immobilia 2023/10 - SVIT
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BAU & HAUS<br />
ÖFFENTLICHE GEBÄUDE<br />
HARMONISCHE<br />
TRANSPARENZ<br />
Jessenvollenweider Architekten erhielten<br />
für die Sanierung der Schulanlage<br />
Auen in Frauenfeld den Prix Acier 2021.<br />
Die Jury lobte an diesem Projekt neben<br />
der Gestaltung auch die vorbildliche<br />
Zusammenarbeit aller Baubeteiligten.<br />
TEXT—CHRISTINA HORISBERGER*<br />
BILDER: JESSENVOLLENWEIDER ARCHITEKTUR AG<br />
Gelungenes Weiterbauen<br />
in Stahl:<br />
Schulanlage Auen<br />
in Frauenfeld.<br />
EIGENES STAHLSKELETT<br />
ENTWICKELT<br />
Die Schulanlage Auen in Frauenfeld<br />
gilt als ein exemplarisches Beispiel der<br />
Solothurner Schule, einer damals jungen<br />
Architektengruppe, die sich radikal<br />
der modularen Stahl- und Glasarchitektur<br />
verschrieben hatte. Das Ensemble wurde<br />
1967/68 von Alfons Barth und Hans Zaugg<br />
errichtet und umfasste drei kompakte<br />
Flachdach-Kuben, deren Stahlstruktur im<br />
Grundriss-Quadratraster von 2,1 Metern<br />
aufgebaut war. Die Metallbaufirma Tuchschmid<br />
AG hatte damals eigens für dieses<br />
spezielle Raster ein Stahlskelett entwickelt<br />
und realisiert. Dessen schlanke Stützen<br />
verschwanden hinter einer filigranen<br />
Aluminium-/Glasfassade und ermöglichten<br />
eine komplett offene Grundrissgestaltung<br />
der Unterrichts- und Nebenräume.<br />
1991/92 realisierten die gleichen Architekten<br />
ein zweites Schulgebäude. Die Flachdachbauten<br />
wurden zudem mit einer überdachten<br />
Passage untereinander verbunden.<br />
UMFANGREICHE BESTANDS<br />
ANALYSEN<br />
Nicht nur das Wachsen der Schule gab<br />
2012 den Ausschlag für eine Erweiterung<br />
und Sanierung. Auch wiesen die wegen ihrer<br />
grossen Glasfläche schlecht isolierten<br />
Gebäude nach mehr als 45 Jahren ununterbrochener<br />
Nutzung zahlreiche Mängel auf.<br />
Zudem entsprachen die Bauten nicht mehr<br />
den gesetzlichen Normen für Brandschutz,<br />
Haustechnik, Bauphysik, Schadstoffe und<br />
ES ENTSTEHT EIN VÖLLIG<br />
NEUES ENSEMBLE, DAS DIE<br />
URSPRÜNGLICHE IDEE SO<br />
WEIT VERSTÄRKT, DASS MAN<br />
DAS GEFÜHL HAT, ES SEI<br />
SCHON IMMER SO GEWESEN.<br />
JURYBERICHT PRIX ACIER 2021<br />
Erdbebensicherheit. Aufgrund mehrfach<br />
gemachter Erfahrungen mit bereits sanierten<br />
Bauten der Solothurner Schule konnte<br />
in einer anschliessend erfolgten Machbarkeitsstudie<br />
auf Erfahrungswerte bezüglich<br />
der Möglichkeiten und Grenzen der Fassadensanierung<br />
zurückgegriffen werden.<br />
Eine Analyse von Fassadenbau- und Bauphysik-Spezialisten<br />
zeigte auf, dass die<br />
energetische Ertüchtigung der Bestandshüllen<br />
mittels Glasersatz die Zielvorgaben<br />
erfüllen würde und die feingliedrige Aluminiumkonstruktion<br />
auf diese Weise erhalten<br />
werden könne.<br />
FILIGRANES FASSADENBILD<br />
Der 2014 erfolgte anonyme Architekturwettbewerb<br />
konnten die Basler Architekten<br />
Jessenvollenweider für sich entscheiden.<br />
Sie setzten zu den bestehenden Kuben<br />
eine neue Ost-West-Achse mit drei pavillonartigen<br />
Volumen und spannenden Zwischenräumen.<br />
Ebenfalls als Stahltragwerk<br />
realisiert, setzen sich die lichtdurchfluteten<br />
Pavillons mit auskragendem Flachdach<br />
als Neuinterpretation vom Bestand ab. Das<br />
Tragwerk wurde hier nach aussen gelegt<br />
und die Stützen aus den Ecken gerückt.<br />
Dem Metall- und Fassadenbauunternehmen<br />
Krapf AG, verantwortlich für die konstruktiven<br />
Lösungen der Neubauten, ist es<br />
dabei gelungen, das Potenzial des Stahltragwerks<br />
in eine ausdruckstarke Form zu<br />
bringen und zugleich die technische Machbarkeit<br />
auszuloten. Krapf war für die Primärtragkonstruktion<br />
aus lasergeschweissten<br />
Stahlprofilen, Einsatzelemente in<br />
Janisol, Festelemente, Schiebetüren, Doppelflügel-Drehtüren<br />
und gebogenen Eckelemente<br />
verantwortlich.<br />
WIE AUS EINEM GUSS<br />
Besonders der Einbau der beweglichen<br />
Elemente und die damit zusammenhängende<br />
Entwässerung der Fassadenkonstruk tion<br />
stellte hohe Ansprüche an die Metallbauer<br />
der Krapf AG. Die Kraftübertragung der Primärtragstruktur<br />
in den Baukörper mit einer<br />
durchgehenden Entwässerungsebene wurde<br />
mit einer eigens entwickelten Sockelkonstruktion<br />
gelöst. Die ebenfalls speziell für<br />
diesen Ort entwickelten Hebeschiebetüren<br />
fügen sich nahtlos in den Fassadenraster von<br />
2,1 Meter ein und bilden eine filigrane Einheit<br />
mit der Gesamtfassade.<br />
Die in die tragenden Primärträger verbauten<br />
Fensterverglasungen aus Janisol-Stahlrahmen<br />
wirken wie eingesetzte<br />
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IMMOBILIA / Oktober <strong>2023</strong>