Beriker Chleeblätter 2008 - Kulturverein Berikon
Beriker Chleeblätter 2008 - Kulturverein Berikon
Beriker Chleeblätter 2008 - Kulturverein Berikon
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Lokaljournalismus ist das Abwechslungsreichste,<br />
Spannendste – und mitunter<br />
Langweiligste, das es gibt. Selbstverständlich<br />
habe auch ich während der zweijährigen<br />
Ausbildung an der Journalistenschule<br />
St. Gallen davon geträumt, Bundeshaus-<br />
oder gar Auslandskorrespondentin für eine<br />
massgebende Schweizer Tageszeitung zu<br />
sein. Zu berichten über Debatten im Parlament.<br />
Über Auftritte grosser Persönlichkeiten.<br />
Der Traum ist schnell verflogen.<br />
Nicht weil er sich nicht hätte umsetzen<br />
lassen. Doch während der Ausbildung war<br />
ich als freie Mitarbeiterin für den «Wohler<br />
Anzeiger» tätig. Da habe ich entdeckt, dass<br />
die grosse Welt im kleinsten Dorf daheim ist.<br />
Dass in Kallern wie in Eggenwil debattiert<br />
wird. Dass in Aristau wie in Zufikon Persönlichkeiten<br />
wohnen.<br />
Selbstverständlich diskutieren die Men-<br />
schen in der Region heftig und ausgiebig<br />
über die Bundesratswahlen. Über die<br />
steigenden Kosten für die Neat. Über die<br />
Erfolge und Pleiten der Fussball-Nati. Darüber<br />
berichten Fernsehen, Radio und Tageszeitungen<br />
ausführlich; das muss die Lokalzeitung<br />
nicht nachplappern.<br />
Dabei darf nicht vergessen gehen, dass dieselben<br />
Menschen ebenso heftig die mögliche<br />
Senkung des Steuerfusses im Dorf<br />
diskutieren. Die täglichen Staus an der Mutschellen-Kreuzung.<br />
Das unsägliche Theater<br />
um die Fusion der Feuerwehren von <strong>Berikon</strong><br />
und Widen. Den Tunnelbau in Lieli. Die<br />
unmögliche Zufahrt zum Gewerbegebiet<br />
in Rudolfstetten. Hier ist der «Bremgarter<br />
Bezirks-Anzeiger» präsent. Unspektakulär<br />
30<br />
Erika Obrist: Mitmachen –<br />
aber nicht dazugehören<br />
meist, zuweilen etwas zu brav. Aber nahe<br />
bei den Menschen, die es betrifft.<br />
Nah und distanziert<br />
Meine Aufgabe ist es, nahe bei den Menschen<br />
auf dem Mutschellen zu sein. Den<br />
Kontakt mit Vereinen, Behörden, Interessengruppen,<br />
Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden<br />
zu pflegen. Einsendungen<br />
entgegen zu nehmen und sie zeitungsgerecht<br />
aufzuarbeiten. Selber Themen aufzugreifen<br />
und sie verständlich umsetzen.<br />
Veranstaltungen selber besuchen oder freie<br />
Mitarbeiter hinschicken. «Möglichst vollständig»<br />
vom Dorfleben berichtet ist die<br />
strategische Vorgabe des Verlegers.<br />
Angesichts der kleinen Region, die mir anvertraut<br />
ist, treffe ich immer wieder mit<br />
denselben Menschen zusammen; zwangsläufig<br />
lerne ich diese Menschen näher<br />
kennen. Mit den meisten bin ich per Du.<br />
Was mir das Beschaffen von Informationen<br />
erleichtert – das Schreiben hin und wieder<br />
erschwert. Die gewollte Nähe führt manchmal<br />
zu einer gewissen «Beisshemmung».<br />
Der Spagat, ganz nahe bei den Menschen<br />
sein, aber mit der notwendigen Distanz<br />
über sie schreiben, ist nicht einfach.<br />
Der Mutschellen ist nicht der Nabel<br />
der Welt<br />
«Mitmachen – aber nicht dazugehören»<br />
lautet meine Maxime. Mitdiskutieren, mitfeiern,<br />
mitpolitisieren. Aber keine öffentliche<br />
Aufgabe übernehmen und schon gar<br />
keiner politischen Partei angehören. Neben<br />
der grossen Themenvielfalt ist für mich