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Freude - SIFAT Heft 3/2023 - Leseprobe

In allen großen Weltreligionen, in den Gedanken der Philosophen seit der Antike und ganz einfach in unserem Alltag kommt der Freude eine besondere Bedeutung zu. Sie versetzt uns in einen positiven Gemütszustand, hebt manche Momente aus der Fülle der Erfahrungen hervor, ist für uns ein Wegweiser auf dem Weg zur Reifung und Selbstverwirklichung. Im Buddhismus ist die Fähigkeit zur reinen Freude (Mudita, als Freude an der Freude des anderen) eine der vier grundlegenden Tugenden, die es auf dem Weg zur Verwirklichung zu erlangen gilt. Wie kann Freude ein Wegweiser für unsere Entfaltung sein? Wie können wir uns überhaupt der Freude öffnen, uns für sie bereithalten, wenn wir gleichzeitig in einer Welt voller Leid, Zerstörung, Naturkatastrophen und Gewalt leben? Diese Frage ließ einst dem Prinzen Siddharta keine Ruhe und sie war Antrieb seiner Suche nach einem Weg zur Transformation von Leid. Einer der Wege der Freude ist die Kultivierung von Dankbarkeit für die Segnungen, die wir bereits erfahren haben – Dankbarkeit, die uns immer wieder in den Gemütszustand versetzen kann, der die Tür öffnet für die Freude an der Wirklichkeit, an unserer Existenz, am Leben selbst. Hazrat Inayat Khan hat – wie Wali van der Zwan zeigt – Freude und Frieden in seinen Gebeten in einem unmittelbaren Zusammenhang gesehen. Freude ist hierbei eine Herzensqualität, die es vermag, uns mit der Tiefe unseres Wesens zu verbinden und damit den Frieden zu erfahren, der unser Wesen ist.

In allen großen Weltreligionen, in den Gedanken der Philosophen seit der Antike und ganz einfach in unserem Alltag kommt der Freude eine besondere Bedeutung zu. Sie versetzt uns in einen positiven Gemütszustand, hebt manche Momente aus der Fülle der Erfahrungen hervor, ist für uns ein Wegweiser auf dem Weg zur Reifung und Selbstverwirklichung. Im Buddhismus ist die Fähigkeit zur reinen Freude (Mudita, als Freude an der Freude des anderen) eine der vier grundlegenden Tugenden, die es auf dem Weg zur Verwirklichung zu erlangen gilt. Wie kann Freude ein Wegweiser für unsere Entfaltung sein? Wie können wir uns überhaupt der Freude öffnen, uns für sie bereithalten, wenn wir gleichzeitig in einer Welt voller Leid, Zerstörung, Naturkatastrophen und Gewalt leben? Diese Frage ließ einst dem Prinzen Siddharta keine Ruhe und sie war Antrieb seiner Suche nach einem Weg zur Transformation von Leid. Einer der Wege der Freude ist die Kultivierung von Dankbarkeit für die Segnungen, die wir bereits erfahren haben – Dankbarkeit, die uns immer wieder in den Gemütszustand versetzen kann, der die Tür öffnet für die Freude an der Wirklichkeit, an unserer Existenz, am Leben selbst. Hazrat Inayat Khan hat – wie Wali van der Zwan zeigt – Freude und Frieden in seinen Gebeten in einem unmittelbaren Zusammenhang gesehen. Freude ist hierbei eine Herzensqualität, die es vermag, uns mit der Tiefe unseres Wesens zu verbinden und damit den Frieden zu erfahren, der unser Wesen ist.

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Hazrat Inayat Khan: Zuerst <strong>Freude</strong> und dann Friede<br />

sen ruht. Kann das Gemüt nicht auch dann Qualen erleiden? Wenn dem so ist,<br />

was nützen dann die Ruhe und das Wohlbefinden des Leibes? Das ganze Wesen<br />

des Menschen muss in Frieden ruhen. Das Gemüt muss Ruhe haben vor Sorgen,<br />

Ängsten und vor der Gier, die uns ehrgeizige Gedanken eingibt, und vor<br />

der Gier, die wir Unrecht oder Sünde nennen.<br />

Erst wenn all dieses Denken und Sorgen aufgegeben ist, kommt das Gemüt<br />

zur Ruhe. Und wenn dann auch das Herz aufgehört hat, Sonderinteressen zu<br />

hegen, und sein Liebeswerk allen in gleichem Maße zukommen lässt, dann<br />

hat auch es Frieden. Wo keinerlei Verlangen mehr ist, da ist Friede, ein Friede,<br />

der zum Seelenfrieden führt. Derart sind die Wünsche, die wir für Friede und<br />

<strong>Freude</strong> hegen. Weiß man nicht, wie diese zwei Wünsche zu zügeln, so geschieht<br />

es, dass bisweilen der Friede des einen Teils unseres Wesens dem anderen die<br />

<strong>Freude</strong> raubt; die <strong>Freude</strong> eines Teils unseres Lebens den anderen Teil unseres<br />

Wesens seines Friedens beraubt. Weiß das der Mensch, so ist er auch imstande,<br />

sich selbst wirklich zu meistern, seine weltlichen Angelegenheiten zu regeln, wie<br />

ihm beliebt – und eine bessere Vorstellung von Recht und Unrecht, von Sünde<br />

und Tugend zu haben.<br />

Diese Erkenntnis wird eher durch die Lebenserfahrung als durch Bücherstudium<br />

erlangt. Wäre uns doch klar, wieviel uns das Ergründen des Lebens sagen<br />

kann! Würde man alle Museen besuchen und alle Bibliotheken durchlesen,<br />

befriedigende Erkenntnis erlangte man dadurch immer noch nicht. Keine Studien,<br />

keine Forschungen können diese Erkenntnis vermitteln, nur das tatsächliche<br />

Durchmachen aller Lebenserfahrungen, das Beobachten der verschiedenen<br />

Lebenslagen in den verschiedenartigsten Phasen und Sphären – nur dies kann<br />

das Ideal des Lebens offenbaren.<br />

Es mag einer von allem wissen, was in der Welt vorgeht, und es jeden Morgen<br />

aus einer Zeitung lesen, aber dabei hat er nur gelernt, womit ihn die Zeitung<br />

gefüttert hat, und das am nächsten Tage oft schon widerrufen wird. Indessen ist<br />

er zufrieden mit dem Gedanken, am Morgen so viel von der Welt erfahren zu<br />

haben. Und abends ist er bereit, bei Tisch die Tagesereignisse zu diskutieren. Am<br />

folgenden Tage gibt es dann wieder etwas Neues. Ist das etwa Wissen?<br />

Wunderbar ist das uns verliehene Auge, wunderbar sind die Gemüts- und<br />

Gedankenkräfte, ein herrlicher Schatz das Licht der Seele! – Und das sollte nur<br />

für solche äußerlichen Dinge vorhanden sein? Wüssten wir um den Wert unseres<br />

Lebens, um den Wert unserer Seele, da würden wir unsere kostbare Zeit<br />

anderem widmen. Wir würden das Leben eingehend beobachten mit einer ruhigen<br />

Aufnahmebereitschaft, und wir würden die Stellungnahme des Gelehrten<br />

mit der Sorgfalt des Wissenschaftlers verbinden.<br />

8 <strong>SIFAT</strong> 3 | <strong>2023</strong> – <strong>Freude</strong>

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