12.12.2023 Aufrufe

recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 3/2023

In der aktuellen recke:in geht es um Tagesstruktur & Arbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. In den Angeboten der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik finden die Leistungsberechtigten Beschäftigung, Arbeit und Struktur, sie kommen in den Austausch und erfahren Wertschätzung für ihr Tun. Es sind die kleinen Erfolge, die oft große Wirkung haben. Darüber sprechen zwei Expertinnen sowie einige Leistungsberechtigte. Außerdem haben wir eine ehemalige Teilnehmerin an den Angeboten besucht, die jetzt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat.

In der aktuellen recke:in geht es um Tagesstruktur & Arbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. In den Angeboten der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik finden die Leistungsberechtigten Beschäftigung, Arbeit und Struktur, sie kommen in den Austausch und erfahren Wertschätzung für ihr Tun. Es sind die kleinen Erfolge, die oft große Wirkung haben. Darüber sprechen zwei Expertinnen sowie einige Leistungsberechtigte. Außerdem haben wir eine ehemalige Teilnehmerin an den Angeboten besucht, die jetzt auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat.

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GRAF RECKE STIFTUNG<br />

Immer wie<strong>der</strong> werde ich gebeten,<br />

Abschiedsfeiern <strong>in</strong> Wohngruppen<br />

o<strong>der</strong> Wohnhäusern <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

zu gestalten, <strong>in</strong> denen geistig<br />

gehandicapte Menschen leben. E<strong>in</strong>e »klassische«<br />

Trauerfeier würde die Teilnehmenden<br />

aber nicht erreichen. Daher haben wir<br />

e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Ritual <strong>in</strong> »e<strong>in</strong>facher Bildsprache«<br />

entwickelt.<br />

So war ich zum Beispiel Ende Oktober im<br />

Haus Gießerstraße <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Sozialpsychiatrie<br />

& Heilpädagogik. E<strong>in</strong> Bewohner,<br />

<strong>der</strong> 20 Jahre dort gelebt hatte, war lei<strong>der</strong><br />

verstorben.<br />

Zur Trauerfeier versammelten sich<br />

alle Bewohner<strong>in</strong>nen, Bewohner und Mitarbeitenden,<br />

<strong>in</strong>sgesamt rund 30 Personen,<br />

im Geme<strong>in</strong>schaftsraum. E<strong>in</strong> Esstisch war mit<br />

Foto, Blumen, Kreuz und Kerzen zum Altar<br />

umgewandelt worden. Und es stand e<strong>in</strong> Flipchart-Stän<strong>der</strong><br />

mit Wachsmalstiften bereit.<br />

Von Pfarrer Dietmar Redeker<br />

Nach e<strong>in</strong>er Musik, e<strong>in</strong>em Psalm und e<strong>in</strong>em<br />

Gebet habe ich e<strong>in</strong> großes Herz auf das<br />

Papier gezeichnet und gefragt, wofür das<br />

steht. E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Bewohner riefen: »Liebe!«<br />

Ich erwi<strong>der</strong>te: »Genau. <strong>Das</strong> Herz ist e<strong>in</strong><br />

Zeichen dafür, dass Sie ihn lieb gehabt<br />

haben. <strong>Das</strong>s Sie ihn <strong>in</strong> Ihren Herzen bei sich<br />

haben, auch wenn er gestorben ist. Wenn<br />

e<strong>in</strong> Mensch stirbt, dann s<strong>in</strong>d wir traurig.<br />

Wir haben e<strong>in</strong> schweres Herz. Wie kann<br />

unser Herz leichter werden? Unser Herz<br />

kann leichter werden, wenn wir uns daran<br />

er<strong>in</strong>nern, wie schön es war, dass wir ihn<br />

gekannt haben. Dafür können wir danken.<br />

Und das hilft uns. Was fällt Ihnen e<strong>in</strong>, wenn<br />

Sie an ihn denken? An welche schönen<br />

Erlebnisse er<strong>in</strong>nern Sie sich?«<br />

Darauf entwickelte sich e<strong>in</strong> reges<br />

Gespräch. Sowohl Bewohner als auch Mitarbeitende<br />

riefen mir Er<strong>in</strong>nerungen zu und<br />

ich skizzierte die Impulse schnell mit wenigen<br />

Strichen und Farben auf dem großen<br />

Blatt. Dabei achtete ich darauf, dass alle<br />

sehen konnten, wie die Skizzen entstanden.<br />

Manchmal bat ich auch um Hilfe, wie ich<br />

die e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Er<strong>in</strong>nerung denn malen<br />

könne, und bekam rege Tipps. Oft fragte ich<br />

auch nach und bat darum, die Er<strong>in</strong>nerung<br />

genauer zu beschreiben. Nach rund 20<br />

M<strong>in</strong>uten waren auf diese Weise sehr viele<br />

Er<strong>in</strong>nerungsbil<strong>der</strong> – mit e<strong>in</strong>em we<strong>in</strong>enden<br />

und e<strong>in</strong>em lachenden Auge – zusammengetragen<br />

worden. Die Teilnehmenden waren<br />

engagiert dabei und haben sich lebhaft e<strong>in</strong>gebracht.<br />

Als das Blatt voll war, habe ich noch<br />

e<strong>in</strong>mal zu je<strong>der</strong> Skizze e<strong>in</strong> paar Worte<br />

gesagt und dann das Papier vom Stän<strong>der</strong><br />

genommen und auf den Altartisch gelegt.<br />

Dann habe ich alle e<strong>in</strong>geladen, nach vorn zu<br />

kommen und auf den Herzumriss je e<strong>in</strong> Teelicht<br />

zu stellen. Als Zeichen dafür, dass wir<br />

an den Verstorbenen denken, dass er Licht<br />

<strong>in</strong> die Welt gebracht hat und dass er nun im<br />

Licht Gottes gut aufgehoben ist. Alle kamen.<br />

Auch die, die zuvor nichts sagen konnten.<br />

Es dauerte längere Zeit, bis alle Bewohner,<br />

teils mit Rollstuhl, teils gestützt von Mitarbeitenden,<br />

e<strong>in</strong> Licht h<strong>in</strong>gestellt hatten.<br />

Aber es war e<strong>in</strong>e anrührende und konzentrierte<br />

Zeit. Als alle wie<strong>der</strong> Platz genommen<br />

hatten, legten wir e<strong>in</strong>e Schweigem<strong>in</strong>ute e<strong>in</strong>,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> alle das leuchtende Er<strong>in</strong>nerungsherz<br />

ansahen und <strong>in</strong> sich aufnahmen.<br />

Mit Vaterunser, Segen und Musik<br />

endete dann diese Trauerfeier <strong>in</strong> »e<strong>in</strong>facher<br />

Bildsprache« – und g<strong>in</strong>g über <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>sames Abendessen mit den Liebl<strong>in</strong>gsspeisen<br />

des Verstorbenen: Mettbrötchen<br />

und Nudelsalat. Aber vor dem Essen<br />

kamen viele Bewohner und Mitarbeitende<br />

zum Altar, um noch e<strong>in</strong> Foto von dem<br />

Er<strong>in</strong>nerungs-Kerzenherz zu machen. //<br />

Dietmar Redeker,<br />

Pfarrer bei <strong>der</strong><br />

<strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> <strong>Stiftung</strong>.<br />

3/<strong>2023</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 21

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