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THEMA<br />
Heimatbild des Herzens<br />
Eine Heimat zu haben, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.<br />
Heimat war in meinem Leben immer schon da.<br />
Ich bin zwar nicht in meine Heimat in den Bergen hineingeboren<br />
worden, aber just zu der Zeit, wo man sich aus<br />
dem Schoss der Familie wagt, habe ich hier meine frühen<br />
Sozialisationserlebnisse mit Menschen und der Umgebung<br />
gemacht und mir so meine Heimat aufgebaut und erworben.<br />
Sie wurde mir nie geraubt. Ich habe sie nie wirklich<br />
verlassen, ausser für Studienzwecke und Auslandsaufenthalte<br />
in meinen Lehr- und Wanderjahren. Und in diesen<br />
Zeiten hatte ich Heimweh nach den Bergen. Mich zog es<br />
in die Berge zurück. Ich habe dann in meiner alten Heimat<br />
meine Familie gegründet und fühle mich als Einheimischer.<br />
Mein Name gehört zu einem alten, bekannten<br />
Geschlecht in der Bündner Herrschaft. Auch der Begriff<br />
«Heimat» ist für mich unbelastet. Es haftet ihm nichts<br />
Problematisches an. Ich achte ihn als wichtigen Wert,<br />
den ich nicht verehren und überhöhen, geschweige denn<br />
instrumentalisieren will. In Bezug auf Heimat bin ich ein<br />
sicher gebundener Mensch. Das bringt auch Gefahren mit<br />
sich, doch davon später.<br />
Ich schreibe diese Zeilen über Heimat in einer gemieteten<br />
Alphütte. Sie liegt auf gut 1500 Metern auf dem<br />
Furnerberg. Dieses Refugium, wohin ich mich zur Sammlung<br />
und Erholung zurückziehe, liegt eine gute halbe<br />
Stunde von unserem Wohnort entfernt. Ich habe von hier<br />
eine wundervolle Aussicht in die Berge, von denen ich die<br />
meisten mit Namen kenne. Mit vielen Gipfeln verbinden<br />
mich Geschichten. Dort an der Drusenfluh ging ich einst<br />
mit meinem älteren Bruder klettern. Plötzlich steckten<br />
wir fest, doch zum Glück befreite uns ein österreichischer<br />
Bergsteiger aus dieser misslichen Lage. Dort ist die Scesaplana,<br />
ich besteige sie einmal im Jahr. Rechts des Tales<br />
liegt ganz oben der Weissfluhgipfel mit seinen Skigebieten,<br />
bei guten Schneeverhältnissen machten wir jeweils mit<br />
unseren vier Kindern die Parsennabfahrt bis ins Tal. Wenn<br />
ich so zu erzählen beginne, kommen gute, starke Gefühle<br />
in mir auf: Ich gehöre hierher. Ich gehöre dazu. Das ist<br />
ein Teil von mir. Das hat mich geprägt. Ich bin dankbar<br />
und ein bisschen stolz. Heimat ist Ausdruck und Ermöglichung<br />
von Identität und Partizipation. Ich erlebe sie als<br />
sicheren, überschaubaren Ort. Ich kenne nicht nur die<br />
Sprache, sondern vermag in der Kommunikation auch das<br />
Unausgesprochene bis hin zum feinsten nonverbalen Code<br />
zu deuten. Ich erkenne die verschiedensten Färbungen<br />
des Humors und merke, wenn er in Sarkasmus kippt. Das<br />
Kostbare an meiner Heimat ist meine Vertrautheit mit dem<br />
Raum, die Zugehörigkeit zum sozialen Gefüge, das Verwobensein<br />
meiner Geschichte und der Geschichte meiner Sippe<br />
mit der Region. Heimat ermöglicht mir ein entspanntes,<br />
berechenbares Leben, bei dem ich weiss, wer ich bin, wo<br />
ich bin und woran ich bin.<br />
Fremde als Gäste<br />
Für mich gehören zur Heimat auch die Fremden. Sie<br />
passen einfach ins Bild unseres Tourismuskantons. Was<br />
wäre ein Hochwinter oder Hochsommer ohne Touristinnen<br />
und Touristen? Sie ermöglichen uns durch ihr Geld nicht<br />
nur unser Auskommen, sie bringen auch die weite Welt in<br />
unsere engen Bergtäler. Manche von ihnen sind still und<br />
zurückhaltend, andere schräg und extravagant, manche