigenen Eltern <strong>und</strong> der Vergangenheit<br />
auseinandersetzen. In einigen Fällen<br />
konnten wir erleben, dass sich die jungen Menschen<br />
wieder ihren leiblichen Eltern ganz zuwendeten. Oft<br />
war dieses Verhältnis <strong>und</strong> die Bindung so dünn <strong>und</strong><br />
brüchig, dass es schon nach kurzer Zeit wieder auseinander<br />
ging <strong>und</strong> die jungen Menschen dann allein<br />
auskommen mussten. Um die Bindung auch weiter<br />
mit den Profieltern aufrecht zu erhalten, mussten wir<br />
in der Elternarbeit beiden Systeme (Herkunftssystem<br />
<strong>und</strong> Profifamilie ® ) bearbeiten. Somit konnte der<br />
junge Mensch sich beiden Systemen zuwenden <strong>und</strong><br />
für sich entscheiden, wann er wie lange in der jeweiligen<br />
„Welt“ bleiben wollte. Heute sind unsere Jugendwohngruppen<br />
so konzipiert, dass sie den jungen<br />
Menschen kontinuierlich auf die Verselbständigung<br />
hinführen. Schon in den Wohngruppen gibt es<br />
ein praktiziertes System der Verselbständigung. Die<br />
jungen Menschen sollen hier in separaten Bereichen<br />
den „Ernstfall“ der Eigenständigkeit erproben. Hierzu<br />
bekommen sie ein monatliches Budget <strong>und</strong> müssen<br />
sich selbst versorgen <strong>und</strong> beköstigen. Der Übergang<br />
in die eigenen „vier Wände“ ist somit abgefedert <strong>und</strong><br />
schon im gewohnten Rahmen erprobt.<br />
Die tägliche Arbeit in der Clearingstelle zeigte uns<br />
immer mehr, dass die <strong>Kinder</strong> zwar vom Alter jünger<br />
wurden, jedoch ihre Traumatisierungen zunahmen,<br />
doch ihre Entwicklungspotentiale immer geringer<br />
wurden. Eine notwendige Vermittlung in eine Pflegefamilie<br />
oder Profifamilie ® konnte aufgr<strong>und</strong> der großen<br />
Entwicklungsdefizite nicht gemacht werden. Zu<br />
schwer waren die Traumatisierungen <strong>und</strong> Verletzungen,<br />
die sie in den ersten Lebensjahren davon<br />
getragen hatten. Aus dieser Situation (die Clearingphase<br />
ist nach drei Monaten beendet) entwickelten<br />
wir Gruppen mit besonderer Förderung für <strong>Kinder</strong>,<br />
die noch nicht in der Lage sind, eine Situation in<br />
einer engen Familie auszuhalten.<br />
In Meppen Borken entstand eine Intensivpädagogische<br />
Wohngruppe mit tiergestützter Pädagogik.<br />
Ganz bewusst suchten wir zu Beginn pädagogische<br />
Fachkräfte, die mit viel Elan <strong>und</strong> Begeisterung aber<br />
auch mit „Gummistiefeln <strong>und</strong> Blaumann“ zur Arbeit<br />
erschienen. Unsere aufgenommenen jungen Menschen<br />
konnte sich über die Tiere wieder Vertrauen<br />
zu Individuen aufbauen <strong>und</strong> somit sich langsam für<br />
die Gesellschaft rehabilitieren. Somit konnte hier<br />
eine Gruppe aufgebaut werden, in der die jungen<br />
Menschen Zeit haben sich zu entwickeln, um evtl.<br />
doch noch in eine Profifamilie ® zu wechseln. Aus<br />
diesen Erfahrungen sind eine weitere Therapeuti-<br />
Ausgabe 80 43 KiM ®
sche Wohngruppe <strong>und</strong> eine zweite Intensivpädagogische<br />
Wohngruppe entstanden.<br />
Als weitere interessante Wohngruppe eröffneten wir<br />
ein Kleinstheim. Hier konnten wir mit dem innewohnenden<br />
Ehepaar Lammers ein familienanaloges<br />
Konzept anbieten. Die jungen Menschen können in<br />
diesem Setting sowohl das familiäre Angebot als<br />
auch den Gruppenrahmen mit Erzieherschichtdienst<br />
nutzen. Für einige <strong>Kinder</strong> kommt dieses Angebot<br />
genau richtig. Das familiäre Angebot dauert nicht 24<br />
St<strong>und</strong>en, sondern wird immer wieder aufgelockert<br />
durch die dazukommenden Erzieher im Wechseldienst.<br />
Es kommt immer wieder vor, dass auch die Ausbildung<br />
ein schwieriges Unterfangen ist. Die <strong>Kinder</strong><strong>und</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> hat für diesen Bereich<br />
verschiedene Ausbildungsbereiche (HauswirtschafterIn,<br />
KochIn, Verwaltungsfachkraft, VerkäuferIn <strong>und</strong><br />
GärtnerIn im Landschafts- <strong>und</strong> Gartenbau) gegründet.<br />
Heute können die jungen Menschen in Meppen<br />
in diesen oben genannten fünf Bereichen ihre Ausbildung<br />
machen. Wenige junge Erwachsene schaffen<br />
jedoch auch dieses spezielle Angebot einer<br />
Ausbildung nicht. Hier zeigt sich dann, dass sie nicht<br />
ohne unsere Hilfe entlassen werden können <strong>und</strong><br />
auch nicht unbedingt wollen. Sie möchten weiterhin<br />
in ihrer Einrichtung bleiben. Somit müssen wir uns<br />
zurzeit mit dem Gedanken auseinandersetzen, was<br />
wir mit den jungen Volljährigen, die keine Ausbil-<br />
dung geschafft haben <strong>und</strong> nicht in der Lage sind<br />
alleine zu leben, weiterhin machen. Sie haben sich<br />
in den Jahren so an die Einrichtung geb<strong>und</strong>en, dass<br />
sie darauf vertrauen, dass wir ihnen Hilfe für das<br />
weitere Leben anbieten. In diesen Fällen müssen wir<br />
Verantwortung übernehmen <strong>und</strong> Möglichkeiten im<br />
Sinne des SGB XII suchen.<br />
Die Arbeit in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
über nun fast 35 Jahren hat gezeigt, dass wir neben<br />
den Profifamilien ® auch gruppenpädagogische Einrichtungen<br />
vorhalten müssen. Die gruppenpädagogischen<br />
Einrichtungen sind eine Ergänzung der Gesamtkonzeption<br />
geworden <strong>und</strong> nicht mehr wegzudenken.<br />
Es gibt einige junge Menschen, die noch<br />
nicht oder auch nie in einen familiären Rahmen passen<br />
<strong>und</strong> sich besser mit einem Gruppenrahmen zu<br />
Recht finden. Hier können sie selbst entscheiden,<br />
wie stark sie in Bindung mit den jeweiligen Personen<br />
der Einrichtung gehen. Es hat sich jedoch gezeigt,<br />
dass auch im Gruppendienst eine Kontinuität der<br />
Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen sich positiv auf die<br />
Entwicklung auswirkt. Die jungen<br />
Menschen, auch im Gruppenrahmen,<br />
binden sich an die Mitarbeiter<br />
<strong>und</strong> auch an die Einrichtung <strong>und</strong><br />
erleben ein „Heimatgefühl“.<br />
Dieter Robben<br />
stellvertr. Leitung<br />
Abteilungsleitung Konferenz Nord<br />
Diagnostik in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
Diagnostik in<br />
der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendhilfe</strong> wird<br />
immer wieder<br />
kritisch beäugt<br />
<strong>und</strong> hinterfragt.<br />
Kritiker fragen<br />
sich ob, es immer<br />
gut ist für<br />
jede Auffälligkeit<br />
eine Diagnose<br />
zu stellen.<br />
Was bedeutet<br />
es für das Kind<br />
oder den Jugendlichendiagnostiziert<br />
zu werden? Ist es gut, immer wieder zu<br />
schauen was nicht gut funktioniert <strong>und</strong> was gut funktioniert?<br />
Kann Diagnostik zu Stigmatisierungen führen?<br />
Wofür ist Diagnostik überhaupt gut? Dies alles<br />
sind sicherlich berechtigte <strong>und</strong> auch sinnvolle Fragen,<br />
die sich auch Fürsprecher der Diagnostik im-<br />
Das Clearinghaus in der KJHB<br />
mer wieder stellen sollten, denn ein kritisches Auge<br />
ist für die Diagnostik besonders wichtig, um eine<br />
gute Diagnostik erstellen zu können.<br />
Diagnostik gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen,<br />
angefangen von der Diagnostik beim Arzt über<br />
ambulante oder stationäre Diagnostik im psychiatrischen<br />
Bereich oder aber die stationäre Diagnostik in<br />
der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong>.<br />
Das Clearinghaus des <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong>verb<strong>und</strong>es<br />
<strong>Backhaus</strong> bietet eine umfangreiche stationäre<br />
Diagnostik in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> an.<br />
Hierbei ist die Aufgabe, möglichst in einem Zeitraum<br />
von drei Monaten, eine erste beziehungsgestaltende<br />
Anlaufstelle zu bieten. Es wird eine umfangreiche<br />
Diagnostik <strong>und</strong> Entwicklung von individuell auf das<br />
jeweilige Kind zugeschnittene Lebensperspektive<br />
unter Berücksichtigung des Bindungskonzeptes<br />
erstellt. In Zusammenarbeit mit dem Zuständigen<br />
Jugendamt werden konkrete Fragestellungen formuliert,<br />
die es im Laufe des Prozesses gilt zu erarbeiten.<br />
Ausgabe 80 44 KiM ®
Die Clearingstelle gewährt <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
im Alter zwischen null <strong>und</strong> dreizehn Jahren, in<br />
Ausnahmefällen auch älteren Jugendlichen eine<br />
intensive sozialpädagogische Betreuung. Hierbei ist<br />
es vor allem für viele <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche wichtig<br />
einen Schutzraum zu bieten, der es ihnen erlaubt,<br />
zur Ruhe zu kommen <strong>und</strong> soweit es ihnen möglich<br />
ist, ihre bisherigen Lebensmuster überdenken zu<br />
können, bevor sie sich auf eine neue Lebensperspektive<br />
einlassen.<br />
Die Perspektiven können hierbei sehr unterschiedlich<br />
sein. Es gibt zum einen die Rückkehr in die Herkunftsfamilie,<br />
die Unterbringung in eine Pflegefamilie,<br />
die Unterbringung in eine Profifamilie ® oder Erziehungsstellen<br />
anderer Träger, die Unterbringung<br />
in eine unserer Gruppenpädagogischen Einrichtungen<br />
oder auch in andere Gruppen anderer Träger<br />
oder aber die Unterbringung in anderen betreuten<br />
Wohnformen.<br />
Zu Beginn einer jeden Diagnostik gilt es einen genauen<br />
Plan zu entwerfen, wie der Verlauf der Diagnostik<br />
aussehen kann <strong>und</strong> hierfür eine Zeitplan zu<br />
entwerfen. Es ist notwendig am Anfang darauf zu<br />
achten, welche Aufträge gestellt wurden <strong>und</strong> welche<br />
Hypothesen im Raum stehen um diese überprüfen<br />
zu können. Hierbei ist es unumgänglich zunächst zu<br />
schauen, ob Auffälligkeiten eines Kindes oder Jugendlichen<br />
wie bspw. Einnässen oder Einkoten physische<br />
Ursachen haben. Wir legen hierbei sehr hohen<br />
Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den bei<br />
uns ansässigen <strong>Kinder</strong>ärzten. Erst wenn physische<br />
Gründe auszuschließen sind, sollte geschaut werden,<br />
welche psychischen oder sogar psychiatrischen<br />
Ursachen vorliegen könnten.<br />
Um eine genaue Planung durchführen zu können, ist<br />
es wichtig, eine größtmögliche Transparenz für alle<br />
am Prozess beteiligten Personen zu gestalten. Hier-<br />
zu gehört unter anderem auch der Entwurf eines<br />
Genogramms in enger Zusammenarbeit mit den<br />
Herkunftseltern <strong>und</strong> die Erstellung eines erweiterten<br />
Beziehungsgenogramms, wodurch das familiäre<br />
Genogramm durch Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> das Helfersystem<br />
ergänzt wird, um zu schauen, wer, alles für den Prozess<br />
wichtig <strong>und</strong> am Prozess beteiligt ist. Allein hieraus<br />
ergibt sich die Notwendigkeit einer klaren Aufgabenverteilung<br />
des Helfersystems für den Clearingprozess.<br />
In der Arbeit mit den uns anvertrauten <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong><br />
Jugendlichen legen wir während des gesamten<br />
Clearingprozesses großen Wert auf die Einbeziehung<br />
des gesamten Helfersystems <strong>und</strong> des Bezugssystems,<br />
hierzu gehören Eltern, Großeltern, Geschwister,<br />
Ärzte, Schule, <strong>Kinder</strong>garten, psychologischer<br />
Dienst, Betreuer, Fre<strong>und</strong>e, Hauswirtschaft,<br />
Hausmeister etc.. In den regelmäßig stattfindenden<br />
Teamsitzungen werden die Informationen zusammengetragen<br />
<strong>und</strong> gestellte Hypothesen überprüft,<br />
um möglichst genau herausarbeiten zu können, was<br />
das jeweilige Kind für eine möglichst positive Entwicklung<br />
benötigt.<br />
Durch das breit gefächerte Angebot des Clearinghauses<br />
ist es möglich, recht genaue Empfehlungen<br />
für eine denkbare Perspektive des Kindes geben zu<br />
können. Zu den Angeboten eines klassischen Clearingprozesses<br />
gehören:<br />
• Erstgespräche <strong>und</strong> gezielte Auftragsklärung mit<br />
dem Jugendamt<br />
• Beobachtung in strukturierten <strong>und</strong> unstrukturierten<br />
Situationen unter Einbindung des gesamten Personals<br />
mit unterschiedlichen Schwerpunkten<br />
• Exploration im Elternhaus<br />
• Anamnese mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens<br />
• Intensive Einzelgespräche mit dem Kind<br />
• Projektive Tests<br />
• Intelligenz- <strong>und</strong> Entwicklungstests<br />
• Intensive Einzelgespräche mit den Eltern<br />
• Zusammenarbeit <strong>und</strong> Reflexion mit dem bisherigen<br />
Umfeld, insbesondere des Helfersystems<br />
• Anfertigung eines Genogramms<br />
• Tägliche Dokumentation des Clearingprozesses<br />
• Empfehlung für die weitere Lebensplanung<br />
Darüber hinaus wird für jedes Kind individuell geschaut,<br />
welche Förderung es benötigt<br />
<strong>und</strong> welche Hilfen auch<br />
während des Clearingprozesses<br />
sinnvoll erscheinen. Hierbei greifen<br />
wir gerne auf die Angebote<br />
der Einrichtung wie z.B. Tanzen,<br />
Reiten, Sport, Werken, Angeln<br />
etc. zurück, um darüber noch mal<br />
einen intensiven Beziehungsaufbau<br />
gestalten <strong>und</strong> Ressourcen<br />
fördern zu können.<br />
Zu den Indikationen für einen Clearingprozess gehören<br />
unter anderem der Verdacht auf:<br />
• Störung <strong>und</strong> Probleme im Bezugs- <strong>und</strong> Familiensystem<br />
• Sozialisationsdefizite, Rückzug aus sozialen Kontakten<br />
• Psycho-soziale Störungen<br />
• Emotionale Störungen<br />
• Entwicklungs- <strong>und</strong> Lernstörungen unterschiedlicher<br />
Genese<br />
Ausgabe 80 45 KiM ®
• Intellektuelle Minderbegabung <strong>und</strong> Lernbehinderung<br />
• Psychiatrische Störungen<br />
• Missbrauch<br />
• Misshandlungen<br />
Im Clearinghaus legen wir großen Wert darauf, dass<br />
auch die äußeren Bedingungen für den Prozess optimal<br />
sind. Somit sind das Clearinghaus <strong>und</strong> das Außengelände<br />
strukturell, materiell <strong>und</strong> organisatorisch<br />
optimal <strong>und</strong> kindgerecht ausgestattet. Die Räume<br />
sind alle großzügig <strong>und</strong> hell gestaltet. Neben den<br />
Wohnräumen <strong>und</strong> den Schlafzimmern stellen wir<br />
Spiel-, Freizeit-, Kreativ- <strong>und</strong> Werkräume zur Verfügung.<br />
Die <strong>Kinder</strong> leben in großzügigen Einzel- oder<br />
Doppelzimmern mit zum Teil angrenzendem Bad.<br />
Das Außengelände erstreckt sich über ca. 1,5 ha.<br />
Hier gibt es genügend Platz, um sich körperlich auszulassen.<br />
Es bietet die Möglichkeit zum Fußballspielen,<br />
Mooncarfahren, Schaukeln, Basketball, Tennis,<br />
Volleyball etc. <strong>und</strong> auch Pferde <strong>und</strong> Hühner haben<br />
hier einen Platz gef<strong>und</strong>en.<br />
Zum Ende des Clearingprozesses wird ein umfassender<br />
Bericht verfasst <strong>und</strong> zur Verfügung gestellt.<br />
Dieser Bericht wird mit allen Beteiligten besprochen<br />
<strong>und</strong> dient als Gr<strong>und</strong>lage für die weitere Hilfeplanung.<br />
Hierbei sollte allerdings immer beachtet werden,<br />
dass sich der Bedarf der Beteiligten im Laufe der<br />
Zeit immer wieder verändern kann, was eine regelmäßige<br />
Überprüfung der Diagnostik im weiteren<br />
Prozess unumgänglich macht.<br />
Der Prozess der Anbahnung in die neu geplante <strong>und</strong><br />
erarbeitete Lebensperspektive gehört ebenfalls mit<br />
zu den Aufgaben des Clearinghauses. Hierbei ist es<br />
sehr wichtig, immer alle Beteiligten <strong>und</strong> vor allem<br />
das Kind im Auge zu behalten, um niemanden zu<br />
überfordern. Das Muster dieser sogenannten Anbahnungverläuft<br />
sehr<br />
strukturiert <strong>und</strong><br />
in der Regel in<br />
drei Phasen,<br />
wobei auch<br />
hier immer<br />
wieder individuell<br />
auf die<br />
Bedürfnisse<br />
des Kindes<br />
geachtet <strong>und</strong><br />
nicht starr<br />
agiert wird.<br />
Somit ist der<br />
Prozess einer Diagnostik in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
zwar häufig eine noch weitere Station der<br />
<strong>Kinder</strong>, die häufig schon viele Stationen durchlaufen<br />
haben, jedoch in der Regel sehr sinnvoll <strong>und</strong> gewinnbringend<br />
für die <strong>Kinder</strong>. Diagnostik in diesem<br />
Sinne soll nicht einer Stigmatisierung der <strong>Kinder</strong><br />
dienen, sondern eine geeignete auf jedes Kind individuell<br />
zugeschnittene Lebensperspektive<br />
erarbeiten <strong>und</strong> somit eine<br />
geeignete Hilfe für eine positive<br />
Entwicklung des Kindes ermöglichen.<br />
Eva-Maria Keeve<br />
Abteilungsleitung<br />
GfS Emsland<br />
Professionelle Distanz <strong>und</strong> persönliche Nähe in der Clearingstelle<br />
Die Tätigkeit in der Clearingstelle wird geprägt durch<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendliche aus verschiedenen Altersstufen.<br />
Nach einer relativ kurzen Zeit (drei bis sechs<br />
Monate) wird eine klare Diagnostik <strong>und</strong> Perspektive<br />
für das jeweilige Kind erstellt. Nachdem der Clearingprozess<br />
abgeschlossen ist, wird die Empfehlung<br />
ausgesprochen <strong>und</strong> nach einer geeigneten Unterbringung<br />
für das Kind gesucht. Eine Anbahnung<br />
kann stattfinden <strong>und</strong> der Auszug wird geplant.<br />
Dementsprechend werden im Clearinghaus immer<br />
wieder <strong>Kinder</strong> verabschiedet <strong>und</strong> neu aufgenommen.<br />
Dieser Aspekt erfordert von den Mitarbeitern im<br />
Clearinghaus einen angemessenen Umgang mit<br />
Nähe <strong>und</strong> Distanz zu den <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
„Die Fähigkeit, pädagogisch professionelle Distanz<br />
<strong>und</strong> pädagogisch persönliche Nähe miteinander<br />
verbinden zu können.“ (vgl. Thiersch, 1993)<br />
Die Thematik des professionellen Umgangs wird<br />
innerhalb verschiedener Studiengänge von vielen<br />
verschiedenen Theoretikern bearbeitet <strong>und</strong> durchleuchtet.<br />
Was bedeutet der Umgang mit Nähe <strong>und</strong> Distanz in<br />
der praktischen Arbeit <strong>und</strong> konkret für die Clearingstelle?<br />
In erster Linie kommen die <strong>Kinder</strong> in die Clearingstelle<br />
<strong>und</strong> finden zunächst Ruhe, Schutz <strong>und</strong> erlangen<br />
damit Sicherheit. Für das pädagogische Handeln<br />
ist ein Beziehungsaufbau von unabdingbarer<br />
Bedeutung. So wird vor der Aufnahme eines Kindes<br />
eine BezugserzieherIn festgelegt, welche am Aufnahmetag<br />
möglichst im Dienst eingeteilt ist. Sie<br />
räumt mit dem Kind die Taschen aus, die beiden<br />
kommen in Kontakt <strong>und</strong> dabei wird erkannt, welche<br />
Kleidungsstücke etc. für das Kind besorgt werden<br />
müssen. Der/die BezugserzieherIn ist für den Überblick<br />
über die Arzttermine verantwortlich <strong>und</strong> begleitet<br />
diese nach Möglichkeit. Die pädagogische Fachkraft<br />
stellt eine erste Bezugsperson dar.<br />
Ausgabe 80 46 KiM ®
Nicht nur der Bezugserzieher steht im intensiven<br />
Kontakt mit den <strong>Kinder</strong>n. Durch den wechselnden<br />
Schichtdienst sind die Mitarbeiter in der Interaktion<br />
mit den <strong>Kinder</strong>n. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist ein intensiver<br />
Austausch zwischen den Kollegen sehr wichtig.<br />
Im Zusammenhang des Beziehungsaufbaus wird<br />
den <strong>Kinder</strong>n immer wieder deutlich gemacht, was<br />
die Zeit im Clearinghaus bedeutet. Schon vor der<br />
Aufnahme wird den <strong>Kinder</strong>n erklärt, dass es sich bei<br />
dem Aufenthalt im Clearinghaus um eine absehbare<br />
Zeit handelt. Wichtig ist, dass die <strong>Kinder</strong> dies vor<br />
Augen haben. So fällt es ihnen leichter, sich nicht<br />
fest an die Clearingstelle zu binden.<br />
Des Weiteren gelten in der Clearingstelle feste<br />
Strukturen <strong>und</strong> Regeln, die durch konsequentes<br />
Verhalten eingehalten werden. Sie geben den <strong>Kinder</strong>n<br />
einen geschützten Rahmen <strong>und</strong> damit Sicherheit,<br />
die sie so dringend für ihre positive Entwicklung<br />
benötigen.<br />
Im Gegensatz zu den festen Wohngruppen werden<br />
im Clearinghaus keine großen Ausflüge, Urlaube<br />
oder Ferienfreizeiten veranstaltet. Auf diese Dinge<br />
freuen sich die <strong>Kinder</strong> unter anderem, wenn sie in<br />
eine feste Lebensform wechseln. Von dort aus können<br />
auch feste Hobbies ausgeführt werden.<br />
Des Weiteren sind die Räumlichkeiten der <strong>Kinder</strong><br />
von der Clearingstelle eingerichtet <strong>und</strong> werden nicht<br />
von den <strong>Kinder</strong>n individuell gestaltet. Durch die Ein<strong>und</strong><br />
Auszüge werden im Clearinghaus auch öfter die<br />
Zimmer getauscht. Dies ist ein weiterer großer Unterschied<br />
zu den festen Wohngruppen.<br />
Durch einen fortlaufenden Austausch der Kollegen<br />
werden Handlungsweisen immer wieder reflektiert.<br />
Während der Teamsitzungen, Supervisionen oder in<br />
der Übergabe beim Schichtwechsel werden Empfindungen<br />
<strong>und</strong> Beobachtungen ausgetauscht. Dieser<br />
Austausch erweitert immer wieder den eigenen<br />
Blickwinkel <strong>und</strong> erleichtert somit<br />
auch den professionellen <strong>und</strong> angemessenen<br />
Umgang mit Nähe<br />
<strong>und</strong> Distanz zu den <strong>Kinder</strong>n in der<br />
Clearingstelle.<br />
Christin Rensmann<br />
Hausleitung Clearingstelle<br />
GfS Emsland<br />
Quellen<br />
Thiersch, Hans (1993) Strukturierte Offenheit, Zur<br />
Methodenfrage einer lebensweltorientierten Sozialen<br />
Arbeit, In Rauschenbach, Thomas/Ortmann, Freidrich/Karsten,<br />
Maria E. (Hrsg.) Der sozialpädagogische<br />
Blick, Lebensweltorientierte Methoden in der<br />
Sozialen Arbeit, Weinheim/München, S. 11-28<br />
Die Intensiv Pädagogische Wohngruppe Borken<br />
In Borken, einem schönen Dorf in der Nähe von<br />
Meppen befindet sich ein Hof mit viel Platz für <strong>Kinder</strong>,<br />
Tiere <strong>und</strong> Erwachsene. Genauer gesagt : Mit<br />
viel Platz für acht <strong>Kinder</strong> bzw. Jugendliche im Alter<br />
von elf bis vierzehn Jahren, einer Hausleitung, fünf<br />
Erzieher/-innen, einer Hauswirtschaftskraft <strong>und</strong> einem<br />
Hausmeister. Neben diesen ganzen Menschen<br />
hat der Hof sogar noch viel Platz für drei Katzen, zig<br />
Kaninchen, Enten, Hühner, Schafe, Schweine, Hängebauchschweine,<br />
Gänse <strong>und</strong> einem tollen Pferd<br />
mit Namen „Nikki“. Es gibt hier noch sehr viel Möglichkeiten<br />
zum Herumtoben, Trampolinspringen,<br />
Volleyballspielen, Inliner fahren oder Fußballspielen.<br />
Da wir Erzieher/-innen alle sehr sportlich sind, gibt<br />
es auch oft genug die Möglichkeit dazu.<br />
Unsere Tiere wollen natürlich auch gefüttert, gestreichelt<br />
<strong>und</strong> gemistet werden. Das ist neben den Schulaufgaben<br />
<strong>und</strong> diversen anderen Terminen fest in<br />
unseren Tagesablauf integriert. In der Woche geht es<br />
jeden Mittag für alle <strong>Kinder</strong> raus zum Füttern <strong>und</strong><br />
Streicheln der liebgewonnenen Vier- bzw. Zweibeiner.<br />
Meistens freuen sich auch alle <strong>Kinder</strong> darauf. Spätestens<br />
wenn es um die Streicheleinheiten geht, haben<br />
auch eventuelle Nörgler ihre Freude an den Tieren<br />
wiederentdeckt. Wenn sich dann sogar ein wildes<br />
Huhn streicheln lässt, oder wir Nachwuchs bei den<br />
Kaninchen entdecken, kann der mittägliche Gang<br />
zum Highlight des Tages werden. Hier bei den Tieren<br />
können unsere <strong>Kinder</strong> (<strong>und</strong> auch wir Erwachsenen)<br />
die Seele baumeln lassen <strong>und</strong> sich vom Schul-/ bzw.<br />
Alltagsstress eine kleine Auszeit nehmen.<br />
Am Wochenende haben wir dann die Möglichkeit,<br />
uns auch länger Zeit für die Tiere zu nehmen. Dann<br />
ist es möglich, länger in den Ställen zu bleiben, oder<br />
unser Pferd auf einen kleinen Ritt durch das Dorf<br />
vorzubereiten. Es ist schon ein schönes Bild, das<br />
Pferd mitsamt Reiter-/in in Begleitung von sieben<br />
fahrradfahrenden <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> einem Erzieher durch<br />
Borken wandern zu sehen. Danach sind oft viele<br />
Probleme wieder vergessen.<br />
Durch die enge Beziehung zu den Tieren, merken<br />
wir unseren <strong>Kinder</strong>n an, dass sie für diese Verantwortung<br />
übernehmen. So kann es passieren, dass<br />
<strong>Kinder</strong> die Pflege der Tiere eines kranken Kindes<br />
übernehmen <strong>und</strong> diese versorgen. Jedes Kind hat<br />
seine speziellen Tiere, um die es sich kümmern<br />
muss. Der Umgang mit den Tieren bietet also für<br />
uns alle viel Positives, aber es gilt sich auch mit<br />
traurigen Dingen auseinanderzusetzen, wie zu Beispiel<br />
Krankheit oder sogar Tod.<br />
Ausgabe 80 47 KiM ®
Wir merken in der von uns angewandten tiergestützten<br />
Pädagogik immer wieder, welch großen Einfluss<br />
Tiere auf uns Menschen haben. Wie schön es für<br />
uns zu beobachten ist, wenn unser stures altes<br />
Pferd ein Lächeln auf die Gesichter der <strong>Kinder</strong> zaubert.<br />
Wie fröhlich unsere großen, coolen Jungs werden,<br />
wenn eine unserer Katzen sie zum Schmusen<br />
einlädt. Wie begeistert eins unserer Mädchen ist,<br />
Am 31.03.2011 haben wir den ersten Nachwuchs<br />
von unserem Schaf Paula bekommen. Dann, zwei<br />
Tage später, sind fünf weitere Lämmchen geboren<br />
worden. Leider hat ein Mutterschaf zwei von ihren<br />
drei Lämmern abgestoßen, sodass wir uns um diese<br />
kümmern müssen.<br />
wenn sich eins der Hängebauchschweine von ihr<br />
streicheln lässt <strong>und</strong> wie aufgebracht alle <strong>Kinder</strong> sind,<br />
wenn sich die Enten mal weniger sozial zeigen <strong>und</strong><br />
sich gegenseitig beißen. Zwischendurch kommt<br />
H<strong>und</strong> Cleo noch zu Besuch. Sie ist eine 60 kg.<br />
schwere Leonberger Hündin, die mittlerweile von<br />
allen <strong>Kinder</strong>n begeistert empfangen wird. Cleo zuliebe<br />
kann man dann auch mal längere Zeit ganz<br />
ruhig sein, da H<strong>und</strong>e ja ein sehr feines Gehör haben.<br />
Sie wird auch gerne als Schmusekissen genutzt<br />
oder sogar zu Therapiezwecken (Sie kann<br />
w<strong>und</strong>erbar zuhören <strong>und</strong> erzählt mit Sicherheit nichts<br />
weiter!). Wer großen Bewegungsdrang verspürt,<br />
wird sicher von ihr begleitet <strong>und</strong> manchmal zeigt sie<br />
auch ihre verborgene Seite als Zirkush<strong>und</strong> <strong>und</strong> übt<br />
fleißig Kunststücke ein.<br />
Das waren jetzt nur kleine Einblicke in diese oft anstrengende<br />
doch so schöne <strong>und</strong> vielseitige Arbeit<br />
auf unserem Hof in Borken.<br />
Das Team der IPW-Borken<br />
GfS Emsland<br />
Nachwuchs in der IPW Borken<br />
Das bedeutet, dass wir alle zwei St<strong>und</strong>en zu den<br />
Lämmchen gehen, um sie zu füttern. Eines der<br />
Lämmchen ist total verrückt <strong>und</strong> insgesamt sind alle<br />
Lämmchen sehr zahm. In der Gruppe überlegen wir<br />
nun gemeinsam Namen für die Lämmchen.<br />
Geschrieben von einem Kind der IPW<br />
Einblicke in die Arbeit <strong>und</strong> das Leben im Kleinstheim <strong>Backhaus</strong><br />
Seit Dezember 2006 leben mein Mann <strong>und</strong> ich, mit<br />
den uns anvertrauten <strong>Kinder</strong>n, im Kleinstheim <strong>Backhaus</strong>.<br />
Im Sommer 2009 sind wir in ein großzügiges<br />
<strong>und</strong> frisch renoviertes Einfamilienhaus in die Meppener<br />
Kleinstadtidylle gezogen. Hier leben wir mit<br />
acht <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen zusammen.<br />
In unserem Kleinstheirn arbeiten wir nach einem<br />
ganzheitlichen Ansatz. Im Kleinstheim können <strong>Kinder</strong><br />
aufgenommen werden, die auf Gr<strong>und</strong> belastender<br />
Familiensituationen professionelle Hilfe benötigen.<br />
Für die Bindungserfahrungen dieser jungen<br />
Menschen wäre ein familiärer Rahmen, wie in einer<br />
Profifamilie ® , zu eng <strong>und</strong> das Bindungsangebot einer<br />
regulären Heimgruppe zu weit. Kennzeichnend für<br />
diese Hilfe ist die kontinuierliche Präsenz des Hausleiterehepaars.<br />
Mit diesem Konzept ist es den <strong>Kinder</strong>n<br />
bzw. Jugendlichen möglich, ihr Nähe- Distanzverhältnis<br />
zu ihren Bindungspersonen individuell <strong>und</strong><br />
selbstbestimmt zu gestalten. Im Rahmen unserer<br />
Arbeit bin ich als Hausleiterin für die familiäre Versorgung<br />
zuständig. Somit bin ich z. B. die „Bezugs-<br />
erzieherin" der gesamten Gruppe. Wichtig in diesem<br />
Bezugssystem ist jedoch auch mein Mann, da er mit<br />
uns gemeinsam im Haus lebt <strong>und</strong> somit ein wichtiger<br />
Ansprechpartner ist. Er ist die bedeutende männliche<br />
Bezugsperson in der Gruppe. Weitere Angebote<br />
<strong>und</strong> Aufgaben werden gemeinsam mit den pädagogischen<br />
Fachkräften erarbeitet <strong>und</strong> ausgeführt.<br />
Durch das Zusammenleben mit dem Hausleiterehepaar<br />
können die jungen Menschen einen verlässlich<br />
familiären Rahmen kennen lernen <strong>und</strong> sich so in<br />
kleinen Schritten auf ein eigenständiges Leben vorbereiten.<br />
Unser Auftrag ist es, den uns anvertrauten<br />
<strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen, ein adäquates, stabiles,<br />
verlässliches <strong>und</strong> zukunftsträchtiges Zuhause zu<br />
geben. Insbesondere „Heimkinder" sind auf der Suche<br />
nach tragfähigen Beziehungen. Diese versuchen<br />
wir ihnen an zu bieten. Durch diese Hilfeform,<br />
gem. §§ 27/34, 35a <strong>und</strong> 42 SGB VIII, bekommen die<br />
jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Vergangenheit<br />
aufzuarbeiten <strong>und</strong> sich mit dieser auszusöhnen.<br />
Ausgabe 80 48 KiM ®
Hierzu sind uns eine auf Dauer angelegte Begleitung,<br />
sowie der Kontakt zu den leiblichen Eltern wichtig.<br />
Die Kontakte <strong>und</strong> Begegnungen mit den Herkunftsfamilien<br />
werden in einem geschützten Rahmen individuell<br />
gestaltet <strong>und</strong> begleitet. Das Kleinstheim bietet<br />
den <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen eine auf längere Zeit<br />
angelegte Lebensform <strong>und</strong> bereitet sie auf ein selbständiges<br />
Leben vor. Der familienähnliche Charakter,<br />
wie er von der Umwelt wahrgenommen wird, beugt<br />
Stigmatisierungen vor <strong>und</strong> fördert so die Integration<br />
der jungen Menschen. Durch die aktive Teilnahme<br />
am Gemeinde- <strong>und</strong> Vereinswesen wird die Integration<br />
der jungen Menschen weiter unterstützt. Wir nutzen<br />
die ländliche Infrastruktur <strong>und</strong> bieten unter anderem<br />
Freizeit- <strong>und</strong> Erlebnispädagogik wie Kanufahren,<br />
Floßwandern, lange Radtouren, Angeln, Inlineskating<br />
<strong>und</strong> Schwimmen an, sowie Zoobesuche <strong>und</strong> die<br />
Betreuung der hauseigenen Tiere.<br />
Da wir, wie schon zuvor beschrieben, ein familienanaloge<br />
Wohngruppe sind, gestaltet sich das Leben<br />
bei uns wie in einer Großfamilie. Der Tagesablauf<br />
zeigt sich zwar sehr strukturiert <strong>und</strong> mit klaren Regeln,<br />
kann aber auch flexibel stattfinden. Die <strong>Kinder</strong><br />
<strong>und</strong> Jugendlichen besuchen die Schulen vor Ort <strong>und</strong><br />
bilden dort Fre<strong>und</strong>schaften. Diese Fre<strong>und</strong>e kommen<br />
auch zu uns ins Kleinstheim <strong>und</strong> beobachten oft mit<br />
Freude, was alles gemacht werden kann <strong>und</strong> wie es<br />
hier abläuft. Erstaunlich ist, dass viele es toll finden<br />
mit so vielen<br />
<strong>Kinder</strong>n zusammen<br />
zu leben.<br />
„Es ist dann immer<br />
einer zum<br />
Spielen da."<br />
Ein weiterer<br />
wichtiger Punkt<br />
ist das Vereinsleben.<br />
Somit<br />
legen wir sehr viel Wert darauf, dass die <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong><br />
Jugendlichen Hobbys haben, die nicht nur innerhalb<br />
der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> stattfinden.<br />
Einige spielen in einer Fußballmannschaft, besuchen<br />
den <strong>Kinder</strong>chor in der Kirchengemeinde oder<br />
gehen zum Handball. Aber auch die Angebote der<br />
Einrichtung sind für die uns anvertrauten <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong><br />
Jugendlichen wichtig <strong>und</strong> interessant. Tiere gehören<br />
zu einem bedeutendenBestandteil<br />
der<br />
Arbeit mit <strong>Kinder</strong>n<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
In<br />
kleinen Gruppen<br />
werden sie z.B.<br />
an das Pferd<br />
herangeführt<br />
<strong>und</strong> lernen Vertrauen auf zu bauen <strong>und</strong> stärken ihr<br />
Selbstbewusstsein.<br />
In diesem Zusammenhang<br />
lässt sich auch<br />
der Bezug zu<br />
den Haustieren<br />
beschreiben.<br />
Manche unserer<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendlichenhaben<br />
ein eigenes<br />
Haustier, für das sie die entsprechende Verantwortung<br />
übernehmen. Sie gehen jeden Tag zu ihrem<br />
Tier <strong>und</strong> versorgen es mit Futter <strong>und</strong> Zuwendung.<br />
Die <strong>Kinder</strong> erfahren, dass sie Verantwortung für<br />
Leben tragen <strong>und</strong> in ihrem Tier einen positiven<br />
„Partner" (Seelentröster) sehen können.<br />
Wie auch in „normalen" Familien fahren wir in den<br />
Sommerferien in den Urlaub. Dieser sieht zwar etwas<br />
anders aus, macht aber genauso viel, wenn<br />
nicht sogar mehr, Spaß. Wir fahren z.B. mit Zelten<br />
an die Nordsee oder machen Urlaub in einer Ferienhütte<br />
mitten im Wald. Spannend ist immer wieder zu<br />
beobachten, dass wir durch die Vielzahl der Personen<br />
auffallen <strong>und</strong> dadurch oft gute <strong>und</strong> informative<br />
Gespräche führen dürfen. Das Interesse ist häufig<br />
groß, um zu erfahren, wie man sich das Leben im<br />
Kleinstheim vorstellen kann. Hier zeigt sich immer<br />
wieder, dass die uns anvertrauten <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
das beste Beispiel für ein tolles <strong>und</strong><br />
„normales" Leben im Kleinstheim darstellen. Ausflüge<br />
werden meistens mit allen Erziehern unternommen.<br />
Ebenso ist es mit den Ausflügen in den Zoo<br />
oder Freizeitpark.<br />
Damit sich alle<br />
im Kleinstheim<br />
wohl fühlen können,<br />
ist nicht nur<br />
die gute Betreuung<br />
<strong>und</strong> pädagogische<br />
Arbeit<br />
mit den <strong>Kinder</strong>n<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen<br />
wichtig.<br />
Wir haben festgestellt,<br />
dass<br />
die Nachbarschaft<br />
ebenso<br />
eine sehr gewichtige<br />
Rolle<br />
spielt. In dem<br />
neuen Umfeld in Meppen erleben wir eine tolle<br />
Nachbarschaft, in der wir so akzeptiert werden wie<br />
wir sind. Alle werden mit ihren Stärken <strong>und</strong> Schwächen<br />
anerkannt. Damit es möglich war uns kennen<br />
zu lernen, luden wir im Herbst 2009 die Nachbarn zu<br />
einem Herbstfest, auf unserem Hof, ein. Die <strong>Kinder</strong><br />
Ausgabe 80 49 KiM ®
<strong>und</strong> Jugendlichen präsentierten einen Talentwettbewerb<br />
<strong>und</strong> begeisterten die Gäste. Alle sahen sich<br />
das Haus an <strong>und</strong> stellten, bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen,<br />
viele Fragen, um uns richtig kennen zu lernen. Wir<br />
freuen uns schon auf das nächste Treffen mit den<br />
Nachbarn.<br />
Im Vorfeld erklärte ich schon, dass die Zusammenarbeit<br />
mit der Herkunftsfamilie für die uns anvertrauten<br />
<strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen, mit ein Hauptbestandteil<br />
unserer Arbeit ist. Es ist schwer für die <strong>Kinder</strong>,<br />
sich auf ihren derzeitigen Lebensmittelpunkt voll<br />
einzulassen, wenn sie nicht von ihren Eltern das<br />
„OK“ dafür erhalten. So ist es unser Anliegen, den<br />
Herkunftsfamilien deutlich zu machen, dass wir<br />
ihnen nicht die <strong>Kinder</strong> „wegnehmen" wollen, sondern<br />
Wer sind wir: Almut Lübken <strong>und</strong> Daniela Hölscher,<br />
Erzieher in der Verselbständigung<br />
Wer gehört zu uns: Jugendliche ab 17 Jahren, die<br />
motiviert sind allein in einer Wohnung in Meppen<br />
<strong>und</strong> Umgebung, oder in Zweier WGs ins selbständige<br />
Leben starten wollen.<br />
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen:<br />
Einer geregelten Tätigkeit nachgehen wie Ausbildung,<br />
Praktikum oder Schule. Den Willen mit uns<br />
zusammen zu arbeiten.<br />
Was machen wir: Der Schwerpunkt liegt in der Hilfe<br />
zur Selbsthilfe. Die Verselbständigung begleitet junge<br />
Menschen auf ihren Weg in die Selbständigkeit<br />
mit dem Ziel Aufgaben nach <strong>und</strong> nach selber zu<br />
übernehmen. Wir unterstützen bei Anträgen, Behördengänge,<br />
Einkäufe, Schuldenbewältigung <strong>und</strong> vielen<br />
alltäglichen Dingen. Wir nehmen Kontakt zu den<br />
Schulen <strong>und</strong> Ausbildungsplätzen auf, helfen bei der<br />
Bewältigung von Problemen <strong>und</strong> unterstützen bei<br />
Prüfungsvorbereitungen.<br />
Natürlich soll der Spaß auch nicht zu kurz kommen,<br />
Aktivitäten wie Bowlen, kochen oder Weihnachtsfei-<br />
Verselbstständigung<br />
Hilfe zur Selbsthilfe<br />
sie in dem momentanen Lebensabschnitt unterstützen<br />
<strong>und</strong> begleiten. Die Elternarbeit beinhaltet regelmäßige<br />
Kontakte, in Form von Telefonaten <strong>und</strong> Besuchskontakten.<br />
Die Besuchskontakte finden in einem<br />
geschützten Rahmen im Pädagogischen Zentrum<br />
in Bokeloh statt. Hier werden Eltern <strong>und</strong> <strong>Kinder</strong><br />
begleitet <strong>und</strong> haben die Möglichkeit Informationen<br />
aus zu tauschen. Ein wichtiger Bestandteil unserer<br />
Arbeit mit den Eltern ist die so genannte „Elternzeit"<br />
während der Besuchskontakte. Hier haben die Eltern,<br />
wie auch wir, die Möglichkeit, ohne das Kind<br />
oder Jugendlichen Dinge zu besprechen, die von<br />
Wichtigkeit sind. Diese ist eine gute Gelegenheit das<br />
Vertrauen zu den Eltern auf zu bauen. Die <strong>Kinder</strong><br />
spüren sehr schnell ob es ein gutes <strong>und</strong> akzeptiertes<br />
Vertrauen ist zwischen den Erwachsenen <strong>und</strong> zeigen<br />
dementsprechend auch das Verhalten in den<br />
Kontakten.<br />
Es gibt immer wieder spannende <strong>und</strong> auch aufreibende<br />
Prozesse in unserer Arbeit, die es aber auch<br />
immer wieder spannend <strong>und</strong> herausfordernd machen.<br />
Ich denke es ist gerade das,<br />
was wir an unserer Arbeit mögen.<br />
Training zur Selbständigkeit<br />
Marion Lammers<br />
Hausleitung Kleinstheim <strong>Backhaus</strong><br />
GfS Emsland<br />
ern gehören genau so dazu.<br />
Wenn ihr Interesse habt? Meldet euch direkt bei<br />
uns oder über eure Betreuer, Profifamilien ® oder<br />
Erziehungsleiter.<br />
Wir freuen uns.<br />
Almut Lübken <strong>und</strong> Daniela Hölscher<br />
Verselbstständigung<br />
GfS Emsland<br />
Durch das Training zur Selbständigkeit werden<br />
Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene nach § 41<br />
SBG VIII betreut, die auch nach dem Auszug aus<br />
einer betreuten Wohnform noch vorübergehend<br />
Unterstützung bedürfen. Die meisten von ihnen<br />
sind zuvor aus den Jugendwohngruppen ausgezogen,<br />
dessen Konzepte bereits auf die Selbständigkeit<br />
abzielen.<br />
Ausgabe 80 50 KiM ®
Die Verselbständigung begleitet junge Menschen<br />
auf ihrem Weg in die Selbständigkeit.<br />
Hier wird das fortgeführt, was in den Profifamilien ®<br />
<strong>und</strong> / oder in den gruppenpädagogischen Einrichtungen<br />
begonnen wurde.<br />
Mitarbeit <strong>und</strong> Motivation des Jugendlichen vorausgesetzt,<br />
werden Zimmer in Wohngemeinschaften,<br />
mit gemeinsamer Küche <strong>und</strong> Bad angeboten. Auch<br />
eigene Wohnungen sind möglich. Es soll eine regelmäßige<br />
Tätigkeit, wie Schule, Ausbildung oder<br />
Praktikum ausgeübt werden.<br />
Begleitet <strong>und</strong> betreut werden die jungen Menschen<br />
in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens, im<br />
Rahmen von Fachleistungsst<strong>und</strong>en, die vorher im<br />
Hilfeplangespräch individuell festgelegt werden.<br />
So wird gemeinsam eingekauft, nachdem der Bedarf<br />
festgestellt wurde.<br />
Die Ordnung <strong>und</strong> Sauberkeit der Zimmer <strong>und</strong> Wohnungen<br />
wird kontrolliert <strong>und</strong> evtl. auch gemeinsam<br />
wieder hergestellt.<br />
Überweisungen, Verträge, Anträge, Rechnungen,<br />
Bescheide <strong>und</strong> Berichte werden erklärt <strong>und</strong> gemeinsam<br />
bearbeitet.<br />
Aber auch gemeinsame Unternehmungen, wie zusammen<br />
kochen etc. fehlen nicht.<br />
Arztbesuche <strong>und</strong> Medikamenteneinnahme werden<br />
kontrolliert <strong>und</strong> begleitet.<br />
Wichtig ist die Zusammenarbeit mit Schulen <strong>und</strong><br />
Betrieben, um bei Schwierigkeiten präsent zu sein.<br />
Um Bindungen aufrecht zu erhalten, sind Kontakte<br />
zur Profifamilie ® <strong>und</strong> /oder Herkunftsfamilie wichtig.<br />
Diese werden individuell unterstützt <strong>und</strong> begleitet.<br />
All das setzt eine enge, von Offenheit <strong>und</strong> Vertrauen<br />
geprägte Zusammenarbeit voraus, was den Jugendlichen<br />
manchmal schwer fällt, aber hilft um möglichen<br />
Schaden zu verhindern, oder möglichst klein<br />
zu halten, wenn z.B. die Handyrechnung etwas zu<br />
hoch ausgefallen ist.<br />
Ein Weg wird fortgeführt<br />
Die Verselbständigung<br />
Der Schwerpunkt liegt in der Hilfe zur Selbsthilfe.<br />
Wir wollen die Jugendlichen anleiten nach <strong>und</strong> nach<br />
die Aufgaben selber zu übernehmen.<br />
Oft ist der Schritt in die Verselbständigung mit dem<br />
Schritt in den Beruf verb<strong>und</strong>en. Hier bietet die KJHB<br />
die Möglichkeit der Ausbildungen im geschützten<br />
Rahmen der Einrichtung, die noch besonders gefördert<br />
werden. Angeboten werden:<br />
- Hauswirtschafter/in<br />
- Koch/ Köchin<br />
- Garten- , Landschaftsbauer/in<br />
- Bürokauffrau / -mann<br />
- Einzelhandelskauffrau / -mann<br />
Dieses Angebot bietet gute Perspektiven für die<br />
Zukunft der jungen Menschen, die die Möglichkeit<br />
haben mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung<br />
in ein eigenständiges, eigenverantwortliches <strong>und</strong><br />
gesellschaftsfähiges Leben zu starten.<br />
Wir wollen auf diesem Weg Hilfe <strong>und</strong> Begleitung<br />
sein, erlernte Fähigkeiten festigen <strong>und</strong> mit einem<br />
sinnvollen, strukturierten Alltag ein positives Selbstwertgefühl<br />
installieren, das eine sichere langfristige<br />
Lebensplanung ermöglicht.<br />
Das ist natürlich nicht immer im vollen Umfang möglich,<br />
doch auch hier ist es uns wichtig, eine Perspektive<br />
für die Zukunft zu entwickeln <strong>und</strong> zu organisieren.<br />
Ist uns das gelungen, haben wir es geschafft!<br />
Ein Leben, das oft schon keine Chance mehr zu<br />
haben schien, dem Schreckliches widerfahren ist, in<br />
dem kaum etwas „ normal „ gelaufen ist, dieses Leben<br />
hat es geschafft, einen Weg in<br />
die Gesellschaft zu finden <strong>und</strong><br />
eine Zukunft zu haben.<br />
Almut Lübken <strong>und</strong> Daniela Hölscher<br />
Fachkräfte für Verselbständigung<br />
GfS Emsland<br />
Ausbildung in der <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong><br />
In den Einrichtungen der <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong><br />
<strong>Backhaus</strong> (KJHB) werden in Meppen verschiedene<br />
Ausbildungsberufe angeboten, die die jungen Erwachsenen<br />
erlernen können.<br />
• Koch/Köchin<br />
• Hauswirtschafter/Hauswirtschafterin<br />
• Gärtner/Gärtnerin<br />
• Bürokaufmann/Bürokauffrau<br />
• Verkäufer/Verkäuferin<br />
Ebenso werden junge Menschen, die lernschwach<br />
sind <strong>und</strong> besondere Betreuung in der Ausbildung<br />
benötigen, bei der KJHB auch in speziellen Berufsformen<br />
ausgebildet, in denen der praktische Teil<br />
überwiegt <strong>und</strong> bei den theoretischen Aufgaben besondere<br />
Hilfen zu Seite gestellt werden.<br />
• FachwerkerIn im Gartenbau<br />
• FachpraktikerIn in der Hauswirtschaft<br />
• Fachkraft in der Gastronomie, Schwerpunkt<br />
Küche (Beikoch)<br />
Die einzelnen Berufe werden in dieser Ausgabe des<br />
Durchblickes etwas genauer beschrieben.<br />
Ausgabe 80 51 KiM ®
Weitere Informationen erhalten sie auf unserer Homepage: www.profifamilie.de<br />
Ausbildung zum Hauswirtschafter /zur Hauswirtschafterin<br />
bei der KJHB in Meppen<br />
Der Beruf der Hauswirtschafter/innen ist ein staatlich<br />
anerkannter Ausbildungsberuf. Es ist sehr vielfältig <strong>und</strong><br />
interessant. Viele einzelne Bereiche werden durch die<br />
dreijährige Ausbildung absolviert. Der Umgang mit Lebensmitteln,<br />
mit Menschen, sowie die Pflege von Textilien<br />
sind wichtige Bestandteile der Ausbildung. Aufgeteilt<br />
ist die Ausbildung in drei Hauptbereiche:<br />
• Nahrungszubereitung<br />
• Haus-<strong>und</strong> Wäschepflege<br />
• Textilpflege<br />
Wer als junger Mensch die Ausbildung zum Hauswirtschafter/zur<br />
Hauswirtschafterin beginnen möchte,<br />
muss als Voraussetzung einen Hauptschulabschluss<br />
besitzen <strong>und</strong> flexibel <strong>und</strong> belastbar sein.<br />
Das Ausbildungsberufsbild sieht laut § 4 der Verordnung<br />
über die Ausbildung zum Hauswirtschafter/zur<br />
Hauswirtschafterin verschiedene Fertigkeiten <strong>und</strong><br />
Kenntnisse vor:<br />
1. Der Ausbildungsbetrieb, betriebliche Zusammenhänge<br />
<strong>und</strong> Beziehungen<br />
2. Arbeitsorganisation, betriebliche Abläufe, wirtschaftliche<br />
<strong>und</strong> sozial Zusammenhänge<br />
3. Betriebsräume <strong>und</strong> Betriebseinrichtung<br />
4. Hauswirtschaftliche Versorgungsleistung<br />
5. Hauswirtschaftliche Betreuungsleistung<br />
6. Fachaufgaben im Einsatzgebiet<br />
Hauswirtschafter/in<br />
Meister/in der<br />
Hauswirtschaft<br />
Bachlor of Science<br />
im Studiengang<br />
Oecotrophologie<br />
Hauswirtschftliche<br />
Betriebsleitung<br />
Die Auszubildenden besuchen die berufsbegleitende<br />
Berufsschule <strong>und</strong> erlernen dort die wichtigen theoretischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen der Ausbildung. Es findet eine<br />
Zwischenprüfung am Ende des 2. Lehrjahres statt,<br />
sowie die Abschlussprüfung am Ende des 3. Lehrjahres.<br />
Betriebe, die Hauswirtschafter/innen ausbilden, können<br />
oft nicht die gesamten Bereiche der Hauswirtschaft<br />
abdecken. So ist es sehr empfehlenswert<br />
während der Ausbildung, ein oder mehrere Praktika<br />
in anderen Betrieben zu machen, um alle Bereiche<br />
der Hauswirtschaft kennen zu lernen.<br />
Wer sich als junger Mensch dazu entscheidet seine<br />
Ausbildung in der Hauswirtschaft zu machen, wird<br />
es häufig nicht bereuen. Es gibt in Deutschland viele<br />
verschiedene Ausbildungsbetriebe die einen Ausbildungsplatz<br />
anbieten. Häufig werden junge Erwachsene<br />
in Krankenhäusern, Großwäschereien, Großhaushalten,<br />
Großküchen sowie Altenheimen ausgebildet.<br />
Bei der Ausbildungsplatzwahl sollte darauf<br />
geachtet werden, dass der Betrieb viele der Fertigkeiten<br />
<strong>und</strong> Kenntnisse vermitteln kann, die oben<br />
genannt wurden.<br />
Bei der KJHB können junge Frauen <strong>und</strong> Männer die<br />
Ausbildung in der Hauswirtschaft absolvieren, wenn<br />
sie in der Einrichtung wohnen <strong>und</strong> leben. Auf unserem<br />
Intensiv Pädagogischen Bauernhof in Borken<br />
bei Meppen werden Hauswirtschafterinnen im Großen<br />
<strong>und</strong> Ganzen von einer Meisterin in allen drei<br />
Hauptbereichen ausgebildet. Ebenso werden verschiedene<br />
Praktika in den einzelnen Einrichtungen<br />
in Meppen angeboten. Sowie Praktika außerhalb<br />
des Lehrortes.<br />
Wer eine Ausbildung beginnen möchte, sollte wissen,<br />
dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind <strong>und</strong><br />
dass die Ausbildungsvergütung genau der Arbeitskraft<br />
<strong>und</strong> der wirtschaftlichen Lage des Betriebes<br />
angeglichen ist.<br />
1. Lehrjahr: ca. 400 € - 450 €<br />
2. Lehrjahr: ca. 450 € - 550 €<br />
3. Lehrjahr: ca. 500 € - 650 €<br />
Nach Beendigung der Ausbildung steht dem ehemaligen<br />
Lehrling die Welt der Hauswirtschaft offen.<br />
Viele einzelne Betriebe suchen oft hauswirtschaftliche<br />
Kräfte da diese vielseitig einsetzbar sind.<br />
Wer jedoch nach seiner Ausbildung noch weiter<br />
lernen möchte, hat gute Aufstiegschancen.<br />
Falls Sie Fragen zum Thema Hauswirtschaft <strong>und</strong><br />
Ausbildung haben, schicken Sie eine Mail an:<br />
b.struckmann@profifamilie.de<br />
Barbara Struckmann<br />
Dipl.oeco.troph.<br />
GfS Emsland<br />
Ausgabe 80 52 KiM ®
„Fachpraktiker/-in Hauswirtschaft“<br />
Neue Ausbildungsregelung gemäß § 66<br />
BBIG für Menschen mit Behinderung<br />
Die Anforderungen an die Fachkräfte der Hauswirtschaft<br />
unterliegen wechselnden Anforderungen <strong>und</strong><br />
Ansprüchen. Qualitätssicherung ist für den Dienstleistungsbereich<br />
Hauswirtschaft ein unverzichtbarer<br />
Aspekt. Arbeitgeber <strong>und</strong> Gesetzgeber fordern strenge<br />
Maßnahmen. Eine ausreichende Qualifikation der<br />
Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in den vielschichtigen<br />
Arbeitsbereichen der Hauswirtschaft ist Gr<strong>und</strong>lage<br />
für ein eigenverantwortliches, verantwortungsbewusstes<br />
<strong>und</strong> wirtschaftliches Handeln.<br />
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erlässt<br />
als zuständige Stelle bezogen auf den Beschluss<br />
des BBIG vom 30.07.2010 eine neue Ausbildungsregelung<br />
gemäß des Berufsbildungsgesetzes vom<br />
23.03.2005 in der jeweils gültigen Fassung „zur<br />
Fachpraktikerin Hauswirtschaft/zum Fachpraktiker<br />
Hauswirtschaft. Die bisherige Ausbildung zum Helfer<br />
/ zur Helferin der Hauswirtschaft ist somit nicht mehr<br />
relevant.<br />
Niedersachsen ist neben Bayern eines der ersten<br />
B<strong>und</strong>esländer, die dieses Berufsfeld überarbeitet<br />
<strong>und</strong> dem Arbeitsmarkt angepasst haben.<br />
Zielsetzung der Neuregelung ist, die Fähigkeiten der<br />
Auszubildenden während der Ausbildung zu berücksichtigen<br />
<strong>und</strong> zu fördern, die jungen Erwachsenen<br />
nach ihrer Ausbildung nicht alleine zu lassen, sondern<br />
ihnen die Chance auf eine verbesserte Integration<br />
auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Eine<br />
direkte Weiterbeschäftigung in den Betrieben soll<br />
angestrebt werden.<br />
Zur Realisierung ist der Ausbildungsrahmenplan<br />
vom Berufsbildungsausschuss der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen komplett überarbeitet worden.<br />
Neu ist der Begriff „berufsprofilgebende“ Fertigkeiten,<br />
Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten in der hauswirtschaftlichen<br />
Versorgung <strong>und</strong> Betreuung. Hier wird<br />
Basiswissen z.B. im Bereich der Speisenvorbereitung<br />
unter Einbeziehung des selbstständigen Planen,<br />
Durchführen <strong>und</strong> Kontrollieren vermittelt.<br />
Die Ausbildung erfolgt nach wie vor in besonders<br />
geeigneten <strong>und</strong> anerkannten Ausbildungsstätten, die<br />
sich durch speziell geschultes Fachpersonal auszeichnet.<br />
Bedürfnisse <strong>und</strong> Lernschwäche der Auszubildenden<br />
werden berücksichtigt. Die Berufsausbildung<br />
zur Fachpraktikerin/ zum Fachpraktiker dauert<br />
drei Jahre <strong>und</strong> ist dual organisiert.<br />
Erfolgt die Ausbildung in Berufseinrichtungen sind<br />
insgesamt 12 Monate betriebspraktischer Ausbildung<br />
in geeigneten Betrieben zu absolvieren. Die<br />
ersten 2 Monate dienen dem Auszubildenden als<br />
„Schnupperkurs“, damit in dieser Zeit eine Orientierung<br />
der Interessen stattfinden kann.<br />
Im dritten Ausbildungsjahr werden „10 Monate betriebspraktische<br />
Ausbildung im Einsatzgebiet“<br />
durchgeführt. In diesen Betrieben sind geschulte<br />
Fachkräfte mit der Ausbildung beauftragt. Neu hierbei<br />
ist die Auswahl der Betriebe. Erstmals hat der<br />
Auszubildende die Möglichkeit das Praktikum in<br />
einem produktbezogenen hauswirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen<br />
wahrzunehmen. Das kann<br />
z.B. eine gewerbliche Wäscherei oder Reinigungsfirma,<br />
oder auch Betriebe des Gaststätten- <strong>und</strong> Hotelgewerbes<br />
sein. Hintergr<strong>und</strong> hierbei ist es, den<br />
Azubi anschließend fließend in eine Beschäftigung<br />
zu integrieren.<br />
Eine weitere positive Weiterentwicklung des Berufsbildes<br />
sind die integrativen Fertigkeiten, Kenntnisse<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten, die den Auszubildenden befähigen<br />
seine persönliche Entwicklung zu stärken.<br />
Die <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Backhaus</strong> verfügt in der<br />
Hauswirtschaft über Fachpersonal, dass die geforderten<br />
Ansprüche erfüllen kann die Ausbildung zur<br />
Fachpraktikerin Hauswirtschaft/ zum Fachpraktiker<br />
Hauswirtschaft durchzuführen. Bei uns, als anerkannter<br />
Ausbildungsbetrieb, ist es möglich, die drei<br />
jährige Ausbildung zu absolvieren. Darüber hinaus<br />
können die Auszubildenden die „10 Monate betriebspraktische<br />
Ausbildung im Einsatzgebiet“ bei<br />
uns wahrnehmen.<br />
(Quelle: Landwirtschaftskammer Niedersachsen)<br />
Susanne Vogel<br />
Meisterin der Hauswirtschaft<br />
GfS Emsland<br />
Der Ausbildungsberuf „Koch / Köchin“ in der KJHB<br />
Wer eine Ausbildung zum Koch antreten möchte,<br />
der muss sich darüber im Klaren sein, dass freie<br />
Wochenenden <strong>und</strong> freie Abende in Zukunft der Vergangenheit<br />
angehören. Köche, wie alle anderen<br />
Berufe in der Gastronomie, arbeiten vorwiegend<br />
dann, wenn andere frei haben <strong>und</strong> ihre Freizeit genießen.<br />
Das ist natürlich hauptsächlich abends, am<br />
Wochenende <strong>und</strong> in der Urlaubszeit.<br />
Voraussetzungen<br />
Schulische Voraussetzung für eine Ausbildung als<br />
Koch ist mindestens ein Hauptschulabschluss, besser<br />
jedoch mittlere Reife (Realschulabschluss). Der<br />
angehende Kochlehrling sollte einigermaßen sicher<br />
sein in den Gr<strong>und</strong>rechenarten, da es immer mal<br />
wieder gilt, Rezepte zu verfassen, sie auf bestimmte<br />
Personenzahlen umzurechnen oder Menüs zu kal-<br />
Ausgabe 80 53 KiM ®
kulieren. Daneben ist es als Koch wichtig, psychisch<br />
<strong>und</strong> körperlich belastbar zu sein <strong>und</strong> gut mit Stress<br />
umgehen zu können. Persönliche Hygiene ist ebenfalls<br />
sehr wichtig.<br />
Selbstverständlich ist es Gr<strong>und</strong>voraussetzung als<br />
Koch, einen überdurchschnittlichen Geschmacks<strong>und</strong><br />
Geruchssinn zu haben. Außerdem muss man<br />
selbst gerne essen <strong>und</strong> trinken, denn wer Essen nur<br />
als notwendiges Übel ansieht, der wird nie ein guter<br />
Koch werden. Auch ein gutes Maß an Kreativität,<br />
Aufgeschlossenheit für neue Produkte <strong>und</strong> neue<br />
Techniken <strong>und</strong> die Bereitschaft, in anderen Städten<br />
oder gar Ländern zu arbeiten sind Gr<strong>und</strong>voraussetzungen<br />
für einen guten Koch. Des Weiteren Fremdsprachen<br />
wie Englisch <strong>und</strong> Französisch, da die Küchen-Sprache<br />
überwiegend Französisch ist.<br />
• Hauptschulabschluss<br />
• Handwerkliches Geschick <strong>und</strong> Kreativität<br />
• Gute körperliche Verfassung<br />
• Schnelle Auffassungsgabe<br />
• Kalkulatorische Fähigkeiten<br />
• Teamfähigkeit<br />
Ausbildungsinhalte<br />
In der Ausbildung lernt der Kochauszubildende die<br />
verschiedenen Gr<strong>und</strong>garmethoden wie Braten, Kochen,<br />
Schmoren, Pochieren, Backen usw.. Er lernt<br />
verschiedene Fleischarten <strong>und</strong> Fleischstücke, Fische,<br />
Obst- <strong>und</strong> Gemüsesorten kennen <strong>und</strong> sie richtig<br />
zu verarbeiten. Auch Kräuter <strong>und</strong> Gewürze <strong>und</strong><br />
der richtige Umgang damit stehen auf dem Ausbildungsplan<br />
eines Koches. Außerdem lernt er verschiedene<br />
Suppen, Salate, Vorspeisen, Fleisch- <strong>und</strong><br />
Fischgerichte, Gemüse, Beilagen <strong>und</strong> Nach- <strong>und</strong><br />
Süßspeisen zuzubereiten. Ferner lernt der Kochlehrling<br />
den Ablauf in einer professionellen Küche kennen<br />
<strong>und</strong> alle Arbeiten, die zur Vor- <strong>und</strong> Zubereitung<br />
von Speisen notwendig sind. Neben der Speisek<strong>und</strong>e<br />
ist auch die Getränkek<strong>und</strong>e wichtiger Bestandteil<br />
der Ausbildung.<br />
Eine wichtige Rolle in der Ausbildung zum Koch<br />
nimmt die Hygiene ein. Der Lehrling lernt die verschiedenen<br />
Krankheitserreger kennen, die Speisen<br />
befallen <strong>und</strong> Krankheiten hervorrufen können. Er<br />
lernt auch, was zu beachten ist, um eine hygienisch<br />
einwandfreie Küche <strong>und</strong> hygienisch einwandfreie<br />
Produkte zu haben.<br />
• Nahrungsmittel herstellen <strong>und</strong> zubereiten<br />
• Professionelle Küchentechnik <strong>und</strong> moderne Arbeitsgeräte<br />
einsetzen<br />
• Ernährungsphysiologische, ökonomische <strong>und</strong><br />
ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen<br />
• Hygienevorschriften beachten<br />
• Produkte präsentieren<br />
• Gäste beraten<br />
In der Berufsschule, die ein bzw. zwei Tage in der<br />
Woche oder im Blockunterricht besucht wird, lernt<br />
der Auszubildende die theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen für<br />
seinen Beruf. Dazu gehören Nahrungsmittel- <strong>und</strong><br />
Getränkek<strong>und</strong>e, Gr<strong>und</strong>verständnis in berufsrelevante<br />
Rechtsfragen <strong>und</strong> Mathematik bzw. Fachrechnen.<br />
Außerdem wird in der Berufsschule Deutsch, Gemeinschaftsk<strong>und</strong>e,<br />
Englisch <strong>und</strong> die Küchensprache<br />
Französisch unterrichtet.<br />
Die Kochausbildung dauert 3 Jahre. Mit entsprechendem<br />
Schulabschluss (Abitur) oder einer bereits<br />
erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung in<br />
einem verwandten Beruf kann die Ausbildungszeit<br />
um ein halbes, in Ausnahmefällen sogar um ein<br />
volles Jahr, verkürzt werden.<br />
Ausbildungsvergütung<br />
Die monatliche Ausbildungsvergütung richtet sich<br />
nach den gültigen Tarifverträgen bzw. den jeweiligen<br />
Arbeitgebern. Entsprechend der Lebenshaltungskosten<br />
ist diese in den einzelnen B<strong>und</strong>esländern<br />
unterschiedlich.<br />
Arbeitsplatzchancen<br />
Die Chancen, nach abgeschlossener Ausbildung<br />
einen Arbeitsplatz zu finden, stehen sehr gut. Die<br />
Gastronomie sucht händeringend nach Fachpersonal.<br />
Nach abgeschlossener Ausbildung arbeitet der Koch<br />
zunächst als Commis de Cuisine (Jungkoch). Von<br />
dort kann er die Karriereleiter aufsteigen bis hin zum<br />
Chef de Rang (Postenchef), Sous-Chef (Vertreter<br />
des Küchenchefs) oder gar zum Chef de Cuisine<br />
(Küchenchef). Mit abgeschlossener Berufsausbildung<br />
steht dem Koch sprichwörtlich die ganze Welt<br />
offen. Er kann sich auf der ganzen Welt Arbeit suchen,<br />
vom Nordkap bis nach Südafrika. Gute Köche<br />
werden überall auf der Welt gesucht!<br />
Die abgeschlossene Ausbildung zum Koch berechtigt<br />
ihn auch ohne zusätzliche Qualifikationen dazu,<br />
sich mit einem eigenen Restaurant oder einem anderen<br />
Gastronomiebetrieb selbständig zu machen.<br />
Weiterbildungmöglichkeiten<br />
Auch die Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungsmaßnahmen für<br />
Köche sind vielfältig. Nach entsprechender Berufserfahrung<br />
kann er die Meisterschule besuchen <strong>und</strong> die<br />
Prüfung zum Küchenmeister ablegen. Auch der<br />
Besuch einer Hotelfachschule <strong>und</strong> ein Studium zum<br />
staatlich geprüften Hotelbetriebswirt ist nach zwei<br />
Jahren Berufserfahrung möglich.<br />
• Meisterkurs (Küchenmeister)<br />
• Fachwirt im Gastgewerbe (IHK)<br />
• Hotelfachschule (staatl. geprüfter Gastronom<br />
oder Betriebswirt)<br />
• Spezielle Fortbildung , z.B. zum Diätkoch<br />
• Auslandsaufenthalte<br />
• Fachseminare<br />
Ihre Chance als Koch / Köchin<br />
Lange Zeit galt der Beruf des Koches als "zweitrangig",<br />
doch dieses Vorurteil wurde in den letzten Jah-<br />
Ausgabe 80 54 KiM ®
en mehr <strong>und</strong> mehr eliminiert. Der Kochberuf hat<br />
mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert <strong>und</strong> man<br />
kann sagen, als Koch ist man heute "en vogue"(in<br />
Mode), dies ist sicherlich auch auf die vielen renommierten<br />
Sterne- <strong>und</strong> Fernseh-Köche zurückzuführen.<br />
Diese Entwicklung zeigt somit auch deutlich<br />
auf, dass der Trend zu gutem Essen in schönem<br />
Ambiente nach wie vor gelebt wird.<br />
Auch wenn viele Hobbyköche zuhause die Rezepte<br />
der Koch-Stars nach brutzeln, so freuen sich doch<br />
sehr viele Gäste stets auf den Gang ins Restaurant,<br />
um dort die dargebotenen Köstlichkeiten zu genießen.<br />
Eines steht auf jeden Fall fest, der Beruf Koch /<br />
Köchin ist eine sichere Basis für die Zukunft - denn<br />
gegessen <strong>und</strong> getrunken wird schließlich immer!<br />
Weitere Ausbildungsberufe der KJHB:<br />
• Restaurantfachfrau / Restaurantfachmann<br />
• Hotelfachfrau / Hotelfachmann<br />
• Hotelkaufmann / Hotelkauffrau<br />
• Fachfrau / Fachmann für<br />
Systemgastronomie<br />
• Fachkraft im Gastgewerbe<br />
Holger Stover<br />
Koch<br />
GfS Emsland<br />
Sonderpädagogische Zusatzqualifikation<br />
Die sonderpädagogische Zusatzqualifikation (SPZ)<br />
wird u. a. bei der Ausbildung von Fachpraktikern<br />
benötigt.<br />
Meine Kollegin<br />
Barbara Struckmann<br />
(im Bild<br />
rechts) <strong>und</strong> ich<br />
haben diese<br />
Qualifikation<br />
nach einem Jahr<br />
berufsbegleitender<br />
Maßnahmen im Februar dieses Jahres abgeschlossen.<br />
Die Inhalte der SPZ sind sehr umfangreich <strong>und</strong> vielfältig.<br />
Die wichtigsten Themen waren:<br />
- Unterschiede zwischen körperlicher <strong>und</strong> psychischer<br />
Behinderung.<br />
- Behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen<br />
(Was wird wie unter welchen Voraussetzungen<br />
gefördert?) Welche Rolle spielt hierbei der Integrationsfachdienst?<br />
Einführung in die Psychologie:<br />
- Welche Krankheitsbilder behandelt sie <strong>und</strong> mit<br />
welchen Methoden?<br />
- Was ist der Unterschied zwischen Neurose <strong>und</strong><br />
Psychose?<br />
- Was ist eine Zwangsstörung <strong>und</strong> welche Symptome<br />
deuten auf Schizophrenie hin?<br />
- Einblicke in die Anwendungs- <strong>und</strong> Wirkungsweise<br />
von Psychopharmaka.<br />
- Krankheitsbilder wie Depressionen, bipolare Störungen<br />
<strong>und</strong> deren Symptome sowie die Ursachen<br />
<strong>und</strong> Auswirkungen im Arbeitsleben.<br />
In der sogenannten „speziellen“ Psychologie ging es<br />
in erster Linie um die familiäre <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Situation behinderter Menschen, den Umgang mit<br />
ihnen, die Problemstellung aus Sicht behinderter<br />
Jugendlicher, die Entstehung <strong>und</strong> Strukturen von<br />
Lern- <strong>und</strong> Leistungsbeeinträchtigungen, Aufgabenbereiche<br />
der pädagogischen Förderdiagnostik, Berücksichtigung<br />
behindertenspezifischer Belange im<br />
Rahmen von Prüfungen.<br />
Förderpläne: Der Förderplan ist ein förderpädagogischer<br />
Prozess, der auf jeden Einzelnen bezogen<br />
<strong>und</strong> gestaltet ist. Der Ausbildungs- <strong>und</strong> Entwicklungsprozess<br />
wird individuell mit allen Beteiligten<br />
geplant, überwacht, analysiert, unterstützt, gesteuert<br />
<strong>und</strong> dokumentiert. Es werden sowohl Nah- als auch<br />
Fernziele festgelegt, wobei das Erreichen eines<br />
Zieles immer wieder angepasst wird. Die Informationen,<br />
die der Förderplan enthält, bieten eine verlässliche<br />
Gr<strong>und</strong>lage zur sachgemäßen Beurteilung der<br />
aktuellen Situation. Daraus ergibt sich seine inhaltliche<br />
Gültigkeit <strong>und</strong> Zuverlässigkeit der Angaben.<br />
Auch das Thema Arbeitspädagogik wurde aufgegriffen,<br />
wobei die Anforderungen an die Ausbildungsstätte<br />
<strong>und</strong> die Auszubildenden besprochen wurden.<br />
Außerdem wurden handlungsorientierte Ausbildungsmethoden,<br />
Leittexte, Projektmethoden, die 4-<br />
Stufen-Methode usw. thematisiert.<br />
Unter das Kompetenzfeld Arbeitspädagogik/Arbeitsk<strong>und</strong>e<br />
fiel auch das Zeitmanagement mit seinen<br />
unterschiedlichen Methoden. Außerdem erhielten<br />
wir Einblicke in Bewertungsmaßstäbe, Zeugnisarten<br />
<strong>und</strong> deren Erstellung.<br />
Durch die SPZ haben wir interessante neue Erfahrungen<br />
machen können, viel an neuem Wissen erworben,<br />
tolle Kursteilnehmer kennen gelernt <strong>und</strong><br />
wurden von guten <strong>und</strong> erfahrenen<br />
Dozenten betreut, so dass die SPZ<br />
nicht nur beruflich, sondern auch<br />
menschlich eine große Bereicherung<br />
für uns war.<br />
Martina Schute<br />
Hauswirtschaftsleiterin<br />
GfS Emsland<br />
Ausgabe 80 55 KiM ®
Schachtelrätsel<br />
1. Wie heißt der Papagei aus<br />
dem Witz (Seite xx)?<br />
2. Abkürzung für Intensivpädagogische<br />
Wohngruppe!<br />
3. Was gibt es im Winter?<br />
4. Ergänze Fanta…. (was zum<br />
Essen)<br />
5. Welche Jahreszeit kommt<br />
nach dem Winter?<br />
6. Was ist Mallorca, eine …<br />
7. Was ist braun <strong>und</strong> essen alle<br />
<strong>Kinder</strong> gerne?<br />
8. Worauf reitet man in der Wüste?<br />
9. Was wärmt im Winter?<br />
10. Was hört man im Frühling?<br />
11. Was haben alle <strong>Kinder</strong> sechs<br />
Wochen mitten im Jahr?<br />
12. Wie heißt unsere Zeitschrift?<br />
Der Frosch im Brunnen<br />
Zwei Türen<br />
Falsch Taler<br />
1.<br />
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Rätsel<br />
Dieses Rätsel wurde von der <strong>Kinder</strong>-Redaktion erstellt.<br />
Eines Tages fällt ein kleiner Frosch in einen 30 Meter tiefen Brunnen.<br />
Mit aller Kraft probiert der Frosch die glitschigen Wände des Brunnens<br />
hinauf zu klettern. Dabei klettert der Frosch pro Tag 3 Meter hinauf. Jede<br />
Nacht, während er sich ausruht, rutscht der Frosch aber wieder um<br />
2 Meter nach unten.<br />
Wie viele Tage dauert es bis der arme Frosch endlich aus dem Brunnen<br />
kommt?<br />
Ein listiger Kaufmann wurde einst zu lebenslanger Haft verurteilt. Da er<br />
aber ein sonst unbescholtener Bürger war, wollte der Richter ihm noch<br />
eine Chance geben <strong>und</strong> stellte ihm folgendes Rätsel.<br />
"Vor dir befinden sich zwei Türen, eine der Türen führt in den Kerker<br />
<strong>und</strong> die andere in die Freiheit. Vor jeder Tür steht je ein Wächter, einer<br />
der Wächter sagt immer die Wahrheit der andere lügt immer. Du weißt<br />
nicht welcher der Wächter die Wahrheit sagt aber du darfst einem eine<br />
Frage stellen um herauszufinden welche der 2 Türen in die Freiheit<br />
führt."<br />
Der Angeklagte stellte einem Wächter eine Frage, wusste dann genau<br />
welche Türe in die Freiheit führt <strong>und</strong> konnte sich so vor der Haftstrafe<br />
retten.<br />
Was hatte er gefragt?<br />
In einer Kiste liegen 10 Säcke mit je 100 Talern. Ein echter Taler wiegt<br />
genau 100 Gramm. Einer der Säcke ist nun aber mit gefälschten Talern<br />
gefüllt die 1% leichter sind.<br />
Wie ist es mit nur einer Wägung möglich herauszufinden in welchem<br />
Sack die falschen Taler sind?<br />
Ausgabe 80 56 KiM ®
Gewächse<br />
Rebus<br />
Bilderrätsel<br />
Zitate<br />
Matheunterricht<br />
Lösungen (Durchblick 79)<br />
1. Rittersporn 12. Löwenzahn<br />
2. Stiefmütterchen 13. Schachtelhalm<br />
3. Aaronstab 14. Männertreu<br />
4. Fleißiges Lieschen 15. Frauenschuh<br />
5. Eisenhut 16. Pfafffenhütchen<br />
6. Märzbecher 17. Weihnachtsstern<br />
7. Löwenmäulchen 18. Schneeball<br />
8. Hirtentaschenkraut 19. Küchenschelle<br />
9. Turkenb<strong>und</strong> 20. Knabenkraut<br />
10. Kaiserkrone 21. Wiesenschaumkraut<br />
11. Sumpfdotterblume (Bild) 22. Hahnenfuß<br />
Das Lösungswort ist: Gedanke<br />
Der Würfel wurde aus Vorlage 4 gefaltet.<br />
Es sind 28 Kegel zu sehen.<br />
Dies <strong>und</strong> Das<br />
DER VORTEIL<br />
DER KLUGHEIT<br />
BESTEHT DARIN<br />
DASS MAN SICH<br />
DUMM STELLEN KANN<br />
DAS GEGENTEIL<br />
IST SCHON SCHWIERIGER<br />
KURT TUCHOLSKY<br />
ERZIEHUNG IST<br />
DIE ORGANISIERTE<br />
VERTEIDIGUNG<br />
DER ERWACHSENEN<br />
GEGEN DIE<br />
JUNGEND<br />
MARK TWAIN<br />
Hauptschule:<br />
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50,00 Euro. Die Erzeugerkosten<br />
betragen 40,00 Euro. Berechne den Gewinn!<br />
Realschule:<br />
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50,00 Euro. Die Erzeugerkosten<br />
betragen 4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn?<br />
Gymnasium:<br />
Ein Agrarökonom verkauft eine Menge subterraner Feldfrüchte für eine<br />
Menge Geld (G). G hat die Mächtigkeit 50. Für die Elemente aus G gilt:<br />
G ist 1. Die Menge hat die Herstellungskosten (H). H ist um 10 Elemente<br />
weniger mächtig als die Menge G. Zeichnen Sie das Bild der Menge<br />
H als die Tilgungsmenge der Menge G <strong>und</strong> geben Sie die Lösung (L)<br />
für die Frage: Wie mächtig ist die Gewinnsumme?<br />
Waldorfschule:<br />
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50,00 Euro. Die Erzeugerkosten<br />
betragen 40,00 Euro <strong>und</strong> der Gewinn 10,00 Euro. Aufgabe: Unterstreiche<br />
das Wort „Kartoffeln“ <strong>und</strong> singe ein Lied dazu!<br />
Ausgabe 80 57 KiM ®
Fast das Letzte (von der <strong>Kinder</strong>redaktion)<br />
IN OUT<br />
Neuer Kinofilm von Justin Bieber Radlerhosen<br />
Sport Couch Potatos<br />
Sonne Ewiges Jammern über die Kälte<br />
Kommt Fritzchen mit Oma aus dem Bäckergeschäft.<br />
Liegt 1€ auf dem Boden. Fritzchen will ihn aufheben.<br />
Oma sagt: “Was auf dem Boden liegt, darf man nicht aufheben.“<br />
Dann liegt eine Bananenschale auf dem Boden.<br />
Oma rutscht darauf aus. Fritzchen soll ihr hoch helfen.<br />
Fritzchen sagt: “Was auf dem Boden liegt, darf man nicht aufheben!“�<br />
Ein Einbrecher bricht in ein Haus ein. Als er die 1.Schublade öffnet, sagt eine Stimme:<br />
„Ich sehe dich <strong>und</strong> Jesus sieht dich auch.“ Bei der 2. Schublade hört er wieder diese Stimme:<br />
„Ich sehe dich <strong>und</strong> Jesus sieht dich auch.“ Als er in die Küche kommt, sieht er einen Papagei!<br />
Er öffnet wieder eine Schublade <strong>und</strong> der Papagei sagt: „ Ich sehe dich <strong>und</strong> Jesus sieht dich auch!“<br />
Der Einbrecher sagt: “Du bist aber ein schöner Vogel! Wie heißt du denn?“<br />
„Ich heiße Paul!“ „Paul ist aber kein schöner Name!“ sagt der Einbrecher. Darauf antwortet der<br />
Papagei: „ Jesus ist auch kein schöner Name für einen Rottweiler!“ �<br />
Wassermann (21 . Jan. - 1 9. Feb. ):<br />
Du musst in der Schule besser aufpassen<br />
<strong>und</strong> mehr Zeit mit deinen Fre<strong>und</strong>en<br />
verbringen<br />
Fische (20. Feb. - 20. März):<br />
Du bist zurzeit sehr fleißig, weiter so!<br />
Widder (21 . März- 20. April):<br />
Du musst mehr Sport machen, sonst<br />
bleibt der Winterspeck sitzen!<br />
Stier (21 . April- 21 . Mai):<br />
Geb‘ doch mal wieder was aus!<br />
Zwilling (22. Mai- 21 . Juni):<br />
Du brauchst dringend Ferien!<br />
Krebs (22. Juni- 22. Juli):<br />
Achte besser auf deine Ges<strong>und</strong>heit!<br />
Löwe (23. Juli- 23. Aug. ):<br />
Guck nicht so grummelig!<br />
Lach doch mal wieder! �<br />
Jungfrau (24. Aug. - 23. Sep. ):<br />
Dein Zimmer könnte einen Frühjahrsputz<br />
gebrauchen!<br />
Waage (24. Sep. - 23. Okt. ):<br />
Gönn dir mal wieder eine „Fette“ Pizza!<br />
Skorpion (24. Okt. - 22. Nov. ):<br />
Sei nicht so gemein zu deinen Mitmenschen!<br />
Schütze (23. Nov. - 21 . Dez. ):<br />
Schmeiß die Radlerhose in die Ecke <strong>und</strong><br />
geh shoppen!<br />
Steinbock (22. Dez. - 20. Jan. ):<br />
Sag deine Meinung, nicht so Schüchtern!<br />
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