schön+gut Herbst und Winter 2023 – Beilage akzent Oktober '23

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Die Sekunde wurde in der Region erfunden © ETH Zürich Porträt Jost Bürgi, 1619 gezeichnet von Ägidius Sadeler. Die Umrahmung von Anton Eisenhoit, 1590/92 gestochen, zeigt die vielfältigen Anwendungen des von Bürgi entwickelten Triangularinstruments 16 | Schön + Gut Herbst & Winter 2023
Begleitpublikation Das ausstellungsbegleitende Buch erscheint am 16. September im Verlag FormatOst. Auf 310 Seiten bietet es reich bebilderte kulturwissenschaftliche und wissenschaftshistorische Beiträge über die Geschichte der Astronomie seit der Antike und das geistige Klima jener umwälzenden und folgenreichen Zeit des Jost Bürgi. Enthalten sind auch das Jost-Bürgi-Werkverzeichnis und der Exponatskatalog. © Museumslandschaft Hessen Kassel Experimentieruhr 2 mit Kreuzschlaghemmung und Feder-Remontoir Jost Bürgi zugeschrieben, vor 1590 (und nach 1579), Holz, Messing, Eisen, Glas, Darmsaite Einstmals genial – dann in Vergessenheit geraten: Jost Bürgi. Das Kulturmuseum St. Gallen widmet seine aktuelle Hauptausstellung dem herausragenden Erfinder, Uhrmacher, Instrumentenbauer, Mathematiker und Astronom Jost Bürgi. Der Toggenburger war der Allererste, der die Zeiteinheit der Sekunde gemessen hat und legte damit eine für das technische Weltgeschehen überaus wichtige physikalische Einheit fest. Erstmals getickt hat die „pars minuta secunda“ 1585 in einem von Bürgi entwickelten Uhrwerk. Danach arbeitete die Zeit gegen ihn – er wurde vergessen… Von St. Gallen in die Welt Bürgis geniale mathematisch-technische Universalität hatte großen Einfluss auf die Entwicklung epochaler Werke der Neuzeit. Die Ausstellung im Kulturmuseum ist die erste Gesamtschau zu Jost Bürgis Leben und Werk – ein Schlüssel zum Kosmos. 1552 kam Bürgi im sanktgallischen Lichtensteig zur Welt, in jenem Städtchen, das in diesem Jahr den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes verliehen bekommen hat. Sein Weg führte ihn zu den Zentren der Künste und Wissenschaften, an den landgräflichen Hof in Kassel und nach Prag zum Kaiser. Hier baute er die genausten Uhren, innovative Vermessungsgeräte und die schönsten mechanischen Himmelsgloben – wahrhaftige Zeitmaschinen. Jost Bürgi arbeitete mit großen Wissenschaftlern wie Johannes Kepler zusammen und entdeckte als begnadeter Mathematiker die Logarithmen. Über welche Ausbildungsstätten Jost Bürgi zu den damaligen Hochburgen der Wissenschaften und Künste gelangte, ist noch im Dunkel der Geschichte verborgen. Eine höhere Bildung war ihm offenbar verwehrt geblieben, denn Latein, die damalige Sprache der Wissenschaft, beherrschte er nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass Bürgi mit 27 Jahren vom Kasseler Landgrafen Wilhelm IV. angestellt und in den engen Kreis der Wissenschaftselite aufgenommen wurde. Bürgi stellte seine Fähigkeiten ganz in den Dienst der Himmelsvermessung und Herstellung von astronomischen Modellen, die mechanisch angetrieben wurden und liefen, als würden sie von Gottes Hand geführt. Wegbereiter für die Neuzeit Noch im antik-mittelalterlichen Weltbild verwurzelt, in dem der Kosmos als göttliche, immerwährende Ordnung dem irdischen Werden und Vergehen gegenübersteht, orientierten sich die Machthaber jener Zeit bei ihren Entscheidungen am Himmel: Horoskope und möglichst exakte Prognosen von Himmelskörper-Konstellationen waren hoch begehrt, das Bestreben nach einer genauen Himmelsvermessung entsprechend groß. Aus dieser astrologischen Initiative entwickelte sich eine enorme Innovationskraft. Herbst & Winter 2023 Schön + Gut | 17
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