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Lesen Magazin 03/2023

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ich liebe auch jüngere Kolleginnen und Kollegen, wie Daniela Dill,<br />

Lidija Burcak oder Michael Fehr. Und grossartig finde auch Mundartliteratur<br />

in der Musik wie bei Lo & Leduc, Noti Wümié oder Steff<br />

la Cheffe.<br />

«Ganz ehrlich, für mich gibt<br />

es keinen Dialekt, der nicht schön<br />

klingen kann.»<br />

Pedro Lenz,<br />

Kein & Aber<br />

CHF 29.90<br />

Primitivo<br />

Waldfest in Herzogenbuchsee,<br />

Bacardi am Fluss, Konzerte<br />

und die schöne Laurence. Der<br />

Sommer 1982 hätte so gut<br />

werden können für Charly,<br />

doch dann stirbt sein Kollege<br />

Primitivo plötzlich bei einem<br />

Arbeitsunfall.<br />

© Liliane Holdener<br />

Jetzt mal ganz unter uns: Welcher Dialekt liegt dir jetzt nicht<br />

so, zum Zuhören?<br />

Jeder Dialekt, der sich auf verkrampfte Art mehr Bedeutung geben<br />

will, langweilt mich. Ganz ehrlich, für mich gibt es keinen Dialekt,<br />

der nicht schön klingen kann.<br />

Schwingt da doch noch ein «Aber» mit?<br />

Unschön wird es erst, wenn jemand versucht, einen Dialekt aufzumotzen<br />

mit grammatikalischen Formen, die der Dialekt gar nicht<br />

kennt, Futur- oder Lehnwörtern, die im Sprachalltag gar nicht gebraucht<br />

werden und deshalb in Mundarttexten gestelzt wirken …<br />

Da wären wir auch um Beispiele froh …<br />

«Ich han dich nöd gsuecht, doch du häsch mich gfunde», oder auch<br />

mit langen, komplexen Wetterberichten voller Fachbegriffe auf<br />

Mundart. Mit solcher vermeintlich «besserer» Mundart kann man<br />

mir jeden Text zum Verleiden bringen. Aber einen Dialekt an sich<br />

finde ich nie wüst, höchstens mal ungewohnt und dadurch auch<br />

wieder interessant.<br />

Isch das aues?<br />

Die in diesem Buch versammelten<br />

vierundsechzig<br />

sprachliche Moden und<br />

Marotten hat Pedro Lenz auf<br />

Hochdeutsch geschrieben,<br />

seine Affinität zur Mundart<br />

begleitet uns <strong>Lesen</strong>de aber<br />

fast auf jeder Seite.<br />

Pedro Lenz,<br />

Knapp Verlag,<br />

CHF 29.90<br />

Chöit ders eso näh?<br />

Ist die Aare der schönste Fluss<br />

der Welt? Machen Sie gerne<br />

Geschenke? Kann man Glück<br />

aufsparen? <strong>Lesen</strong> Sie Outdoor-<br />

Prospekte? Dürfen Kinder<br />

unanständige Wörter sagen?<br />

Ist die Verpackung wichtiger<br />

als der Inhalt?<br />

«Mich persönlich inspirieren<br />

vor allem Bücher, Schallplatten<br />

und Menschen.»<br />

Pedro Lenz,<br />

Cosmos Verlag AG,<br />

CHF 28.90<br />

Als geborener Langenthaler lebst du schon lange in Olten.<br />

Viele Schreibkolleginnen und -Kollegen ziehen nach Berlin<br />

oder nach Zürich. Gut, Olten bietet für sein Grössenverhältnis<br />

viel Kultur, Literatur und auch Kabarett. Ist es das, was dich<br />

hierbleiben lässt?<br />

Es würde vermutlich wenig ändern, wenn ich nach Zürich zöge,<br />

ausser dass ich mir keine geräumige Unterkunft für eine fünfköpfige<br />

Familie leisten könnte. Zürich wäre vielleicht fünfundzwanzig<br />

Mal Olten nebeneinander, aber mir genügt ein Olten völlig. Und<br />

wenn du die Inspiration ansprichst, der Wohnort ist nur eine von<br />

ganz vielen Inspirationsquellen. Mich persönlich inspirieren vor<br />

allem Bücher, Schallplatten und Menschen. Das finde ich fast überall.<br />

Wir leben in «struben» Zeiten, die Welt spielt verrückt. Gibt<br />

es Themen, die sich lieber nicht in Mundart kommentieren<br />

lassen? Oder anders gefragt, wie entscheidest du, was du in<br />

welcher Sprache ansprechen möchtest?<br />

Tatsächlich gibt es Themen, die sich mehr für die eine oder die andere<br />

Sprache eignen. Dort, wo die Beschreibung eines literarischen<br />

Sujets wichtiger ist als die gesprochene Sprache, dort komme ich<br />

mit Hochdeutsch besser zurecht. Oder<br />

kurz gesagt: Zum Beschreiben lieber Hochdeutsch,<br />

und wenn ich die Figur reden<br />

lassen will, lieber Mundart.<br />

Du bist voll und ganz freiberuflich, als<br />

Autor aber auch mit Bühnenprojekten.<br />

Im Unternehmertum heisst es, dass<br />

die Abteilung Entwicklung immer der<br />

Produktion voraus sein sollte. Wie kann<br />

man sich bei dir die «Produkte-Entwicklung»<br />

für deine Arbeit vorstellen?<br />

Das ist eine interessante Frage. Bei mir läuft<br />

die Produkte-Entwicklung meistens nach<br />

dem Try-and-Error-Prinzip. Das heisst, ich<br />

probiere etwas, und wenn es funktioniert,<br />

gehe ich weiter, aber wenn es nicht funktioniert,<br />

fange ich wieder von vorne an.<br />

Oft habe ich anfangs nur eine sehr vage Vorstellung von dem, was<br />

ich schreiben will. Und nicht selten merke ich erst nach Tagen oder<br />

Wochen, dass ich mich in eine Sackgasse geschrieben habe. Aber ich<br />

muss es auf jeden Fall ausprobieren. Ich kann nie sagen: Aha, das<br />

ist ein todsicherer Stoff, aus diesem Stoff kann ich bestimmt einen<br />

Roman schreiben.<br />

«Ich suche den Witz<br />

nicht, aber ich weiche ihm<br />

auch nicht aus.»<br />

Melancholie und Ironie oder Wahrheiten<br />

und Witz liegen in deinen Texten immer<br />

dicht nebeneinander. Welche Gefühlslage<br />

ist für dich der wichtigste Motor für<br />

dein Schaffen?<br />

Mein Motor ist eindeutig die Sehnsucht,<br />

ich meine diese nie ganz befriedigte Sehnsucht<br />

nach Klarheit, nach Weite, nach<br />

Verständnis oder nach Versöhnung mit der<br />

Vergangenheit. Sie ist es, die mich immer<br />

wieder antreibt. Die Sehnsucht treibt mich<br />

an, und der Witz oder die Ironie sind dann<br />

nur noch die Schmiermittel. Ich suche den<br />

Witz nicht, aber ich weiche ihm auch nicht<br />

aus.<br />

10 <strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong> Interview<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Interview<br />

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