Lilienthaler - Das Magazin 1-2024
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Annemarie Legenhausen mit Smartphone<br />
Selbst ist die Frau - auch mit 96 Jahren<br />
Abpumpschläuche auf der Wascheleine<br />
hatte sie ihre ersten Gehversuche in den Neunziger<br />
Jahren auch schon mit einem Telefax-Gerät<br />
hinter sich gebracht. Am Computer wollte<br />
sie einige Zeit später auch mit ihren entfernten<br />
Enkeln per Skype den Kontakt nicht abreißen<br />
lassen und die Enkel auch nicht mit ihr.<br />
Und dann brachte Ulf eines Tages einen Laptop<br />
ins Haus und erklärte ihr den Umgang damit.<br />
„Meinen Kindern war es wichtig, dass<br />
Mutter das lernte.“ Bei jedem seiner Besuche<br />
aus Köln, wo er als Psychologe praktizierte,<br />
„hat er mit Mama geübt, z.B. Mails schreiben<br />
und Fotos an Freundinnen verschicken.“ Und<br />
Tochter Petra auch. Ulf hat seine Mutter bis<br />
heute technisch mit neuen Geräten auf dem<br />
Laufenden gehalten. <strong>Das</strong> Gute an dem leichten<br />
Laptop: Sie kann ihn auch in die obere Etage<br />
mitnehmen, an den Schreibtisch oder mit<br />
ins Schlafzimmer.<br />
„Ich bin nicht mehr die Gejagte<br />
meines Telefons.“<br />
Dann kamen die Smartphones auf den Markt,<br />
mit denen man auch so herrlich fotografieren<br />
und die Bilder auch gleich versenden konnte.<br />
Und die alte Dame kam auch an diesem Kommunikationsmittel<br />
nicht vorbei. Seit Jahren<br />
genießt sie diesen Weg, spontan etwas mit<br />
oder ohne Fotos oder Videos zu „posten“, das<br />
bei den Empfängern dann, wenn sie Zeit dafür<br />
haben, geöffnet, gelesen oder einfach nur angeschaut<br />
werde kann. WhatsApp-Gruppen sind<br />
für sie kein Fremdwort und sie navigiert fröhlich<br />
darin herum. Nicht nur mit ihren lieben<br />
Leseclub-Kolleginnen bleibt sie online und<br />
kann spontane Verabredungen planen, die sich<br />
auch ohne Papier noch mal nachlesen lassen,<br />
sondern mit vielen Anderen.<br />
„Ich habe die Tatsache akzeptiert:<br />
Enkel telefonieren nicht mehr.“<br />
Momentan hält sie sich virtuell gerade in<br />
Vietnam auf, von wo aus sie von Enkel Malte<br />
mit ganz vielen Bildern und Videos versorgt<br />
wird. Für diese Familien-Infos hat ihr Sohn extra<br />
bei der WhatsApp-Alternative Signal die<br />
geschützte Chat-Gruppe „Legies“ gegründet.<br />
So muss man Infos, die alle interessieren können<br />
oder an alle gerichtet sind „ein für allemal“<br />
tippen und nicht für jeden Einzelnen.<br />
Auch diese Bequemlichkeiten weiß die Uromi<br />
einer großen Familie bestehend aus drei Kindern<br />
und bisher fünf Enkeln und einer Urenkelin<br />
zu schätzen.<br />
Wieviel Kontakte sie hat und pflegt – und das<br />
ist, seitdem sie schweren Herzens ihr Auto abgegeben<br />
hat, für sie seit einiger Zeit spürbar<br />
wichtiger geworden – möchte ich nun zu gerne<br />
wissen. „150 Chat-Adressen hatte ich noch<br />
bis vor einiger Zeit“ bekennt die Kommunikationsmeisterin<br />
mit einem Anflug von Stolz,<br />
„aber es werden<br />
weniger“ bedauert<br />
sie im<br />
gleichen Atemzug.<br />
Nicht alle<br />
sind mehr so vital<br />
wie sie und<br />
begeben sich<br />
mit ihren Krabbelurenkeln<br />
auf<br />
den Fußboden<br />
und kommen von selbst wieder auf die Beine,<br />
sondern viele sind schon verstorben. So konnte<br />
auch unser kleines Interview nicht vor 10<br />
Uhr stattfinden, weil die nicht nur geistig gelenkige<br />
Seniorin morgens noch ihr heimisches<br />
Sportprogramm absolvieren wollte. „<strong>Das</strong> Lernen“,<br />
so die lebenslang von Migräne geplagte<br />
Seniorin „hat meinem Kopf gutgetan.“<br />
Text & Fotos: Jutta-Irene Dehlwes-Grotefend<br />
<strong>Lilienthaler</strong> · 1 <strong>2024</strong> 19