12.12.2023 Aufrufe

recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 3/2023

In der aktuellen recke:in geht es um Tagesstruktur & Arbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. In den Angeboten der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik finden die Leistungsberechtigten Beschäftigung, Arbeit und Struktur, sie kommen in den Austausch und erfahren Wertschätzung für ihr Tun. Es sind die kleinen Erfolge, die oft große Wirkung haben. Darüber sprechen zwei Expertinnen sowie einige Leistungsberechtigte. Außerdem haben wir eine ehemalige Teilnehmerin an den Angeboten besucht, die jetzt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat.

In der aktuellen recke:in geht es um Tagesstruktur & Arbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. In den Angeboten der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik finden die Leistungsberechtigten Beschäftigung, Arbeit und Struktur, sie kommen in den Austausch und erfahren Wertschätzung für ihr Tun. Es sind die kleinen Erfolge, die oft große Wirkung haben. Darüber sprechen zwei Expertinnen sowie einige Leistungsberechtigte. Außerdem haben wir eine ehemalige Teilnehmerin an den Angeboten besucht, die jetzt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat.

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SOZIALPSYCHIATRIE & HEILPÄDAGOGIK<br />

»Ich wollte ausprobieren,<br />

ob ich für den ersten<br />

Arbeitsmarkt tauglich b<strong>in</strong>.«<br />

ANGELA PAARDEKOOPER<br />

und da gehen alle<strong>in</strong> 400 bis 500 Frikadellen<br />

pro Tag über die Theke, die zuvor<br />

geknetet, geformt und zubereitet werden,<br />

erzählt Angela Paardekooper. H<strong>in</strong>zu kommt<br />

regelmäßiger Kundenkontakt. <strong>Das</strong> alles<br />

zusammen sei schon anstrengend, gibt sie<br />

zu. Aber die Bewältigung <strong>der</strong> Aufgaben und<br />

auch die notwendige Schnelligkeit, das klappe<br />

immer besser. Sie strahlt.<br />

Wer verstehen will, was es für Angela<br />

Paardekooper bedeutet, e<strong>in</strong>en regulären<br />

Vollzeitjob zu meistern, muss ihre Geschichte<br />

kennen: Mit 25 Jahren schwer psychisch<br />

erkrankt, verbrachte sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge viel Zeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik, bevor sie 2009 <strong>in</strong>s betreute Wohnen<br />

<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong> wechselte. Von<br />

dort aus hatte sie zunächst e<strong>in</strong>e Ergotherapie<br />

begonnen. »Aber daran hatte ich nicht so<br />

das Interesse, ich musste irgendwas arbeiten.«<br />

Die anschließende Arbeitstherapie war<br />

daher viel mehr ihr D<strong>in</strong>g. So war sie zunächst<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wäscherei beschäftigt und später für<br />

sechs Jahre im heutigen Café Geistesblitz.<br />

WILLE UND ENGAGEMENT<br />

Was damals bereits auffiel, waren ihr Wille<br />

und ihr Engagement, trotz Erkrankung. Sie<br />

habe am Ende sieben Stunden h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong><br />

Theke gestanden, die doppelte Zeit e<strong>in</strong>er normalen<br />

Arbeitstherapie, erzählt Angela Paardekooper.<br />

»Ich wollte ausprobieren, ob ich für<br />

den ersten Arbeitsmarkt tauglich b<strong>in</strong>.« Und<br />

das gelang: 2019 wechselte sie <strong>in</strong> die Großküche<br />

direkt nebenan – und bee<strong>in</strong>druckte die<br />

dortigen Küchenchefs: »Ich habe ihren E<strong>in</strong>satz<br />

bemerkt, das sieht man wirklich selten«,<br />

er<strong>in</strong>nert sich Thomas Samstag, hat er doch<br />

über Jahrzehnte Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Team erlebt und<br />

begleitet.<br />

Und so war es für ihn und se<strong>in</strong>en mittlerweile<br />

<strong>in</strong> den Ruhestand gegangenen Kollegen<br />

Achim Blaha damals gar ke<strong>in</strong>e Frage,<br />

dass sie Angela Paardekooper <strong>in</strong> ihrem größten<br />

Wunsch unterstützen werden: mit Ende<br />

30 e<strong>in</strong>e Ausbildung zur Beiköch<strong>in</strong> zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

»Wir waren uns beide von Anfang an<br />

e<strong>in</strong>ig: Da ist Potenzial, sie wird ihren Weg<br />

gehen«, sagt Thomas Samstag. <strong>Das</strong> kann<br />

Marcel Steffens bestätigen, <strong>der</strong> im Sommer<br />

2022 die Nachfolge von Achim Blaha antrat<br />

und dem aus dem geme<strong>in</strong>samen Jahr e<strong>in</strong>e<br />

Beson<strong>der</strong>heit <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung blieb: »Sie hat<br />

auch die Arbeiten übernommen, die an<strong>der</strong>e<br />

eher scheuen, die Fritteuse sauber machen<br />

zum Beispiel«, me<strong>in</strong>t er schmunzelnd – und<br />

schaut anerkennend zu Angela Paardekooper<br />

h<strong>in</strong>über.<br />

Die Beiköch<strong>in</strong> ist an diesem Nachmittag<br />

zu Besuch an ihrer früheren Wirkungsstätte<br />

und hat für ihre früheren Ausbil<strong>der</strong> ebenfalls<br />

nur lobende Worte übrig: Alle drei hätten<br />

sie bei allem unterstützt, dafür sei sie<br />

»so, so dankbar«, sagt sie. Erst neulich habe<br />

sie wie<strong>der</strong> Flammkuchen mit Feigen und<br />

Apfelspalten gemacht, was sie hier gelernt<br />

hat. »Ich habe aus <strong>der</strong> Zeit ganz viel mitgenommen«,<br />

sagt Angela Paardekooper.<br />

»Nicht nur Rezepte und das handwerkliche<br />

Geschick. Auch, wie man die Arbeit angeht.«<br />

ROTBARSCH UND PFANNKUCHEN<br />

Und so hat die gebürtige Düsseldorfer<strong>in</strong> auf<br />

dem Weg zur »Fachpraktikant<strong>in</strong> Küche«, wie<br />

ihr Berufsbild mittlerweile offiziell heißt, alle<br />

Hürden mit Bravour genommen, gehörte <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Berufsschule regelmäßig zu den Besten.<br />

Ke<strong>in</strong>e Frage, dass sie ihre Prüfung im Juni<br />

ebenfalls bestand, mit den Noten war sie allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht ganz zufrieden. Sie sei beim praktischen<br />

Teil aufgeregt gewesen, normalerweise<br />

»gar nicht ihre Art«, wie Thomas Samstag<br />

anmerkt. Und so gelang <strong>der</strong> Rotbarsch mit<br />

Brokkoli als Hauptgang noch e<strong>in</strong>wandfrei, <strong>der</strong><br />

Pfannkuchen mit Rhabarber-Erdbeer-Kompott<br />

als Nachspeise h<strong>in</strong>gegen war »lecker,<br />

aber lei<strong>der</strong> kalt«, wie sie e<strong>in</strong>räumt. »Dabei<br />

haben wir Pfannkuchen vorher extra noch<br />

geübt.« Sie zuckt die Schultern.<br />

Diese kle<strong>in</strong>e Enttäuschung hat Angela<br />

Paardekooper aber längst abgehakt, ihr<br />

Blick g<strong>in</strong>g schnell wie<strong>der</strong> nach vorn. Zu<br />

Recht, wie Thomas Samstag me<strong>in</strong>t, er sei<br />

»richtig stolz auf sie«. In <strong>der</strong> praktischen<br />

Arbeit sei sie stets ruhig, immer konzentriert<br />

und e<strong>in</strong>e Bereicherung für jede Küche.<br />

Marcel Steffens hat die 42-Jährige vor allem<br />

als ideenreich und kreativ erlebt, dazu<br />

immer zuvorkommend. »Ich b<strong>in</strong> froh, sie<br />

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<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 3/<strong>2023</strong>

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