Innovationsreport Binnenschifffahrt 2023
Grußworte von Volker Wissing, Dieter Janecek, Reinhard Lüken, Bettar O. el Moctar | BMDV: Digitale Testfelder auf Bundeswasserstraßen | DST: Alternative Antriebskonzepte | Innovative Projekte in Deutschland und Benelux | Stapellauf der »E-Spatz« | Werft des Jahres: SET | Hitzler baut Forschungsschiff
Grußworte von Volker Wissing, Dieter Janecek, Reinhard Lüken, Bettar O. el Moctar | BMDV: Digitale Testfelder auf Bundeswasserstraßen | DST: Alternative Antriebskonzepte | Innovative Projekte in Deutschland und Benelux | Stapellauf der »E-Spatz« | Werft des Jahres: SET | Hitzler baut Forschungsschiff
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Der führende Versicherer der <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
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EDITORIAL<br />
DIESEL<br />
SAUBER, LEISE<br />
ZUKUNFTSFÄHIG<br />
Krischan Förster<br />
Chefredakteur <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Mit Mut voran!<br />
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In einem Jahr kann so einiges passieren.<br />
Die Welt verändert sich, in vielen Fällen<br />
leider nicht zum Guten. Der Krieg in<br />
der Ukraine und andere geopolitische<br />
Spannungen lasten in vielfältiger Art<br />
auf den Volkswirtschaften, dazu kommen<br />
der Klimawandel, die überfällige<br />
Energiewende und auch der zunehmende<br />
Personalmangel als jene Herausforderungen,<br />
die momentan am meisten<br />
in den Fokus rücken, egal auf welche<br />
Industrie man schaut.<br />
Im deutschen System der Wasserstraßen<br />
bedeutet dies gleichzeitig, mit den<br />
gesetzten Rahmenbedingungen einschließlich<br />
eines zuletzt verringerten<br />
Investitionsetats der öffentlichen Hand<br />
bestmöglich umzugehen. Das betrifft<br />
vornehmlich die Engpässe an Brücken,<br />
Schleusen oder Flüssen und Kanälen.<br />
Mut und unternehmerisches Risiko<br />
sind auf der Suche nach Lösungen gefragt.<br />
Das gilt für neue Technologien<br />
ebenso wie für neue Denkansätze und<br />
Geschäftsmodelle. Der von uns bereits<br />
zum zweiten Mal aufgelegte <strong>Innovationsreport</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> zeigt<br />
auf, was sich in dieser Branche tut<br />
– und das ist beachtlich.<br />
Wer sich die große Übersicht zu<br />
Forschungsprojekten und Praxisbeispielen<br />
anschaut (ab S. 22), wird vielleicht<br />
von dieser Fülle überrascht sein.<br />
Sie ist ein Beleg dafür, dass sich eine<br />
oft als tradiert beschriebene Branche<br />
mehr als nur in Bewegung gesetzt hat,<br />
nicht nur gedanklich, sondern auch<br />
ganz praktisch. Das gilt für neue<br />
Schiffsdesigns und Antriebskonzepte,<br />
digitale Innovationen und neu gedachte<br />
multimodale Logistikkonzepte<br />
bis hin zum (teil)autonomen Betrieb<br />
von Schiffen und Anlagen, demnächst<br />
auch für neue Kraftstoffe bzw. Energieträger<br />
von eFuels über Methanol<br />
oder Wasserstoff bis hin zu Solarstrom.<br />
Zugegeben: Viele Entwicklungen<br />
stehen erst an der Schwelle zur Marktreife<br />
und zu einem wirtschaftlichen<br />
Einsatz in der Praxis. Auch der intelligente<br />
Datenaustausch zwischen<br />
allen Akteuren in der Transportkette<br />
hat noch viel Potenzial. Doch eins ist<br />
klar: Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist längst<br />
dabei, sich zu erneuern.<br />
Sie ist als Verkehrsträger ohne Zweifel<br />
unverzichtbar – für die Industrie, für<br />
die Versorgungssicherheit im Lande,<br />
für eine klimafreundliche Verkehrsverlagerung,<br />
für die Energiewende. Will<br />
sie diese Rolle künftig sogar noch stärken,<br />
muss sie natürlich die eigenen Ressourcen<br />
mobilisieren. Sie braucht dabei<br />
aber auch die größtmögliche Unterstützung<br />
der politisch Handelnden, mehr<br />
noch als in der Vergangenheit.<br />
Unser <strong>Innovationsreport</strong> soll daher<br />
nicht nur die besten Beispiele aus der<br />
Praxis zeigen, sondern auch Mut machen<br />
und Wege aufzeigen, wie es weiter<br />
voran gehen kann.<br />
In diesem Sinne – viel Spaß beim Lesen<br />
© Titelfoto: Seafar<br />
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<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
3
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
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INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Dr. Volker Wissing MdB<br />
Bundesminister für Digitales und Verkehr<br />
BMDV<br />
© BMDV<br />
»Wir brauchen die <strong>Binnenschifffahrt</strong> –<br />
heute und in Zukunft!«<br />
Leistungsstark, sicher und verlässlich –<br />
das sind Eigenschaften, die unsere<br />
moderne <strong>Binnenschifffahrt</strong> auszeichnen.<br />
Über die Wasserstraßen werden wir versorgt<br />
mit den essenziellen Waren, die unser<br />
Land am Laufen halten. Daher ist<br />
klar: Wir brauchen die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
– heute und in Zukunft!<br />
Deshalb müssen wir den Schifffahrtsstandort<br />
Deutschland weiter stärken,<br />
ausbauen und klimafreundlich gestalten.<br />
Hier setzt der Bund an verschiedenen<br />
Stellen an, etwa mit der geplanten Nationalen<br />
Hafenstrategie, den Maßnahmen<br />
zur Verlagerung von Großraumund<br />
Schwertransporten (GST) auf die<br />
Wasserstraße und unseren Förderprogrammen.<br />
Ziel ist, dass wir die Kapazität<br />
auf den Wasserstraßen und in den Häfen<br />
weit mehr als bisher ausnutzen.<br />
Wasserstraßen sind bestens geeignet<br />
für GST: Eine Umfrage meines Ministeriums<br />
hat gezeigt, dass Dreiviertel der<br />
befragten See- und Binnenhäfen ein<br />
mittleres bis hohes Potenzial für den<br />
Umschlag von Windkraftanlagen haben.<br />
Dieses wollen wir unter anderem<br />
in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Klimaschutz<br />
(BMWK) nutzen für den Transport<br />
von Bauteilen für Windkraftwerke.<br />
Um die Verlagerung zu vereinfachen,<br />
haben wir kürzlich eine Datenbank für<br />
Umschlagstellen von GST geschaffen.<br />
Diese bietet bereits heute Informationen<br />
zu rund 200 GST-Umschlagsstellen.<br />
Der entscheidende Hebel für mehr<br />
Effizienz und Nachhaltigkeit im gesamten<br />
Verkehrsbereich – also auch im<br />
Schiffsverkehr – ist die Digitalisierung.<br />
Bestes Beispiel dafür ist unser Programm<br />
»Digitale Testfelder an Bundeswasserstraßen«:<br />
Hier geht es darum, automatisierte<br />
Systeme auszuprobieren – sodass<br />
die Entwicklung hin zu hoch- oder<br />
sogar vollautomatisierter Navigation in<br />
der <strong>Binnenschifffahrt</strong> weiter vorangeht.<br />
An der Spree-Oder-Wasserstraße (SOW)<br />
wird seit dem vergangenen Jahr das Testfeld<br />
»Digital SOW« aufgebaut. Das Projekt<br />
erforscht das autonome Fahren auf<br />
der Wasserstraße als Ergänzung zur Verund<br />
Entsorgung in der Metropolregion<br />
Berlin.<br />
Damit der Transport über die Binnengewässer<br />
für noch mehr Unternehmen<br />
zum Mittel der Wahl wird, muss er nicht<br />
nur digitaler, sondern auch nachhaltiger<br />
werden. Auch in dieser Herausforderung<br />
liegt eine Chance: Die Wasserstraßen<br />
sind klar im Vorteil, wenn ihre Schiffe<br />
klimafreundlich angetrieben werden.<br />
Daher unterstützen wir zum Beispiel die<br />
Modernisierung der Flotte mit unserer<br />
weiterentwickelten Förderrichtlinie zur<br />
nachhaltigen Modernisierung von Binnenschiffen.<br />
Für die Aus- und Umrüstung<br />
mit emissionsarmen Motoren werden<br />
vom Bund bis zu 80 % der Investitionsausgaben<br />
gefördert, für die<br />
Aus- und Umrüstung mit Nullemissionsantrieben<br />
sogar bis zu 90 %. Die weiterentwickelte<br />
Förderrichtlinie stößt in der<br />
Branche auf großes Interesse und soll<br />
über den 31. Dezember <strong>2023</strong> hinaus fortgeführt<br />
werden.<br />
Das sind nur einige von vielen Beispielen<br />
dafür, dass <strong>Binnenschifffahrt</strong> für<br />
Fortschritt steht. Fest steht: Die Bundesregierung<br />
wird die <strong>Binnenschifffahrt</strong> und<br />
die Binnenhäfen weiter stärken und sie<br />
dabei unterstützen, sich digitaler und<br />
moderner aufzustellen. Davon profitieren<br />
wir letztlich alle. Denn eines ist<br />
sicher: Wasserstraßen haben eine große<br />
Zukunft!<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
5
Low Water Carrier<br />
M/T “Canaletto”<br />
Where is the classic main engine on the M/T<br />
“Canaletto”? Nowhere!<br />
M/T “Canaletto” is electrically powered by the<br />
batteries on board, similar to a plug-in electric<br />
car. On short distances or in port, emissions are<br />
avoided entirely.<br />
With a length of 110 m and a width of 11.45 m at<br />
a water level of 30 cm in Kaub, M/T “Canaletto”<br />
carries about 50 % more than other tankers with<br />
comparable dimensions. This makes it the best<br />
low water carrier on the Rhine.<br />
Eight stainless steel tanks, 2 of which are<br />
rubberized for the transport of hydrochloric acid.<br />
One tanker of the fleet of 150 tankers belonging to GEFO.<br />
26 new buildings to reduce pollutant emissions.<br />
Which tanker will sail for you?<br />
www.gefo.com
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Dieter Janecek<br />
Koordinator der Bundesregierung für die<br />
Maritime Wirtschaft und Tourismus,<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Klimaschutz<br />
© Deutscher Bundestag<br />
»Zukünftig werden sich für die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> neue Märkte entwickeln«<br />
Rund 7.476 km Bundeswasserstraßen<br />
wurden im Jahr 2021 von ca. 1900<br />
Binnenschiffen befahren. Somit wurden<br />
insgesamt 195 Mio. t Gütermengen<br />
transportiert. Welch Bedeutung diese<br />
enorme Gütermenge für die deutsche<br />
Wirtschaft hat, zeigte uns die Diskussion<br />
um die Auswirkungen eines erneuten<br />
Niedrigwassers an Deutschlands wichtigster<br />
Wasserstraße – dem Rhein –<br />
nochmal deutlich. Die für den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland wichtigen<br />
Unternehmen der chemischen, petrochemischen<br />
Industrie, der Stahl-, Energieund<br />
Baustoffindustrie sind auf die Leistungsfähigkeit<br />
der Wasserstraße angewiesen.<br />
Die Wasserstraße ist ein Verkehrsträger,<br />
der zur Erreichung der nationalen<br />
und europäischen Klimaschutzziele im<br />
Verkehrssektor beitragen kann und dessen<br />
Leistungsfähigkeit dazu erhalten und<br />
gestärkt werden muss. Ein modernes<br />
Binnenschiff befördert die Gütermenge<br />
von etwa 150 Lkw. Der Transport von<br />
Gütern, die mit dem Binnenschiff befördert<br />
werden, erzeugt deshalb nur rund<br />
ein Drittel der Treibhausgase im Vergleich<br />
zum Transport mit dem Lkw.<br />
Um weiterhin den CO 2<br />
-Austoß zu verringern,<br />
unternimmt die Branche große<br />
Anstrengungen mit dem Ziel bis 2050<br />
klimaneutral zu werden. Die größte<br />
Herausforderung aus technischer Sicht<br />
ist, dass es keine Kerntechnologie für alle<br />
Binnenschiffe geben wird. Das Bundesministerium<br />
für Digitales und Verkehr<br />
setzt gezielte und effektive Anreize für<br />
Investitionen in umwelt- und klimaschonende<br />
moderne Antriebstechnik<br />
und fördert die Modernisierung der <strong>Binnenschifffahrt</strong>sflotte.<br />
Zukünftig werden sich für die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
neue Märkte entwickeln:<br />
Allein durch die Ausbauziele der Bundesregierung<br />
für Offshore-Windenergie<br />
wird ein großer Transportbedarf an<br />
Windkraftanlagenteilen entstehen, für<br />
die das Binnenschiff optimal geeignet ist.<br />
Großkomponenten für die Erzeugung<br />
alternativer Energie aus anderen Quellen<br />
(z.B. zur Erzeugung von Wasserstoff)<br />
sind ebenfalls ein Zukunftsmarkt für die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>. Die schnell wachsende<br />
Wasserstoffwirtschaft wird neben der<br />
Pipelineversorgung auch Möglichkeiten<br />
benötigen, Wasserstoff und chemische<br />
Erzeugnisse zur Wasserstoffherstellung<br />
per Binnenschiff zum Verbrauchsort zu<br />
bringen.<br />
Damit die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auch zukünftig<br />
ihre Funktion erfüllen kann,<br />
müssen die Rahmenbedingungen stimmen.<br />
Die Bundesregierung nimmt bereits<br />
Maßnahmen für einen höhere Resilienz<br />
der Wasserstraßeninfrastruktur bei<br />
häufiger auftretenden Niedrigwassersituationen<br />
in Angriff. Auch die Binnenschiffsflotte<br />
muss an Niedrigwassersituationen<br />
angepasst werden. Dafür ist<br />
seit Juli 2021 eine bis zu 80-prozentige<br />
Förderung für Umbaumaßnahmen bereits<br />
bestehender Güterbinnenschiffe für<br />
eine größere Einsatzfähigkeit bei<br />
Niedrigwasser möglich.<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
7
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Dr. Reinhard Lüken<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V.<br />
© VSM<br />
»Innovation als Schlüssel für die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der <strong>Binnenschifffahrt</strong>«<br />
Klimawandel, Klimaschutz und Fachkräftemangel<br />
– die Herausforderungen<br />
der <strong>Binnenschifffahrt</strong> sind vielfältig. Seit<br />
dem Niedrigwasserereignis von 2018 sind<br />
die Auswirkungen des Klimawandels auf<br />
die <strong>Binnenschifffahrt</strong> deutlich in das Bewusstsein<br />
der Öffentlichkeit gerückt. Zumal<br />
es nicht bei dem einen Niedrigwasser geblieben<br />
ist: Auch in diesem Sommer leidet<br />
die Schifffahrt wieder an zu wenig Wasser<br />
im System Wasserstraße.<br />
Der Klimaschutz ist für die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
ein zweischneidiges Schwert.<br />
Einerseits stellt die Notwendigkeit eines<br />
effektiven Klimaschutzes neue Chancen<br />
für das Gewerbe dar, weil die Klimaschutzziele<br />
im Verkehr ohne die Systemleistung<br />
des Binnenschiffs nicht zu erreichen<br />
sein werden. Allerdings erfordert<br />
dies auch von der <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
selbst hohe Anstrengungen, künftig<br />
klimaneutral unterwegs zu sein.<br />
Der Fachkräftemangel trifft die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
ebenfalls besonders hart,<br />
da das Durchschnittsalter der Schiffsführer<br />
hoch ist. Neben den allgemeinen<br />
Problemen in Deutschland ausreichend<br />
Nachwuchskräfte zu bekommen, passt<br />
der Arbeitsalltag eines Binnenschiffers<br />
häufig nicht zu den Work-Life-Balance-<br />
Vorstellungen junger Menschen. Doch<br />
die drei großen Herausforderungen der<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> haben einen gemeinsamen<br />
Nenner: Investitionsstau. Innovationen<br />
sind der Schlüssel, um diesen<br />
Herausforderungen zu begegnen.<br />
Durch entsprechende Innovationen<br />
kann sich auch die Wettbewerbssituation<br />
der Güterbinnenschifffahrt verbessern,<br />
um endlich wieder einen höheren Anteil<br />
am Modal Split zu erzielen.<br />
In allen drei Themenfeldern gibt es bereits<br />
seit Jahren verstärkte Anstrengungen,<br />
innovative Lösungen anzubieten.<br />
Forschung und Entwicklung<br />
zur automatisierten <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
laufen auf Hochtouren, Konzepte für<br />
Binnenschiffe, die besser an den Klimawandel<br />
angepasst sind, liegen in den<br />
Schubladen und Lösungen für klimaneutrale<br />
Antriebe sind vorhanden.<br />
Allerdings erfordern diese Lösungen erhebliche<br />
Investitionen, und die bisherigen<br />
Förderprogramme reichen nicht aus, um<br />
den großen Bestand an bestehenden<br />
Schiffen umzurüsten. Und so lobenswert<br />
die Förderprogramme des Bundes sind,<br />
um eine Markteinführung solcher Innovationen<br />
zu beschleunigen, den großen<br />
Bestand an existierenden Schiffen wird<br />
man mit den bisher zur Verfügung gestellten<br />
Mitteln nicht umrüsten können. Eine<br />
Studie der ZKR zeigt, dass die Umstellung<br />
der europäischen <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf<br />
Klimaneutralität mindestens 10 Mrd. €<br />
kosten wird. Bessere staatliche Rahmenbedingungen<br />
sind notwendig, um das<br />
Gewerbe in die Lage zu versetzen, die<br />
Kosten für diese Umstellung zu tragen.<br />
Doch staatliche Rahmenbedingungen<br />
sind nur die eine Seite der Medaille. Die<br />
Branche selbst und vor allem ihre Kunden<br />
müssen den Wert der <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
neu austarieren, denn eines steht fest: so<br />
wie es ist, kann es nicht bleiben.<br />
Es gibt also noch einiges zu tun, aber<br />
Dank vieler kreativer Kräfte und der<br />
Leistungsfähigkeit der Innovationstreiber,<br />
stehen wir nicht vor unüberwindbaren<br />
Hindernissen.<br />
Der Kurs ist klar, und es ist an der Zeit,<br />
mit voller Kraft voraus in eine nachhaltige<br />
und zukunftsorientierte <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
zu steuern.<br />
8 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Prof. Dr.-Ing. Bettar O. el Moctar<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
Direktor des Instituts für Schiffstechnik und<br />
Meerestechnik<br />
© Universität Duisburg-Essen<br />
»<strong>Binnenschifffahrt</strong>: Herausforderungen<br />
und Chancen«<br />
Zuverlässiger, sicherer und umweltverträglicher<br />
Verkehr ist eine elementare<br />
Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige<br />
und nachhaltige Wirtschaft<br />
Europas: Die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
trägt aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit,<br />
Kostengunst, Sicherheit und Zuverlässigkeit<br />
und nicht zuletzt durch ihre hohe<br />
Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit<br />
(bezogen auf die Transportleistung)<br />
bereits heute zur Entlastung der hochbelasteten<br />
Verkehrsträger Straße und<br />
Schiene bei und verfügt angesichts ihrer<br />
substanziellen Kapazitätsreserven über<br />
weitere Entlastungspotenziale.<br />
Gleichwohl sind die Herausforderungen<br />
groß: Der Klimawandel und<br />
die Energiewende erfordern eine Dekarbonisierung<br />
sowie innovative Konzepte<br />
zur Anpassung der Schiffe an niedrigere<br />
Wasserstände. Der Mangel an nautischem<br />
Personal sowie sich ändernde<br />
Markt- und Nachfragestrukturen führen<br />
zu starkem Kostendruck und hoher<br />
Wettbewerbsintensität auch gegenüber<br />
dem Lkw, und verlangen nach einer umfassenden<br />
Digitalisierung in allen Bereichen<br />
der Schifffahrt.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> muss sich diesen<br />
Herausforderungen stellen, wenn<br />
sie weiterhin die verkehrspolitisch und<br />
gesellschaftlich gewünschte Rolle der<br />
Entlastung von Straße und Schiene<br />
wahrnehmen soll und will. Der Anspruch<br />
ist jedoch groß: nachdem zuvor<br />
rund ein halbes Jahrhundert lang vorhandene<br />
Ansätze und Technologien,<br />
wie z.B. der Dieselantrieb, die Hydro -<br />
dynamik oder die Größenentwicklung<br />
der Schiffe optimiert wurden, sind nun<br />
innerhalb weniger Jahrzehnte praktisch<br />
die gesamte Flotte auf erneuerbare<br />
Energien umzurüsten, niedrigwassertauglich<br />
auszugestalten und die Automatisierung<br />
sowohl der Navigation und<br />
der Arbeitsprozesse an Bord, als auch<br />
der gesamten Transportketten zu bewerkstelligen.<br />
De facto ist dieser Transformationsprozess<br />
eine für die Schifffahrt<br />
nie dagewesene Herausforderung;<br />
er kommt einem System- und Para -<br />
digmenwechsel in mehreren Disziplinen<br />
gleich.<br />
Die notwendige Voraussetzung hierfür<br />
ist eine effiziente Forschung, die in enger<br />
Kooperation mit Gewerbe und Verwaltung<br />
innovative, sichere, zuverlässige<br />
und wettbewerbsfähige Lösungen entwickelt<br />
und so die Voraussetzungen für<br />
den notwendigen Transformations- und<br />
Innovationsprozess schafft. Hierbei ist<br />
die Weiterentwicklung des Rechts -<br />
rahmens von entscheidender Bedeutung.<br />
Dass die Bewältigung dieser Aufgaben<br />
ohne eine wohlwollende politische und<br />
administrative Flankierung nicht möglich<br />
ist, ist selbstredend. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
ist bereit, sich diesen Herausforderungen<br />
mit ganzer Kraft zu stellen.<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
9
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Aus dem Labor auf die Wasserstraße<br />
Die Forschung im Bereich autonome Schifffahrt spielte sich lange Zeit in Laboren der Unis<br />
und Forschungsinstitute ab. Mittlerweile hat sie das nächste Level erreicht und wird an<br />
zahlreichen Abschnitten der Bundeswasserstraßen live getestet und weiterentwickelt<br />
Die »Wavelab« ist Teil des Projekts CAPTN Förde Areal<br />
Mit dem Ziel ein nachhaltiges, intelligentes<br />
und widerstandsfähiges europäisches<br />
Verkehrssystem zu entwickeln,<br />
haben die Europäische Union<br />
und die Bundesrepublik eine ambitionierte<br />
Vision für das Jahr 2050 entworfen.<br />
Darin sind Zwischenschritte für<br />
2030 definiert. Das übergeordnete Ziel ist<br />
im Green Deal beschrieben und findet<br />
sich in zahlreichen Strategien der Bundesrepublik,<br />
u.a. in der Verkehrstechnikstrategie<br />
4.0, wieder. Extrahiert man die<br />
einzelnen Bestrebungen entsteht auch auf<br />
Bundesebene eine ambitionierte Vision:<br />
• Die Schifffahrt ist nahtlos in regionale,<br />
nationale und globale multimodale<br />
Lieferketten eingebunden.<br />
• Digitalisierung und Vernetzung erhöhen<br />
die Zuverlässigkeit der Schifffahrt und<br />
machen sie zu einem plan- und sichtbaren<br />
Teil der globalen Logistikkette.<br />
• Die Verkehrstechnik erschließt das<br />
Potenzial der Digitalisierung zur<br />
Sicherstellung der globalen Warenströme<br />
und des Personenverkehrs. Im Mittelpunkt<br />
steht die durchgängige Befahrbarkeit<br />
der internationalen Schifffahrtswege,<br />
zu jeder Zeit und unter<br />
allen Bedingungen.<br />
Die Verkehrstechnik entlang der Wasserstraßen<br />
unterstützt die Schifffahrt und<br />
ihre Logistikpartner durch leistungsfähige<br />
Informationssysteme und ermöglicht<br />
die Optimierung der Verkehrsabläufe,<br />
so dass Schiffe sicher, leicht, umweltfreundlich<br />
und effizient verkehren.<br />
Sie hilft damit die vorhandenen<br />
Kapazitäten der Wasserstraßen auszuschöpfen<br />
sowie den Verkehrsfluss zu<br />
verstetigen. Das verkehrsträgerübergreifende<br />
Transportmanagement nutzt<br />
die Stärken der Schifffahrt und optimiert<br />
die Auslastung des Laderaums.<br />
Die Verkehrstechnik unterstützt die<br />
Entwicklung von Systemen zur automatisierten<br />
Navigation von der einfachen<br />
Navigationsunterstützung bis zur vollautomatischen<br />
Navigation einerseits, sowie<br />
andererseits auch zum automatisierten<br />
Peilen. Die Verkehrstechnik<br />
stellt hierzu die erforderlichen technischen<br />
und operativen Dienste bereit.<br />
© CAPTN<br />
Die automatisierte Navigation fördert<br />
den wirtschaftlichen Betrieb, insbesondere<br />
von kleineren, flexiblen<br />
Schiffseinheiten. Diese verkehren als Zulieferer<br />
in innerstädtischen Bereichen<br />
und sind bei der Unterverteilung von<br />
Containern in Häfen flexibel einsetzbar.<br />
Schiffe mit geringer Abladetiefe sind für<br />
die Versorgungssicherheit beispielsweise<br />
während langanhaltender Niedrigwasserphasen<br />
systemrelevant.<br />
Auch aus dem aktuellen Koalitionsvertrag<br />
geht hervor, dass es das Ziel der<br />
Bundesregierung ist, die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
zu stärken und so viele Güter wie<br />
möglich über die Wasserstraßen zu<br />
transportieren. Das Bundesministerium<br />
für Digitales und Verkehr (BMDV) unterstützt<br />
daher verstärkt die Entwicklung<br />
digitaler Innovationen in der Schifffahrt<br />
zur Flexibilisierung der Logistikketten<br />
und zur Erhöhung der Attraktivität des<br />
Verkehrsträgers Wasserstraße. Das<br />
BMDV steuert zudem den Einsatz und<br />
die Entwicklung der Verkehrstechnik auf<br />
den Bundeswasserstraßen.<br />
Gemeinsam mit der Generaldirektion<br />
Wasserstraße und Schifffahrt (GDWS)<br />
fördert es den kontinuierlichen Austausch<br />
mit und die Beteiligung an angewandter,<br />
praxisnaher Forschung und Entwicklung,<br />
um mit nationalen und internationalen<br />
verkehrstechnischen Akteuren den Stand<br />
der Wissenschaft und Technik fortzuentwickeln.<br />
Durch die Benennung konkreter<br />
Anwendungsbeispiele wie intelligente<br />
Schleusenzulaufsteuerung und neuer Forschungsthemen<br />
wie die Entwicklung von<br />
Systemen zur Kollisionsverhütung für die<br />
Schifffahrt sollen innovative Technologien<br />
vorangetrieben werden und damit<br />
ein direkter Nutzen für die Schifffahrt<br />
generiert werden.<br />
Forschungs- und Entwicklungsthemen<br />
orientieren sich dabei an Anwendungsfeldern,<br />
wie der Gestaltung der Automatisierung<br />
unter anderem der Navigation,<br />
der globalen Vernetzung der internationalen<br />
Schifffahrtskorridore, der Virtualisierung<br />
und Echtzeitsimulation und<br />
möglichen Einsatzoptionen künstlicher<br />
Intelligenz sowie des Internets der Dinge.<br />
10 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
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INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
mit den Ländern, Regionen, der Industrie<br />
und Universitäten können Testfelder für<br />
das automatisierte Navigieren im Bereich<br />
der Bundeswasserstraßen etabliert werden.<br />
Im Rahmen der geplanten Forschungsprojekte<br />
können sowohl für die Industrie als<br />
auch die Verkehrstechnik wertvolle Informationen<br />
zu den Chancen und Hemmnissen<br />
identifiziert werden.<br />
Innovative, leistungsfähige und zuverlässige<br />
digitale Informationsdienste sind<br />
eine elementare Voraussetzung für die<br />
Entwicklung von Assistenzsystemen. Die<br />
Landinfrastruktur (z.B. AIS), insbesondere<br />
die Kommunikationsdienste, muss den<br />
Anforderungen an eine zuverlässige Bereitstellung<br />
aktueller und integrer Informationen<br />
in Echtzeit genügen.<br />
Förderprogramm für Testfelder<br />
Im Rahmen der Digitalisierungsinitiative<br />
des Bundesministeriums für Digitales<br />
und Verkehr ermöglicht das Förderprogramm<br />
»Digitale Testfelder an Bundeswasserstraßen«<br />
die Erforschung und Erprobung<br />
von intelligenten Assistenzsystemen<br />
unter realen Bedingungen. Ziel<br />
ist es die Weiterentwicklung zu einer<br />
hochautomatisierten Navigation in der<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> zu forcieren und so<br />
den aktuellen Herausforderungen in der<br />
Schifffahrt zu begegnen.<br />
Digitale Testfelder demonstrieren eindrucksvoll,<br />
wie Technologien, die vielleicht<br />
vor fünf Jahren noch undenkbar<br />
waren, die Welt der Logistik und Mobilität<br />
von morgen und damit das Leben der<br />
Menschen verbessern können.<br />
Projekte aus Forschung und Wirtschaft<br />
können ihre Technologien in diesen Testfeldern<br />
an den Anforderungen der Realität<br />
ausrichten und erproben. Durch einen<br />
ständigen Austausch mit der Verwaltung<br />
kann gemeinsam gelernt werden<br />
z.B. welche Regeln die Technologien der<br />
Zukunft brauchen, damit am Ende alle<br />
davon profitieren.<br />
Letztendlich wird in diesen realen und<br />
virtuellen Testfeldern die Digitale und<br />
nachhaltige Transformation im Kleinen<br />
geprobt, um sie dann später im Großen<br />
auszurollen. Ziel ist es, die Entwicklungen<br />
zu beschleunigen, denn in Angesicht<br />
der zahlreichen Herausforderungen,<br />
denen wir uns derzeit stellen<br />
müssen, brauchen wir den Digitalen<br />
Aufbruch dringender denn je. Der<br />
Klimawandel, die Altersstruktur der Gesellschaft<br />
oder die aktuelle außenpolitische<br />
Lage mit den daraus folgenden<br />
Anforderungen an Sicherheit, Souveränität<br />
und Resilienz sind nur einige dieser<br />
Herausforderungen.<br />
Mit der Förderrichtlinie »Investitionen<br />
zur Entwicklung von Digitalen Testfeldern<br />
an Bundeswasserstraßen«<br />
(DTW I) hat das BMDV im Sommer<br />
2020 den Startschuss gegeben. Das übergeordnete<br />
Ziel des Förderprogramms war<br />
die weitere Automatisierung der <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
und der Fähren bis zu den Automatisierungsstufen<br />
3–5. Hierzu wird<br />
unter anderem auch ein Schwerpunkt auf<br />
die Digitalisierung und Vernetzung der<br />
Landseite (z.B. Leitzentren, Radarketten,<br />
Managementsysteme der Reedereien) mit<br />
den Bordsystemen gelegt.<br />
Das Förderprogramm hat großes Interesse<br />
geweckt und es konnten fünf Projekte<br />
mit einem Gesamtvolumen von<br />
12,2 Mio. € gefördert werden. Inzwischen<br />
sind die ersten beiden Versuchsträger<br />
(die »Wavelab« in Kiel und die »ELLA« in<br />
Duisburg), die im Rahmen des Förderprogramms<br />
entworfen und gebaut wurden,<br />
getauft. Ein weiterer Versuchsträger<br />
ist in Berlin für die Spree-Oder-Wasserstraße<br />
(SOW) in Vorbereitung.<br />
Mit der Bekanntmachung der zweiten<br />
Förderrichtlinie »Forschung und Entwicklung<br />
von Digitalen Testfelder an<br />
Bundeswasserstraßen« (DTW II) im Dezember<br />
2021 wird die erfolgreiche Arbeit<br />
fortgesetzt. Der Schwerpunkt dieser Förderrichtlinie<br />
konzentriert sich auf Sensorik,<br />
die Interaktion zwischen landseitigen<br />
Systemen sowie das Thema Fernsteuerung.<br />
In diesem Zuge konnten sechs<br />
weitere Projekte mit einem Gesamtvolumen<br />
von 11,4 Mio. € gefördert werden.<br />
Folgende Digitale Testfelder befinden<br />
sich im Rahmen von DTW I derzeit<br />
im Aufbau:<br />
Im Simulator lassen sich viele Szenarien digital durchspielen<br />
© Bundesanstalt für Wasserbau<br />
Kieler Förde<br />
CAPTN Förde Areal (Clean Autonomous<br />
Public Transport Network) ist<br />
ein Verbundprojekt, unter anderem zum<br />
Thema 5G. Es beschäftigt sich mit der<br />
Entwicklung einer autonomen, integrierten<br />
Mobilitätskette durch Kombination<br />
umweltfreundlicher Bus- und<br />
Fährverkehre für Kiel. Ziel ist der Aufbau<br />
einer innovativen Personenfähre auf<br />
der Kieler Innenförde, die als Testträger<br />
für die Erprobung (teil-)autonomer Systeme<br />
dient. Das Projekt wurde bereits im<br />
<strong>Innovationsreport</strong> 2022 näher beschrieben.<br />
Schlei<br />
Im Projekt HANNAH (High Autonomous<br />
Navigation with Artificial Horizon)<br />
soll ein Sensorsystem entwickelt<br />
werden, welches die zuverlässige Erkennung<br />
von Objekten auf dem Wasser<br />
12 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
inklusive entsprechender automatisierter<br />
Manöver sowie die Erzeugung eines<br />
künstlichen Horizontes ermöglicht.<br />
Spree-Oder-Wasserstraße<br />
Das Projekt DigitalSOW hat den Aufbau<br />
eines digitalen Testfeldes für das automatisierte<br />
und vernetzte Fahren auf dem<br />
Wasser als Ergänzung zur Ver- und Entsorgung<br />
der Metropolregion Berlin zum<br />
Ziel. Dabei soll die effiziente Einbindung<br />
der Wasserstraße in die Citylogistik sowie<br />
der Test emissionsarmer Antriebe<br />
und eines automatisierten Umschlags<br />
untersucht werden.<br />
Stichkanal Hildesheim<br />
Das Projekt Smart Port Shuttle (SPS) beschäftigt<br />
sich mit der Erstellung und Evaluation<br />
eines Konzeptes für einen automatisierten<br />
Shuttleverkehr mittels<br />
Schubleichter auf dem Stichkanal Hildesheim.<br />
In dem Verbundvorhaben soll ein<br />
Navigationssystem in Verbindung mit einem<br />
Logistikkonzept zur besseren Erreichbarkeit<br />
des Hafens erprobt werden.<br />
Dortmund-Ems-Kanal<br />
In dem Projekt ELLA (Entwicklungsplattform<br />
im Modellmaßstab für Manöver-Automatisierung)<br />
wird eine schwimmende<br />
Testplattform im Maßstab 1:6 zur<br />
Erforschung von Fragestellungen des automatisierten<br />
Manövrierens (An- und<br />
Ablegen, Schleusen- und Brückenpassagen)<br />
entwickelt. Ergänzend soll<br />
ein digitales Testfeld auf dem Dortmund-<br />
Ems-Kanal zur Erprobung unter Realbedingungen<br />
eingerichtet werden.<br />
Im Rahmen von DTW II sind folgende<br />
Projekte in 2022/<strong>2023</strong> gestartet:<br />
SensorSOW<br />
Im Projekt SensorSOW an der Spree-<br />
Oder-Wasserstraße in Wildau, werden<br />
Sensor- und Assistenzsysteme zur bordseitigen<br />
Bestimmung der Schiffs- und<br />
Verkehrslage sowie SONAR-Sensoren<br />
zur vorausschauenden Überprüfung der<br />
Fahrrinne unter Wasser entwickelt und<br />
erprobt, um eine Steigerung des Automatisierungsgrades<br />
der automatisierten<br />
und autonomen Schifffahrt zu erreichen.<br />
RadarSOW<br />
Entwicklung und Erprobung eines innovativen,<br />
hochauflösenden Radarsensornetzwerks<br />
für den Nahbereich und<br />
dessen Nutzung für Schiffe. Ziel ist die<br />
Die »ELLA« des DST in Duisburg<br />
lückenlose Erfassung des Bereichs von<br />
wenigen Zentimetern bis ca. 200 m. Das<br />
dabei entstehende System soll eine hochpräzise<br />
Umfeldmodellierung realisieren,<br />
um autonome Manöver wie die Schleuseneinfahrt,<br />
die Brückendurchfahrt und<br />
das Anlegen zu ermöglichen und abzusichern.<br />
VERA<br />
In Duisburg im Rahmen von VERA (Virtuelle<br />
ERprobungen von Automatisierungsfunktionen)<br />
ist eine virtuellen<br />
Testumgebung eingerichtet worden,<br />
mit deren Hilfe Assistenzsysteme und<br />
Automatisierungsfunktionen zur Steuerung<br />
und Regelung von Binnenschiffen<br />
entwickelt und erprobt werden können.<br />
Bei der Umsetzung soll auf die bestehende<br />
Infrastruktur des VeLABi (Versuchs-<br />
und Leitungszentrum Autonome<br />
Binnenschiffe) aufgesetzt und diese als<br />
generischer Teststand verfügbar gemacht<br />
werden.<br />
SafeBin<br />
Entwicklung von methodischen Grundlagen<br />
für die Risikobewertung beziehungsweise<br />
die sichere Ausgestaltung<br />
der Automatisierung und Fernüberwachung<br />
in der <strong>Binnenschifffahrt</strong>. Dabei<br />
wird das Zusammenwirken der Systeme<br />
für die automatisierte Schiffsführung im<br />
Hinblick auf das Gesamtsystem betrachtet.<br />
CAPTN<br />
In der Kieler Förde ist das übergeordnete<br />
Ziel des CAPTN-Projekts die weitere<br />
Automatisierung der <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Mit dem betriebsbereiten Versuchsträger<br />
»Wavelab« sollen nun Forschungsvorhaben<br />
zur teil(autonomen) Schifffahrt im<br />
digitalen Testfeld umgesetzt und erprobt<br />
werden.<br />
SafeDigitest<br />
Ziel SafeDigitest ist der Aufbau eines digitalen<br />
Testfelds Elbe als Basis zur Planung,<br />
Steuerung und Monitoring von<br />
Prozessen mit Binnenschiffen. Dabei soll<br />
unter anderem die Verbesserung der Befahrbarkeit<br />
der Elbe in Niedrigwasserperioden<br />
durch Fahrweg- und Fahrrinneninformationen<br />
auf Basis hochpräziser<br />
digitaler Datengrundlagen erprobt<br />
werden.<br />
Damit die mit diesen Maßnahmen bisher<br />
erreichte, erfolgreiche Perspektive<br />
fortgesetzt werden kann, ist eine Dritte<br />
Förderrichtlinie in Vorbereitung. Weitere<br />
Details zu den Förderprojekten sind zu<br />
finden unter https://digitale-testfelderwasserstrassen.bund.de/<br />
Autoren: Nils Braunroth, Technischer<br />
Regierungsdirektor, und<br />
Nicole Langrock, Referentin,<br />
Bundesministerium für Digitales und<br />
Verkehr, Bonn<br />
© DST<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
13
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Schritt für Schritt zur Autonomie<br />
Ein autonomes, emissionsarmes Mobilitätskonzept, das verschiedene Verkehrsträger miteinander<br />
vernetzt – das ist das Ziel der Kieler CAPTN-Initiative. Die ersten Schritte dafür sind getan. Ein<br />
Forschungsschiff ist gebaut. Das Testfeld für seine ersten autonome Fahrversuche ist festgelegt<br />
Der 21 m lange und 8 m breite Katamaran »Wavelab« wird aus dem Kontrollzentrum ferngesteuert<br />
Anfang August wurde mit der Eröffnung<br />
des »Shore Control Centers«<br />
ein weiterer Meilenstein in dem Projekt<br />
erreicht. Das Kontrollzentrum befindet<br />
sich auf dem Gelände des Navigationsspezialisten<br />
Anschütz. Das in Kiel ansässige<br />
Unternehmen hat im Rahmen der<br />
Eröffnung erfolgreich die Fernsteuerung<br />
des Forschungsschiffes »Wavelab« demonstriert.<br />
Das Shore Control Center ist<br />
Teil des Unterprojekts »Förde 5G«. Insgesamt<br />
besteht die CAPTN-Intiative aus<br />
sechs Teilvorhaben.<br />
Die Abkürzung CAPTN steht für<br />
»Clean Autonomous Public Transport<br />
Network«. Darunter haben sich sowohl<br />
verschiedene Unternehmen als auch Forschungseinrichtungen<br />
zusammengeschlossen.<br />
In Teilprojekten arbeiten sie<br />
© Anschütz<br />
an Lösungen und Technologien für einen<br />
sauberen, umweltfreundlichen Stadtverkehr.<br />
Eine entscheidende Rolle bei der<br />
CAPTN-Initiative spielen kleine Personenfähren.<br />
Hier steht die »Wavelab« im<br />
Fokus. Der Katamaran wurde bei der Kieler<br />
Gebrüder Friedrich Werft gebaut und<br />
im Februar dieses Jahres fertiggestellt. Er<br />
dient im Projekt für die Beteiligten als<br />
Forschungsplattform.<br />
Anschütz erforscht auf der »Wavelab«<br />
beispielsweise die autonome bzw. teilautonome<br />
Navigation. Vom Kontrollzentrum<br />
aus wird die »Wavelab« im maritimen<br />
Testfeld an der Innenförde in Echtzeit<br />
überwacht. Es kann auf die Sensoren<br />
und Navigationssysteme an Bord zugegriffen<br />
werden und die Steuerung und<br />
der Antrieb des Schiffes können ferngesteuert<br />
werden. Die Projektpartner erstellen<br />
einen vollständigen, digitalen Zwilling<br />
im Kontrollzentrum mit allen Daten,<br />
die von den verschiedenen vorhandenen<br />
und experimentellen Sensoren und Systemen<br />
an Bord geliefert werden.<br />
Um die großen Datenmengen in Echtzeit<br />
zwischen Kontrollzentrum und Schiff<br />
auszutauschen, wird auf der Förde und an<br />
Land eine leistungsfähige Systemarchitektur<br />
für maritime Datenkommunikation<br />
auf Basis eines 5G-Mobilfunknetzes<br />
und eines WiFi-6-Netzes der Addix<br />
GmbH aufgebaut.<br />
»Mit dem Kontrollzentrum bekommen<br />
wir die Möglichkeit, viele neue Daten in<br />
unsere Brückenplattform einzuspeisen, sie<br />
zu verarbeiten und dann in einem maritimen<br />
Gesamtbild zu visualisieren«, so Sommerstedt.<br />
»Eines der Ziele der nächsten<br />
Forschungsphase ist es, herauszufinden,<br />
welche Informationen den Nutzern auf<br />
welche Weise präsentiert werden müssen,<br />
damit sie ›Wavelab‹ sicher und effizient<br />
überwachen und fernsteuern können.«<br />
Das Kontrollzentrum an Land ist mit einem<br />
großen Monitor ausgestattet, auf<br />
dem Kamerasysteme eine 360-Grad-<br />
Ansicht in Echtzeit anzeigen, genau wie<br />
auf einer echten Fähre. Ebenso wie auf<br />
dem Schiff ermöglichen Multifunktionsdisplays<br />
den Zugriff auf das Navigationsradar<br />
sowie auf das elektronische Kartendarstellungs-<br />
und Informationssystem<br />
und eine flexible Anzeige von Navigationsdaten.<br />
Ein weiteres Display steht für<br />
die Benutzeroberfläche der Steuerungsund<br />
Antriebssysteme der »Wavelab« zur<br />
Verfügung. Die Leistung des Gesamtsystems,<br />
wie die verfügbare Bandbreite,<br />
die Statusdaten der Systemkomponenten<br />
oder das Energiemanagement, werden auf<br />
einem separaten Dashboard dargestellt<br />
und überwacht.<br />
Emissionsfrei durch die Förde<br />
Da es das Ziel der CAPTN-Initative ist,<br />
die Fähren, die das West- und Ostufer der<br />
Kieler Förde verbinden, emissionsfrei<br />
fahren zu lassen, hat die »Wavelab« einen<br />
Elektroantrieb. Mit der Lieferung war<br />
14 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
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INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
»Müssen uns von dem Gedanken<br />
des monolithischen Antriebssystems<br />
verabschieden«<br />
Klaus Deleroi ist Geschäftsführer des Getriebeherstellers REINTJES in Hameln. Zudem ist er<br />
stellvertretender Präsident des VSM und im Vorstand der VDMA Arbeitsgemeinschaft Marine<br />
Equipment and Systems<br />
Mit welchem Antrieb fährt das Binnenschiff<br />
in Zukunft? Elektrisch, diesel-elektrisch<br />
oder doch nur mit Diesel? Klaus<br />
Deleroi, Geschäftsführer des Getriebeherstellers<br />
REINTJES, zeigt im Gespräch die<br />
Trends in der Antriebstechnik auf.<br />
Welche Produkte bieten Sie für den<br />
Bereich <strong>Binnenschifffahrt</strong> an?<br />
Klaus Deleroi: Wir bieten die Antriebsanlage<br />
ab dem Antriebsflansch des Antriebsmotors<br />
an, also Getriebe, Wellenanlage,<br />
Propeller, Düse falls notwendig.<br />
Immer mehr werden auch sogenannte<br />
Hybrid-Anlagen nachgefragt, also Getriebe<br />
mit einem zweiten Antriebsmotor<br />
– einem Elektromotor neben dem Dieselmotor.<br />
Dazu gehören natürlich auch der<br />
Frequenzumrichter und die Steuerung,<br />
um die Anlage fahren zu können.<br />
Gibt es hier Trends in der Antriebstechnik,<br />
die sich aus ihrer Sicht abzeichnen?<br />
Deleroi: Es ist wie im Automotive-Markt:<br />
Der Trend geht zur Elektrifizierung. Wir<br />
bekommen immer mehr Anfragen für<br />
Hybridsysteme oder 100 % elektrische<br />
Antriebssysteme.<br />
Zeichnet sich dieser Trend in allen Segmenten<br />
der <strong>Binnenschifffahrt</strong> ab?<br />
Deleroi: Die Antriebseinheiten für die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
müssen differenziert betrachtet<br />
werden. Bei Passagierschiffen und<br />
Fähren beobachten wir, dass viele auf komplett<br />
elektrische Systeme umgerüstet bzw.<br />
© REINTJES<br />
gleich neugebaut werden. Diese Schiffsegmente<br />
sind besonders dafür geeignet,<br />
weil sich die Einsatzzeiten mit den Ladezyklen<br />
sehr gut synchronisieren lassen. Wir<br />
bieten zusammen mit unserem Dealer Promarin<br />
elektrische Antriebsanlagen an. Sie<br />
bestehen aus Elektromotor, Getriebe –<br />
dann ist der Elektromotor kleiner –, Wellen<br />
und Festpropeller.<br />
In der Tankschifffahrt und Gütermotorrschifffahrt<br />
liegen die Dinge etwas<br />
anders. Bei der Rheinschifffahrt, die<br />
zwischen Rotterdam und Basel oder<br />
Ludwigshafen verkehrt, ist der Leistungsbedarf<br />
aktuell so groß, dass es<br />
schlicht wirtschaftlich nicht abbildbar<br />
ist, auf elektrische Antriebe umzusteigen.<br />
Hier hat die Leistungsdichte<br />
von Diesel immer noch die Nase vorne.<br />
Es sind auch signifikante Investitionen<br />
notwendig, um die Schiffe umzurüsten<br />
bzw. neu zu bauen. Wir dürfen nicht vergessen,<br />
dass ein Großteil der Partikuliere<br />
Familienbetriebe mit wenigen Schiffen<br />
sind, oftmals Stückzahl 1 Schiff.<br />
Aber wir haben bereits Schiffe mit<br />
diesel-elektrischen Konzepten ausgerüstet,<br />
bei denen zukünftige Technologien<br />
mitgedacht werden. Gerade erst<br />
hat eine große deutsche Tankreederei eine<br />
Antriebsanlage mit unserem Wendegetriebe<br />
und einem Elektromotor in Betrieb<br />
genommen. Auch wenn ein Elektromotor,<br />
im Gegensatz zu einem Diesel,<br />
auch rückwärts drehen kann, war der<br />
Einsatz eines Wendegetriebes in diesem<br />
Falle die beste Wahl. Insbesondere bei<br />
schnellen Notstoppmanövern in der<br />
Talfahrt gibt dies dem Kunden wertvolle<br />
Sekunden; da sind sich unsere Kunden<br />
stets ihrer Verantwortung bewusst.<br />
Binnenschiffe sind sehr langlebig.<br />
Schaut man sich das Durchschnittsalter<br />
der deutschen Flotte an, so liegt dies bei<br />
rund 70 Jahren. Diese Schiffe sind teilweise<br />
mit modernen Technologien<br />
nach- und umgerüstet worden. Hier<br />
liegt auch ein Erfolg unserer neuen WF<br />
Getriebebaureihe. Das Getriebe haben<br />
wir so konzipiert, dass es einfach an geänderte<br />
Anforderungen angepasst werden<br />
kann. Wir haben wir Nebenabtriebe<br />
20 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
(PTO = power take off) als standardmäßig<br />
nachrüstbare Konfiguration ausgeführt.<br />
Wird beispielsweise eine neue<br />
Ruderanlage verbaut, so kann ein weiterer<br />
Abtrieb für die hydraulische<br />
Pumpe sehr einfach realisiert werden.<br />
Wenn Sie Reeder wären und heute ein<br />
Binnenschiff bestellen müssten, welchen<br />
Antrieb hätte es?<br />
Deleroi: Wir denken Antriebskonzepte<br />
immer vom Einsatzszenario und der<br />
Ladung her. Jedes Schiff hat seinen<br />
Zweck. Daher ist eine pauschale Antwort<br />
immer schwer zu formulieren. Wir finden<br />
für jedes Projekt gemeinsam mit unseren<br />
Kunden eine passende Lösung.<br />
Eines ist für mich jedoch klar. Wir<br />
müssen uns von dem Gedanken des monolithischen<br />
Antriebssystems verabschieden,<br />
großer Dieselmotor-<br />
Getriebe-Propeller. Das Getriebe wird in<br />
Zukunft verschiedene Antriebsarten zusammenführen,<br />
um genau die geforderte<br />
Leistung zur Verfügung zu stellen,<br />
ergo: kleiner Dieselmotor und Elektromotor.<br />
Das spart Energie und auch<br />
Wartungskosten. Das heißt, jedes Getriebe<br />
wird einen Nebenantrieb (PTI =<br />
power take in) haben. Dieser elektrische<br />
Nebenantrieb kann mit Batterien oder<br />
Generatoren betrieben werden, wenn<br />
nicht viel Leistung abgerufen wird, z.B.<br />
bei Manövern im Hafen, Tal- oder<br />
Kanalfahrt.<br />
Auf diese Weise könnte eine Reederei<br />
intelligent ihre Routen und Leistungsbedarfe<br />
planen; eine Kanalfahrt komplett<br />
über den Nebenantrieb, oder bei<br />
Bedarf sogar elektrisch realisieren. Bei<br />
Bergfahrt, wird der Primärantrieb (Dieselmotor)<br />
zusammen mit dem Nebenantrieb<br />
(Elektromotor) benutzt. Zu Tal<br />
reicht normal der Nebenantrieb völlig<br />
aus um die Ruderwirkung aufrecht zu<br />
erhalten.<br />
Kann der überall vorherrschende Fachkräftemangel<br />
die Innovationskraft in<br />
Deutschland ausbremsen oder stoppen?<br />
Wenn ja, was müsste man dagegen unternehmen?<br />
Deleroi: Das Thema Fachkräftemangel<br />
ist in der Tat besorgniserregend und<br />
kann die Entwicklungsfähigkeit bremsen.<br />
Die Dekarbonisierung der Schifffahrt –<br />
Binnen- und Seeschifffahrt – bedeutet<br />
richtig viel Arbeit.<br />
Zum Glück sind wir weltweit aufgestellt<br />
mit unseren Vertriebs- und Servicegesellschaften<br />
und überlegen,<br />
einige Entwicklungstätigkeiten an andere<br />
Standorte mit verfügbaren Fachkräften<br />
teilweise auszulagern. Hinzu<br />
kommt, dass wir massiv in unsere Ausbildung<br />
investieren, wir haben zum<br />
Beispiel eine REINTJES Academy gegründet,<br />
in der wir nicht nur für uns ,<br />
sondern auch andere Klein- und Mittelständler<br />
ausbilden. Das sind die<br />
Fachkräfte der Zukunft.<br />
Des Weiteren sollte Einwanderung von<br />
Fachkräften einfacher gestaltet werden,<br />
aber da ist unsere Bundesregierung ja<br />
dran.<br />
Interview: Anna Wroblewski<br />
© REINTJES<br />
Werden Elektro-Konzepte die Antriebssysteme der Zukunft sein?<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
21
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Vom Asphalt aufs Wasser<br />
Kilometer lange Staus, hohe Schadstoffemissionen – mit den Folgen des Straßenverkehrs<br />
haben vor allem Städte zu kämpfen. Das E2Mut-Projekt setzt auf emissionsarme Schiffe,<br />
die für Entlastung sorgen sollen<br />
Der Automatisierungsspezialist Noris<br />
aus Rostock engagiert sich daher neben<br />
anderen Branchenakteuren des E2Mut-<br />
Projekts in mehreren Kompetenzfeldern.<br />
Eines davon befasst sich mit dem Thema<br />
Steuerung. Der Schwerpunkt ist hier ein<br />
teilautomatisierter Brückenbetrieb. Ein<br />
weiteres Feld befasst sich mit der Entwicklung<br />
eines ausgereiften Energiemanagements,<br />
bei dem unterschiedliche<br />
Erzeuger und Verbraucher miteinander<br />
vernetzt werden. Dabei setzt<br />
man neben verschiedenen Antriebssystemen<br />
auch bei der Energiebereitstellung<br />
auf unterschiedliche Konzepte.<br />
Sowohl Brennstoffzelle, rein elektrisch als<br />
auch hybrid sind geplant.<br />
Projektskizze: So könnten die einzelnen Verkehrsträger verknüpft werden<br />
E2Mut steht für »Emissionsfreie Elektromobilität<br />
für maritime urbane<br />
Transporte«. Ziel des Projektes ist es, mit<br />
elektrisch betriebenen Schiffen zur Verringerung<br />
von Emissionen im Güter- und<br />
Personenverkehr beizutragen. Zwölf Unternehmen,<br />
zwei Wissenschaftseinrichtungen<br />
und die Regiopolregion<br />
Rostock haben sich darin zusammengeschlossen.<br />
Zusammen wollen sie urbane,<br />
emissionsfreie Mobilitätslösungen auf<br />
dem Wasser entwickeln. Gefördert wird<br />
E2Mut durch den Projektträger Jülich im<br />
Programm »Regionale unternehmerische<br />
Bündnisse für Innovation« des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung.<br />
Emissionsfreie Elektromobilität in eng<br />
besiedelten Umgebungen – ein Thema,<br />
das zunehmend an Bedeutung gewinnt,<br />
nicht zuletzt, um die politisch angestrebten<br />
Klimaziele zu erreichen. Ein<br />
großer Teilbereich dieser zukunftsweisenden<br />
Thematik: Die Schifffahrt.<br />
Egal, ob es um den Transport von Gütern<br />
und Personen auf lokalen Schiffen oder<br />
den Verkehr zwischen wichtigen Knotenpunkten<br />
mit schnellen Fährverbindungen<br />
geht – neue Lösungen sind<br />
gefragt. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist<br />
der zuverlässige Datenaustausch an Bord<br />
und zwischen den Schiffen und dem<br />
Festland. Dies ist von entscheidender Bedeutung,<br />
um beispielsweise eine nahtlose<br />
Integration in Verkehrsleitsysteme zu gewährleisten.<br />
Mit dem E2Mut-Forschungsprojekt<br />
soll die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
auf alternative Energiequellen umgestellt<br />
und dadurch die Emissionen gesenkt<br />
werden.<br />
Nachhaltige Verkehrslösungen kommen<br />
nicht nur der Umwelt zugute. Denn<br />
die Erschließung neuer Märkte sowie das<br />
Wachstum von Umsatz und Beschäftigung<br />
versprechen ein großes wirtschaftliches<br />
Potenzial. Auch Forschung<br />
und Wissenschaft profitieren von der<br />
Entwicklung innovativer Technologien.<br />
© Noris Automation<br />
Energiemanagement im Fokus<br />
Mit neuen Technologien und Lösungen<br />
will Noris Automation die Energieversorgung<br />
auf Schiffen revolutionieren. Das<br />
Unternehmen kombiniert Batterien und<br />
Brennstoffzellenmodule und optimiert<br />
das Energiebudget an Bord.<br />
Hierbei soll ein Baukastensystem für<br />
ausbalancierte elektrische Energieerzeuger<br />
und Verbraucher entstehen. Eine<br />
innovative Datenmatrix vereint verschiedene<br />
Sensordaten und ermöglicht<br />
eine einheitliche Datenverarbeitung. Dieser<br />
Ansatz schafft eine solide Grundlage<br />
für ein effektives und intelligentes Energiemanagement.<br />
Dieses Energiemanagement ist das<br />
Herzstück des Systems. Es fungiert als<br />
Steuerungsfunktion, um den größtmöglichen<br />
Nutzen der Anlage zu gewährleisten<br />
und Schadstoffemissionen zu vermeiden.<br />
Gleichzeitig liefert es wichtige Informationen,<br />
die dem Schiffsführer eine<br />
schnelle Entscheidungsfindung ermöglichen<br />
und dadurch die Betriebssicherheit<br />
in kritischen Situationen gewährleistet.<br />
Mit den entwickelten Strategien<br />
lässt sich die Energieverteilung flexibel<br />
an verschiedene Schiffskonzepte anpassen.<br />
Die Forschungsarbeit untersucht neue<br />
Methoden, um die Schnittstellen zwischen<br />
Energieerzeugern und -ver-<br />
32 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
brauchern auf Schiffen einheitlich zu gestalten und zu optimieren.<br />
Zudem werden drahtlose Übertragungstechnologien erforscht,<br />
die den Datenaustausch mit landgestützten Einrichtungen<br />
ermöglichen.<br />
Auch Wetterlage oder bestimmte Schiffswege beeinflussen den<br />
Energiebedarf. Um eine möglichst genaue Prognose zu erhalten,<br />
werden die Daten in Echtzeit aus dem Internet bezogen. Im<br />
E2Mut-Forschungsprojekt entstehen hier Schnittstellen zu anderen<br />
Branchenakteuren, so bringt insbesondere die Universität<br />
Rostock ihre Expertise in der Routenplanung ein.<br />
Bislang erforderte jedes Schiffskonzept eine individuelle Analyse<br />
und spezielle Entwicklung von Energiemanagementstrategien.<br />
Dieser Prozess ist zeitaufwendig und kostspielig. Das<br />
soll sich jetzt ändern: Noris Automation Rostock arbeitet daran,<br />
einfach konfigurierbare Methoden und flexible Steuerungsstrategien<br />
in Form von Modulen zu entwickeln. Diese innovativen Module<br />
können bei bestimmten Manövern aktiviert werden, um<br />
komplexe Regelvorgänge effizient auszuführen.<br />
Effiziente Datenvermittlung und sichere Anlagemanöver<br />
Im zweiten Kompetenzfeld untersucht Noris Automation das Zusammenspiel<br />
verschiedener Energieträger in Netzwerken und<br />
entwickelt Lösungen für das Datenmanagement an Bord und an<br />
Land. Ein Schwerpunkt liegt auf teilautomatischen Anlegemanövern,<br />
bei denen die Zusammenarbeit von landgestützten Sensoren<br />
und schiffsseitigen Aktoren eine Schlüsselrolle spielt.<br />
Ein zentrales Ziel der Forschung ist die nahtlose Vernetzung<br />
von Daten zwischen Schiff und Land. Um dies zu ermöglichen,<br />
arbeitet Noris Automation an der Entwicklung einer Datenschnittstelle,<br />
die technische Systeme und nautische Planungssysteme<br />
effektiv miteinander verbindet. Ziel ist die Entwicklung<br />
eines Prognosetools zum Energiemanagement unter Nutzung der<br />
Planungsdaten und Missionsinformationen.<br />
Im Rahmen des laufenden Forschungsprojekt wurden umfangreiche<br />
Analysen zu den an Bord installierten Antriebskomponenten<br />
und nautischen Systemen durchgeführt. Fokus lag dabei auf<br />
der Datenerfassung und -aufbereitung, um die Informationen für<br />
eine effiziente Datenvermittlung zu vereinheitlichen.<br />
Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den teilautonomen Anlagemanövern.<br />
Hier wurden notwendige Signale definiert und<br />
ein modulares Sensorbaukastensystem entwickelt, das eine skalierbare<br />
Automatisierung des Schiffsbetriebs ermöglicht. Dieses<br />
System bietet auch redundante Funktionen, um maximale Sicherheit<br />
zu gewährleisten, selbst wenn Sensoren oder Kommunikation<br />
ausfallen sollten.<br />
Für den automatisierten Betrieb wird Frühwarnsystems entwickelt.<br />
Die Zustandsdaten aller automatisierten Schiffssysteme<br />
und die Schiffsbewegungen werden aufbereitet und ausgewertet,<br />
um die Interaktionen mit dem Bediener zu bestimmen.<br />
Das Ergebnis: Eine aussagekräftige, grafische Darstellung aller<br />
relevanten Informationen sowie optionale Handlungsempfehlungen<br />
für den Bediener, die sowohl in Bezug auf die Sicherheit<br />
als auch auf die Ergonomie der Bedienstationen auf der Schiffsbrücke<br />
optimiert sind.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Datenvermittlung zwischen<br />
Schiff und Land. Themen wie Datenkonsistenz, Zugriffssicherheit<br />
und Datensicherheit stehen dabei im Rampenlicht.<br />
Das Ziel: innovative Lösungen zu finden, die eine zuverlässige<br />
und sichere Kommunikation in den vielfältigen Datentransportmedien<br />
des urbanen Raums ermöglichen.<br />
E2Mut – realisierbar und zukunftsweisend?<br />
Bisher ist das Forschungsprojekt sehr theoretisch gehalten, was<br />
die Frage aufwirft: Ist E2Mut realisierbar? E2Mut verspricht wegweisende<br />
Erkenntnisse und innovative Lösungen für eine nachhaltige<br />
und effiziente Schifffahrt. Erste Gespräche mit potenziellen<br />
Anwendern, zeigen großes Interesse an den Lösungen,<br />
die im Projekt gewonnen wurden. Insbesondere die deutsche maritime<br />
Wirtschaft sieht einen Mehrwert.<br />
E2Mut läuft noch bis zum 31. August nächsten Jahres. Ein Anschlussprojekt<br />
ist denkbar. Der Wandel zu alternativen Energieträgern<br />
in der maritimen Branche zeichnet sich immer stärker<br />
ab. Zum einen steigt der Wunsch nach emissionsarmem Betrieb<br />
bei einem gleichzeitig steigenden Bedarf an Transportkapazität<br />
zunehmend. Zum anderen sind auch bestehende Umweltschutzregularien<br />
für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> sowie internationale Übereinkommen<br />
(MARPOL, EEXI) und die ab <strong>2023</strong> jährlich verpflichtende<br />
Ermittlung des »Carbon Intensity Indicators« (CII)<br />
als wichtiger Baustein des Wandels zu sehen.<br />
Autoren: Bernhard Bannat, Systemexperte,<br />
Martin Rehfeldt, Projektleiter E2Mut,<br />
Lea Hufnagl, Technikjournalistin,<br />
Noris Automation GmbH<br />
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<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
33
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Der »E-Spatz« schwimmt<br />
Seit Ende Juli hat das Arbeitsschiff »E-Spatz« Wasser unter dem Kiel. Im Gegenteil zu<br />
allen anderen bereits im Dienst befindlichen Arbeitschiffen der Spatz-Serie, fährt der bei<br />
der Bolle Werft errichtete Neubau mit einem Elektro-Antrieb<br />
von 980 kWh und laden über Nacht,<br />
wenn das Schiff am Anleger liegt.<br />
Um den elektrischen Schiffsantrieb genau<br />
auf die Bedürfnisse des »E-Spatz«<br />
zuzuschneiden, haben drei Experten in<br />
diesem Bereich zusammengearbeitet:<br />
Kadlec & Brödlin, einer der ältesten<br />
Schifffahrtsintegratoren, Jastram, Anbieter<br />
von Schiffsantrieben, und der Batteriespeicherhersteller<br />
Tesvolt. Alle Komponenten<br />
für den Antrieb sind optimal<br />
aufeinander abgestimmt. Ihre Zusammenarbeit<br />
an diesem innovativen<br />
Arbeitsschiff haben die Unternehmen<br />
auf der <strong>Binnenschifffahrt</strong>smesse STL<br />
2021 in Kalkar feierlich bekanntgegeben.<br />
Dem ersten »E-Spatz«-Arbeitsschiff sollen noch weitere folgen<br />
Der »E-Spatz«<br />
Länge ................................ 16,50 m<br />
Breite .................................. 4,50 m<br />
Tiefgang ............................. 1,50 m<br />
Antrieb. ............................ Jastram,<br />
2 x 80 kW RP 80<br />
Batteriespeicher ........... 14 Tesvolt<br />
Batterierecks mit je 7<br />
Batteriemodulen (980 kWh)<br />
Mit dem »E-Spatz« soll im September<br />
das erste elektro-angetriebene Arbeitsschiff<br />
der Wasserstraßen- und<br />
Schifffahrtsverwaltung des Bundes<br />
(WSV) seinen Dienst aufnehmen. Nach<br />
der Erprobung des »E-Spatz«-Piloten<br />
sollen in den kommenden Jahren weitere<br />
100 Arbeitsschiffe mit emissionsarmen<br />
Antrieben ausgestattet werden.<br />
»In der Schifffahrt, insbesondere in der<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>, gibt es sehr viele Einsatzmöglichkeiten<br />
für elektrische Antriebe.<br />
Damit kann die Schifffahrt<br />
wesentlich zur Erfüllung klimapolitischer<br />
Ziele beitragen. Dieses Potenzial<br />
wird aber unterschätzt und sollte<br />
den Weg in den öffentlichen Diskurs finden«,<br />
sagt Mario Bolle, Geschäftsführer<br />
der Schiffswerft Bolle aus Sachsen-<br />
Anhalt. Dort begann im Sommer 2022<br />
der Bau des »E-Spatz«.<br />
E-Schiffsantrieb nach Maß<br />
Das Arbeitsschiff mit dem innovativen<br />
Antrieb wird auf den Flüssen und Kanälen<br />
des westdeutschen Kanalnetzes für<br />
Verkehrssicherheit sorgen. Bau- und Unterhaltungsarbeiten<br />
an den Wasserwegen<br />
gehören ebenso zu seinen Aufgaben wie<br />
z.B. Peilarbeiten. Anders als der dieselbetriebene<br />
Vorgänger wird der »E-Spatz«<br />
ausschließlich mit zwei Elektromotoren<br />
mit einer Leistung von je 80 kW angetrieben.<br />
Die Batterien haben eine Kapazität<br />
© Schiffswerft Bolle<br />
Hohe Speicherleistung<br />
»Ein echter Vorteil für unsere Kunden<br />
aus der Schifffahrt ist, dass unsere Stromspeicher<br />
dank ihrer hohen Energiedichte<br />
von 6,5 kg pro kWh deutlich weniger<br />
Gewicht als herkömmliche Stromspeicher<br />
haben. Das ist für Schiffe besonders<br />
wichtig, denn so kann ein Batteriespeicher<br />
mit einer höheren Kapazität eingebaut<br />
werden. Damit haben Schiffe eine<br />
entsprechend größere Reichweite, sie<br />
können also weitere Strecken elektrisch<br />
zurücklegen«, berichtet Kilian Hoffmann,<br />
Business Development Manager<br />
und Fachmann für Stromspeicher für die<br />
Schifffahrt bei Tesvolt. »Wir bieten außerdem<br />
eine Kapazitätsgarantie von zehn<br />
Jahren, andere Anbieter garantieren lediglich<br />
zwei Jahre.« Die DNV zertifizierten<br />
Batteriespeichersysteme von Tesvolt<br />
würden dank ihres integrierten Feuerunterdrückungssystems<br />
zudem zu den sichersten<br />
auf dem Markt zählen, so Hoffmann<br />
weiter.<br />
Der »E-Spatz« ist exakt auf die Schleusenabmessungen,<br />
Brückendurchfahrtshöhen,<br />
Wasserstände und Strömungen<br />
zugeschnitten. Aktuell sind mehr als 130<br />
Arbeitsschiffe der Spatz-Klasse auf den<br />
Bundeswasserstraßen im Einsatz,<br />
allerdings noch mit Dieselantrieb. Nach<br />
und nach sollen durch Schiffe mit einem<br />
emissionsarmen Elektroantrieb ersetzt<br />
werden.<br />
RD<br />
34 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
Advertorial<br />
Sauberer unterwegs:<br />
Bestandsschiffe problemlos<br />
auf Shell GTL Fuel<br />
Marine umstellen<br />
Flüsse und Meere gehören zu den wichtigsten und gut frequentierten Transportwegen:<br />
Mehr als 90 Prozent aller Waren werden aktuell weltweit per Frachtschiff transportiert.<br />
Allein die deutsche <strong>Binnenschifffahrt</strong> beförderte laut Statistischem Bundesamt im Jahr<br />
2022 rund 182,5 Millionen Tonnen Güter.<br />
Nachhaltigkeit wird – auch<br />
durch die lange Einsatzzeit<br />
der Schiffe – für den Sektor<br />
zu einem immer wichtigeren<br />
Thema. Wenn es darum geht, ihre<br />
Flotte umweltfreundlicher aufzustellen,<br />
stoßen Reeder aber schnell an ihre<br />
Grenzen: Um Schiffe oder Motoren, die<br />
beispielsweise mit LNG (Liquefied Natural<br />
Gas) betrieben werden, einsetzen<br />
zu können, muss in der Regel entweder<br />
der Motor umgerüstet oder ein neues<br />
Schiff gekauft werden. Synthetische<br />
Kraftstoffe wie Shell GTL Fuel Marine<br />
stellen eine Dieselalternative für den<br />
Betrieb von Bestandsschiffen dar.<br />
Lokale Emissionen ohne<br />
Motorenumrüstung reduzieren<br />
Ein klarer Vorteil für die Reedereien:<br />
Der Kraftstoff lässt sich ohne Modifikationen<br />
direkt in Schiffsmotoren<br />
einsetzen . Beispiele für Freigaben<br />
namhafter Fahrzeughersteller sind<br />
Caterpilar, Deutz und MAN. Auch in<br />
anderen Bereichen wie Heizungsanlagen<br />
oder Generatoren können<br />
Shell GTL Produkte eingesetzt werden.<br />
Durch die sauberere Verbrennung<br />
kann auch der Wartungsaufwand und<br />
Verschleiß der Schiffsmotoren sinken.<br />
Dabei bietet Shell GTL Fuel Marine<br />
die im Vergleich zu herkömmlichem<br />
Diesel gewohnte Leistung.<br />
In Sachen Emissionsreduktion punktet<br />
Shell GTL Fuel Marine dank des<br />
innovativen Herstellungsverfahrens<br />
per Fischer-Tropsch-Synthese: Als<br />
paraffinischer Kraftstoff auf Erdgasbasis<br />
verbrennt er deutlich sauberer als<br />
herkömmlicher Diesel. Dies trägt dazu<br />
bei, lokale Emissionen wie Stickoxide<br />
und Feinstaub zu reduzieren – je nach<br />
Motor und Bedingungen um bis zu<br />
26 Prozent (bei NOx). Zudem ist der<br />
synthetische Kraftstoff ungiftig, leicht<br />
biologisch abbaubar und er verfügt<br />
über eine niedrigere Wassergefährdungsklasse<br />
als Diesel (WGK 1). Ein<br />
entscheidender Pluspunkt gegenüber<br />
konventionellem Diesel, falls der Kraftstoff<br />
versehentlich austreten sollte.<br />
Bessere Luftqualität für<br />
die Bestandsflotte<br />
Für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten<br />
an Bord ist die Kraftstoffalternative<br />
ebenfalls von Vorteil: Mit<br />
herkömmlichem Diesel können Abgase<br />
und Dieselgeruch eine erhebliche Belästigung<br />
darstellen. Mit Shell GTL Fuel<br />
Marine ist die Luftqualität während<br />
der Fahrt deutlich besser. Alternative<br />
Kraftstoffe wie Shell GTL Fuel Marine<br />
erleichtern es damit den Unternehmen,<br />
Abgasvorschriften und Emissionsgrenzwerte<br />
bei älteren Bestandsschiffen<br />
einzuhalten. Fakten, die unter anderem<br />
Unternehmen wie die Bayerische Seenschifffahrt<br />
GmbH überzeugt haben,<br />
ihre 15 Motorschiffe umzustellen, die<br />
jährlich rund 1,5 Millionen<br />
Fahrgäste befördern.<br />
Nähere Informationen können<br />
interessierte Reeder über den QR-<br />
Code oder unter www.meinenergiepartner.com<br />
anfordern.
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
SET Innov. Werft 2 S.<br />
Der Hybrid-Antrieb auf den neuen Hadag-Fähren ist bereits für den späteren Einsatz von einer Wasserstoff-Brennstoffzelle konzipiert<br />
© Hadag<br />
And the winner is – SET<br />
Der seit 15 Jahren zur Rönner-Gruppe gehörende Werftenverbund in Tangermünde und<br />
Genthin hat sich mit innovativen Neubauten eine führende Rolle im deutschen Schiffbau<br />
erarbeitet. Dafür stehen die neuen Hadag-Fähren und die STS-Boote für die Marine<br />
Bei der SET in Tangermünde nehmen<br />
derzeit Schiffe Gestalt an, wie sie von<br />
der Werft bislang nicht gebaut wurden<br />
und auch auf Flüssen und Kanälen eher<br />
noch selten zu sehen sind. Für die Reederei<br />
Hadag werden innovative Fähren für<br />
ein neues Zeitalter gebaut.<br />
Im Sommer vergangenen Jahres hatten<br />
die Hamburger insgesamt drei Neubauten<br />
in Tangermünde in Auftrag gegeben.<br />
Zwei sind bereits in Arbeit, der Fertigungsstart<br />
für die letzte ist für diesen<br />
Herbst geplant. Das erste von drei Schiffen<br />
soll schon zu Beginn des nächsten<br />
Jahres auf der Elbe Fahrt aufnehmen. Die<br />
anderen beiden werden ebenfalls noch<br />
im Laufe des kommenden Jahres in Hamburg<br />
anlegen.<br />
Die Schiffe wurden gemeinsam mit<br />
den Schiffsdesignern naValue aus Flensburg<br />
entwickelt. Das Besondere ist der<br />
Batterie-elektrische Antrieb. Die Akkus<br />
Unsere »Werft des Jahres«<br />
Alljährlich küren wir in unserem<br />
<strong>Innovationsreport</strong> die »Werft des<br />
Jahres«. Ausschlaggebend für die<br />
Wahl sind Unternehmertum ebenso<br />
wie der Mut, innovative Lösungen<br />
im Schiffbau zu finden und<br />
umzusetzen. Der Preisträger ist<br />
dieses Mal die SET.<br />
werden nachts aufgeladen. Da die Batteriekapazität<br />
momentan nicht den gesamten<br />
Betrieb abdeckt, kommt in der<br />
ersten Phase ein Diesel-Generator als sogenannter<br />
Range-Extender zum Einsatz.<br />
Die Fähren sind jedoch für den späteren<br />
Einsatz einer Wasserstoff-Brennstoffzelle<br />
konzipiert. Damit weist das Schiffsdesign<br />
»Hadag 2030« mit seinem Plug-In-<br />
Hybrid-Antrieb bereits in eine Zukunft<br />
mit einem komplett emissionsfreien Betrieb<br />
auf der Elbe.<br />
Mit rund 33 m werden die Neubauten<br />
etwas länger als die bisherigen Fähren<br />
und bieten jeweils Platz für bis zu 250<br />
Fahrgäste. Auf der fahrgaststarken<br />
Linie 62 soll sich die Fahrtzeit von derzeit<br />
15 min auf 10 min verkürzen.<br />
Die Hadag-Fähren sind für SET aktuell<br />
vielleicht das spannendste Projekt, aber<br />
bei weitem nicht das einzige, mit dem der<br />
Werftenverbund in Tangermünde und<br />
Genthin zuletzt seine schiffbauliche<br />
Expertise unter Beweis gestellt hat. Im<br />
Unterauftrag von Tamsen Maritim wurden<br />
erstmals zwei Boote für die deutsche<br />
Marine gebaut. Die 20 m langen Sicherungs-,<br />
Transport- und Schleppboote<br />
werden zwar konventionell angetrieben,<br />
sind aber im Inneren gespickt mit modernster<br />
Technik. Bereits im vergangenen<br />
36 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
© Hitzler/Hereon<br />
Erstes Hitzler-Schiff<br />
mit Brennstoffzelle<br />
Es ist eines der innovativsten Schiffe, das bei der Lauenburger Hitzler Werft gebaut wird:<br />
Die »Coriolis«. Im Dienste der Umwelt wird sie emissionsarm – mit Brennstoffzelle und<br />
Dieselfilter an Bord – deutsche Küsten und Flüsse untersuchen<br />
Das nach dem französischen Wissenschaftler<br />
Gaspard Gustave de<br />
Coriolis benannte Schiff soll nächstes<br />
Jahr die 1982 gebaute »Ludwig Prandtl«<br />
ersetzen. Es entsteht aktuell auf der Lauenburger<br />
Hitzler Werft. Anfang des Jahres<br />
wurde der Schiffbau gestartet. Im<br />
März erfolgte im Beisein des Maritimen<br />
Koordinators der Bundesregierung und<br />
zahlreicher weiterer Gäste die Kiellegung.<br />
Anlässlich des im Sommer anstehenden<br />
Stapelhubs sagte Werft-<br />
Geschäftsführer Kai Klimenko: »Es freut<br />
uns zu sehen, wie in den letzten Monaten<br />
aus vielen kleinen Puzzlestücken das<br />
Schiff gewachsen ist. Jetzt blicken wir<br />
voller Tatendrang der Ausrüstungsphase<br />
entgegen.«<br />
Der Vergleich zu einem Puzzle ist<br />
durchaus passend, denn die einzelnen<br />
Sektionen der »Coriolis« sind aus vielen<br />
kleinen Stahlzuschnitten entstanden, die<br />
die Firma Ostseestaal aus Stralsund geliefert<br />
hat. Bei wöchentlichen Baubegehungen<br />
zusammen mit der Werftgeschäftsführung<br />
und Vertretern des<br />
Planungsbüros Technolog kann sich der<br />
Auftraggeber – das Helmholtz-Zentrum<br />
Hereon – von dem Baufortschritt überzeugen.<br />
Von dem Geesthachter Forschungszentrum<br />
ist meist der Projektverantwortliche,<br />
Volker Dzaak, zugegen. Er<br />
zeigte sich schon bei der Kiellegung über<br />
den Stahlschiffbau begeistert. »Man sieht<br />
erstmals die schiffbauliche Qualität. Wie<br />
die Luken und Tanks positioniert sind.<br />
Wie die Schweißnähte ausgeführt sind.<br />
Das alles spricht für die Werft«, so Dzaak.<br />
Der Stapelhub markiert nach der Kiellegung<br />
einen weiteren Meilenstein beim<br />
Bau des neuen Forschungsschiffes. Er ist<br />
der Startschuss für die Phase der Endausrüstung.<br />
In dieser erhält der Neubau beispielsweise<br />
sein Steuerhaus, außerdem<br />
werden Arbeiten wie der Rohrleitungsbau,<br />
die Elektrotechnikinstallation oder<br />
der Maschinenbau ausgeführt.<br />
Wie Kai Klimenko berichtet, folgt Anfang<br />
kommenden Jahres dann die<br />
Montage des Herzstücks der »Coriolis«:<br />
die drei Labore. Das Schiffe erhält ein<br />
Nasslabor, in dem u.a. Wasserproben untersucht<br />
werden, ein Elektrolabor, in dem<br />
Mess daten von Sonaren, Echoloten und<br />
Im März <strong>2023</strong> wurde die »Coriolis« auf Kiel gelegt, (v.l.): Hereon-Geschäftsführerin Iris Ulrich,<br />
Dieter Janecek, Marek Klimenko, Kai Klimenko und Volker Dzaack<br />
© Wroblewski<br />
38 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
Stück für Stück nimmt die »Coriolis« Gestalt an. Das linke Bild zeigt die Labore, in denen u.a. Wasserstoff für den Schiffsantrieb untersucht wird<br />
© Volker Dzaak/Hereon<br />
weiterem elektronischen Equipment erhoben<br />
werden sowie ein Brennstoffzellensystemlabor.<br />
Letzteres ist ein Alleinstellungsmerkmal<br />
des Schiffes und der<br />
Forschung. Denn an Bord des Forschungsschiffes<br />
soll Wasserstoff als Energieträger<br />
für den Schiffsantrieb und dessen<br />
Speicherung untersucht werden. Der<br />
darin verwendete Wasserstoff wird nicht<br />
in flüssiger oder gasförmiger gespeichert,<br />
sondern in pulverartigem Metallhydrid.<br />
Pulverartig deshalb, weil er an ein kleine<br />
Metallpartikel gebunden ist. Gelagert wird<br />
der alternative Energieträger in mobilen<br />
Speichertanks, die in einem 5-Fuß-<br />
Container an Deck untergebracht werden.<br />
Diese Innovation wurde von Hereon-<br />
Mitarbeitern entwickelt. Den Wissenschaftlern<br />
zufolge bieten Metallhydride<br />
den Vorteil, dass sie ein geringeres Speichervolumen<br />
aufweisen. So benötigen<br />
fünf Kilogramm Wasserstoff beispielsweise<br />
im gasförmigen Zustand einen<br />
Gasdrucktank mit einem Volumen von<br />
140 l und einen Druck von 700 bar. Ein<br />
Metallhydridtank hingegen hat ein Volumen<br />
von nur 90 l und benötigt nur knapp<br />
100 bar. An Bord eines Schiffes, auf dem<br />
es an Platz fehlt und jedes gesparte Kilogramm<br />
letztlich zu weniger Brennstoffverbrauch<br />
führt, ist das ein deutlicher<br />
Vorteil. Ein weiteres Plus ist, dass Metallhydride<br />
nahezu zu 100 % recyclebar sind.<br />
Zusammen mit dem DLR-Institut für<br />
Maritime Energiesysteme wollen Hereon-Wissenschaftler<br />
auf der »Coriolis«<br />
daran forschen, das Volumen des Metallhydrids<br />
weiter zu verkleinern.<br />
Membran filtert NOx<br />
Doch die Metallhydride sind nicht die<br />
einzige Innovation an Bord der »Coriolis«.<br />
Eine weitere Technologie, die von<br />
den Hereon-Wissenschaftlern entwickelt<br />
und erprobt wird, ist eine Art Dieselfilter.<br />
So wird an Bord der »Coriolis« ein Membranmodul<br />
installiert, das den Stickoxidausstoß<br />
des Dieselmotors reduzieren soll.<br />
Dieses Membranmodul hat die Aufgabe,<br />
die Verbrennungsluft zu konditionieren.<br />
Wird nämlich Sauerstoff aus<br />
der Verbrennungsluft abgetrennt, sinkt<br />
die Temperatur, mit der der Kraftstoff im<br />
Motor verbrannt wird. Und bei niedrigerer<br />
Temperatur sinkt der Anteil der<br />
bei der Verbrennung produzierten Stickoxide.<br />
Das Membranmodul senkt also<br />
laut den Hereon-Wissenschaftlern den<br />
Sauerstoffgehalt, in diesem Fall von 21<br />
Volumen-Prozent auf ca. 18 Volumen-<br />
Prozent, indem die Membran Sauerstoff<br />
besser passieren lässt als den Stickstoff.<br />
Bei der Verbrennung der so vorbehandelten<br />
Luft im Motor wird damit der Stickoxidausstoß<br />
um bis zu 80 % reduziert.<br />
Das Membranmodul wird hinter dem<br />
Turbolader des Motors eingebaut und<br />
durch dessen Überdruck filtert es Sauerstoff<br />
aus der Ansaugluft. Mit einem NOxund<br />
O 2<br />
-Sensor im Abgas kann die Verbesserung<br />
der Abgasqualität gemessen<br />
werden.<br />
Das Modul ist für den Versuchsbetrieb<br />
ausgelegt, so dass die Forschenden genügend<br />
Spielraum haben, um verschiedene<br />
Membrantypen und Betriebszustände<br />
auszuprobieren. So können Langzeittests<br />
mit dem Membranmodul an Bord vorgenommen<br />
und die Membranen – ähnlich<br />
dem Luftfilter – gewechselt werden.<br />
Das soll im Rahmen der Forschung die<br />
Weiterentwicklung neuer und besser geeigneter<br />
Membranen begünstigen.<br />
Im Auftrag der Umwelt<br />
Die »Coriolis« wird in flachen Flüssen,<br />
Mündungen und im offenen Meer unterwegs<br />
sein, besonders in Nord- und Ostsee.<br />
Mit ihrem Tiefgang von nur 1,70 m<br />
kann sie die Elbe hoch bis nach Magdeburg<br />
fahren. Auf ihren Fahrten wird sie<br />
unter anderem analysieren, welche Nährund<br />
Schadstoffe von den Flüssen ins Meer<br />
transportiert werden oder wie sich die<br />
Offshore-Windkraft auf die Umwelt auswirkt.<br />
Der Klimawandel wird als zentrales<br />
Thema an Bord interdisziplinär erforscht.<br />
Projekt mit Vorbildcharakter<br />
Es ist für die Lauenburger Werft, die auf<br />
eine mehr als 130-jährige Geschichte zurückblickt,<br />
nicht das erste Forschungsschiff,<br />
das sie baut. Aber es ist das erste<br />
mit einer Brennstoffzelle an Bord. »Für<br />
die Hitzler Werft ist das Forschungsschiff<br />
mit der Brennstoffzellentechnologie das<br />
erste dieser Art. Wir können beim Bau<br />
der ›Coriolis‹ wertvolle Erfahrungen<br />
sammeln, die wir bei anderen Bauprojekten<br />
künftig nutzen werden«, sagte Werftchef<br />
Marek Klimenko anlässlich des<br />
Baustarts.<br />
AW<br />
Technische Daten »Coriolis«<br />
Länge .................................. 29,5 m<br />
Breite ....................................... 8 m<br />
Tiefgang ............................... 1,7 m<br />
Durchfahrtshöhe ................ 6,5 m<br />
Antrieb ................ dieselelektrisch<br />
(bestehend u.a. aus Scania-<br />
Dieselaggregaten, elektrischen<br />
Fahrmotoren von Baumüller,<br />
Schaffran-Propeller); zusätzlich<br />
Brennstoffzelle<br />
Leistung ............................ 750 kW<br />
Geschwindigkeit .............. 12,6 kn<br />
Bordequipment ............. A-Frame<br />
und J-Frame, Palfinger-Arbeitskran,<br />
Misti-Ankerpfahl<br />
Besatzung ................... 3 Personen<br />
Klassifikation ...... Bureau Veritas<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong><br />
39
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
»Vom Dieselmotor<br />
werden wir uns in den<br />
nächsten Jahrzehnten<br />
nicht lösen können«<br />
© Bachmann<br />
Die niederländische Koedood Marine<br />
Group stellt typgeprüfte Dieselmotoren<br />
nach EU Stufe V mit niedrigen Emissionen<br />
her. Nach erfolgreicher Entwicklung<br />
moderner Antriebssysteme arbeitet das<br />
Unternehmen an neuen Ansätzen für eine<br />
umweltfreundliche Schifffahrt. In der<br />
Automatisierung setzt es auf die Expertise<br />
der österreichischen Firma Bachman mit<br />
Sitz in Feldkirch. Sander Roosjen, Manager<br />
der Forschungs- und Entwicklungsabteilung<br />
bei der Koedood Marine Group,<br />
erläutert hier nachhaltige Antriebskonzepte<br />
auf Basis verschiedener<br />
Energiequellen und spricht über entscheidende<br />
Faktoren für deren Umsetzung.<br />
Herr Roosjen, mit welchen zukunftsfähigen<br />
Konzepten beschäftigen Sie sich<br />
aktuell, nachdem die Entwicklung der<br />
nach EU Stufe V zertifizierten Motoren<br />
abgeschlossen ist?<br />
Sander Roosjen: Wir arbeiten an verschiedenen<br />
Ansätzen, da es keine Patentlösung<br />
für alle Schiffe gibt. Zudem finden<br />
im Moment viele unterschiedliche Entwicklungen<br />
parallel und mit sehr hohem<br />
Tempo statt.<br />
Wird Diesel weiterhin eine Rolle spielen?<br />
Roosjen: Vom Dieselmotor werden wir<br />
uns in den nächsten Jahrzehnten nicht<br />
lösen können. Eine Vielzahl von Schiffen<br />
wird auch 2050 noch mit Dieselmotoren<br />
angetrieben werden – hoffentlich jedoch<br />
zusammen mit Abgasnachbehandlungstechnologien.<br />
Der Energiebedarf ist so<br />
groß, dass die Umrüstung der weltweiten<br />
Flotte auf emissionsfreie Technologien in<br />
naher Zukunft noch nicht praktikabel<br />
seit wird. Nehmen Sie beispielsweise<br />
Wasserstoff: Der Anteil erneuerbarer<br />
Energien ist aktuell noch zu gering, um<br />
ausreichend grünen Wasserstoff zu erzeugen,<br />
würden alle großen Schiffe mit<br />
Brennstoffzellentechnologie betrieben<br />
werden. Auch was die Speicherkonzepte<br />
für Wasserstoff angeht, sind weiterhin<br />
viele Fragen in Bezug auf Wirtschaftlichkeit<br />
und Logistik offen. Die Wasserstoff-<br />
Wertschöpfungskette steckt noch in den<br />
Kinderschuhen und all ihre Facetten<br />
müssen gemeinsam wachsen.<br />
Ein Energiemix wird erforderlich sein.<br />
Und wir haben auch keine Kristallkugel,<br />
mit der wir eine Vorhersage darüber treffen<br />
können, was zukünftig der Haupttreibstoff<br />
der Wahl für den maritimen<br />
Sektor sein wird. Deshalb benötigen wir<br />
eine flexible Basis, damit wir zukünftige<br />
Entwicklungen effizient nutzen können.<br />
Wie könnte eine solche Basis aussehen?<br />
Roosjen: Unsere Vision für die Zukunft<br />
sieht die Bereitstellung einer flexiblen<br />
Plattform mit einem elektrischen Antriebsstrang<br />
vor. Eines ist sicher: Die<br />
Elektrifizierung von Schiffen stellt immer<br />
eine No-Regret-Maßnahme dar. Bei Einsatz<br />
eines Power-Management-Systems<br />
in Verbindung mit einem Elektromotor,<br />
vorzugsweise einem Gleichstrom-Permanentmagnetmotor,<br />
lassen sich Einheiten<br />
zur Energieversorgung ganz nach<br />
Bedarf modular hinzufügen oder austauschen.<br />
Das ist quasi eine Plug-and-<br />
Play-Energiekombination für den Antriebsstrang.<br />
In Europa sind bereits etwa 120 dieselelektrische<br />
Hybridschiffe mit Koedood-Technologie<br />
unterwegs. Auf dieser<br />
Basis ist es beispielsweise möglich,<br />
heute Dieselmotoren mit Nachbehandlungssystem<br />
einzusetzen, und diese später<br />
gegen zukunftsfähigere Technologien<br />
wie etwa methanolbasierte<br />
Motoren oder Ammoniak-Brennstoffzellensysteme<br />
auszutauschen.<br />
Welche Energiequellen nutzen Sie für<br />
Ihre aktuellen Neuentwicklungen?<br />
Roosjen: Methanol ist eine der neuen<br />
Technologien, auf die wir den Schwerpunkt<br />
legen. Insbesondere im Kurz -<br />
streckenseeverkehr ist das eine sehr vielversprechende<br />
Option. Wir beschäftigen<br />
uns mit Methanol als Zweistoff-Lösung,<br />
vor allem für die Nachrüstung von<br />
Binnenschiffen. In erster Linie wird ein<br />
40 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
INNOVATIONSREPORT <strong>2023</strong><br />
»RIVER DRONE«<br />
Erik Verstraeten baut zehn halbautonome Containerschiffe<br />
Die Schiffe können von einem Kontrollzentrum an Land gesteuert werden<br />
Bis Oktober dieses Jahres sollen alle<br />
»River Drones«-Schiffe der Reederei Erik<br />
Verstraeten in Fahrt gehen. Die ersten<br />
zwei sind bereits im Sommer in<br />
Antwerpen getauft worden. Die »River<br />
Drones«, die ihren Namen in fortlaufender<br />
Nummerierung erhalten, sind<br />
Binnenschiffe, die speziell für eine halbautonome<br />
Bedienung bestimmt und ausgerüstet<br />
sind.<br />
Auf den Wasserstraßen in Flandern<br />
werden die 106 m langen Schiffe vom<br />
Shore-Control-Center der Firma Seafar<br />
aus gesteuert. Gleichwohl verfügen sie<br />
© Garrelmann<br />
über Wohnräume für maximal vier Personen,<br />
damit auch andere Destinationen mit<br />
Besatzung angefahren werden können.<br />
Die Länge der Schiffe nimmt Rücksicht<br />
auf die maximale Länge für Koppelverbände,<br />
die beispielsweise im<br />
Albertkanal auf 196 m begrenzt ist. Obwohl<br />
das Schiff also 4 m kürzer ist als ein<br />
110 m Schiff, kann die »River Drone«<br />
selbst eine Reihe TEU mehr laden, im<br />
Koppelverband sind es sogar zwei TEU-<br />
Längen mehr. »Möglich wird das unter<br />
anderem dadurch, dass das Steuerhaus<br />
nach vorn verlegt und der Platz für Unterkünfte<br />
reduziert wurde«, erklärt Wim<br />
Driessen, dessen Werft Generalunternehmer<br />
ist.<br />
Für die ersten fünf »River Drones«<br />
wurden bereits Verträge mit Container -<br />
betreibern unterzeichnet. So wird die<br />
»River Drone 1« für WeBarge fahren,<br />
vorwiegend von Antwerpen aus zu<br />
Zielen am Albertkanal und nach<br />
Brüssel/Vilvoorde.<br />
ga<br />
FUTURE PROOF SHIPPING<br />
Weltpremiere – »H2 Barge 1« fährt künftig mit Wasserstoff<br />
Die niederländische Reederei Future<br />
Proof Shipping (FPS) hat Ende Mai in<br />
Rotterdam das erste wasserstoffbetriebene<br />
Binnencontainerschiff, die<br />
»H2 Barge 1«, getauft. Eines der treibenden<br />
Unternehmen hinter dem Projekt ist<br />
der Sportartikel-Hersteller Nike. Das<br />
110 m x 11,45 m große Binnenschiff<br />
»H2 Barge 1«, früher bekannt als<br />
»Maas«, wird von BCTN bei FPS im<br />
Auftrag von Nike EMEA gechartert. Das<br />
Schiff wird künftig mehrmals wöchentlich<br />
zwischen Rotterdam und dem<br />
Binnenterminal von BCTN in Meerhout<br />
verkehren. Dabei werden die Treibhausgasemissionen<br />
um 2.000 t<br />
CO 2 -Äquivalente pro Jahr reduziert.<br />
FPS will nach eigenen Angaben in den<br />
nächsten fünf Jahren eine Flotte von<br />
zehn emissionsfreien Binnen- und Kurzstreckenschiffen<br />
bauen, betreiben und<br />
an Logistikdienstleister oder Verlader<br />
verchartern.<br />
BCTN ist der größte Betreiber von<br />
Hinterlandterminals in den Benelux-<br />
Ländern, der jährlich mehr als<br />
700.000 TEU an acht Standorten in den<br />
Niederlanden und Belgien umschlägt: in<br />
Alblasserdam, Den Bosch, Geel, Meerhout,<br />
Beringen, Nijmegen, Roermond<br />
und Venray.<br />
Das »FPS Maas/H2 Barge 1«-Nachrüstungsprojekt<br />
wird durch Zuschüsse<br />
Die »H2 Barge 1« war vorher unter dem Namen »Maas« unterwegs<br />
des Interreg North Sea Region Programm<br />
der EU, die Netherlands Enterprise<br />
Agency (RVO), den Port of Rotterdam<br />
und das Expertise-en InnovatieCentrum<br />
Binnenvaart (EIB) unterstützt. RD<br />
© FPS<br />
42 <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2023</strong>
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