NK 06_Kemfert
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KLIMA 9<br />
» WIR HABEN KEIN<br />
ERKENNTNISPROBLEM,<br />
WIR HABEN EIN UMSETZUNGS-<br />
PROBLEM.«<br />
© Adobe Stock / twindesigner<br />
Deutschlands renommierteste Energieökonomin Claudia <strong>Kemfert</strong> spricht mit<br />
campus.de über ihr neues Buch »Schockwellen« Sie benennt die Verantwortlichen<br />
für die verfahrene Situation im Energiesektor. Ein kleines Zeitfenster<br />
bleibt, durch entschlossenes Handeln unsere Energieversorgung zu sichern<br />
und gleichzeitig Demokratie, Wohlstand und friedliches Zusammenleben zu<br />
stützen.<br />
Campus: Die Welt steht unter Schock.<br />
Zeitalters verbreitet. Deutschland,<br />
der fossilen Monokultur und unserer<br />
Treibend waren dabei die politisch<br />
brechen auf Kommunen, Unterneh-<br />
Wir stecken mitten in einer Energie-<br />
ruhe sanft! Und jetzt ist wieder ein<br />
Abhängigkeit von dieser zerstöreri-<br />
Verantwortlichen in der Bundesregie-<br />
men und Privatpersonen. Wir brau-<br />
krise, die die globale Wirtschaft er-<br />
Jahr vergangen, ohne dass Wesentli-<br />
schen Energieform. 300 Milliarden<br />
rung und an der Spitze großer deut-<br />
chen nur den politischen Willen und<br />
schüttert. Für Sie hat sich die Krise<br />
ches verändert wurde. Genau deswe-<br />
Euro muss Deutschland gerade inves-<br />
sche Konzerne. Im Buch geht es un-<br />
die richtigen Rahmenbedingungen,<br />
längst angebahnt, oder?<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Der Beginn des<br />
russischen Kriegs gegen die Ukraine<br />
gen habe ich das Buch geschrieben.<br />
Wir haben nur noch ein kleines Zeitfenster,<br />
um das Schlimmste zu verhindern.<br />
Wer jetzt den Knall nicht ge-<br />
tieren, um die akuten Folgen der Lieferkrise<br />
einzudämmen. Und das ist<br />
nur der Anfang.<br />
ter anderem um die Entscheidungen<br />
von Angela Merkel und Peter Altmaier,<br />
Olaf Scholz und Frank-Walter<br />
Steinmeier, Manuela Schwesig und<br />
also passende Gesetze und vereinzelt<br />
auch gezielte finanzielle Förderung.<br />
© Xxxxxxxxx<br />
Campus: Für wen haben Sie dieses<br />
im Februar 2022 war ein gewaltiger<br />
hört hat, will ihn nicht hören. Wir ha-<br />
Richtig schlimm trifft es derzeit die<br />
Sigmar Gabriel, aber auch um die<br />
Buch geschrieben?<br />
Knall. Schon die Annexion der Krim<br />
ben kein Erkenntnisproblem, wir ha-<br />
Ärmsten und Schwächsten. Aber ir-<br />
Vorstände von BASF, E.on oder RWE.<br />
2014 war ein ziemlich lauter Knall.<br />
ben ein Umsetzungsproblem.<br />
gendwann wird es sogar die Reichs-<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Für alle, die sich<br />
Und davor gab es viele andere. Leider<br />
ten treffen. Denn auch für die gibt es<br />
Campus: Sie sagen »Wir müssen<br />
fragen, wieso wir so tief in der Krise<br />
gewöhnen wir uns offenbar an sol-<br />
Campus: Wer zahlt schlussendlich<br />
keinen Planeten B.<br />
Tempo aufnehmen. Die Kipppunkte<br />
stecken. Alle, die spüren, dass unsere<br />
chen Lärm. Das ist supergefährlich!<br />
dafür den Preis für die Konzeptlosig-<br />
kommen in rasender Geschwindigkeit<br />
aktuellen Probleme sich nicht mit<br />
Im letzten Frühjahr sind viele Men-<br />
keit der Bundesregierung?<br />
Überall auf der Welt spüren wir die<br />
immer näher.« Fazit: »Es ist allerhand<br />
zwölf neuen LNG-Terminals lösen las-<br />
schen aufgeschreckt. Ich dachte:<br />
Folgen des fossilen Krieges gegen die<br />
möglich«, aber welche Schritte sind<br />
sen. Alle, die ahnen, dass die aktuel-<br />
Jetzt haben alle den Schuss gehört.<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Alle zahlen den<br />
Natur. In Wirtschaft und Politik wird<br />
jetzt nötig?<br />
len Krisen miteinander zusammen-<br />
Doch dann wurden wieder die altbe-<br />
Preis. Auch wir Deutschen. Nur, dass<br />
immer erbitterter um die schwinden-<br />
hängen. Und alle, die spüren, dass<br />
kannten Schlaflieder gesungen und<br />
wir es uns (noch) leisten können. Die<br />
den Ressourcen Öl und Gas ge-<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Die nötigen Maß-<br />
man die multiplen Krisen der Gegen-<br />
die beliebtesten Märchen des fossilen<br />
hohen Energiepreise sind die Folgen<br />
kämpft, immer öfter auch militärisch.<br />
nahmen sind bekannt, seit Jahren,<br />
wart und die Herausforderungen der<br />
Zugleich gibt es immer mehr Klima-<br />
wenn nicht Jahrzehnten. Im Kern geht<br />
Zukunft nicht mit den Antworten und<br />
flüchtlinge. Die wachsende globale<br />
es um die Energiewende, also den<br />
Techniken der Vergangenheit bewälti-<br />
Migration passiert aufgrund von Krie-<br />
konsequenten und schnellen Ausbau<br />
gen kann.<br />
gen und Konflikten oder wegen Dür-<br />
der erneuerbaren Energien. Es geht<br />
© Oliver Betke<br />
ren, Hitze oder anderen klimabedingten<br />
Katastrophen.<br />
Campus: In Ihrem Buch ergründen<br />
Sie die Ursachen der Energiekrise. Wo<br />
um die Verkehrswende, also den Umbau<br />
weg von einer auto-zentrierten<br />
Verkehrspolitik hin zu einer menschen-zentrierten<br />
Stadtgestaltung. Es<br />
geht um die Wärmewende, also die<br />
Campus: Was war die Herausforderung?<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Herausfordernd<br />
war vor allem die wechselnden aktu-<br />
fing es an und wer waren die Treiber?<br />
Sanierung und Dämmung von Gebäu-<br />
ellen Ereignisse während des Schreib-<br />
den sowie die Umstellung auf andere<br />
prozesses, weil bis zur Drucklegung<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong>: Rohstoffe waren<br />
Heizmethoden, also zum Beispiel<br />
völlig unklar war, wie sich die Kriegs-<br />
Claudia <strong>Kemfert</strong><br />
ist die wichtigste deutsche Wissenschaftlerin für Energie- und Klimaökonomie.<br />
Seit 2004 leitet sie die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt<br />
am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist<br />
Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit. Sie ist eine<br />
mehrfach ausgezeichnete Spitzenforscherin, gefragte Expertin für<br />
Politik und Medien und Bestsellerautorin.<br />
immer schon eine Waffe, egal ob Salz<br />
oder Seide, Holz oder Opium. Dafür<br />
gibt es in der langen Geschichte zahlreiche<br />
Beispiele. Spätestens seit der<br />
industriellen Revolution ist Energie<br />
eine wertvolle Ressource. Vor allem in<br />
den letzten 60 Jahren hat Deutschland<br />
sich in der Energieversorgung zu<br />
Wärmepumpen. Außerdem brauchen<br />
wir sehr viel mehr Energiesparmaßnahmen.<br />
Wir brauchen Energiespeicher, etwa in<br />
Form von Wasserstoff-Speichern, was<br />
doppelt wichtig ist, weil wir Wasserstoff<br />
auch für energieintensive Industrien<br />
situation, aber auch der hybride Energie-Krieg<br />
weiterentwickeln. Bis heute<br />
ist nicht absehbar, wie die Lage in der<br />
Ukraine, aber auch die globale Energiesituation<br />
morgen sein wird. Wir<br />
fahren auf Sicht. Umso wichtiger ist<br />
es, dass wir uns zügig aus der Abhängigkeit<br />
befreien.<br />
Schockwellen<br />
Letzte Chance für sichere Energien und Frieden<br />
310 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 26<br />
Euro<br />
ISBN 978‐-3-‐593‐-51696-‐7<br />
Erhältlich im Buchhandel und bei Amazon<br />
sehr auf fossile und atomare Energien<br />
konzentriert und sich dabei aus politischen<br />
Gründen sehr von russischen<br />
Quellen abhängig gemacht. Lange hat<br />
man das als Friedensprojekt betrachtet.<br />
In den letzten zwanzig Jahren<br />
aber häuften sich die Warnungen vor<br />
benötigen, etwa die Glas-, Stahl- und<br />
Zementproduktion oder auch für große<br />
Schiffe oder schwere Industriemaschinen.<br />
Die To-do-Liste ist lang, wenn wir sie<br />
im Ganzen betrachten, aber sie ist<br />
Denn derzeit sieht es danach aus,<br />
dass die Energieversorgung leider<br />
vorrangig fossil gesichert wird und somit<br />
die Energiewende weiter stockt.<br />
So werden wir die fossilen Kriege nie<br />
beenden. Diese Herausforderung<br />
einer zu stärken Abhängigkeit.<br />
machbar, wenn wir sie konkret runter-<br />
bleibt.