Goethezeitung_25
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Goethe<br />
<br />
Die historische Reihe aus der<br />
im Harz<br />
Auf den Spuren des großen deutschen Dichters 2023|2024<br />
Sonderausgabe Nr. <strong>25</strong><br />
Schutzgebühr: 1 €<br />
Harzreisen mit literarischem Ertrag<br />
<strong>25</strong> Jahre auf den Spuren des Malers Weber durchs Gebirge<br />
Wie alles begann: Es nahte<br />
der <strong>25</strong>0. Geburtstag von Johann<br />
Wolfgang von Goethe<br />
und so dachte ich, würden im<br />
Harz diverse Publikationen<br />
an den Mann erinnern, der<br />
den Harz mit seinen faszinierenden<br />
Landschaftsformen<br />
weltberühmt gemacht hat.<br />
Das Elendstal und den Brocken<br />
im »Faust«, das Bodetal,<br />
das er als »gewaltigstes Felsental<br />
nördlich der Alpen«<br />
pries. Doch fast nichts geschah.<br />
So kam die Idee einer<br />
Zeitung für die Harzreisen<br />
des Dichters auf, zu der mich<br />
der legendäre »Windbeutelkönig«<br />
Dieter Friedrich Holste<br />
aus Schulenberg ermunterte.<br />
Die karge Bebauung zu Goethes Winterreise 1777 wird auf diesem<br />
Bild angedeutet. Nur das Wolkenhäuschen gab minimalen<br />
Schutz vor Witterungsunbilden.<br />
Goethefans lesen in der Jahresausgabe<br />
Bei einer Wanderung über<br />
Umwege auf den Brocken<br />
reifte der Entschluss, diese<br />
Reisen für heutige Besucher<br />
darzustellen. Viel Literatur<br />
wurde gewälzt, Fotos an den<br />
Örtlichkeiten gesammelt und<br />
zum Geburtstag 1999 war sie<br />
fertig. Tiefer und tiefer in die<br />
Welt des Dichterfürsten einzusteigen,<br />
das war der Plan.<br />
Schnell fanden sich Verbündete.<br />
Über viele Jahre gehörte<br />
der Goslarer Rammelsberg<br />
dazu. Nicht in den kühnsten<br />
Gedanken hatte ich diesem<br />
Blatt für Literatur- und Kulturtouristen<br />
eine so lange<br />
Lebensdauer prophezeit. Es<br />
kam anders – wie öfter im<br />
Leben. Immer neue Personen<br />
aus dem Dunstkreis des<br />
GOETHES HARZREISEN<br />
◗ 1. HARZREISE: 1777 – Winterbesteigung des Brockens<br />
von Nordhausen über Ilfeld, Elbingerode, Wernigerode,<br />
Goslar, Clausthal, Altenau, Brocken, St. Andreasberg,<br />
Duderstadt nach Mühlhausen S. 2–6<br />
◗ 2. HARZREISE: 1783 – mit geologischen Studien<br />
von Langenstein über Blankenburg, Rübeland, Halberstadt,<br />
Zellerfeld, Brocken, Schierke, Elend, St. Andreasberg nach<br />
Göttingen S. 7<br />
3. HARZREISE: 1784 – mit zeichnerischen Studien<br />
von Lauterberg über Osterode, Clausthal-Zellerfeld,<br />
Wildemann, Goslar, Brocken, Elbingerode, Thale,<br />
Blankenburg nach Langenstein S. 10–11<br />
◗ 4. HARZREISE: 1805 – »Wallfahrt nach dem Roßtrapp«<br />
von Halberstadt über Thale, Bodetal, Gernrode, Ballenstedt<br />
nach Aschersleben S. 14<br />
Dichters fanden in den Folgejahren<br />
Platz im Blatt.<br />
Christlob Mylius, der weithin<br />
unbekannte frühe Bezwinger<br />
des Brockens, der schon<br />
1753 den unwegsamen Gipfel<br />
im Winter erreichte, sei<br />
genannt. Hans Christian Andersen,<br />
Theodor Fontane, der<br />
geniale Braunschweiger Maler<br />
Pascha Johann Friedrich<br />
Weitsch, der Quedlinburger<br />
Friedrich Gottlieb Klopstock,<br />
Johann Wilhelm Ludwig<br />
Gleim und sein heute ihn ehrendes<br />
Halberstädter Literaturzentrum<br />
wurden treue Begleiter.<br />
Maria Antonia<br />
Pessina von Branconi, die<br />
schöne Gräfin von Langenstein,<br />
inspirierte nicht nur<br />
Goethe, auch Bernd Wolff<br />
fand »Im Labyrinth der Täler«<br />
seinen Spielraum wie in<br />
weiteren Romanen rund um<br />
Goethes Harzreisen. Unvergessen,<br />
wie wir mit dem<br />
Heinrich Heine Spezial irrend<br />
vorwärtsstolperten und<br />
immer weiter ging es. Die<br />
Rockoper »Faust«, deren Gesamtkonzept<br />
in Kombination<br />
von Dampfbahnromantik<br />
mit Rockmusik und geschickter<br />
Literaturbearbeitung<br />
auf dem Brocken reüssierte,<br />
faszinierte uns, das<br />
Engagement Einzelner wie<br />
Achim Kapelle, der das Hotel<br />
Rathaus in Altenau buchstäblich<br />
vor dem Ruin rettete,<br />
ist aller Ehren wert!<br />
Allen, die dieses Projekt gefördert<br />
haben, sei hier ausdrücklich<br />
Dank gesagt, auch<br />
wenn sie namentlich nicht<br />
erwähnt worden sind.<br />
Aber so, wie jede Serie an ihr<br />
Ende kommt, soll diese<br />
Weltkulturerbe<br />
<strong>25</strong>. Ausgabe das Vierteljahrhundert<br />
der Begleitung von<br />
Kulturreisenden im Harz nun<br />
beschließen, auch wenn es so<br />
etwas angeblich deutschlandweit<br />
nicht noch einmal<br />
gibt. Jede Ausgabe veranschaulicht<br />
eine anstrengende<br />
und schöne Zeit, die ich nicht<br />
missen möchte. Bleiben Sie<br />
munter und weiter neugierig<br />
auf die Spuren, die Goethe<br />
uns im Harz hinterlassen hat!<br />
Wolfgang Schilling<br />
Quedlinburg<br />
Faszination<br />
Romanik<br />
Weltkulturerbe<br />
trifft Mittelalter<br />
und Fachwerk<br />
Hotel & Veranstaltungshof<br />
Schlossmühle<br />
Aufgehübschte Darstellung von Brockenreisenden um 1839, die wohl so fein gekleidet den Brocken 62 Jahre nach Goethe eher<br />
nicht erreichten.<br />
Kaiser-Otto-Straße 28<br />
D-06484 Quedlinburg<br />
Tel.: +49(0)3946.787-0<br />
info@schlossmuehle.de<br />
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GoetheimHarz 2<br />
1.<br />
HARZREISE<br />
Was trieb Johann Wolfgang Goethe in den Harz?<br />
ZwischenJuristerei,DichtungundSchwärmerei<br />
Goethe, gemalt 1779 von<br />
Georg Oswald May, zwei Jahre<br />
nach seiner ersten Harzreise.<br />
Foto: Wikipedia<br />
FRANKFURT. Goethe hatte<br />
nach dem Studium der Juristerei<br />
und wenig erfolgreicher<br />
Anwalts tätigkeit in Frankfurt<br />
am Main die Bekanntschaft<br />
des damals 17-jährigen<br />
Erbprinzen vom<br />
thüringischen Herzogtum<br />
Sachsen-Weimar-Eisenach<br />
Carl August gemacht. Dieser<br />
bewog den acht Jahre Älteren<br />
alsbald, in das den Musen<br />
zugewandte Weimar umzuziehen.<br />
Weimar hatte<br />
damals als Residenzstadt nur<br />
6.000 Einwohner, das<br />
Schloss war gerade abgebrannt<br />
und ein Anschluss an<br />
die Postkutsche fehlte.<br />
Hier nun machte ihn der junge<br />
Herzog bereits mit 26<br />
Jahren zum Geheimen Legationsrat<br />
mit Sitz und Stimme<br />
im Concilium. Wenige Jahre<br />
später avancierte Goethe gar<br />
zum Superminister, war verantwortlich<br />
für die Bergwerks-,<br />
Kriegs- und Wegebaukommission,<br />
wurde<br />
Geheimer Rat, geadelt und<br />
Kammerpräsident.<br />
HRE<br />
WNENDL<br />
Lassen Sie sich mit dem Harzer<br />
Wanderpass sanft durch die<br />
Region an 222 Wander-Ziele<br />
führen.<br />
Sammeln Sie auf Ihren<br />
Wanderungen die Stempel der<br />
Harzer Wandernadel und<br />
erreichen Sie alle Abzeichen, bis<br />
Sie sich zum Kaiser krönen<br />
lassen können.<br />
@harzerwandernadel_official<br />
Harzer Wandernadel<br />
Kurzum: Die staatspolitischen<br />
Ämter fra ßen einen<br />
großen Teil seiner Zeit auf<br />
und ließen ihm zuweilen nur<br />
noch wenig Raum, seinen<br />
eigentlichen Intentionen<br />
nachzukommen. Er glaubte<br />
an die Bestimmung durch<br />
den Schöpfer, dass er insbesondere<br />
als Dichter und<br />
Zeichner Wichtiges zu schaffen<br />
habe.<br />
Berühmte Zeilen<br />
Hinzu kamen seine zahlreichen<br />
Frauenbekanntschaften,<br />
denen er allerdings immer,<br />
wenn der bürgerliche<br />
Ehehafen angesteuert werden<br />
sollte, entsagte. Denn die<br />
daraus erwachsenden Pflichten<br />
– so meinte er – würden<br />
ihn örtlich und zeitlich über<br />
die Maßen binden. So stand<br />
er zeit lebens im Zwiespalt,<br />
öffentlichen Ämtern und den<br />
Tages pflichten zu gehorchen<br />
oder seine Seele zu ergründen<br />
und der reichen Gefühlswelt<br />
Ausdruck zu verleihen.<br />
1771 wird der »Götz von<br />
Ber lichingen« – obwohl Goethe<br />
mit der überarbeiteten<br />
Fassung noch nicht zufrieden<br />
ist – kurzerhand veröffentlicht<br />
und ein Riesenerfolg.<br />
»DieNaturhatsichso<br />
vielFreiheitvorbehalten,<br />
daßwirmitWissenund<br />
Wissenschaftihrnicht<br />
durchgängigbeikommen<br />
odersieindieEnge<br />
treibenkönnen.«<br />
Goethe, Maximen und Reflexionen<br />
Ds Wnesepl<br />
i Hr<br />
Begeben Sie sich auf literarische<br />
Spurensuche mit der Harzer<br />
Wandernadel und dem<br />
Themenabzeichen "Goethe im Harz".<br />
Auf dem Weg zum Erreichen der<br />
Wandernadel führt Sie der Weg an 28<br />
Orte und Plätze, an denen Goethe<br />
einst weilte.<br />
Das Begleitheft informiert Sie über<br />
geschichtliche Hintergründe der<br />
Stellen und begleitet Sie mit Zitaten<br />
Goethes auf Ihren Wanderungen.<br />
www.harzer-wandernadel.de<br />
30.11.1777<br />
Auf seinem Weg in den Harz kam Goethe über Ilfeld im Tal der Beere in den Harz. Obwohl er sich<br />
für Minerale sehr interessierte, kann er diesen Steinbruch, in dem die Firma KEMNA Harzer Grauwacke<br />
gewinnt, nicht besucht haben. Damals gab es dort nur untertägigen Bergbau auf Eisenerz.<br />
Über Nacht macht ihn dieses<br />
Schauspiel als Dichter berühmt.<br />
Aus einer krisenhaften<br />
Liebesbeziehung entsteht<br />
durch »Selbstheilung« der<br />
Briefroman »Die Leiden des<br />
jungen Werther«, der ihn<br />
dann europaweit reüssieren<br />
lässt. In manchen Ländern<br />
wurde der »Werther« sogar<br />
wegen seiner »Gefährlichkeit«<br />
für empfindsame Naturen<br />
verboten, weil man darin<br />
einen Anstoß zum Freitod<br />
sah.<br />
Schon früh hatte sich Goethes<br />
Vorliebe entwickelt, der<br />
Natur ihre Geheimnisse abzulauschen.<br />
Diese schöpferische<br />
Unruhe entspricht seinem<br />
Umhergetriebensein,<br />
seiner Lust am Reisen und<br />
seiner tiefen Angst vor örtlicher<br />
und menschlicher Bindung,<br />
die für ihn Unglück,<br />
insbeson dere für sein dichterisches<br />
Schaffen, bedeuteten.<br />
Zwischen 1765 und 1823 –<br />
so will es ein Wissenschaftler<br />
ermittelt haben – ist Goethe<br />
37.765 Kilometer gereist, zumeist<br />
per Kutsche, zu Pferd<br />
oder per pedes.<br />
In Weimar machte er die Bekanntschaft<br />
Charlotte von<br />
Steins, die, verheiratet und<br />
sieben Jahre älter, nicht nur<br />
eine enge Vertraute und<br />
ständige Briefpartnerin wird,<br />
sondern sein Leben maßgeblich<br />
beeinflusst.<br />
Gleichwohl sie seine Liebe<br />
mit der gebotenen höflichen<br />
Zurückhaltung erwidert, liest<br />
er ihr aus seinen Manuskripten<br />
vor und schreibt ihr sehr<br />
persönliche Briefe. Goethe<br />
leidet und gewinnt durch<br />
diese Liebe, sie lässt ihn reifen<br />
und hoffähig werden,<br />
zeitweise hält er ihr auch<br />
»Schöne Aussicht die Goldene Aue vom Kyffhäuser bis Nordhausen<br />
herauf« notierte Goethe bei der Anreise auf den Harz. Das<br />
Kyffhäuserdenkmal entstand allerdings erst 1896.<br />
1. HARZREISE<br />
November/Dezember 1777<br />
KALENDARIUM<br />
30.11. über Nordhausen<br />
nach Ilfeld<br />
Dezember 1777<br />
1.12. Ilfeld – Sophienhof –<br />
Trautenstein – Elbingerode<br />
– Rübeland –<br />
Elbingerode<br />
2.12. Elbingerode – Rübeland<br />
– Elbingerode<br />
3.12. Elbingerode –<br />
Werni gerode<br />
4.12. Wernigerode –<br />
Ilsenburg – Goslar<br />
5.12. Goslar<br />
6.12. Goslar – Oker –<br />
Goslar<br />
7.12. Goslar – Clausthal<br />
8.12. Clausthal<br />
9.12. Clausthal – Altenau<br />
10.12. Altenau – Torfhaus –<br />
Brocken – Torfhaus<br />
11.12. Torfhaus – Clausthal<br />
12.12. Clausthal –<br />
St. Andreasberg<br />
13.12. St. Andreasberg –<br />
Duderstadt<br />
14.12. Duderstadt –<br />
Mühlhausen (Thür.)<br />
15.12. Mühlhausen –<br />
Eisenach<br />
nicht mehr stand, flieht beispielsweise<br />
nach elf Jahren<br />
abschiedslos für zwei Jahre<br />
nach Italien. Seelisch gebeutelt<br />
durch die Liebe zu Charlotte,<br />
zog es ihn 1777 fort<br />
von ermüdenden Regierungsgeschäften,<br />
um in der<br />
Einsamkeit nahezu unberührter<br />
Natur zu sich selbst<br />
zu finden. »Seltsame Gedanken«<br />
beschäftigten ihn und<br />
er befand sich in einem Zustand<br />
»wunderbar dunkler<br />
Verwirrung«, der ihn mit<br />
Macht in den Harz zieht. Die<br />
erste Harzreise beginnt.
3 GoetheimHarz<br />
Goethe war hier<br />
IndenHarzüber<br />
IlfeldundNordhausen<br />
NORDHAUSEN. In der Frühe<br />
des 29. November verlässt<br />
Goethe Weimar und<br />
reitet allein auf den Harz<br />
zu. Bevor er den jedoch erreichen<br />
kann, muss er wegen<br />
des unbehaglichen<br />
Wetters mit Regen und<br />
Sturm nach 50 Kilometern<br />
in Greußen Quartier nehmen.<br />
Der nächste Tag sieht<br />
ihn bereits um sechs Uhr<br />
früh auf dem Pferd in<br />
Richtung Sondershausen<br />
unterwegs. Die Autoren<br />
Heidelore Kneffel und<br />
Goethe im Jugendalter –<br />
Zeichnung von Karin Kisker.<br />
Jörg-Michael Junker beschreiben<br />
den Eintritt in<br />
den Harz im Buch »Vieles<br />
gibt uns die Zeit. Goethe.<br />
Begegnungen.« wie folgt:<br />
Über den 30. No vem ber<br />
1777 vermerkt er im Tagebuch:<br />
»...WarscharfgefrorenunddieSonnegingmit<br />
herrlichstenFarbenauf...<br />
dieSpitzedesBrockenseinen<br />
Augenblick, hinter<br />
Sondershausen weg auf<br />
Sundhausen.SchöneAussichtdieGoldeneAuevom<br />
KyffhäuserbisNorthausen<br />
herauf.MiteinigenInvaliden,<br />
die ihre Pension in<br />
Ilefeldholten....Dannbei<br />
Northausenweg,eshatte<br />
schongegenMittagzuregnenangefangen.DieNacht<br />
kamleiseundtraurig.Auf<br />
Sachswerfen,woicheinen<br />
Boten mit einer Laterne<br />
nehmenmußte,umdurch<br />
die tiefe Finsternis nach<br />
Ilefeldzukommen....War<br />
denganzenTagingleicher<br />
Reinheit.«<br />
Diese ersten Eindrücke berichtet<br />
Goethe in Wernigerode<br />
dem jungen Plessing<br />
und bekennt: »Mankönne<br />
sichauseinemschmerzlichen,<br />
selbstquälerischen,<br />
düsterenSeelenzustandnur<br />
durch Naturbeschauung<br />
undherzlicheTeilnahmean<br />
der äußeren Welt retten<br />
undbefreien«.<br />
Er fährt fort. »Dannbotich<br />
seinerEinbildungskraftdie<br />
wunderlichen Turm- und<br />
Mauerbefestigungen von<br />
Northausen, gesehen bei<br />
hereinbrechender Abenddämmerung,<br />
ferner die<br />
nächtlichrauschenden,von<br />
desBotenLaternezwischen<br />
BergschluchtenflüchtigerleuchtetblinkendenGewässer<br />
und gelangte sodann<br />
zurBaumannshöhle.«<br />
Das Wirtshaus »Zur goldenen<br />
Krone«, in dem Goethe<br />
in Ilfeld übernachtete, war<br />
derart überfüllt, dass der<br />
Dichter die Kammer des<br />
Wirts bezog, wo er durch<br />
ein Astloch die honorigen<br />
Gäs te belauschte. Goethekenner<br />
sehen in diesem Erlebnis<br />
einen Ursprung der<br />
Auerbachskeller-Szene im<br />
»Faust I«.<br />
In Nordhausen wurde 1998<br />
der erweiterte Goethewanderweg<br />
übergeben, der sich<br />
von Nordhausen über<br />
Krimderode-Niedersachs-<br />
werfen-Ilfeld-Netzkater-<br />
Eisfelder Talmühle bis Sophienhof<br />
erstreckt. Dies<br />
entspricht der wahrscheinlichsten<br />
Route, die den unter<br />
einem Pseu do nym reisenden<br />
Goethe 1777 in den<br />
Harz führte. Goethes besondere<br />
Beziehung zum<br />
Ginkgobaum ehrend,<br />
pflanzte man im Goethejahr<br />
in Nordhausen, Ilfeld<br />
(Kurpark) und in Hainrode<br />
(nahe der Kirche) je einen<br />
solchen »Baum des Ostens«,<br />
der sich durch Robustheit<br />
auszeichnet. In Hainrode<br />
an der Hainleite wurde<br />
Goethes Freund Fried rich<br />
August Wolf geboren. Mit<br />
dem berühmten Altertumsforscher<br />
unternahm<br />
Goethe 1805 nach dem Tode<br />
Friedrich Schillers seine<br />
vierte Harzreise.<br />
Durch Ilfeld zieht sich ein gut<br />
ausgeschilderter Weg, der<br />
den Spuren des Dichters folgt.<br />
Hotel Rathaus Altenau wird zum Goethehaus<br />
LaudatioaufdenMeister<br />
Als Achim Kapelle, der sonst<br />
am Steinhuder Meer wohnt,<br />
im späten Oktober 2016 den<br />
Heineweg von Ilsenburg zum<br />
Brocken kraxelt, ahnt er<br />
nicht, was ihm dieser Tag<br />
noch bescheren wird. Das<br />
Mountainbike ächzt unter<br />
den ungewöhnlichen Steigungen,<br />
der Biker auch.<br />
Dann ruht er aus im Wolkenhäuschen,<br />
geschafft. Umrahmt<br />
von Goethesprüchen<br />
aus dem Faust und der Walpurgisnacht<br />
spürt er sich<br />
dem Himmel ein Stück näher.<br />
Doch die Kälte beginnt<br />
in ihn hineinzukriechen,<br />
noch liegen einige Kilometer<br />
vor ihm, bis er in Altenau<br />
sein Nachtlager aufschlagen<br />
will. Dort soll es ja dieses sagenumwobene<br />
»Hotel Rathaus«<br />
geben, in dem Goethe<br />
die letzte Nacht 1777 verbrachte,<br />
bevor er zur Winterbesteigung<br />
des Brockens<br />
aufbrach. Durchgefroren und<br />
allein in der Bergstadt steht<br />
er vor einer erbarmungswürdigen<br />
Immobilie im Zentrum<br />
des Ortes, die noch vor 30<br />
Jahren ein Hotel war, doch<br />
dem man ansieht, dass es<br />
bald eine Ruine sein wird. Er<br />
kann es nicht glauben und er<br />
will es nicht glauben, dass<br />
dieser denkwürdige Ort einen<br />
solchen Verfall erlebt. Es<br />
ist der Tag, an dem Kapelle<br />
beschließt, das Haus zu kaufen<br />
und ihm wieder seinen<br />
gebührenden Platz zu geben.<br />
Ein Objekt, das 350 Jahre auf<br />
dem Buckel hat, dessen<br />
Fachwerk Geschichten erzählen<br />
könnte und das nun<br />
seitdem Stück für Stück seinen<br />
alten Glanz zurückerhält.<br />
Und trotz persönlicher<br />
gesundheitlicher Rückschläge<br />
bleibt es für Achim<br />
Kapelle dabei: »Zum 275.<br />
Geburtstag schenke ich Goethe<br />
dieses Hotel zurück, soll<br />
es im Harz mit diesem Namen<br />
leuchten!« Bei einer<br />
vorgezogenen Feier anlässlich<br />
des 350. Jahrestages der<br />
Errichtung des Gebäudes<br />
und kurz vor dem nahenden<br />
Geburtstag des Dichters hat<br />
er illustre Gäste aus Familie<br />
und Freunden des Hauses<br />
geladen, um mit ihnen den<br />
Lothar Finze alias Goethe rezitiert die »Harzreise im Winter«<br />
Abschluss des nächsten Bauabschnitts<br />
zu feiern. Das<br />
Motto des Abends lautet<br />
»Accipere et Conservare«,<br />
frei übersetzt, »was dir übergeben<br />
wird, nimm es an und<br />
bewahre es«. So sieht sich<br />
Kapelle in der Tradition der<br />
Humanisten, der großen<br />
Denker, die den Harz bereisten<br />
und deren Spuren es<br />
sichtbar zu erhalten gilt. In<br />
dieser Mission lässt er sich<br />
nicht beirren. Hier in Altenau<br />
entsteht eine Oase, in<br />
der sich Literaturfreunde<br />
treffen können, beginnt eine<br />
Veranstaltungsreihe, die sich<br />
Dichtern und Geistesgrößen<br />
rund um Goethe widmen<br />
wird. Eine Einladung, die<br />
man so höchstens am Harzrand<br />
im Halberstädter Literaturmuseum<br />
Gleimhaus findet.<br />
Nun also endlich auch<br />
im Oberharz an einem historischen<br />
Ort!<br />
Unter den Gästen ist Altenaus<br />
Bürgermeister Alexander<br />
Ehrenberg, den man hier<br />
auch schon zu vorhergehenden<br />
Festtagen sah. Er lobt<br />
vor allem den Mut, ein solch<br />
»Icherinnertemichwohlmanchmalunserer<br />
kühnenWagnissezurEntdeckungeinesgeologischenPunktes,dernochheutzuTagesogut<br />
wiedamalshöchstbedeutendundwiedie<br />
wenigenihmähnlichenFälle,immernochein<br />
Rätselbleibt.« Goethe an Trebra am 27. Oktober 1812<br />
Achim Kapelle moderierte den Festabend zur Feier des »Hotel<br />
Rathaus« in Altenau und freut sich über eine Goethezeichnung<br />
als Geschenk für das Haus.<br />
umfangreiches Unterfangen<br />
ohne vordergründige Profitorientierung<br />
anzugehen und<br />
den Durchhaltewillen des Investors.<br />
Das sei keineswegs<br />
die Regel, zumal schnell zu<br />
erzielende Gewinne nicht in<br />
Sicht sind. An diesem Bau ist<br />
noch einiges an Geld, Zeit<br />
und Handwerkskunst einzusetzen,<br />
da sind sich alle Gäste<br />
sicher.<br />
Wenn die Restaurierung des<br />
Traditionshauses so weiter<br />
voranschreitet, wird es am<br />
28. August 2024 zum 275.<br />
Geburtstag des Dichterfürsten<br />
ein neues »Goethehaus«<br />
in Altenau geben, so jedenfalls<br />
plant Achim Kapelle:<br />
»Ich möchte zu diesem Anlass<br />
dem Dichter dieses Haus<br />
schenken – zumindest seinen<br />
Namen verdient es dann«.<br />
Zur Feierstunde gehörten<br />
auch »A Kapella«-Gesangseinlagen<br />
des Besitzers selbst<br />
und ein umjubelter Auftritt<br />
der Harfenistin Natalia<br />
Girunyan-Saemann aus<br />
Hamburg. Auch Goethe in<br />
persona, alias Lothar Finze,<br />
ließ es sich nicht nehmen,<br />
die »Harzreise im Winter« zu<br />
deklamieren. Ein würdiger<br />
Auftakt für weitere Termine<br />
in Sachen Hochkultur im<br />
Harz!<br />
Ortsbürgermeister Alexander Ehrenberg und Mutter Erna Kapelle<br />
(von rechts) begrüßen die Gäste persönlich.<br />
IMPRESSUM<br />
Verlag und Druck: Harzdruckerei GmbH, Wernigerode,<br />
Max-Planck-Str. 12, Tel.: 0 39 43/54 24 - 0, Fax: 54 24 99,<br />
www.harzdruckerei.de<br />
Redaktion: Wolfgang Schilling<br />
Anzeigen: Wolfgang Schilling, Ralf Harms<br />
Fotos: Wolfgang Schilling (ohne Angabe), Dorit Strauch, Söhnke Streckel<br />
Erscheinungsweise: <strong>25</strong>. Jahrgang, jährlich, 17.000 Exemplare<br />
Verteilung über die touristischen Einrichtungen des gesamten<br />
Harzes, Magdeburg, Braunschweig und Halle<br />
Schutzgebühr: 1,00 Euro<br />
Für die freundliche Unterstützung danken wir allen Goethefreunden und Inserenten,<br />
die dieses Projekt förderten.<br />
Alle Rechte vorbehalten. Druck und jegliche Arten der Re produktion, auch<br />
auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Der Verlag<br />
haftet nicht für die Richtigkeit der Eintragungen und für etwaige redaktionelle<br />
und technische Fehler.
GoetheimHarz 4<br />
1.<br />
HARZREISE<br />
Die erste Harzreise: Vom Hofe Carl Augusts in die Berge<br />
EindringlicheBegegnungenmitderNatur<br />
HARZ. Unter dem Vorwand,<br />
den jungen gemütskranken<br />
Plessing, einen Leser seines<br />
»Werther«, den Freitodgedanken<br />
umtreiben, in Wernigerode<br />
besuchen zu wollen und<br />
Studien am Harzer Bergbau<br />
zu vollführen, entfernt sich<br />
Goethe im November 1777<br />
von der herzog lichen Wildschweinjagd.<br />
Eigentliches Ziel ist, sich<br />
Klarheit über die eigene Lebensperspektive<br />
zu verschaffen<br />
und auf dem sagenumwobenen<br />
Brocken das Orakel zu<br />
befragen. Dr. Rolf Denecke<br />
schreibt in seinem Buch »Goethes<br />
Harzreisen«: »Das Gebirge,<br />
insbesondere der Brocken,<br />
versprach jene eindringliche<br />
Begegnung mit der Natur, die<br />
sich der Dichter in seinem<br />
derzeitigen Seelenzustand<br />
wün schte und der er auch unausweichlich<br />
bedurfte«.<br />
Diese existenzielle Krise mit<br />
ihrer inneren Zerrissenheit<br />
lässt ihn über Sondershausen<br />
an Nordhausen vorbei am<br />
30. November nach Ilfeld an<br />
den Südharzrand gelangen.<br />
Unter dem Pseudonym »Maler<br />
Weber« will er als Dichter<br />
unerkannt reisen, kann so<br />
auch einfacher im Bergbau<br />
Informationen sammeln,<br />
weil er als unbescholtener<br />
Fremder, nicht als Konkurrent<br />
em p funden wird.<br />
Mit bösem Spätherbstwetter<br />
beginnt die Reise. Weil die<br />
Nacht hereinbricht, logiert er<br />
im Ilfelder Stiftsgasthof, der<br />
als Gaststätte »Zur Goldenen<br />
Krone« bekannt ist. Der Ort<br />
hat heute einen Namen<br />
durch die idyllischen Wanderwege<br />
und den Anschluss<br />
an die HSB.<br />
Bereits am nächsten Morgen<br />
ließ sich »Maler Weber« von<br />
einem Ortskundigen hinauf<br />
in den Harz geleiten. Das<br />
einzige Steinkohlenbesucherbergwerk<br />
des Harzes,<br />
den heutigen »Rabensteiner<br />
Stollen« in Netzkater, konnte<br />
Goethe nicht besichtigen, da<br />
der Bergbau hier seit 1770<br />
hochverschuldet darnieder<br />
lag. Erst 60 Jahre später kam<br />
die Steinkohlenförderung<br />
wieder in Gang.<br />
Bergbautradition<br />
Für heutig Reisende lohnt<br />
ein Abstecher aber sicher.<br />
Der 200-jährige Abbau wird<br />
anschaulich bei Führungen<br />
durch die historische Grubenanlage<br />
lebendig. Dazu<br />
kommt ein großes Freigelände<br />
samt Grubenzug, auf dem<br />
Bergbaumaschinen und Modelle<br />
den technischen Wan -<br />
del »begreifbar« machen.<br />
Außerdem findet man in<br />
Netzkater einen Anschluss<br />
an das Schienennetz der<br />
Harzer Schmal spurbahn<br />
(HSB), die 2023 das dreißigjährige<br />
Jubiläum der ersten<br />
Brockenzugfahrt nach der<br />
Wiedervereinigung feierte.<br />
Goethes Weg führte wahrscheinlich<br />
über Sophienhof –<br />
Trautenstein – nahe Königshütte<br />
– über die Trogfurther<br />
(Bode) Brücke nach Elbingerode.<br />
Dort quartierte sich der<br />
Harzreisende wohl im »Blauen<br />
Engel« ein. Ihn drängt es, die<br />
im nächstgelegenen Ort Rübeland<br />
(ein Dorf mit 270 Einwohnern)<br />
seit 1536 als älteste<br />
Schauhöhle weltweit bekannte<br />
Baumannshöhle aufzusuchen.<br />
Zwei Tage fesselt ihn<br />
das unterirdische Abenteuer<br />
mit seinen geheimnisvoll anmutenden<br />
Tropfsteinen und<br />
die mit angeblich magischen<br />
Kräften versehenen Versteinerungen.<br />
Die schon seinerzeit<br />
berühmte Tropfsteinhöhle<br />
faszinierte ihn und bediente<br />
damit bestens Goethes Hang<br />
Mit der neuen LED-Beleuchtung erhalten die Rübeländer Tropfsteinhöhlen eine deutliche Aufwertung und Akzentuierung ausgewählter<br />
Bereiche. Nebenbei wird der Stromverbrauch maßgeblich verringert.<br />
zum Mystischen. Führungen<br />
waren auf den Wegen des Labyrinths<br />
im Schein von Fackeln<br />
oder Grubenlampen<br />
und über schwankende Leitern<br />
an dunk len Abgründen<br />
vorbei lebensgefährlich, zumindest<br />
abenteuerlich. Man<br />
kam nur langsam voran und<br />
war nach einer Stunde sicher<br />
froh, wieder Tageslicht zu sehen.<br />
Auch hier finden sich<br />
keine geologischen Notizen in<br />
Goethes Aufzeichnungen. Als<br />
Resümee blieb nur eine Zeichnung<br />
und ein paar schnell an<br />
Charlotte hinskizzierte Eindrücke:<br />
»Wie doch nichts<br />
abenteuerlichistalsdasNatürlicheundnichtsgroßals<br />
dasNatürliche…inderungeheurenNatur,daichkritzele<br />
undmir’ssehrwohlwar…«<br />
Noch heute zählen die Baumanns-<br />
und die Hermannshöhle<br />
zu den absoluten Sehenswürdigkeiten<br />
des<br />
Mittelgebirges und das nicht<br />
nur, weil es Goethe beliebte<br />
hier hereinzuschauen. Der<br />
Wolfgangsee und das Naturtheater<br />
mit dem Goethe-Saal,<br />
sollen an ihn erinnern. Zu<br />
Goethes Zeiten kannte man die<br />
Hermannshöhle noch nicht.<br />
Zurück zu Goethe, der nach<br />
diesen beiden beeindruckenden<br />
Tagen gen Wernigerode<br />
weiterreist, um besagten Studenten<br />
Victor Leberecht<br />
Plessing zu treffen. Der hatte<br />
ihm zwei verzweifelte Briefe<br />
nach dem Lesen des<br />
»Werther« geschrieben. Goethe<br />
hatte diese Briefe nicht<br />
beantwortet und traf Plessing<br />
wohl eher aus psychologischen<br />
Gründen. Im Pfarrhaus<br />
von St. Sylvestri am<br />
Oberpfarrkirchhof ist der<br />
»Maler Weber« willkommen.<br />
Selbst als der Pfarrerssohn<br />
aus den Briefen an Goethe<br />
vorliest, enthüllt dieser sein<br />
Inkognito nicht.<br />
Erst später werden beide Manuskripte<br />
austauschen und<br />
der Geheimrat wird den Fortgang<br />
des Studenten fördernd<br />
beeinflussen.<br />
»Ach,Natur,wie<br />
sicherundgroßin<br />
allemerscheinstdu!<br />
Goethe, Gedichte<br />
Zu lästig wurden ihm wohl<br />
bei seiner Visite die düsteren<br />
Gedanken, hatte er doch<br />
schon genug Gründe sich<br />
selbst zu begegnen. Dazu<br />
zieht es ihn magisch auf den<br />
Blocksberg. Er nächtigt im<br />
heute nicht mehr bestehenden<br />
Gasthaus »Zur Goldenen<br />
Forelle«, besichtigt aber weder<br />
das Schloss noch hinterlässt<br />
er eine Beschreibung<br />
des heute viel frequentierten<br />
Fachwerkstädtchens. Bevor<br />
er seine geheimen Wünsche<br />
erfüllen kann, führt der Weg<br />
nach Goslar. Widrige Witterung<br />
beschreibt er so: »Ein<br />
ganzentsetzlichesWetterhabeichheuteausgestanden,<br />
wasdieStürmefürZeugsin<br />
diesenGebirgenausbrauen,<br />
istunsäglich,Sturm,Schnee,<br />
Schloßen(Hagel),Regenund<br />
zweiMeilenaneinerNordwandeinesWaldgebirgesher,<br />
allesfastistnaß…Esregnet<br />
gararg,undniemandreist,<br />
außer wen Not treibt und<br />
dringendGeschäft;undmich<br />
treibenseltsameGedankenin<br />
derWeltherum.«<br />
In Goslar angekommen,<br />
wohnt er unweit des Marktplatzes<br />
in der Worthstraße 2,<br />
dem Gasthaus Scheffler.<br />
Doch auch hier interessiert<br />
ihn die alte Hansestadt samt<br />
mittelalterlichem Fach werk<br />
und der berühmten Kaiserpfalz<br />
wenig. Mag das<br />
scheußliche Wetter ihm das<br />
Schlendern durch die Gassen<br />
verleidet haben, mag es der<br />
zu Goethes Zeiten eher<br />
schmucklose Anstrich der<br />
Häuser gewesen sein, plötzlich<br />
entsinnt er sich seiner<br />
Profession und stattet dem<br />
dazumal bereits mit einer<br />
mehrtausendjährigen Tradition<br />
be rühmten Rammelsberger<br />
Bergbau einen Besuch<br />
ab. Heute präsentiert<br />
sich Goslar weit reizvoller<br />
und es wäre geradezu frevelhaft,<br />
ließe man bei einem<br />
Abstecher in die UNESCO-<br />
Weltkulturerbestadt die Altstadt<br />
mit ihrem nie zerstörten<br />
historischen Stadtkern<br />
ungesehen. Die hervorragend<br />
restaurierte Bausubstanz<br />
macht sie über aus reizvoll<br />
und kündet von Ansehen,<br />
Ruhm und Wohlstand, den<br />
Goethe abfällig so beschrieb:<br />
»Hierbinichnunwiederin<br />
MauernundDächerndesAltertumsversenkt…Seltsame<br />
Empfindungen, aus der<br />
Reichsstadt,dieinundmit<br />
ihrenPrivilegienvermodert.«<br />
Das Weltkulturerbe<br />
In Goslar gibt es für mehr als<br />
einen Tag genug zu sehen.<br />
Das Breite Tor mit seinen gewaltigen<br />
Mauern, der Zwinger,<br />
eine Feste wie aus dem<br />
Bilderbuch, der Historie mittelalterlichen<br />
Glanzes atmende<br />
Marktplatz mit dem<br />
berühmten gotischen Rathaus<br />
inklusive Huldi gungssaal,<br />
gegen über nicht minder<br />
prächtig die Kaiserworth.<br />
All dies scherte den Maler<br />
und Dichter nicht, schon<br />
bald verlässt er die alte Kaiserstadt<br />
in Richtung Oker,<br />
heute ein Ortsteil Goslars,<br />
um dort die Messinghütte zu<br />
visitieren. So wandert er<br />
anschlie ßend durch das<br />
Okertal.<br />
Die Inversionswetterlage hatte Goethe ebenso beeindruckt wie<br />
auf diesem Bild, als oben alles klar war und sich die Welt weiter<br />
unten in Nebel hüllte – natürlich 1777 ohne die inzwischen abgerissene<br />
Sprungschanze auf dem Wurmberg. Foto: Söhnke Streckel
5 GoetheimHarz<br />
Die abenteuerliche Bezwingung des Brockens im Winter<br />
»DieBergewarenimNebel,mansahnichts…«<br />
HARZ. Noch einmal kehrt<br />
Goethe nach Goslar zurück,<br />
übernachtet dort und strebt<br />
dann nach Clausthal-Zellerfeld.<br />
Die 1777 noch getrennten<br />
Städte – Clausthal war<br />
hannoversch, Zellerfeld<br />
braunschweigisch-wolfenbüttelsch<br />
–, auf einer waldreichen<br />
Hochebene 600 m<br />
über NHN gelegen, hatten eine<br />
wechselvolle Geschichte<br />
und so manche Blütezeit der<br />
Montanindustrie hinter sich.<br />
Großen Anteil daran, dass<br />
der Bergbau im Harz nach<br />
der Pest im 14. Jahrhundert<br />
und kriegerischen Wirren<br />
des Mittelalters nicht ganz<br />
zum Erliegen kam, hatten<br />
Bergleute des Erzgebirges,<br />
die mit Privilegien in den<br />
Harz gelockt wurden. In beiden<br />
Städten wohnten immerhin<br />
doppelt so viele Einwohner<br />
wie in Weimar.<br />
Berg-, Hütten- und Forstwesen<br />
standen in Blüte. Noch<br />
heute existiert im Ort eine<br />
bergbauliche Universität.<br />
Goethe versprach sich von<br />
den im 18. Jahrhundert prosperierenden<br />
jungen Bergbaustädten<br />
Erkenntnisse,<br />
dem darniederliegenden<br />
Bergbau in Ilmenau wieder<br />
Leben einhauchen zu können:<br />
»…hier heraufzukommen,wovonunterirdischem<br />
SegendieBergstädtefröhlich<br />
nachwachsen«,schwärmt er<br />
überschwenglich.<br />
Am Tode vorbei<br />
Quartier nimmt er im Rathaus<br />
oder in dem noch heute<br />
wohlsituierten Hotel »Zur<br />
Goldenen Krone«. Tags darauf<br />
fuhr er in die Gruben<br />
Dorothea, Benedicte und Caroline<br />
ein, die damals bestens<br />
in Betrieb waren und<br />
durch einen Wasserlösungsstollen<br />
miteinander in Verbindung<br />
standen. Bereits<br />
1777 ergänzten museumsähnlich<br />
angelegte tech nische<br />
Konstruktionen die Führungen.<br />
Im Gästebuch der Grube<br />
Dorothea zeichnet er mit<br />
»Johann Wilhelm Weber aus<br />
Darmstadt, den 8. Dez.<br />
1777«. Über Dutzende von<br />
Leitern kletternd, ging es in<br />
so einem Bergwerk manchmal<br />
auch recht gefährlich zu.<br />
Vor Ort löste sich ein größerer<br />
Felsbrocken, der Goethe<br />
beinahe zu einem Unfall-Opfer<br />
gemacht hätte. Der Stein<br />
traf den vorangehenden<br />
Bergbeamten, dessen geschicktes<br />
Ausweichen größeren<br />
Schaden vermied. Für<br />
»Maler Weber« wäre das mit<br />
etwas weniger Glück das Ende<br />
der Reise, möglicherweise<br />
des Lebens gewesen, was<br />
Goethe schwer beeindruckte:<br />
»…und meine schwankende<br />
Person hätte es gleich niedergedrücktundmitdervölligen<br />
Last zerquetscht. Es<br />
warimmerhineinStückvon<br />
fünf,sechsZentnern…«<br />
Auch heute erwarten den Besucher<br />
viele Sehenswürdigkeiten.<br />
Neben dem Oberharzer<br />
Bergwerksmuseum<br />
finden sich auf der Bornhardtstraße<br />
weitere Att raktionen,<br />
die hier nicht verschwiegen<br />
werden sollen: die<br />
St. Salvatorius-Kirche beherbergt<br />
einen 4 x 4,20 Meter<br />
messenden Altar, gestaltet<br />
von Professor Werner<br />
Tübke. Nur wenige Schritte<br />
entfernt, am Ende der Straße<br />
auf dem Künstlerhof angelangt,<br />
bietet die Glashütte<br />
Clausthal Einblicke in die<br />
Kunst der Glasbläserei mit<br />
Der Brocken scheint zum Greifen nah und ist doch oft mit großen Widrigkeiten im Winter zu besteigen.<br />
Foto: Dorit Strauch<br />
Live-Vorführungen. Die<br />
Marktkirche ist als Deutschlands<br />
größte Holzkirche bekannt.<br />
Unbelastet von Dichterruhm<br />
und unentdeckt schwatzt<br />
unser Harzreisender mit den<br />
Ortsansässigen, findet Abstand<br />
von den »seltsamen<br />
Gedanken«.<br />
Am Nachmittag des folgenden<br />
Tages besucht G. das Mineralienkabinett<br />
des Apothekers<br />
Ilsemann. Am 9.<br />
Dezember drängt es ihn jedoch,<br />
seinem eigentlichen<br />
geheimen Ziel näher zu<br />
kommen, der Brockenbesteigung.<br />
Aufbruch nach Altenau,<br />
der jüngsten der sieben<br />
Magische Winterimpression mit Totalreflexion der Achtermannshöhe beim Sonnenuntergang<br />
Oberharzer Bergstädte. Bereits<br />
hier verlässt ihn das Interesse<br />
am Bergbau wieder,<br />
obwohl am Ort eine Silberund<br />
Eisenhütte vor sich hin<br />
dümpeln. Ihn zieht es zum<br />
Brocken; er übernachtet im<br />
Rathaus, das bis 1994 als<br />
Hotel betrieben wurde und<br />
auch ein historisches Goethezimmer<br />
zu bieten hatte.<br />
Gegenwärtig wird das Haus<br />
rekonstruiert und firmiert<br />
zur Neueröffnung als »Goethehaus«<br />
(siehe Beitrag S. 3).<br />
An Charlotte schreibt er: »Ich<br />
habankeinemOrteRuh,ich<br />
habmichtieferinsGebürg<br />
gesenckt, und will morgen<br />
vondainseltsameGegenden<br />
streifen,wennicheinenFührerdurchdenSchneefinde.«<br />
Beschwerlicher Weg<br />
Bereits in aller Frühe verlässt<br />
er den heutigen Kurort und<br />
betreibt eifrige Vorbereitungen<br />
für die winterliche Brockenbesteigung.<br />
Goethe wird<br />
einer der ersten sein, von<br />
dem verbürgt ist, den rauen<br />
Berg im Winter erwandert zu<br />
haben. Zuerst jedoch muss er<br />
die sieben beschwerlichen<br />
Kilometer mit 335 Metern<br />
Höhenunterschied bei 30<br />
Zentimetern Schnee meistern,<br />
um am Torfhaus den<br />
Förster Degen zu treffen.<br />
Torfhaus ist mit 811 Metern<br />
die höchste Stelle, die man<br />
mit dem Fahrzeug über die<br />
von Bad Harzburg in Richtung<br />
Braunlage verlaufende<br />
Bundesstraße 4 dem Brocken<br />
nächstliegend erreichen<br />
kann. Von hier aus star ten<br />
viele Wanderer ihren Brockenbesuch,<br />
gleichsam auf<br />
dem »Goetheweg« wandelnd,<br />
der nach knapp neun Kilometern<br />
auf dem Blocksberg<br />
endet. Ein großer Parkplatz<br />
erleichtert das Unterfangen,<br />
sodass man schnell die aktuelle<br />
Wetterlage über blicken<br />
kann, ist doch »Vater Brocken«<br />
fast zum Greifen nah<br />
und doch für seine Wetterkapriolen<br />
bekannt.<br />
»Allesistgut,wiees<br />
ausdenHändender<br />
Naturkommt!«<br />
Goethe, Autobiographisches<br />
Förster Degen nun empfängt<br />
G. mit Ablehnung für den<br />
aberwitzigen Plan, im Winter<br />
bei Nebel und Schnee auf<br />
den Berg zu steigen: »Die<br />
BergewarenimNebel,man<br />
sahnichts…«<br />
Schließlich lässt er sich umstimmen,<br />
wohl weil er bemerkt,<br />
dass Goethe dieser<br />
Kraxelei eine fast abergläubische<br />
Bedeutung beimisst –<br />
er will das Orakel befragen<br />
und dazu muss er auf den<br />
Brocken! Für ihn erlangte<br />
der Marsch durch »Schnee,<br />
eineElletief,deraberauch<br />
trug…«eine dämonische Dimension.<br />
Der verharschte<br />
Schnee fördert das Gelingen.<br />
Als er das gefährliche Abenteuer<br />
bestanden hat, steht er<br />
um die Mittagszeit überwältigt<br />
vor einer unwirklichen<br />
Szenerie auf dem Gipfel: »Ich<br />
hab’snichtgeglaubt,bisauf<br />
deroberstenKlippe.AlleNebel<br />
lagen unten, und oben<br />
warherrlicheKlarheit…«<br />
Das Ziel seines Verlangens<br />
ist erreicht, das Orakel hat<br />
sich erfüllt, die innere Befreiung<br />
ist – zumindest für<br />
einige Zeit – gelungen. Dieses<br />
metaphorische Bild verdichtet<br />
sich – für immer eingeprägt<br />
– dreißig Jahre<br />
später zu einer wilden<br />
orgias tischen Beschreibung<br />
im Faust: der Walpurgisnacht<br />
szene.<br />
Ein neuer Aussichtsturm entsteht seit längerem auf dem Torfhaus.<br />
Er soll mit 65 Metern Höhe, zwei Aussichtsplattformen und einer<br />
110 Meter langen Rutsche deutschlandweit einmalig werden,<br />
jedoch ist die Eröffnung bereits mehrfach verschoben worden.<br />
Zuletzt war man von dem Wind auf der Plattform überrascht …
GoetheimHarz 6<br />
1.<br />
HARZREISE<br />
Ein Erfolgsprojekt der Harzer<br />
Schmalspurbahnen (HSB),<br />
das maßgeblich durch den<br />
seinerzeitigen Marketingchef<br />
Dr. Dietrich E. König initiiert<br />
worden ist, ist wieder auferstanden.<br />
90.000 Besucher erlebten<br />
ein imposantes, kultiges<br />
wie schrilles Projekt, das<br />
in seiner Gänze neue Maßstäbe<br />
setzte. Es verband die<br />
Dampfbahnromantik mit einem<br />
besonderen Brockenerlebnis<br />
und beförderte Weltliteratur<br />
direkt auf den<br />
höchsten Berg Norddeutschlands.<br />
Gleichzeitig fand sich<br />
mit der Rockoper eine zeitgenössische<br />
Umsetzung des<br />
Faust-Stoffs, die es an diesem<br />
Ort in sich hatte.<br />
Faust –Rockoper lebt weiter<br />
GleichzweiAufführungenwetteifern<br />
Namen trägt. Im November<br />
2023 soll die Neuinterpretation<br />
des Goetheschen Weltliteraturklassikers<br />
als<br />
»FAUST‘n‘Roll – Rocktheater<br />
nach Goethe« auf dem<br />
Blocksberg durchstarten und<br />
eine neue Ära einläuten. Zu<br />
rechnen ist mit starken Anleihen<br />
aus der Fantasiewelt,<br />
wie sie mit dem Begriff<br />
»Steampunk« beschrieben<br />
werden. Ein Stück weit abgehoben<br />
in eine Fantasywelt<br />
changierend in eine alternative<br />
Realität – man darf gespannt<br />
sein.<br />
Inzwischen ist jedoch das Erfolgsprojekt<br />
»Faust – die<br />
Rockoper« von der Deutschen<br />
Mediengesellschaft<br />
Die Walpurgisnacht wird opulent und erotisch in Szene gesetzt.<br />
Johann Wolfgang von Goethe alias Dr. Rudolf Volz führt gekonnt<br />
durch die spannende Faust-Rockoper – hier bei der Aufführung<br />
in Harzgerode 2023.<br />
Im Jahr 2019 endete diese<br />
einmalige Erfolgsgeschichte<br />
nach 398 Aufführungen im<br />
Goethesaal des Brockenhotels,<br />
weil sich der Veranstalter<br />
und der Vater der Rockoper<br />
»Faust« Dr. Rudolf Volz<br />
nicht mehr verständigen<br />
konnten. Einer Auszeit folgte<br />
ein neues Projekt mit der<br />
HSB, das jedoch wegen der<br />
Coronapandemie bisher<br />
nicht über einen Pressetermin<br />
hinaus zur Aufführung<br />
kam und nach Rechtestreitigkeiten<br />
nun einen anderen<br />
mbh (DMG) mit allen Rechten<br />
erworben worden. Geschäftsführer<br />
Nicolas Maksimcev<br />
hat vor, es »an<br />
verschiedenen Lokalitäten in<br />
Deutschland zur Aufführung<br />
zu bringen«. Die Show soll<br />
damit die 1997 begonnene<br />
Erfolgskette in fast identischer<br />
Urbesetzung unter dem<br />
charismatisch agierenden<br />
Falko Illing als Mephisto<br />
fortsetzen. Alban Gaya gibt<br />
den Faust, das Bühnenbild<br />
und der Gesamtauftritt muten<br />
kaum verändert zur Brockenshow<br />
an. Eine erste erfolgreiche<br />
Wiederaufführung<br />
erlebte »Faust – die Rockoper«<br />
im Schlossinnenhof von<br />
Harzgerode mit zwei Veranstaltungen<br />
bereits Ende Juli<br />
2023. Weitere sollen folgen,<br />
so am 10. und 11. November<br />
2023 im Schlosstheater Ballenstedt.<br />
Der Reiz dieser Inszenierung<br />
ergibt sich aus<br />
der geschickten Kombination<br />
der Urtexte Goethes im Libretto<br />
von Volz. In der dreistündigen<br />
Aufführung wird<br />
in Kopplung mit der Hardrockattitüde<br />
der 1970er Jahre<br />
eine kraftvolle wie magische<br />
Wirkung entfaltet, die die<br />
Besucher einfängt. Die Songs<br />
der Rockband erinnern an<br />
Black Sabbath, Deep Purple<br />
und andere Rockheroen.<br />
Egal wie es weitergeht mit<br />
dieser Inszenierung und dem<br />
neuen Rocktheater, das demnächst<br />
auf dem Brocken<br />
starten soll, man wünscht<br />
sich heimlich genau diese<br />
Art von Goethes modern interpretiertem<br />
Stoff mit historisch<br />
korrekten Zitaten wieder<br />
auf den höchsten Berg<br />
des Harzes.<br />
»IchbinderGeist,<br />
derstetsverneint!<br />
UnddasmitRecht;<br />
dennalles,<br />
wasentsteht,<br />
istwert,dasses<br />
zugrundegeht;<br />
Drumbesserwär‘s,<br />
dassnichtsentstünde.<br />
Soistdennalles,<br />
wasihrSünde,<br />
Zerstörung,kurz,<br />
dasBösenennt,<br />
meineigentliches<br />
Element.«<br />
Goethe, Faust<br />
Mephisto zaubert für Faust und lässt Weisheit brennen.<br />
EIN BUCH ZUR BUNTEN STADT<br />
Der Magdeburger Fotograf und Buchgestalter<br />
Norbert Perner streift seit Jahren mit der Kamera<br />
auf der Suche nach interessanten Motiven<br />
durch die Bunte Stadt. Gemeinsam mit dem<br />
Wernigeröder Historiker Uwe Lagatz hat er nun<br />
einen Fachwerk-Band vorgelegt, der die ganze<br />
lokale Bandbreite dieser Architektur in den Blick<br />
nimmt. Entstanden ist eine beeindruckende Entdeckungsreise,<br />
die die Gäste der Stadt ebenso<br />
begeistern wird wie alle ansässigen Freunde der<br />
traditionellen Architektur.<br />
ISBN 978-3-910157-31-6 • <strong>25</strong>6 Seiten<br />
mit über 300 farbigen Abbildungen • Festeinband • 36.- €<br />
Jüttners Buchhandlung, Westernstr. 10, 38855 Wernigerode<br />
Auf Wunsch wird es gern zugesandt. • Tel. 03943-69 11 0<br />
Mail.buchhandlung@juettners.de • www.juettners.de<br />
Eintritt frei!
7 GoetheimHarz<br />
2.<br />
HARZREISE<br />
Die zweite Harzreise: Weibliche Reize locken nach Langenstein<br />
MitdemkleinenFritzüberStockundStein<br />
HALBERSTADT. Im Sommer<br />
1783 flatterte bei Anna<br />
Amalia in Weimar eine Einladung<br />
des Halberstädter<br />
Domherren Ernst Ludwig<br />
von Spiegel ins Haus. Sie<br />
solle bei ihrer Rückreise aus<br />
Braunschweig doch seine<br />
neuen ungewöhnlichen<br />
Parkan lagen und das Jagdschloss<br />
besichtigen. Auch<br />
Goethe wurde zu diesem Besuch<br />
gebeten. Dem frisch Geadelten<br />
kam dies gerade<br />
recht. Denn im nahen Langenstein<br />
residierte die schöne<br />
Madame de Branconi.<br />
Außerdem wollte er mit dem<br />
Viceberghauptmann Wilhelm<br />
Heinrich Trebra geologische<br />
Studien betreiben.<br />
Am 6. September reist Goethe<br />
in Weimar ab. In Langenstein<br />
vermutlich am<br />
8. September angekommen,<br />
erwartet ihn Frau von Branconi<br />
in ihrem Schloss.<br />
»DieNaturhatmanchesUnbequemezwischenihreschönsten<br />
Gabenausgestreut.«<br />
Goethe, Autobiographisches<br />
Nach einem Ruhetag unternimmt<br />
Goethe Ausflüge in<br />
den nord östlichen Teil des<br />
Harzes. Sein erstes Ziel ist<br />
am 11. September die Roßtrappe<br />
bei Thale. Der Sage<br />
nach ist dort der Hufeisenabdruck<br />
eines Riesenpferdes zu<br />
sehen. Noch heute ist dieser<br />
Abdruck eine Touristenattraktion<br />
(s. dritte Harzreise).<br />
Während Goethe mit dem<br />
kleinen Fritz von Stein, dem<br />
Lieblingssohn seiner angebeteten<br />
Charlotte, über schroffe<br />
Felsen und unbefestigte Wege<br />
klettern musste (und durfte!),<br />
fahren heute Seilbahnen<br />
zu den Aussichtspunkten.<br />
Auf dem Regenstein<br />
Goethe und sein junger Begleiter<br />
wandern nun weiter<br />
nach Blankenburg. Die Residenzstadt<br />
versprüht heute<br />
noch einen gewissen Hauch<br />
der barocken Glanzzeit, als<br />
sie Wohn- und Amtssitz des<br />
Herzogs Ludwig Rudolf von<br />
Braunschweig-Wolfenbüttel<br />
von 1690 bis 1735 war.<br />
Im Gasthof »Goldener Engel«,<br />
der damals am Markt<br />
stand, sollen die beiden<br />
Wanderer übernachtet haben.<br />
Heute befindet sich dort<br />
ein Geschäftshaus mit einer<br />
recht schlichten Architektur.<br />
An den berühmten Gast und<br />
seinen Begleiter erinnert<br />
aber nichts. Dafür befinden<br />
sich in den Goethe-Sammlungen<br />
in Weimar mehrere<br />
Gesteins proben, die Goethe<br />
bei seinen Studien am Regenstein,<br />
einem Felsmassiv<br />
bei Blankenburg in Richtung<br />
Langenstein, mitgenommen<br />
hatte. Auch einige Zeichnungen<br />
entstanden von diesem<br />
Berg mit seiner Burgruine,<br />
angefertigt vom Maler<br />
Georg Melchior Kraus.<br />
Der Regenstein ist heute ein<br />
Touristen mag net Blankenburgs.<br />
In diesem Freilichtmuseum<br />
finden alljährlich<br />
Ritterfestspiele statt.<br />
Nach Halberstadt<br />
Von Langenstein reist Goethe<br />
nach Halberstadt weiter.<br />
Die von Spiegel angelegten<br />
8.9.1783<br />
2. HARZREISE<br />
September 1783<br />
Ein Teil des Oberharzer Wasserregals zieht sich entlang Torfhaus (hier der Abbegraben mit Wehr)<br />
und kann bei der Wanderung zum Brocken in Funktion bestaunt werden.<br />
garten.<br />
fest.<br />
spiele.<br />
KALENDARIUM<br />
9.–10. 9. Langenstein<br />
11. 9. Langenstein –<br />
Blankenburg<br />
12. 9. Blankenburg –<br />
Rübeland –<br />
Langenstein<br />
13. 9. Langenstein –<br />
Halberstadt<br />
14.–17. 9. Halberstadt<br />
18. 9. Halberstadt –<br />
Zellerfeld<br />
19.–20. 9. Zellerfeld<br />
21. 9. Zellerfeld –<br />
Torfhaus –<br />
Brocken –<br />
Heinrichshöhe<br />
22. 9. Brocken –<br />
Schierke – Elend<br />
– St. An dreasberg<br />
23. 9. St. Andreasberg<br />
– Zellerfeld<br />
24.–<strong>25</strong>. 9. Zellerfeld<br />
26. 9. Zellerfeld –<br />
Göttingen<br />
Gärten mit ihren Bauten machen<br />
auf den Dichter keinen<br />
guten Eindruck. Er schreibt<br />
Jahre später in seinen Tagund<br />
Jahresheften von der in<br />
Stein gehauenen »vermaledeiten<br />
Gesellschaft« und<br />
»häßlichen Kreaturen«. Die<br />
wie englische Gärten angelegten<br />
Parks in den Spiegelsbergen<br />
waren damals der Öffentlichkeit<br />
zugänglich und<br />
sind es auch heute noch.<br />
In Halberstadt traf Goethe<br />
nicht nur auf von Spiegel,<br />
sondern auch auf Johann<br />
Wilhelm Ludwig Gleim, einen<br />
der berühmtesten Söhne<br />
der Stadt. Der Domsekretär<br />
war Mitglied der »Literarischen<br />
Gesellschaft«. Tief enttäuscht<br />
war Gleim, dass ihn<br />
der berühmte Goethe nicht<br />
wie andere Dichtergrößen in<br />
seinem »Tempel der Freundschaft<br />
und der Musen«, einem<br />
Zimmer seines Hauses,<br />
besuchte. Später schrieb<br />
Gleim an Herder: »Könnt’ ich<br />
mich rühmen, daß ich Euren<br />
Goethe gefunden hätte …, so<br />
bät’ ich, auch den zu grüßen;<br />
ich hab’ ihn aber nicht gefunden,<br />
er war mir hier zu<br />
kalt, zu hofmännisch und<br />
dort (in Weimar) zu feurig<br />
und stolz – ich lieb’ ihn aber<br />
doch, wie man die Mädchen<br />
liebt, von welchen man geliebt<br />
zu werden keine Hoffnung<br />
hat, und beklage, daß<br />
er stolz und feurig nicht geblieben<br />
ist.«<br />
Erinnerungstanne an die Freundschaft Goethes mit dem Berghauptmann<br />
Heinrich von Trebra, der den Minister mehrfach hier<br />
empfangen hatte.<br />
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Die Walpurgishalle auf dem Hexentanzplatz<br />
WenigbeachteteKulturstättezeigtFaustbilder<br />
Diese Postkarte aus dem Jahr 1910 zeigt die Walpurgishalle auf<br />
dem Hexentanzplatz im Originalzustand. Vieles davon konnte<br />
dank des Engagements von Enthusiasten über die Zeit gerettet<br />
werden.<br />
Wenn vom Hexentanzplatz<br />
Thale die Rede ist, kommen<br />
Assoziationen, die zeigen,<br />
dass es sich bei diesem Ort<br />
um ein Konglomerat ganz<br />
unterschiedlicher Segmente<br />
handelt: Bodetal, Seilbahn,<br />
Walpurgishalle, und last, but<br />
not least, das »Harzer Bergtheater«.<br />
Diese Freilichtbühne<br />
steht singulär in der Theaterlandschaft<br />
und sucht<br />
deutschlandweit ihresgleichen.<br />
Wer hier einmal ein<br />
Schauspiel, ein Konzert oder<br />
eine ähnliche Veranstaltung<br />
erleben durfte, kann sich<br />
einfach eines ganz besonderen<br />
Zaubers nicht entziehen.<br />
Und doch hatten auch hier<br />
Zufall und das Zusammentreffen<br />
mit einem Theateridealisten<br />
zur richtigen Zeit<br />
einen fruchtbaren Bund geschlossen,<br />
der bis heute hält.<br />
Die Idee zur Walpurgishalle<br />
stammte von dem aus dem<br />
Nordhäuser Umfeld stammenden<br />
Maler Hermann<br />
Hendrich (1854–1931). Er<br />
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wollte auf dem Brocken eine<br />
große Veranstaltungshalle<br />
errichten lassen, in der Besucher<br />
die Walpurgisnacht feiern<br />
konnten. Dazu fand ein<br />
Architektenwettbewerb statt.<br />
In Auswertung der Entwürfe<br />
und bei genauer Einschätzung<br />
über den Standort wurde<br />
statt dem Gipfel des Brockens<br />
der Hexentanzplatz<br />
gewählt. Das Umfeld einer<br />
ehemals germanischen Fliehburg,<br />
in dessen Umgebung<br />
ein Opferstein gefunden<br />
wurde, der im Eingang der<br />
Halle heute aufgestellt ist,<br />
schien unweit des Bergtheaters<br />
angemessen.<br />
Zur Realisierung kamen die<br />
Pläne des Berliner Architekten<br />
Bernhard Sehring, der eine<br />
Halle in der Art eines altgermanischen<br />
Blockhauses<br />
vorgeschlagen hatte. In ihr<br />
sollten Hendrichs Bilder zum<br />
Faust-Zyklus von Goethe<br />
ausgestellt werden.<br />
Für das Innere der Halle<br />
schuf Hendrich fünf Großgemälde,<br />
die Szenen aus der<br />
Walpurgisnacht wie Irrlichtertanz,<br />
Mammonshöhle, Hexentanz,<br />
Windsbraut und<br />
Gretchenerscheinung (Gretchentragödie)<br />
darstellen.<br />
Der Bau dieser außergewöhnlichen<br />
Halle mit ihren<br />
wuchtigen Proportionen erinnert<br />
an skandinavische Architektur,<br />
vermählt mit Jugendstilelementen.<br />
Das<br />
Innere mutet tempelartig an.<br />
Den Eingangsbereich krönen<br />
zwei hohe Säulen mit Pferdeköpfen.<br />
Die Eingangstür<br />
zieren zwei achtbeinige Zauberpferde<br />
des Gottes Odin<br />
namens Sleipnir. Manches<br />
atmet den Geist der wilhelminischen<br />
Epoche mit ihrer<br />
Rückbesinnung auf nationale<br />
Traditionen.<br />
Plakat der ersten Harzfestspiele 1903 zur Eröffnungsvorstellung<br />
»Walpurgis« von Ernst Wachler<br />
Die Gretchenerscheinung, gemalt von Hermann Hendrich, ist eines der großformatigen Bilder, die<br />
der Halle ihr mystisches Gepräge geben.<br />
BALLLENSTEDT - DIE WIEGE ANHALTS<br />
Als am 20. Juli 1901 das<br />
Bauwerk eingeweiht wurde,<br />
begleitete die Rede des Oberpräsidenten<br />
der Preußischen<br />
Provinz Anhalt, Staatsminister<br />
Bötticher, ein mächtiges<br />
Gewitter mit Blitz und Donner.<br />
Während weitere Bauwerke<br />
Sehrings in diesem Stil<br />
an anderen Orten inzwischen<br />
durch Brand vernichtet sind,<br />
hielt bis dato die Walpurgishalle<br />
auch einer jahrelangen<br />
Vernachlässigung stand. Als<br />
2001 ein Verwahrlosungszustand<br />
erreicht war, der zu<br />
größten Befürchtungen Veranlassung<br />
gab, gelang es<br />
dem Harzklub hier eine<br />
Sicherung einzuleiten.<br />
Heute wird die Walpurgishalle<br />
von der Hexentanzplatz<br />
GmbH betreut und der<br />
Harzklub Thale hilft mit Arbeitseinsätzen<br />
bei der Erhaltung<br />
des einmaligen Bauwerks.<br />
Die älteste Naturbühne<br />
Deutschlands, das Harzer<br />
Bergtheater entstand Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts und<br />
steht in deutlichem Zusammenhang<br />
mit der Walpurgishalle.<br />
Im Jahr 1902 schlägt<br />
Hermann Hendrich seinem<br />
Freund Dr. Ernst Wachler<br />
(1871-1945) vor, ein Freilichttheater<br />
auf dem Hexentanzplatz<br />
zu errichten. Vorausgegangen<br />
war der Bau<br />
der Walpurgishalle, die jedoch<br />
wegen der Weigerung<br />
des Fürsten zu Stolberg-<br />
Wernigerode den Brocken<br />
dafür zu genehmigen, nun<br />
auf dem Hexentanzplatz entstand.<br />
Dem mit dem Maler<br />
Hendrich und dem Architekten<br />
Bernhard Sehring befreundeten<br />
Wachler schwebte<br />
schon lange eine<br />
naturnahe Spielstätte für seine<br />
an der Heimatkunstbewegung<br />
orientierten Stücke mit<br />
völkisch-religiösem Hintergrund<br />
vor. Die vorgesehene<br />
Örtlichkeit begeisterte Wachler<br />
wenig, denn der windreiche<br />
Platz direkt auf dem Plateau<br />
des Hexentanzplatzes<br />
war nicht für die Aufführung<br />
von Schauspielen geeignet.<br />
Beim Herumstreifen im Eichenhain<br />
verschlug es<br />
Wachler an den heute in vielen<br />
Synonymen gerühmten<br />
Hang, die als die »Grüne<br />
Bühne« oder auch die »Kulturkanzel<br />
des Harzes« gerühmte<br />
Örtlichkeit. Nach der<br />
Zustimmung der Gemeinde<br />
Thale waren nur wenige anpassende<br />
Umbauten notwendig,<br />
um aus einer natürlichen<br />
Grundanlage in der<br />
sensationellen Zeit von einem<br />
Jahr die im Stile eines<br />
griechischen Amphitheaters<br />
konzipierte Kulturstätte zu<br />
errichten. Schon im Jahr<br />
1903 begann die erste Spielzeit.<br />
Gegenwärtig läuft noch<br />
bis 2024 die Rekonstruktion<br />
und Erweiterung der Spielstätte<br />
des Bergtheaters.<br />
Neun Jahre nach dem Ende des<br />
Weltkrieges kam Schillers Räuber<br />
1954 im Harzer Bergtheater<br />
zur Aufführung.<br />
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Unbenannt-17 1 31.08.2023 13:16:08
9 GoetheimHarz<br />
Soweit die Füße tragen ...<br />
Brocken-BennomitWegunterdemGipfelgeehrt<br />
Eine Bank für Benno Schmidt,<br />
der im vergangenen Dezember<br />
im Alter von 90 Jahren starb,<br />
gibt es schon auf dem Brocken.<br />
Es ist überliefert, dass er<br />
zu seinem 80. Geburtstag<br />
noch keinerlei Veranlassung<br />
sah, sich darauf irgendwann<br />
einmal ausruhen zu müssen.<br />
Unermüdlich bestieg »Brocken-Benno«,<br />
wie alle ihn<br />
nannten, nahezu täglich und<br />
wetterunabhängig »seinen<br />
Hausberg«, und zwar mehr als<br />
9.000-mal. Im wahrsten Sinne<br />
des Wortes also, soweit ihn<br />
seine Füße getragen haben.<br />
Benno Schmidt hält damit den<br />
einsamen Rekord der Brockenbesteigungen.<br />
Dass nun ein Stück des Wegs<br />
zum Brocken nach ihm benannt<br />
worden ist, das hätte<br />
dem engagierten Harzklub-<br />
Mitglied und Nationalpark-<br />
Waldführer sicher sehr gefallen.<br />
Der rund 700 m lange<br />
frühere Kabelgraben, abzweigend<br />
von der Brockenstraße<br />
Der von Brocken-Benno und<br />
Horst Woick erfundene 26<br />
Kilometer lange »Teufelsstieg«<br />
zwischen Elend, dem<br />
Brocken und Bad Harzburg<br />
hat inzwischen neben dem<br />
»Harzer Hexenstieg« viele<br />
Wanderfreunde gefunden.<br />
Das auch deshalb, weil entlang<br />
des Weges gerade im<br />
Elendstal Sentenzen aus<br />
Goethes »Faust« zum Sinnieren<br />
und zu literarischer Verarbeitung<br />
einladen. Ausgesucht<br />
hat sie der Schriftsteller<br />
Bernd Wolff. Im vergangenen<br />
Jahr machte eine Teilsperrung<br />
im Elendstal bedingt<br />
durch umgefallene<br />
»Käferbäume« und Windwurf<br />
ein schönes Stück des Weges<br />
unpassierbar. Brocken-Benno<br />
war darüber sehr betrübt<br />
und warb für eine Reparatur.<br />
unterhalb des Brockenbetts,<br />
heißt seit dem 4. August 2023<br />
Benno-Schmidt-Weg. Die<br />
Umbenennung des Weges erfolgte<br />
im Rahmen einer offiziellen<br />
Feierstunde der Nationalparkverwaltung<br />
und des<br />
Harzklubs im Beisein der Familie<br />
von Benno Schmidt, enger<br />
Freunde und Wegbegleiter.<br />
Die Ausschilderung als<br />
»Benno-Schmidt-Weg« ist bereits<br />
erfolgt. Nur die Aktualisierung<br />
der Wanderkarten<br />
wird noch einige Zeit benötigen.<br />
Der »Kabelgraben« entstand<br />
Anfang der 1990er Jahre im<br />
Zuge der Erdarbeiten zur Neuverlegung<br />
von Ver- und Entsorgungsleitungen<br />
von<br />
Schierke zum Brocken. Der<br />
kurze Wegabschnitt führt<br />
durch die Kernzone des Nationalparks<br />
Harz. Die Trasse<br />
bzw. der Weg darüber war zunächst<br />
gar nicht als Wanderweg<br />
gedacht, sondern schlicht,<br />
um Kosten beim Bau durch<br />
optimierte Wegführung entlang<br />
der Brockenstraße zu<br />
sparen. Viele Wanderer nutzen<br />
den Kabelgrabenweg aber<br />
bereits als Abkürzung beim<br />
Nun kann er sie leider nicht<br />
mehr miterleben. Der Harzklub<br />
und örtliche Vertreter<br />
sahen sich damals zeitweise<br />
überfordert, dieser unschönen<br />
Situation ein Ende zu<br />
bereiten. Dazu kam eine in<br />
die Jahre gekommene Brücke,<br />
die nicht mehr heutigen<br />
Anforderungen an die Sicherheit<br />
genüge tat. Wer in<br />
diesen Tagen das Elendstal<br />
durchwanderte, konnte sich<br />
gleich mehrfach wundern.<br />
Einmal sind nun die vom<br />
Borkenkäfer befallenen<br />
mächtigen »Talwächter«<br />
gleich hinter der Querung<br />
der Harzer Schmalspurbahn<br />
der Säge zum Opfer gefallen<br />
und auch weitere Fichten<br />
sind »entnommen« worden.<br />
Das ist auf den ersten Blick<br />
sehr betrüblich, aber aus verkehrssicherheitstechnischen<br />
Erwägungen zum Schutz der<br />
Wanderer sicher unausweichlich.<br />
In einem Tal, das<br />
entgegen den neunzig Prozent<br />
Fichtenverlusten im Nationalpark<br />
(dieser Bereich<br />
liegt nicht im NP) noch mit<br />
einer vergleichsweise ursprünglich<br />
anmutenden<br />
Harzlandschaft mit »liebgewordenen<br />
Waldbildern«<br />
Aufstieg zum Brocken. Massive<br />
Schäden durch mehrere<br />
Starkregenfälle machten den<br />
Weg nach 2017 immer schwerer<br />
passierbar, sodass 2019<br />
vom Nationalpark eine grundhafte<br />
Sanierung notwendig<br />
wurde.<br />
Der Aufstieg über den früheren<br />
Kabelgrabenweg gehört<br />
Neuigkeiten vom »Teufelsstieg« im Elendstal<br />
AufGoethesSpurenzwischenElendundSchierke<br />
Inzwischen ist der mit gefallenen Bäumen unpassierbare Weg<br />
soweit geräumt, dass sogar der Schierker Sommerlauf 2023 hier<br />
entlang führte.<br />
Horst Woick, einer der Erfinder des Teufelsstiegs, studiert die<br />
<strong>Goethezeitung</strong><br />
Sie kamen zur feierlichen Einweihung des neuen »Benno-Schmidt-Weg« v.l.n.r.: Dr. Roland Pietsch<br />
(Leiter Nationalpark Harz), Dr. Michael Ermrich (Ehrenpräsident Harzklub), Helga Schmidt mit<br />
Tochter Susann Neuhaus, Klaus Dumeier (stellvertretender Präsident Harzklub), Sabine Bauling<br />
(Fachbereichsleiterin Waldentwicklung Nationalpark Harz).<br />
Foto: Söhnke Streckel<br />
zu den Routen zum Brocken,<br />
den Brocken-Benno in den<br />
zurückliegenden Jahren gerne<br />
und oft gegangen ist, vor allem<br />
seit ihm der steile Eckerlochweg<br />
aus gesundheitlichen<br />
Gründen zu beschwerlich<br />
wurde. Daher fiel die Wahl der<br />
Namensgebung auf diesen<br />
Kabelgrabenweg. Der »Benno-<br />
Schmidt-Weg« soll an diesen<br />
außergewöhnlichen Menschen<br />
und sein Wirken rund um den<br />
Brocken und den Harz erinnern.<br />
Außerdem, und das<br />
muss auch gesagt werden,<br />
gibt es im Nationalpark Harz<br />
gar keine neuen Wanderwege<br />
mehr.<br />
Mit Goethe verband Schmidt<br />
die Wanderleidenschaft und<br />
die Sehnsucht nach dem Brocken.<br />
Gern erläuterte Benno<br />
auf seinen Brockenbesteigungen<br />
Interessierten die Zusammenhänge<br />
von Goethes Harzreisen<br />
und seinem Faible für<br />
diesen außergewöhnlichen<br />
Berg.<br />
glänzt, schmerzvoll. Große<br />
aufgestapelte Holzansammlungen<br />
künden von intensiven<br />
Forstarbeiten ebenso,<br />
wie ein rüder Umgang mit<br />
dem Wald. Doch bei aller Betrübnis,<br />
die einen so befallen<br />
kann, wenn industriell gestützt<br />
Waldteile geerntet<br />
werden, sind hier noch ein<br />
kühles Mikroklima, ein fast<br />
durchgängig grünes Dach<br />
und eine angenehme Mischung<br />
aus Nadel- und<br />
Laubwald vorzufinden. Keine<br />
Chance übrigens haben<br />
die seit der Borkenkäferkalamität<br />
so häufig entstandenen<br />
Waldbrände in diesem Tal<br />
der Kalten Bode, weil die<br />
Sonne den Boden und das<br />
Unterholz nicht so extrem<br />
ausdörrt und eine wohltuende<br />
Kühle das Waldklima beherrscht.<br />
Ein Labsal für<br />
Wanderer und Radfahrer, die<br />
diese Verbindung zwischen<br />
Elend und Schierke via<br />
Waldweg gern nutzen.<br />
Und was im letzten Jahr<br />
noch unmachbar schien, ist<br />
inzwischen in Angriff genommen<br />
worden. Die umgestürzten<br />
Bäume sind zu großen<br />
Teilen entfernt, sodass<br />
sogar der Schierker Sommerlauf<br />
über diesen Streckenabschnitt<br />
geleitet werden konnte.<br />
Es gibt also wieder<br />
Hoffnung für den »Teufelsstieg«<br />
und so wie letztes Jahr<br />
geargwöhnt, wackelt er deutlich<br />
weniger, ja wird möglicherweise<br />
in absehbarer Zeit<br />
seinen alten Verlauf für<br />
Wanderer wieder erhalten.
GoetheimHarz 10<br />
3.<br />
HARZREISE<br />
Mit Melchior Kraus streift Goethe durch den Harz<br />
FelsenentschädigenfürhöfischeZwänge<br />
HARZ. Kaum ein Jahr ist<br />
vergangen, da ist der dichtende<br />
Minister der Gesellschaft<br />
bei Hofe erneut derart<br />
überdrüssig, dass er wiederum<br />
versucht, die lästigen<br />
Amtsverpflichtungen mit<br />
seinen eigenen Intentionen<br />
geschickt zu verbinden. In<br />
der Zwischenzeit zeigt er<br />
Begeisterung für die aufkommende<br />
Ballonfahrt und<br />
bewährt sich beim Katastrophenschutz<br />
nach einem Saalehochwasser.<br />
Doch diese<br />
profanen Beschäftigungen<br />
können den ruhelosen Geist<br />
nicht bannen. Magnetisch<br />
zieht es den Naturforscher<br />
vordringlich an die Stätten<br />
geologischer Spurensuche<br />
ins Gebirge.<br />
Wäre da nicht der ständige<br />
Drang, die nahezu vergötterte<br />
Geliebte Charlotte von<br />
Stein fortlaufend über das<br />
eigene Befinden zu unterrichten,<br />
wir hätten wohl über<br />
diese Wallfahrt nur die staubigen<br />
Eintragungen im Geognostischen<br />
Tagebuch, in<br />
dem er, inzwischen in geologischen<br />
Termini bewandert,<br />
für die Außenwelt recht müßige<br />
Notizen über Gesteinsausprägungen<br />
und deren Zuordnungen<br />
vermerkt. Hätte<br />
Goethe ein Handy besessen,<br />
wüssten wir wohl gar nichts<br />
über seine Expedition.<br />
Mit Kraus unterwegs<br />
Wieder geöffnet!<br />
Die gesamte Reise hindurch<br />
berichtet er Charlotte über<br />
den Fortgang eines Epos’, das<br />
in seiner Huldigung ihrer Zuneigung<br />
gilt. Den Harz durchstreifend<br />
reifen sukzessive die<br />
Zeilen zum bekannten Gedicht<br />
»Zueignung«. Ein Roman<br />
über das Weltgefüge war<br />
geplant, zu Wilhelm Meister<br />
entstand das vierte Buch. Eine<br />
Freundschaft mit dem<br />
Dichterehepaar Herder verfestigt<br />
sich. Goethe beschreibt<br />
35-jährig seine Lebensverhältnisse<br />
an die Mutter so:<br />
»IchbinnachmeinerKonstitutionwohl,kannmeinenSachenvorstehen,denUmgang<br />
guterFreundegenießenund<br />
behaltenochZeitundKräfte<br />
für (die) eine oder andere<br />
Lieblingsbeschäftigung.«<br />
Auch diese Harzreise findet<br />
im Sommer statt und beginnt<br />
Anfang August 1784 im bereits<br />
bekannten (Bad) Lauterberg.<br />
Auf der dritten Reise<br />
sucht und genießt er die Begleitung<br />
des 16 Jahre älteren<br />
Malers und Kupferstechers<br />
Georg Melchior Kraus, der<br />
ausgezeichnete Abbilder aus<br />
dem Harz mit seinen geologischen<br />
Eigentümlichkeiten<br />
liefert. Goethe wird nicht müde<br />
Charlotte von den großartigen<br />
Zeichnungen zu berichten,<br />
die er ihr im Detail nach<br />
der Reise schildern möchte.<br />
Die Gesellschaft nächtigt im<br />
damaligen Hotel Ratskeller.<br />
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nach 8 Tagen, 2 Wochen<br />
Staatsbesuch<br />
in Braunschweig<br />
10.8.1784<br />
Auch der Maler Johann Heinrich Ramberg (1763-1840), ein<br />
Zeitgenosse Goethes, malte die Einhornhöhle. In diesem Ausschnitt<br />
ist der Eingang zu sehen.<br />
Zur Besichtigung der Königshütte<br />
am darauffolgenden<br />
Tag heißt es im Geognostischen<br />
Tagebuch: »Aufder<br />
Königshütte schmelzen sie<br />
EisensteinvonElbingerode,<br />
LerbachundAndreasberg.«<br />
Auch der nahegelegenen Einhornhöhle<br />
und der Burgruine<br />
von Scharzfeld stattet er einen<br />
Besuch ab. Die Legende<br />
vom Einhorn entpuppt sich<br />
aber als Knochenreste einer<br />
ausgestorbenen früheiszeitlichen<br />
Höhlenbärenart.<br />
Bereits auf der ersten Harzreise<br />
zeigt Goethe keine Neigung<br />
Schlösser zu besuchen.<br />
Der Wernigeröder Bau wird<br />
ignoriert. Ganz ähnlich verfährt<br />
er diesmal. Von Herzberg<br />
erwähnt er weder das<br />
bedeutsame Welfenschloss<br />
noch den Ort überhaupt, dagegen<br />
imponieren ihm die<br />
Zechsteinformationen am<br />
Wegesrand. Leuchtend weiße<br />
Felsen des Gipszuges, wie sie<br />
teilweise über hundert Meter<br />
aufragend in imposanter Kulisse<br />
mit der Landschaft kontrastieren,<br />
inspirieren ihn bei<br />
seinen geologischen Forschungen.<br />
Andererseits befanden<br />
sich die Schlösser damals<br />
in Privatbesitz und<br />
waren öffentlich gar nicht<br />
zugänglich. Die Teufelsbäder<br />
(wassergefüllte Erdfälle) nahe<br />
Osterode werden passiert.<br />
Heute kann der Wanderer<br />
auf zahlreichen Karstwanderwegen<br />
um Osterode den<br />
eigenartigen Reiz dieser seltenen<br />
Landschaft nachspüren.<br />
Der Ort selbst hat ein sehenswertes<br />
historisches<br />
Fachwerkzentrum, das »Museum<br />
im Ritterhaus«, und ein<br />
Spaßbad zu bieten.<br />
Goethe gelangt auf der alten<br />
Harzstraße Osterode – Goslar<br />
nach Clausthal-Zellerfeld,<br />
wo er Freund Trebra wiedersieht.<br />
In den Briefen umschwärmt<br />
er Frau von Stein<br />
als zärtlicher Verehrer, fühlt<br />
sich sichtlich wohl in diesem<br />
ausgewogenen Zustand als<br />
Geologe, Dichter, Ilmenauer<br />
Bergwerksdirektor und Liebender.<br />
Ein Abstecher nach<br />
(Bad) Grund, der ältesten,<br />
aber auch kleinsten der Oberharzer<br />
Bergstädte, folgt. Die<br />
Iberger Tropfsteinhöhle, die<br />
im 18. Jahrhundert im Gegensatz<br />
zu heute noch nicht<br />
begehbar war, sei heute für<br />
einen Besuch empfohlen. Das<br />
Heilbad und das Höhlenerlebniszentrum<br />
können wir<br />
3. HARZREISE<br />
August/September 1784<br />
heute als herausragende Besonderheiten<br />
dieses Ortes<br />
nennen.<br />
Ganz in der Nähe liegt, ebenfalls<br />
in einem Tal malerisch<br />
versteckt, der Ort Wildemann.<br />
Benannt nach einer<br />
der ältesten Sagengestalten<br />
des Harzes, findet der Gast<br />
hier abgeschiedene Ruhe,<br />
herrliche Radwanderwege<br />
durch das Innerstetal und<br />
das Besucherbergwerk<br />
»19-Lachter-Stollen«. Kraus<br />
zeichnet vor Ort flözartig gelagerte<br />
Grauwacke. Am 13.<br />
August fährt die Gesellschaft<br />
erneut in die Gruben »Caroline«<br />
und »Dorothea« ein. Am<br />
Tag darauf unternimmt man<br />
eine Exkursion. Goethe:<br />
»Heutegehtesnacheinem<br />
hohenBerg,woeineschöne<br />
Klippezusehenist,undmorgennachGoslarhinunter.«<br />
Gemeint ist der von Mooren<br />
und Urwaldfichten umgebene<br />
lang gestreckte Höhenzug aus<br />
Quarzitfelsen mit dem Scheitelpunkt<br />
Hanskühnenburg<br />
(811 m). Der Name leitet sich<br />
angeblich von einem verwunschenen<br />
Schloss des kühnen<br />
Ritters Hans her. Heute<br />
lädt den Wanderer ein Gasthaus<br />
zur Rast ein. Auf der<br />
Spur von geologischen Zusammenhängen<br />
des Granits<br />
hofft Goethe, sich »ausdieser<br />
anscheinendenVerworrenheit<br />
herauswindenzukönnenund<br />
denAriadneischenFadenbaldezubesitzen«.<br />
Vermutlich besucht er das<br />
Rammelsberger Bergwerk<br />
erneut kurz. Dann trennen<br />
sich die Wege von Kraus und<br />
Goethe. Staatsgeschäfte fordern<br />
vom Minister, sich nach<br />
Braunschweig zu begeben<br />
und die Reise für profane<br />
Dinge zu unterbrechen.<br />
KALENDARIUM<br />
9. 8. Lauterberg<br />
10. 8. Lauterberg –<br />
Osterode – Clausthal-Zel<br />
ler feld<br />
11. 8. Clausthal-Zellerfeld<br />
12. 8. Clausthal-Zellerfeld<br />
– Wildemann<br />
– Grund – Clausthal-Zellerfeld<br />
13. 8. Clausthal-Zellerfeld<br />
14. 8. Clausthal-Zellerfeld<br />
– Hanskühnenburg<br />
– Clausthal-Zel<br />
lerfeld<br />
15. 8. Clausthal-Zellerfeld<br />
– Goslar<br />
16. 8. Goslar –<br />
Braunschweig<br />
17.-31. 8. Braunschweig<br />
1. 9. Braunschweig<br />
– Goslar<br />
2. 9. Goslar-Oker<br />
3. 9. Oker – Torfhaus<br />
– Brocken<br />
(Heinrichshöhe)<br />
4. 9. Brocken – Heinrichshöhe<br />
–<br />
Schierke<br />
5. 9. Schierke –<br />
Elbin gerode<br />
6. 9. Elbingerode<br />
7. 9. Elbingerode –<br />
Wendefurt<br />
8. 9. Wendefurt – Thale<br />
10. 9. Teufelsmauer und<br />
Neinstedt<br />
11. 9. Blankenburg<br />
– Rübeland –<br />
Blankenburg<br />
– Langenstein<br />
12. 9. Langenstein<br />
14. 9. Abreise von<br />
Langenstein<br />
Richtung Weimar<br />
1789 unternimmt<br />
Goethe weitere<br />
spontane Wanderungen<br />
durch den<br />
östlichen Harz<br />
»Die übrige Zeit verstrich<br />
mit nichtigem Geschwätz<br />
über nichts… Dafür hat’s<br />
aber auch lange Sitzungen<br />
gegebeninderOper,ander<br />
Hoftafel;zumaldieletzteren<br />
langweilen mich entsetzlich…<br />
Hätt’ ich mehr freie<br />
Zeit,ichleistetesicherwas<br />
fürdieNaturgeschichte.«<br />
Seinen Geburtstag hätte er<br />
gern auf dem Brocken gefeiert,<br />
muss aber wegen dienstlicher<br />
Belange noch in<br />
Braunschweig verweilen.<br />
»Morgen entschädigen uns<br />
dieschönstenFelsenfürall<br />
denZwang,denwirunsbis<br />
jetzoauferlegthaben.«<br />
Charlotte wirkt wie ein<br />
Beichtstuhl für Gefühle, ihr<br />
öffnet er sein Seelen leben<br />
und braucht sie förmlich,<br />
sein Inneres auszubreiten.
11 GoetheimHarz<br />
Der Natur auf der Spur<br />
Spekulation,Abenteuer,Geognostik<br />
HARZ. Stand die erste Harzreise<br />
ganz im Zeichen der<br />
Selbstfindung und war geprägt<br />
von der Subjektivität<br />
des Künstlers, so tritt bei den<br />
folgenden Abstechern ins<br />
Gebirge immer mehr der Naturforscher,<br />
Geologe und objektiv<br />
Urteilende in den Vordergrund.<br />
In die fremde Welt<br />
unter Tage taucht er ein, forschend<br />
und dabei auch vor<br />
sich selbst fliehend. Es gab<br />
noch keine universal anerkannten<br />
Naturgesetze, auch<br />
Goethe betrat Neuland auf<br />
der Suche nach einem alles<br />
steuernden ursprünglichen<br />
Weltzusammenhang.<br />
Verborgene Weisheit zu erfahren,<br />
steigt er in die<br />
Schächte und Höhlen hinab.<br />
Gleichzeitig soll wie beim<br />
Alchimisten dank wundersamer<br />
Erkenntnisanhäufung<br />
und der Beherrschung von<br />
Geheimkunst aus dem Blei<br />
des Alltags das Gold der Erkenntnis<br />
gerinnen. So sammelt<br />
er 18.000 Mineralien<br />
und Gesteinsproben, die er<br />
vergleichend in ein System<br />
bringen will. Vordergründig<br />
sind es aber weiterhin die Ilmenauer<br />
Bergwerke, denen<br />
er studienhalber im Harz seine<br />
Visiten widmet. An Charlotte<br />
notiert er in dem Glauben<br />
»aufdemrechtenWege<br />
mit meinen Spekulationen<br />
überdiealteKrustederneuenWelt«zu<br />
sein. Seine Methode,<br />
vom Bekannten zum<br />
Unbekannten vorzudringen,<br />
erweist sich dabei aus heutiger<br />
Sicht manchmal auch als<br />
trügerisch, nur fehlten ja<br />
auch wichtige Grundlagen<br />
zu seiner Zeit.<br />
Bereits 1776 hatte er in Ilmenau<br />
die Bekanntschaft des<br />
hochkompetenten Bergmanns<br />
Wilhelm Heinrich Trebra gemacht,<br />
den als Vizeberghauptmann<br />
ähnliche Probleme<br />
zwickten, wie sie in<br />
Ilmenau von Goethe zu lösen<br />
waren: Schlendrian in der<br />
Verwaltung, Aberglauben im<br />
Bergbau, mangelhafte technische<br />
Ausrüs tung und ein<br />
Fehlen wissenschaftlichgeolo<br />
gischer Grundlagen.<br />
Hinzu kamen Faulheit und<br />
Desinteresse der Bergleute.<br />
Schnell fanden beide eine gemeinsame<br />
Sprache, verband<br />
sie doch auch das Inte resse<br />
für Mineralien. Trebra zog<br />
erst 1779 in den Harz und<br />
wohnte in der heutigen Museumsgaststätte<br />
(Bornhardtstraße)<br />
in Clausthal-Zeller-<br />
Zeichnung von Goethe, die weiterhin Zweifel aufgibt, ob der Titel<br />
Ziegenrücken im Okertal wirklich richtig zugeordnet ist.<br />
feld. Wissenschaftliche<br />
Forschungen und der Aufbau<br />
einer sehr umfangreichen Mineraliensammlung<br />
durch Trebra<br />
machten einen Besuch<br />
bei dem Freund naheliegend.<br />
Der Gedankenaustausch sollte<br />
zeitlebens fortgesetzt werden<br />
und so verwundert es<br />
auch nicht, dass der ortskundige<br />
Trebra die Führung zum<br />
Brockenaufstieg übernahm.<br />
Über den Dietrichsberg, das<br />
Okertal und den Ochsenberg<br />
wanderte die kleine Gesellschaft<br />
zu den Lerchenköpfen,<br />
um auf der alten Straße von<br />
Braunschweig nach Nordhausen<br />
ein Stück zum Torfhaus<br />
zurückzulegen. Dort<br />
gibt es ein Wiedersehen mit<br />
Förster Degen (s. erste Harzreise).<br />
Während man im frostigen<br />
Winter recht leidlich die<br />
zugefrorenen Sümpfe und<br />
Moore durchqueren konnte,<br />
war dies im September schon<br />
schwieriger; mit einem Pferd<br />
gleich ganz unmöglich. Der<br />
Kleine Brocken (Heinrichshöhe)<br />
wird erreicht, wo es ein<br />
Nachtlager gibt.<br />
Auf der Heinrichshöhe befand sich etwas unterhalb des Brockens zu Zeiten Goethes die einzige<br />
Herberge für Brockenwanderer und Torfstecher.<br />
Bedingt durch die moderne »Wurmtrocknis« sind die Mauseklippen bei Schierke schon von weitem zu sehen.<br />
»Zwischen diesen Felsen<br />
hoff’ichnochvielfürmeine<br />
Spekulation, es ist ein<br />
Durchschnitt,dersehrlehrreich<br />
ist«, berichtet er an<br />
Johann Gottfried Herder am<br />
6. Juni 1784.<br />
Natürlich ließ sich der Dichter<br />
nicht den Sonnenuntergang<br />
entgehen und hinterließ eine<br />
Eintragung im Brockenstammbuch.<br />
Man war ja auf<br />
dieser Reise nicht mehr inkognito<br />
unterwegs, sondern als<br />
Staatsmann und berühmter<br />
Dichterfürst. Am 22. September<br />
erreicht er über den<br />
Glashüttenweg Schierke, unterwegs<br />
auch die Feuersteinklippen<br />
passierend. Bis heute<br />
ist Schierke die dem Brocken<br />
nächstgelegene Gemeinde.<br />
Zwischen großen Granitfelsen<br />
idyllisch in die Wälder<br />
gebettet, ist sie ein beliebter<br />
Urlaubsort mit Flair geworden.<br />
Über die Schnarcherklippen<br />
durch das Tal der Kalten Bode<br />
gelangen die Wanderer<br />
nach Elend. Im »Faust« wird<br />
diese Gegend eindrucksvoll<br />
im Gespräch Mephisto-<br />
Faust-Irrlicht beschrieben<br />
(Walpurgisnachtszene). Eine<br />
alte Straße führt sie zum berühmten<br />
Dreieckigen Pfahl,<br />
der ein Dreiländereck markiert.<br />
Oderbrück (Abstecher<br />
zum Achtermann einplanen!)<br />
hinter sich lassend,<br />
geht es über den Oderteich<br />
(damals eine der größten<br />
Talsperren Deutschlands,<br />
von Bergleuten als Sammelbecken<br />
für den Betrieb von<br />
Fahrkünsten und Pumpen<br />
gebaut), den Rehberger<br />
Graben entlang. Durch diesen<br />
wurde das angestaute<br />
Wasser nach St. Andreasberg<br />
geleitet. Trebra<br />
Ortsteile<br />
Endorf, die Stadt Ermsleben,<br />
Meisdorf, Neuplatendorf, Pansfelde,<br />
Reinstedt und Wieserode<br />
Stadt Falkenstein/Harz<br />
Ermsleben<br />
Markt 1 | 06463 Falkenstein/Harz<br />
Tel.: 034743-96-0<br />
postfach@stadt-falkenstein-harz.de<br />
www.stadt-falkenstein-harz.de<br />
Touristinformation Gartenhaus<br />
Tel.: 034743-53565<br />
Touristinformation Degenershausen<br />
Tel.: 034743-53681<br />
Touristinformation Meisdorf<br />
Tel.: 034743-8200<br />
Touristinformation im Rathaus<br />
Tel.: 034743-960<br />
www.dasselketal.de<br />
Foto: Dorit Strauch<br />
Goethit, ein Mineral, das nach<br />
dem Geognostiker und Bergbauminister<br />
benannt worden ist.<br />
konnte dem geologisch interessierten<br />
Freund an der<br />
Rehberger Hohen Klippe eine<br />
Besonderheit zeigen: hellen<br />
Granit mit aufgesetztem,<br />
blau schwar zen Ton. Dieses<br />
Kontaktge stein ist sehr hart<br />
und vulkanischen Ursprungs.<br />
Der Ort heißt heute Goe the-<br />
Platz und liegt an einem<br />
geo logischen Wanderpfad im<br />
GeoPark Harz. An Frau von<br />
Stein: »Ichhabemichrecht<br />
mit Steinen angefüttert …;<br />
siesollenmir,denkeich,wie<br />
die Kiesel dem Auerhahn,<br />
zurVerdauungmeinerübrigenWinterspeisehelfen.«<br />
Anschließend begeben sich<br />
Trebra und seine Begleiter<br />
noch in die Silbergrube<br />
Samson in St. Andreasberg.<br />
Dieser Schacht galt bis Anfang<br />
des 20. Jahrhunderts<br />
mit seinen 810 Metern als<br />
der weltweit tiefste! Im Oberharz<br />
erfand man 1834 auch<br />
das Drahtseil.<br />
Die nächsten Tage weilt der<br />
hohe Gast in Zellerfeld, um<br />
alsdann mit Fritz von Stein<br />
nach Göttingen abzu reisen.<br />
FritzReinboth<br />
Stadt Falkenstein/Harz<br />
Ort an der Straße der Romanik und<br />
Teil der Kulturlandschaft Harz<br />
Der<br />
spezielle Tipp:<br />
Besuchen Sie<br />
den Landschaftspark<br />
Degenershausen!<br />
Rathaus in Ermsleben
GoetheimHarz 12<br />
Eine Wanderung zum Geotop des Goetheplatzes am Rehberger Graben<br />
HierirrtederForscher<br />
2010 wurde im Nationalpark<br />
Harz eine neue Informationstafel<br />
zum damaligen Harzer<br />
Geotop des Jahres eingeweiht.<br />
Es handelt sich dabei<br />
um den Goetheplatz am Rehberger<br />
Graben – eine klassische<br />
Stätte geologischer Forschung<br />
in Mitteleuropa.<br />
Der Goetheplatz ist vom<br />
Parkplatz Dreibrodetal nördlich<br />
von Sankt Andreasberg<br />
zwischen der Bergstadt und<br />
dem Internationalen Haus<br />
Sonnenberg am Nationalpark-Hinweisschild<br />
»Rehberger<br />
Grabenhaus« zu erreichen.<br />
Hier beginnt der<br />
Wanderweg zum Rehberger<br />
Graben, dem wir ein Stück in<br />
Richtung Goetheplatz folgen.<br />
Einkehr in die Nationalpark-<br />
Waldgaststätte Rehberger<br />
Grabenhaus ist auf dem Hinoder<br />
Rückweg möglich. Aber<br />
auch vom Oderteich im Norden<br />
kann der Platz erwandert<br />
werden – jedoch auf einer<br />
längeren Strecke.<br />
»LässtsichNatur<br />
desSchleiersnicht<br />
berauben,Undwassie<br />
deinemGeistnicht<br />
offenbarenmag,<br />
Daszwingstduihr<br />
nichtabmitHebeln<br />
undmitSchrauben.«<br />
Goethe, Faust<br />
Wie die Ortsbezeichnung<br />
»Goetheplatz« bereits vermuten<br />
lässt, hatte es die Felswand<br />
schon Johann Wolfgang<br />
von Goethe angetan.<br />
Auf den Spuren von Maler Weber feiern Goethefreunde in der Unterwelt einer der Harzer Gruben, die der Meister visitiert hat, zünftig<br />
seinen Geburtstag.<br />
Genau auf die Stelle, wo<br />
Granit und Hornfels in den<br />
Hohen Klippen in Kontakt<br />
treten, wollte der Dichter unbedingt<br />
seine Hand legen.<br />
Das gelang ihm 1783 nur mit<br />
Unterstützung des ihn begleitenden<br />
Zellerfelder Berghauptmanns<br />
Friedrich von<br />
Trebra, der Goethe auf diesen<br />
Aufschluss aufmerksam gemacht<br />
hatte und ihn dann<br />
hier auf seine Schultern steigen<br />
ließ. Der Gesteinskontakt<br />
war den Bergleuten<br />
beim Bau des Alten Rehberger<br />
Grabens bekannt geworden.<br />
Als die varistische Gebirgsbildung<br />
vor etwa 300 Millionen<br />
Jahren auch den heutigen<br />
Harz faltete, entstanden<br />
in großer Tiefe Granite. Sie<br />
stiegen langsam nach oben<br />
und man muss sich vorstellen,<br />
dass sich der bei der Bildung<br />
etwa 750 Grad Celsius<br />
heiße Granit wie ein Bunsenbrenner<br />
in das Nebengestein<br />
hineingefressen hat. Diesen<br />
Vorgang nennt man Kontaktmetamorphose<br />
und er<br />
verhärtet das Nebengestein<br />
– so auch hier am Goetheplatz.<br />
Der Vorgang fand in<br />
einigen Kilometern Tiefe<br />
statt und erst durch die spätere<br />
Hebung des Harzes kam<br />
das Gesteinspaket an die<br />
Oberfläche.<br />
Der euphorische Hobbygeologe<br />
aus Weimar fühlte sich<br />
durch das, was er hier sah, in<br />
seiner irrigen Ansicht bestätigt,<br />
der Granit sei das »neptunische<br />
Urgestein«, das von<br />
allen jüngeren Sedimenten<br />
überlagert werde. Seinerzeit<br />
tobte ein heftiger Meinungsstreit<br />
unter den Geologen.<br />
Wie die Wissenschaft später<br />
bewies, waren aber nicht die<br />
Neptunisten, sondern die<br />
Plutonisten im Recht, die<br />
viele Gesteine für »aus dem<br />
Feuer« (Lava, Magma) entstanden<br />
hielten. Die Sedimente,<br />
die sich unter dem<br />
Einfluss der hohen Temperaturen<br />
der in sie eindringenden<br />
Granitschmelze zu<br />
Hornfels verwandelten, waren<br />
zuerst da. Goethe war<br />
hier also im Unrecht.<br />
Geotope sind auffällige Felsformationen,<br />
Gesteinsaufschlüsse<br />
sowie vielerlei<br />
Landschaftsformen, Besucherbergwerke<br />
und -höhlen,<br />
Moore oder Dolinen. Tausende<br />
solcher Geotope gibt es<br />
im UNESCO-Geopark Harz .<br />
Braunschweiger Land . Ostfalen.<br />
Viele von ihnen sind<br />
als Geopunkte erschlossen.<br />
Wie man sie findet, hat der<br />
Regionalverband Harz in einer<br />
Serie von Landmarken-<br />
Das Rehberger Grabenhaus wird als Waldgaststätte im Nationalpark und Wildfütterung seit 1772<br />
betrieben.<br />
Faltblättern beschrieben. Sie<br />
sind an vielen Informationsstellen<br />
im Harz erhältlich,<br />
neben der Grube Samson<br />
und dem Nationalparkhaus<br />
Sankt Andreasberg z.B. auch<br />
in der Informationsstelle des<br />
Regionalverbandes Harz in<br />
der Hohen Straße in Quedlinburg,<br />
im Oberharzer Bergwerksmuseum<br />
Clausthal-<br />
Zellerfeld, im Goslarer<br />
Museum, an der Einhornhöhle<br />
in Herzberg-Scharzfeld<br />
oder im Bergwerksmuseum<br />
Wettelrode.<br />
Der Aufschluss am Goetheplatz<br />
ist der Geopunkt 4 im<br />
Gebiet der Landmarke 4<br />
(Brocken) des UNESCO Global<br />
Geoparks Harz . Braunschweiger<br />
Land . Ostfalen.<br />
Dr.FriedhartKnolle<br />
Hier prüften Goethe und Trebra in einer waghalsigen Kletteraktion<br />
die Kontaktzone zwischen Granit und hartem Hornfels und<br />
zogen falsche Schlüsse. Eine Schautafel des Geoparks hält wichtige<br />
Details für Geologen bereit.<br />
SEILBAHNEN THALE ERLEBNISWELT<br />
Hier verbringt Ihr einen großartigen Tag! Los geht es mit dem Sessellift zur Rosstrappe.<br />
Mit der Kabinenbahn gleich nebenan schwebt Ihr zum Hexentanzplatz, dem<br />
anderen Felsmassiv. Auf der Sommerrodelbahn saust Ihr in schnittigen Bobs vom<br />
Hexentanzplatz aus mitten durch den Wald und wieder hinauf zum Start. Nach dem<br />
Rodelspaß habt Ihr viel Spaß im Vergnügungspark bei den Seilbahnen. Mit neuen<br />
Attraktionen ist die Spassinsel ein Highlight für Familien mit Kindern jeden Alters!<br />
Täglich geöffnet von Ostern bis Ende Oktober von 9:30 - 18:00 Uhr.<br />
Die tagesaktuellen Öffnungszeiten finden sie auf www.seilbahnen-thale.de.<br />
Besucherparkplatz der Seilbahnen Thale, Parkstraße 1, 06502 Thale<br />
www.seilbahnen-thale.de
13 GoetheimHarz<br />
Goethes Studien im Bodetal bei Thale<br />
GrandiosesTalfasziniertDichtererneut<br />
BODETAL. Die geologischen<br />
Forschungen führen Goethe<br />
und seinen Begleiter von Elbingerode<br />
hinab nach Wendefurth.<br />
Die Nacht vom 7.<br />
zum 8. September 1784 verbringen<br />
die beiden in diesem<br />
Ort. Besonders ausführlich<br />
berichtet G. in seinem »Geognostischen<br />
Tagebuch« über<br />
die Beobachtungen, die er<br />
während des Weitermarsches<br />
in Richtung Thale macht.<br />
Melchior Kraus fertigt viele<br />
Zeichnungen an. In Goethes<br />
Aufzeichnungen werden die<br />
Orte Altenbrak und Treseburg<br />
erwähnt, wo sich damals<br />
die Ludwigshütte befand.<br />
Die beiden Orte haben sich<br />
inzwischen zu kleinen Perlen<br />
im Bodetal entwickelt. Wer<br />
Ruhe, landschaftliche Schönheit<br />
und romantische Wanderungen<br />
liebt, ist dort genau<br />
richtig.<br />
Nicht weit entfernt liegt die<br />
Kleinstadt Thale. Die heute<br />
mit knapp 15.000 Einwohnern<br />
zweitgrößte Stadt des<br />
Altkreises Quedlinburg hat<br />
ihre Größe vor allem dem Eisen-<br />
und Hüttenwerk (EHW)<br />
zu verdanken. Noch 1798<br />
gab es auf Landkarten nur<br />
die Blechhütte. Thales Stadtwerdung<br />
vollzog sich außergewöhnlich<br />
spät mit der industriellen<br />
Expansion. Erst<br />
am 9. Juni 1922 erhielt Thale<br />
Stadtrecht.<br />
Die Geschichte der über 600<br />
Jahre alten Eisenhütte von<br />
Thale sowie die Entstehung<br />
des EHW wird eindrucksvoll<br />
im Hüttenmuseum nacherlebbar,<br />
das direkt am Eingang<br />
zum Bodetal liegt. Hier<br />
findet der Besucher auch<br />
Antworten darauf, warum<br />
Thalenser Emaille-Waren mit<br />
dem Namen »Löwen-Emaille«<br />
versehen wurden.<br />
Am Eingang des Bodetals<br />
aus Richtung Bahnhof kommend<br />
sind weitere Attraktionen<br />
kaum zu übersehen.<br />
Blickt der Besucher nach<br />
rechts, sieht er einen Sessellift,<br />
der die Gäste auf die berühmte<br />
Roßtrappe befördert.<br />
Vom Riesen Bodo<br />
Der Sage nach soll der Riese<br />
Bodo die Prinzessin Brunhilde<br />
verfolgt haben. Um nicht<br />
in die Hände ihres Verfolgers<br />
zu fallen, wagte sie den<br />
Sprung auf die andere Seite<br />
des Tales, zur Roßtrappe. Ihr<br />
Pferd schlug mit solch einer<br />
Wucht auf dem gegenüberliegenden<br />
Felsen auf, dass<br />
noch heute der Hufabdruck<br />
zu sehen ist. Der Riese Bodo<br />
fiel in den Fluss, wo er am<br />
tiefsten war. Seitdem bewacht<br />
er als Höllenhund die<br />
kleine Krone, die Brunhilde<br />
bei ihrem Sprung verlor. Der<br />
Fluss heißt seither Bode.<br />
Geht der Besucher einige<br />
Schritte weiter, erreicht er<br />
die Talstation der Schwebebahn.<br />
Anfang der 1970-er<br />
Jahre von tschechischen Arbeitern<br />
erbaut und inzwischen<br />
modernisiert, ist sie<br />
die bequemste Art auf den<br />
Hexentanzplatz zu gelangen.<br />
Am 3. Oktober 2011<br />
war der letzte Betriebstag der<br />
alten Kabinenbahn zum Hexentanzplatz.<br />
Nach knapp 41<br />
Jahren und mehr als 36 Millionen<br />
Fahrten verabschiedete<br />
sich die »alte Lady« in den<br />
wohlverdienten Ruhestand.<br />
Am 21. April 2012 wurde die<br />
Im unwegsamen Gelände des Naturschutzgebietes finden sich<br />
zuweilen geheimnisvolle kleine Höhlen und Grotten, deren Gestein<br />
eine magmatische Bänderung mit skurrilen Verwerfungen<br />
aufweist.<br />
Einfach grandios und so beeindruckend, dass man das Bodetal zwischen Thale und Treseburg mit dem berühmten Roßtrappenfelsen<br />
unbedingt besucht haben sollte, wenn man im Harz unterwegs ist.<br />
neue Kabinenbahn zum Hexentanzplatz<br />
offiziell in Betrieb<br />
genommen. Bereits in<br />
den ersten beiden Tagen<br />
wurden mehr als 8.000 Besucher<br />
gezählt.<br />
Die Gondeln schweben rund<br />
zehn Minuten in Höhen von<br />
bis zu 60 Metern über dem<br />
Boden. Von den rundum<br />
verglasten Kabinen hat man<br />
einen imposanten Blick über<br />
das Bodetal und nach Quedlinburg.<br />
Goethe und Melchior Kraus<br />
hatten sich auf die Geologie<br />
konzentriert und beobachteten<br />
die schroffen Felsformationen<br />
und die mit Findlingen<br />
aus der Eiszeit<br />
übersäte Bode.<br />
Schwierige Passagen<br />
Das Flüsschen, vor dem Bau<br />
der Rappbodetalsperre ein<br />
recht munteres Gewässer,<br />
müssen Kraus und Goethe<br />
mehrfach kennengelernt haben.<br />
Denn die Brücken, die<br />
heute das Wandern ungemein<br />
erleichtern, gab es<br />
noch nicht. Um die engsten<br />
Stellen des Tales zu erreichen,<br />
stand man einst bis zu<br />
den Schultern im Wasser.<br />
Nichtsdestotrotz war Goethe<br />
vom Bodetal begeistert. Euphorisch<br />
bezeichnete er dieses<br />
imposante Gebilde als<br />
»das gewaltigste Felsental<br />
nördlich der Alpen«.<br />
Bereits auf seiner zweiten<br />
Reise hatte er mit dem kleinen<br />
Fritz von Stein die<br />
landschaftlichen Reize genossen.<br />
Auf einer Granitplatte,<br />
die tal aufwärts mitten<br />
im Flussbett liegt, soll er<br />
am 11. September 1783 mit<br />
ihm zu Mittag gegessen haben.<br />
Der Felsbrocken erhielt<br />
später den Namen Goethestein.<br />
Übrigens gibt es im<br />
Bodetal auch einen Goethefelsen.<br />
Georg Melchior<br />
Kraus hat ihn als »Granitfelsen<br />
im Bodetal« mit Bleistift<br />
verewigt. Der schroffe Granit<br />
hieß früher Siebenbrüderfelsen.<br />
Zu Goethes 200.<br />
Geburtstag, am 28. August<br />
1949, wurde eine Bronzetafel<br />
an diesem monumentalen<br />
Fels enthüllt.<br />
Nach den anstrengenden Tagen<br />
zuvor könnten die beiden<br />
Wanderer einen Ruhetag<br />
eingelegt haben. Wie Rolf<br />
Denecke in »Goethes Harzreisen«<br />
schildert, ist über den<br />
9. September nichts bekannt.<br />
Vermutlich haben sie in Thale<br />
übernachtet.<br />
Erst über den 10. September<br />
gibt es wieder Tagebuchaufzeichnungen.<br />
Da rin ist von<br />
»freistehenden Klippen« und<br />
»übriggebliebenen Wänden<br />
eines Sandsteingebirges« die<br />
Rede. Dies lässt den Schluss<br />
zu, dass Goethe und sein Begleiter<br />
die Teufelsmauer bei<br />
Neinstedt besichtigt haben.<br />
Auch am nächsten Tag treffen<br />
sie auf »wunderbare Gestalten«<br />
eines »Sandgebirges«.<br />
Damit könnte der Teil<br />
der Teufelsmauer bei Timmenrode<br />
gemeint sein. Denn<br />
dieser Ort liegt genau auf<br />
dem Weg in Richtung Blankenburg.<br />
Von dort wiederum<br />
ging es wahrscheinlich zur<br />
Baumannshöhle in Rübeland.<br />
Kraus fertigt vor Ort<br />
seine bekannte Zeichnung<br />
des Höhleneinganges. Es<br />
folgt ein zweitägiger Besuch<br />
bei Frau von Branconi in<br />
Langenstein.<br />
Weiter und weiter …<br />
Für Goethe selbst brachte die<br />
dritte Reise äußerst viel. Seine<br />
Verbundenheit zu der unwirklichen<br />
Bergwelt mit<br />
ihren schroffen Felsformationen,<br />
saftigen Wiesen und<br />
dunklen Wäldern äußerte er<br />
in seinen Briefen. So schrieb<br />
er an Herzog Ernst II. von<br />
Sachsen-Gotha: »Eskommt<br />
mir…selbstwunderbarvor,<br />
wieichnachundnach,ohne<br />
esgleichsamselbstzubemerken,indemStein-undGebeinreicheansässiggeworden<br />
bin. Es hängt in<br />
natürlichenDingenallesso<br />
nahzusammen,daß,wenn<br />
mansicheinmaleingelassen<br />
hat,manvomStromeimmer<br />
weiter und weiter geführt<br />
wird…«<br />
Am 14. September reist Goethe<br />
aller Wahrscheinlichkeit<br />
von Langenstein zurück<br />
nach Weimar. Es sollte aber<br />
nicht seine letzte Reise in<br />
den Harz bleiben.<br />
Wolfgang Schilling<br />
Goethe ist wieder da!<br />
»Und will morgen, wenn ich<br />
einen Führer durch den Schnee<br />
finde, von da in seltsame<br />
Gegenden streifen …« J. W. G.<br />
<br />
THALE<br />
sagenhaftnatürlich<br />
Mehr dazu findet sich im Buch:<br />
»Thale – sagenhaft natürlich«.<br />
ISBN 978-3-935971-99-7<br />
Goethe-Haus Altenau im Oberharz<br />
Das historische „Hotel Rathaus“ ist aus einem langen<br />
Dornröschenschlaf erweckt worden.<br />
Hier übernachtete Johann Wolfgang Goethe<br />
vom 9. zum 10. Dezember 1777 vor seiner berühmten<br />
Winterbesteigung des Brockens.<br />
Museum zu Goethes Harzreisen,<br />
Standesamtliches Trauzimmer, Logierhaus,<br />
Begegnungsstätte für Literaturfreunde und Altenauer<br />
Freuen Sie sich auf ein bald rekonstruiertes Haus<br />
im Zentrum der Bergstadt Altenau!<br />
Anfragen und Reservierungen: Tel. 05037 3000399<br />
Goethe-Haus in Altenau, Markt 2, 38707 Altenau i. O.
GoetheimHarz 14<br />
4.<br />
HARZREISE<br />
Zum dritten Mal zwischen Teufelsbrücke und Hexentanzplatz<br />
VomBodetalzumStubenberg<br />
Zu allen Jahreszeiten ist das Bodetal faszinierend.<br />
BODETAL. Vermutlich entschloss<br />
sich Goethe erst in<br />
Halberstadt, doch noch einen<br />
Abstecher ins Bodetal zu unternehmen.<br />
Spontan reiste<br />
man also nach Thale. Es ist<br />
anzunehmen, dass Goethe die<br />
wildromantische Landschaft<br />
seinem Sohn unbedingt zeigen<br />
wollte, da ihn diese Naturgewalten<br />
bereits selbst auf<br />
den Reisen 1783 und 1784<br />
stark beeindruckt hatten. Zunächst<br />
besuchte die kleine<br />
Reisegruppe den Thalenser<br />
Eisenhammer, der seit 1686<br />
bestand. Er bildete den Vorläufer<br />
der späteren Eisenund<br />
Hüttenwerke (s. zweite<br />
Reise). Nach dem beschwerlichen<br />
Aufstieg über die Schurre<br />
erklommen die Wanderer<br />
die Roßtrappe, wo sie bei<br />
sommerlichem Wetter die<br />
grandiose Aussicht über das<br />
Harzvorland genossen haben.<br />
Gegenüber der Roßtrappe<br />
liegt der Hexentanzplatz.<br />
Diese altgermanische Kultstätte<br />
und Fluchtburg (Sachsenwall)<br />
ist heute besonders<br />
bekannt durch ihre ausgelassenen<br />
Spektakel zu Walpurgis.<br />
Anfang der 1970er Jahre<br />
kam nicht nur die Bergstation<br />
der Schwebebahn<br />
hinzu, sondern auch ein sehenswerter<br />
Tierpark.<br />
Ins Staunen kommt man<br />
auch im Harzer Bergtheater.<br />
Es gilt als eine der schönsten<br />
Naturbühnen Deutschlands.<br />
Sie wurde 1903 von Dr. Ernst<br />
Wachler im Stil eines griechischen<br />
Amphitheaters angelegt<br />
und feierte 2003 ihr<br />
100-jähriges Bestehen.<br />
1000-jähriges Kleinod<br />
Am Tag darauf fuhr die Gesellschaft<br />
von Thale aus am<br />
nörd lichen Harzrand entlang<br />
über (Bad) Suderode. Die<br />
Gemeinde, die sich inzwischen<br />
zu einem idyllischen<br />
Kurort entwickelt hat, verdankt<br />
ihren Aufschwung vor<br />
allem den Mineralquellen.<br />
Ihr calciumhaltiges Wasser<br />
wird unter anderem von der<br />
»Paracelsus-Harz-Klinik«<br />
therapeutisch eingesetzt. Das<br />
große Kurzen trum, 1996<br />
feierlich eingeweiht, wurde<br />
leider am 30. Juni 2013 geschlossen<br />
und steht inzwischen<br />
vor der Privatisierung.<br />
Von Suderode aus ging es für<br />
Goethe und seine Begleiter<br />
weiter in Richtung Gernrode.<br />
Dieser Ort wurde von Markgraf<br />
Gero im 10. Jahrhundert<br />
gegründet und bietet den Besuchern<br />
eine Vielzahl von<br />
Überraschungen. Zu nennen<br />
ist die 1000-jährige Stiftskirche<br />
an der »Straße der<br />
Romanik«. Sie ist ein gern<br />
KALENDARIUM<br />
14. 8. Halberstadt – Thale<br />
– Bodetal<br />
15. 8. Thale – Suderode<br />
– Gernrode – Stubenberg<br />
– Ballenstedt –<br />
Aschersleben –<br />
weiter Richtung Halle<br />
gewählter Ort für Konzerte<br />
und eine der am besten erhaltenen<br />
Sakralbauten aus<br />
ottonischer Zeit.<br />
Oberhalb von Gernrode in<br />
Richtung Harzgerode liegt<br />
der Stubenberg. Von der Terrasse<br />
hat der Besucher einen<br />
phantastischen Blick über<br />
Gernrode mit den patinabelegten<br />
Türmen der Stiftskirche<br />
St. Cyriakus, das waldreiche<br />
Hagental und die Orte<br />
um Quedlinburg. Auch Goethes<br />
Reisegesellschaft ließ<br />
sich diesen wunderschönen<br />
Ausblick nicht entgehen,<br />
wohlweislich, dass gerade<br />
sein »Freund« Gleim dort auf<br />
dem Berg ein Schriftstellertreffen<br />
veranstalten wollte,<br />
das Goethe sogar als »Geniekongress«<br />
bezeichnet hatte.<br />
Von Gernrode aus ging die<br />
Reise weiter ostwärts nach<br />
Ballenstedt. Die heute 8.000<br />
Einwohner zählende Stadt<br />
war Stammsitz des Geschlechts<br />
der Askanier sowie<br />
Heimatort der Uta von<br />
Naumburg und Albrechts des<br />
Bären. Die Grabstätte Albrechts<br />
ist heute wieder zu besichtigen.<br />
Die Stadt Ballenstedt<br />
hat das Schloss – es<br />
war bis 1945 Sitz derer von<br />
14. + 15.8.1805<br />
4. HARZREISE<br />
August 1805<br />
Anhalt – aufwendig restaurieren<br />
lassen. Im kleinen<br />
Schlosstheater finden regelmäßig<br />
Konzerte und Theateraufführungen<br />
statt.<br />
Goethe reiste an Ballenstedt<br />
vorbei in Richtung Aschersleben.<br />
Dabei muss er am Ort<br />
Meisdorf vorbeigekommen<br />
sein, wo sich heute ein<br />
18-Loch-Golfplatz befindet.<br />
DIE SIXTINA DES NORDENS<br />
Das Monumentalgemälde von Werner Tübke (1929-2004) gehört zu den spektakulärsten Projekten jüngerer Kunstgeschichte.<br />
Auf einer Gesamtfläche von 14 m Höhe und 123 m Länge entfaltet sich in altmeisterlicher Formensprache ein Universum<br />
menschlicher Leidenschaften, das nicht nur den epochalen Umbruch vom Spätmittelalter zur Neuzeit bildhaft erlebbar<br />
macht. Tübke schuf ein universales, zeitloses Gemälde, in dem Grundthemen der Menschheit wie Liebe und Hass,<br />
Tod und Geburt, Eintracht und Zwiespalt die unendliche Wiederkehr des Gleichen versinnbildlichen.<br />
Ein unvergessliches Erlebnis. Betreten Sie eine Welt, die Sie vollkommen mit Malerei umschließt.<br />
Die Sixtina des Nordens – ein Bilddom, der zum Staunen und Entdecken, zum Verweilen<br />
und Nachdenken, zum Innehalten und Träumen einlädt. Ein sinnlicher Genuss.<br />
Nicht nur für die Augen, auch für den Geist.<br />
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15 GoetheimHarz<br />
Stubenberg – Treffpunkt der Dichter und Denker<br />
BeliebterAusblickindenVorharzmitpoetischerTradition<br />
Hoch über der romanischen Stiftskirche thront der »Stubenberg«<br />
mit weitem Ausblick<br />
Schon weit entfernt leuchtet<br />
der Stubenberg, ein Hotel mit<br />
grandioser Aussicht, als markante<br />
Landmarke oberhalb<br />
der über tausendjährigen<br />
Stiftskirche von Gernrode.<br />
Dieser außergewöhnliche Ort<br />
war in den vergangenen<br />
Jahrhunderten ein Mekka<br />
von Dichtern, Musikern und<br />
Politikern aller Couleur. Als<br />
Fürst Victor Friedrich von<br />
Anhalt-Bernburg 1754 bis<br />
1756 dieses heute dreiflügelige<br />
Gebäude auf dem Herrenberg<br />
als Jagd- und Lustschloss<br />
errichten ließ, war<br />
nicht absehbar, welchen Bekanntheitsgrad<br />
es unter<br />
Dichtern und Denkern einmal<br />
erreichen würde. Das<br />
ursprüngliche Blockhaus erfuhr<br />
fortlaufende Erweiterungen<br />
und heute strahlt<br />
schon die Rückseite mit dem<br />
überdachten großangelegten<br />
Treppenaufgang und weiteren<br />
neoklassizistischen Ausbauten<br />
eine herrschaftliche<br />
Atmosphäre aus. Dem anhaltischen<br />
Haus diente es auch<br />
gern als Ort für Hoffeste<br />
(1780 und 1783).<br />
Stiftskirche Gernrode im Abendlicht<br />
Zu den bekannten Geistesgrößen,<br />
die den Stubenberg<br />
besuchten, gehörte neben<br />
Friedrich von Anhalt, der<br />
1756 hier ein Fest gab, der<br />
Halberstädter Dichter Johann<br />
Wilhelm Ludwig Gleim<br />
(1719-1803), der 1782 einen<br />
Geniekongress auf dem Stubenberg<br />
veranstaltete. Goethe<br />
konnte leider nicht teilnehmen.<br />
Friedrich Klopstock<br />
aus Quedlinburg war hier,<br />
1782 kehrte der Dichter Johann<br />
Ludwig Tieck auf dem<br />
Stubenberg ein, Georg Philipp<br />
von Hardenberg (Novalis)<br />
weilte mehrfach hier,<br />
1795 verschnaufte der Maler<br />
Caspar David Friedrich auf<br />
dem Stubenberg, 1797 bestieg<br />
Heinrich von Kleist im<br />
Dunkeln den Berg, um hernach<br />
den Sonnenaufgang zu<br />
beobachten.<br />
Am 15. August 1805 besuchte<br />
Johann Wolfgang von<br />
Goethe gemeinsam mit seinem<br />
Sohn August von Thale<br />
über Suderode mit der Kutsche<br />
kommend den Stubenberg<br />
und rastete an diesem<br />
motivierenden Ort, bevor er<br />
Die Zahl der Geistesgrößen und Politiker, die der »Stubenberg« im 18. und 19. Jahrhundert anzog, ist ist erstaunlich groß.<br />
Foto: Dorit Strauch<br />
Hier hat der Zeichner etwas übertrieben. Weder sah die Stiftskirche so spitztürmig aus, noch war<br />
der »Stubenberg« eine so große und herrschaftliche Anlage.<br />
zum Schloss Ballenstedt weiterreiste.<br />
Am 10. September<br />
des gleichen Jahres weilte<br />
Joseph von Eichendorf auf<br />
dem Stubenberg, 1820 nahm<br />
der Komponist Carl Maria<br />
von Weber mit seiner Frau<br />
an einem Schützenfest teil,<br />
das für längere Zeit von der<br />
örtlichen Schützengesellschaft<br />
an diesem Ort abgehalten<br />
wurde. Die Familie<br />
des Komponisten Felix Mendelssohn<br />
Bartholdy veranstaltete<br />
mehrmals Familientreffen<br />
auf dem Stubenberg<br />
und auch Heinrich Heine<br />
führte der Weg während einer<br />
Wanderung zwischen<br />
dem Bodetal und Mägdesprung<br />
über den Stubenberg.<br />
In der »Harzreise« findet diese<br />
Begegnung leider keinen<br />
Niederschlag. 1831 traf der<br />
dänische Schriftsteller Hans-<br />
Christian Andersen hier ein<br />
und 1838 fertigte der Maler<br />
Ludwig Richter nach einer<br />
Visite einen Stahlstich vom<br />
Stubenberg an.<br />
Der Maler Carl Blechen soll<br />
1833 die Stiftskirche gemalt<br />
haben. 1882 und 1884 sind<br />
als verbürgte Aufenthalte<br />
von Theodor Fontane bekannt,<br />
der gern die Sommerfrische<br />
im Bodetal und Thale<br />
im Hotel »Zehnpfund« verbrachte.<br />
Am 2. August 1846 weilte<br />
Fürst Otto zu Bismarck mit<br />
seiner späteren Ehefrau Johanna<br />
von Putkamer daselbst<br />
und am 23. Mai 1847<br />
ist ein Besuch des Ballenstedter<br />
Hofmalers und<br />
Kapellmeisters Wilhelm von<br />
Kügelgen verzeichnet. Bereits<br />
sieben Jahre vorher<br />
kam Kügelgen mit seiner<br />
Schülerin Caroline Bardua<br />
Auch Novalis war auf dem Stubenberg.<br />
Kultur für Kenner<br />
Entdecken Sie den<br />
Harz und Sachsen-<br />
Anhalt mit der historischen<br />
Reihe aus der<br />
und der Sängerin Wilhelmine<br />
Bardua hierher. 1863 war<br />
er mit dem Publizisten und<br />
Gründer der heutigen Evangelischen<br />
Stiftung Neinstedt<br />
Philipp von Nathusius auf<br />
dem Stubenberg zu Gesprächen<br />
verabredet.<br />
Schließlich wurde am 11.<br />
April 1885 auf dem Stubenberg<br />
die Entscheidung zum<br />
Bau der Selketalbahn getroffen.<br />
Ein besonderer Ort also, von<br />
dem Sie einen weiten Blick<br />
in den Vorharz mit seiner offenen<br />
Landschaft ebenso genießen<br />
können, wie entspannte<br />
Stunden. Das Hotel<br />
soll nach einigen Besitzwechseln<br />
2023 wiederum in<br />
neue Hände kommen.<br />
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Wie a les begann: Es nahte<br />
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Auf den Spuren des großen deutschen Dichters 2023|2024<br />
Harzreisen mit literarischem Ertrag<br />
<strong>25</strong> Jahre auf den Spuren des Malers Weber durchs Gebirge<br />
der <strong>25</strong>0. Geburtstag von Jo-<br />
hann Wolfgang von Goethe<br />
und so dachte ich, würden im<br />
Harz diverse Publikationen<br />
an den Mann erinnern, der<br />
2023/24<br />
den Harz mit seinen faszinierenden<br />
Landschaftsformen<br />
weltberühmt gemacht hat.<br />
Das Elendstal un den Bro-<br />
cken im »Faust«, das Bodetal,<br />
das er als »gewaltigstes Fel-<br />
sental nördlich der Alpen«<br />
pries. Doch fast nichts ge-<br />
schah. So kam die Id einer<br />
Zeitung für die Harzreisen<br />
des Dichters auf, zu der mich<br />
der legendäre »Windbeutel-<br />
könig« Dieter Friedrich Holste<br />
aus Schulenberg ermunterte.<br />
Die karge Beba ung zu Goethes Winte reise 1777 wird auf die-<br />
sem Bild angedeutet. Nur das Wolkenhäuschen gab minimalen<br />
Schutz vor Wi terungsunbilden.<br />
Goethefans lesen in der Jahresausgabe<br />
Bei einer Wanderung über<br />
Umwege auf den Brocken<br />
reifte der Entschlu s, diese<br />
Reisen für heutige Besucher<br />
darzuste len. Viel Literatur<br />
wurde gewälzt, Fotos an den<br />
Örtlichkeiten gesammelt und<br />
zum Geburtstag 1 9 war sie<br />
fertig. Tiefer und tiefer in die<br />
Welt des Dichterfürsten einzusteigen,<br />
das war der Plan.<br />
Schnell fanden sich Verbündete.<br />
Über viele Jahre gehörte<br />
der Goslarer Rammelsberg<br />
dazu. Nicht in den kühnsten<br />
Gedanken ha te ich diesem<br />
Blatt für Literatur- und Kulturtouristen<br />
eine so lange<br />
Lebensdauer prophezeit. Es<br />
kam anders – wie öfter im<br />
Leben. Immer neue Personen<br />
aus dem Dunstkreis des<br />
Dichters fanden in den Folgejahren<br />
Platz im Bla t.<br />
Christlob Mylius, der weithin<br />
unbekannte frühe Bezwinger<br />
des Brockens, der schon<br />
1753 den unwegsamen Gipfel<br />
im Winter e reichte, sei<br />
genannt. Hans Christian Andersen,<br />
Theodor Fontane, der<br />
geniale Braunschweiger Maler<br />
Pascha Johann Friedrich<br />
Weitsch, der Quedlinburger<br />
Friedrich Gottlieb Klopstock,<br />
Johann Wilhelm Ludwig<br />
Gleim und sein heute ihn ehrendes<br />
Halberstädter Literaturzentrum<br />
wurden treue Begleiter.<br />
Maria Antonia<br />
Pe sina von Branconi, die<br />
schöne Gräfin von Langenstein,<br />
inspirierte nicht nur<br />
Goethe, auch Bernd Wol f<br />
fand »Im Labyrinth der Täler«<br />
seinen Spielraum wie in<br />
weiteren Romanen rund um<br />
Goethes Harzreisen. Unverge<br />
sen, wie wir mit dem<br />
Heinrich Heine Spezial irrend<br />
vorwärt stolperten und<br />
immer weiter ging es. Die<br />
Rockoper »Faust«, deren Gesamtkonzept<br />
in Kombination<br />
Aufgehübschte Darste lung von Brockenreisenden um 1839, die wohl so fein gekleidet den Brocken 62 Jahre nach Goeth eher<br />
GOETHES HARZREISEN<br />
◗ 1. HARZREISE: 1777 – Winterbesteigung des Brockens<br />
von Nordhausen über Ilfeld, Elbingerode, Wernigerode,<br />
Goslar, Clausthal, Altenau, Brocken, St. Andreasberg,<br />
Duderstadt nach Mühlhausen S. 2–6<br />
◗ 2. HARZREISE: 1783 – mit geologischen Studien<br />
von Langenstein über Blankenburg, Rübeland, Halberstadt,<br />
Ze lerfeld, Brocken, Schierke, Elend, St. Andreasberg nach<br />
Göttingen S. 7◗<br />
3. HARZREISE: 1784 – mit zeichnerischen Studien<br />
von Lauterberg über Osterode, Clausthal-Ze lerfeld,<br />
Wildema n, Goslar, Brocken, Elbingerode, Thale,<br />
Blankenburg nach Langenstein S. 10–11<br />
◗ 4. HARZREISE: 1805 – »Wa lfahrt nach dem Roßtrapp«<br />
von Halberstadt über Thale, Bodetal, Gernrode, Ba lenstedt<br />
nach Aschersleben S. 14<br />
von Dampfbahnromantik<br />
mit Rockmusik und geschickter<br />
Literaturbearbeitung<br />
auf dem Brocken reüssierte,<br />
faszinierte uns, das<br />
Engagement Einzelner wie<br />
Achim Kape le, der das Hotel<br />
Rathaus in Altenau buchstäblich<br />
vor dem Ruin re tete,<br />
ist aller Ehren wert!<br />
A len, die dieses Projekt gefördert<br />
haben, sei hier ausdrücklich<br />
Dank gesagt, auch<br />
wenn sie namentlich nicht<br />
Aber so, wie jede Serie an ihr<br />
Ende kommt, so l diese <strong>25</strong>.<br />
Quedlinburg<br />
Weltkulturerbe<br />
trifft Mittelalter<br />
und Fachwerk<br />
A rangements buchbar unter: w w.schlossmuehle.de<br />
Ausgabe das Vierteljahrhundert<br />
der Begleitung von Kultu<br />
reisenden im Harz nun beschließen,<br />
auch wenn e so<br />
etwas angeblich deutschlandweit<br />
nicht noch einmal<br />
gibt. Jede Ausgabe veranschaulicht<br />
eine anstrengende<br />
und schöne Zeit, die ich nicht<br />
mi sen möchte. Bleiben Sie<br />
munter und weiter neugierig<br />
auf die Spuren, die Goethe<br />
uns im Harz hinterla sen hat!<br />
Wolfgang Schi ling<br />
Faszination<br />
Romanik<br />
Sonderausgabe Nr. <strong>25</strong>
GoetheimHarz 16<br />
Das Gleimhaus jubiliert 2024<br />
Klopstock!wird300<br />
»Von Göthen soll und muß<br />
nunmehr schon ein Roman<br />
die Presse verlassen haben:<br />
›Die Leiden des jungen<br />
Werthers‹, welcher nach dem<br />
was ich davon gehört habe,<br />
ein Meisterstück ist. Ich kenne<br />
keinen Menschen in der<br />
ganzen gelehrten Geschichte,<br />
der in solcher Jugend so<br />
rund und voll von eignem<br />
Genie gewesen wäre, wie er«,<br />
so schrieb der wenige Jahre<br />
vor Goethe geborene Dichter<br />
Wilhelm Heinse am 13. Oktober<br />
1774 an seinen väterlichen<br />
Freund Johann Wilhelm<br />
Ludwig Gleim in<br />
Halberstadt.<br />
Klopstock, gemalt von Jens Juel, 1779,<br />
Gleimhaus Halberstadt<br />
Im Winter nach Erscheinen<br />
von Goethes Sensationserfolg<br />
»Die Leiden des jungen<br />
Werthers« (erst ab der zweiten<br />
Auflagen hieß es »Die<br />
Leiden des jungen Werther«)<br />
las Gleim, der Dichter,<br />
Sammler und Förderer sowie<br />
Halberstädter Domsekretär<br />
den Roman und war tief beeindruckt,<br />
wie er seinem<br />
Freund Heinse (»Sohn« genannt)<br />
mitteilte:<br />
»›Die Leiden des jungen<br />
Wehrter‹ sind vortreflich,<br />
bester Sohn! In einem Athem<br />
hab’ ich sie gelesen, das seit<br />
langer Zeit bey keinem Buch,<br />
als neulich auch bey deiner<br />
Laidion, geschehen ist. Vortreflich,<br />
bester Sohn! Die<br />
tiefste Weisheit, kurz und<br />
herrlich! Komt alles aus dem<br />
Herzen, und aus dem Geist,<br />
wie’s drinnen war, so sollt’s<br />
allenthalben seyn … Grüß ihn<br />
Göthen deinen guten Freund,<br />
und sag’ ihm, daß aufs Jahr<br />
ich ihn besuchen würde,<br />
denn ich müßt in diesem Leben<br />
ihn noch kennen lernen,<br />
damit Er in jenem mir nicht<br />
unbekant wäre. Wegen seines<br />
jungen Wehrters hat er<br />
Decret bekommen, in den<br />
Musentempel aufgenommen<br />
zu werden, neben dir, soll er<br />
seine Stelle bekommen, kanst<br />
du sein Bild mir schaffen?<br />
aber ohne, daß er was davon<br />
erfährt? Du köntest deinem<br />
alten Vater eine große Freude<br />
machen, wenn du’s verschaftest,<br />
aber gut gemahlt, und<br />
gut getroffen …«<br />
Allein schon wegen des<br />
Werther, so Gleim, habe Goethe<br />
verdient, mit seinem Porträt<br />
in der Halberstädter<br />
Bildnisgalerie, genannt<br />
»Freundschaftstempel« aufgenommen<br />
zu werden. Leider<br />
hat Heinse dem Wunsch nicht<br />
entsprochen; er hat kein Bild<br />
organisiert. Es wäre eines der<br />
frühsten Porträts des Autors<br />
Goethe gewesen.<br />
Dieser Werther-Roman war<br />
der erste deutsche literarische<br />
Exportschlager in Europa.<br />
Subjektiv, leidenschaftlich,<br />
kompromisslos. Ein Roman,<br />
der außerhalb des bisher Gekannten<br />
war, der jedoch an<br />
einer zentralen Stelle eine besondere<br />
Bezugnahme auf einen<br />
anderen lebenden Autor<br />
lieferte. Hier heißt es in einer<br />
der wichtigsten und intimsten<br />
Szenen zwischen der<br />
Hauptfigur Werther und der<br />
von ihm geliebten Lotte: »Wir<br />
traten ans Fenster. Es donnerte<br />
abseitwärts, und der<br />
herrliche Regen säuselte auf<br />
das Land, und der erqickendste<br />
Wohlgeruch stieg in<br />
aller Fülle einer warmen Luft<br />
zu uns auf. Sie stand, auf ihren<br />
Ellenbogen gestützt, ihr<br />
Blick durchdrang die Gegend,<br />
sie sah gen Himmel und auf<br />
mich, ich sah ihr Auge tränenvoll,<br />
sie legte die Hand<br />
auf die meinige und sagte –<br />
›Klopstock!‹ – Ich erinnerte<br />
mich sogleich der herrlichen<br />
Ode, die ihr in Gedanken lag,<br />
und versank in dem Strome<br />
von Empfindungen, den sie<br />
in dieser Losung über mich<br />
ausgoß. Ich ertrug’s nicht,<br />
neigte mich auf ihre Hand<br />
und küßte sie unter den wonnevollsten<br />
Tränen. Und sah<br />
nach ihrem Auge wieder – …«<br />
Das gemeinsame Erleben eines<br />
Gewitters und nur die<br />
Nennung des Autornamens<br />
Klopstock lässt beide an ein<br />
und dasselbe Gedicht denken,<br />
dessen Titel nicht genannt,<br />
dessen Inhalt und Sprache<br />
aber gemeinsam empfunden<br />
wird. Die Rede ist von Friedrich<br />
Gottlieb Klopstocks Gedicht<br />
»Die Frühlingsfeier«. Es<br />
umfasst 24 Strophen und 108<br />
Verse. Was bei Klopstock<br />
Gottesanbetung war, wird bei<br />
Werther zum Gefühl tiefer<br />
Liebe zu Lotte.<br />
Wer war Friedrich Gottlieb<br />
Klopstock, auf den hier literarisch<br />
hingewiesen wird? Er<br />
zählte, wie Gleim, zur vorgoethischen<br />
Generation und<br />
wurde am 2. Juli 1724 in<br />
Quedlinburg als ältestes von<br />
Handschrift, Klopstock an Gleim mit der Bitte, sich noch am<br />
Abend zu sehen, Gleimhaus Halberstadt<br />
(Hs. A 2078, Klopstock 8, 1751))<br />
Gleim, gemalt von Johann Heinrich Ramberg, 1789,<br />
Gleimhaus Halberstadt<br />
17 Kindern geboren. Nach<br />
Stationen in Friedeburg, wieder<br />
Quedlinburg sowie dem<br />
Besuch der Landesschule in<br />
Pforta begann Klopstock ein<br />
Studium in Jena und Leipzig,<br />
arbeitete als Hauslehrer in<br />
Langensalza. Bereits durch<br />
die ersten Kapitel seines<br />
»Messias« erlangte er Berühmtheit<br />
und wurde nach<br />
Zürich eingeladen, um<br />
schließlich auf Einladung des<br />
Königs nach Dänemark zu<br />
ziehen. Für die Vollendung<br />
seines »Messias« erhielt Klopstock<br />
über viele Jahre eine<br />
königliche Unterstützung. Eine<br />
weitere wichtige Lebensstation<br />
war Hamburg, wo er<br />
am 14. März 1803 starb.<br />
Klopstock war ein Frischluft-<br />
Freund. Er liebte sportliche<br />
Betätigung – Schrittschuh<br />
(=Schlittschuh)-Laufen,<br />
(Nackt-)Baden und Reiten.<br />
Mit seiner Bewegungsfreude<br />
erscheint er uns Heutigen<br />
sehr modern. Man kann<br />
Klopstock als ersten deutschen<br />
Literaturstar bezeichnen.<br />
Als er starb, nahmen<br />
mehrere Tausend Menschen<br />
an der Trauerfeier teil. Klopstock<br />
gilt bis heute als wichtiger<br />
Erneuerer der deutschen<br />
Dichtung im 18. Jh.<br />
Als Meta Klopstock, die Frau<br />
des Dichters bei der Geburt<br />
des ersten Kindes starb, trauerten<br />
viele mit dem Witwer.<br />
Jahre später heiratete Klopstock<br />
die ebenfalls verwitwete<br />
Johanna Elisabeth von<br />
Winthem, eine Nichte seiner<br />
ersten Frau.<br />
Während Goethe mit zahlreichen<br />
Persönlichkeiten seiner<br />
Zeit in zum Teil enger, vieljähriger<br />
Verbindung stand,<br />
so hatte die Verbindung zu<br />
Klopstock keinen langen Bestand.<br />
Es kam zwar zu einigen<br />
persönlichen Begegnungen<br />
und auch Korrespondenz,<br />
jedoch brach Klopstock den<br />
Kontakt ab, da Goethe auf<br />
einen warnenden Brief des<br />
Älteren zu dem zügellosen<br />
Leben am Hof in Weimar<br />
verletzt und knapp reagiert<br />
hatte.<br />
Gleichwohl hat Goethe von<br />
Klopstock wichtige literarische<br />
Impulse erfahren. Das<br />
begann sehr früh: Goethe<br />
und seine Schwester Cornelia<br />
hatten in jungen Jahren<br />
– heimlich, hinter dem Rücken<br />
des strengen Vaters, der<br />
dem reimlosen Versmaß<br />
Klopstocks und dem literarischen<br />
Enthusiasmus seiner<br />
Leser kritisch gegenüberstand<br />
– den »Messias« nicht<br />
nur gelesen, sondern zum<br />
Teil auch auswendig gelernt.<br />
Besonders aber die freien<br />
Rhythmen Klopstocks haben<br />
Goethe tief geprägt. Auch die<br />
Prägung der allgemeinen Literaturentwicklung<br />
durch<br />
Klopstock für seine Zeit sah<br />
Goethe, zumindest im Nachhinein.<br />
»Nun sollte aber die<br />
Zeit kommen, wo das Dichtergenie<br />
sich selbst gewahr<br />
würde, sich seine eignen<br />
Verhältnisse selbst schüfe<br />
und den Grund zu einer unabhängigen<br />
Würde zu legen<br />
verstünde. Alles traf in Klopstock<br />
zusammen, um eine<br />
Schon Goethe bewunderte<br />
bei seiner Harzreise 1805 die<br />
Sammlungen des Dichters<br />
Johann Wilhelm Ludwig Gleim<br />
(1719-1803).<br />
Gleim, ein Genie der Freundschaft,<br />
war mit vielen der<br />
bedeutendsten Schriftsteller<br />
seiner Zeit befreundet und<br />
versammelte sie in Bildnissen<br />
an den Wänden seines Hauses<br />
am Halberstädter Dom. So trug<br />
er die größte Porträtgalerie<br />
großer Geister des 18. Jh. zusammen.<br />
Lessing, Klopstock,<br />
Herder, Jean Paul, Anna Louisa<br />
Karsch, Elisa von der Recke<br />
und viele andere blicken die<br />
Gäste an.<br />
solche Epoche zu begründen,«<br />
heißt es erinnernd im<br />
zweiten Teil von »Dichtung<br />
und Wahrheit« (10. Buch).<br />
Klopstock hat zu seiner Zeit<br />
Neues gewagt. Klopstock ist<br />
immer wieder auch Impulsgeber<br />
für Dichter jüngerer<br />
Zeit geworden, so für Heinz<br />
Czechowski oder Peter<br />
Rühmkorf. Aber bereits im<br />
18. Jahrhundert ließen sich<br />
Schreibende von Klopstock<br />
inspirieren.<br />
Klopstock300<br />
An Klopstock wird im Jahr<br />
2024 aus Anlass seines Geburtstages<br />
vielfältig erinnert<br />
und zur Auseinandersetzung<br />
mit Leben und Werk eingeladen.<br />
Das Gleimhaus in Halberstadt<br />
mit einer umfangreichen<br />
Klopstock-Sammlung<br />
eröffnet am 29. Juni 2024 die<br />
Ausstellung »Klopstock und<br />
die Freundschaft« (bis Ende<br />
September 2024) und beleuchtet<br />
Freundschaften<br />
Klopstocks, aber auch die Bedeutung<br />
von Freundschaft in<br />
seinen Gedichten und Briefen.<br />
Der Klopstock e.V. in<br />
Quedlinburg bereitet gemeinsam<br />
mit der Stadt Quedlinburg<br />
eine Festwoche vor, die<br />
an Klopstocks 300. Geburtstag<br />
am 2. Juli 2024 früh um<br />
kurz nach 5 Uhr beginnt und<br />
bis zum 7. Juli realisiert wird<br />
mit Lesungen, Musik, Begegnungen<br />
im Klopstockhaus<br />
und Überraschendem zu<br />
Klopstock sowie viel Geselligkeit<br />
(www.klopstock-ev.de).<br />
GLEIMHAUS<br />
Museum der deutschen Aufklärung<br />
„Was ist die Welt<br />
ohne Freunde?“<br />
Direkt am Dom<br />
Gleimhaus<br />
Domplatz 31<br />
38820 Halberstadt<br />
ÖFFNUNGSZEITEN<br />
November bis April<br />
Dienstag bis Sonntag 10 - 16 Uhr<br />
und feiertags<br />
Mai bis Oktober<br />
Dienstag bis Sonntag 10 - 17 Uhr<br />
und feiertags<br />
Kinder können in einem speziell<br />
eingerichteten Raum die Zeit<br />
Gleims und Goethes erfahren.