Februar/März 2024 - coolibri
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Im Gespräch | 21<br />
„ICH BIN EIN FAULER PERFEKTIONIST“<br />
SIMON STÄBLEIN war einer der ersten offen queeren Comedians Deutschlands. Nun folgt<br />
bereits sein drittes großes Soloprogramm. Christopher Filipecki hat ihn interviewt.<br />
Simon, dein neues Programm „Ich<br />
schmeiß mich weg“ startet jetzt. Wie<br />
bist du gerade aufgelegt?<br />
Die Phase kurz vorher ist immer nervenaufreibend,<br />
weil das fertige Programm<br />
in der Form noch nie auf der Bühne gespielt<br />
wurde. Ich frage mich ständig, ob es gut<br />
wird, ob ich genug Material habe, weil man das<br />
irgendwann gar nicht mehr richtig einschätzen<br />
kann. Ich habe leider zwei Charaktereigenschaften,<br />
die nicht gut zusammen passen, ich bin<br />
nämlich ein fauler Perfektionist. Eigentlich will<br />
ich, dass es perfekt ist, scheue mich jedoch<br />
gleichzeitig vor der harten Arbeit.<br />
In welche Richtung geht „Ich schmeiß mich<br />
weg“? Der Titel selbst verrät es noch nicht.<br />
Die Metaebene dahinter ist, dass das letzte Jahr<br />
sehr aufreibend war. Mein Mann und ich sind<br />
umgezogen, wir haben eine Wohnung saniert, es<br />
gab Probleme und Baustellen. Meine berufliche<br />
Zukunft ist auch etwas ins Stocken geraten. Da<br />
gibt es dann Tage für mich, an denen ich mich<br />
gern mit zum Müll legen würde, damit ich abgeholt<br />
werde. Und darum geht’s, also dass ich<br />
mich selbst auf den Müll schmeiße. Gute Comedy<br />
entsteht immer aus den schweren Momenten<br />
im Leben. Ich rede darüber, wie das Ganze die<br />
Beziehung zu meinem Mann verändert hat.<br />
Wenn man das gut verpackt, wird es ziemlich<br />
lustig und dann schmeißen sich andere wiederum<br />
vor Lachen weg.<br />
Werden Alltagsmomente, die passieren, sofort<br />
aufgeschrieben oder speicherst du sie ab und<br />
holst sie später wieder hervor?<br />
Nee, das musst du wirklich sofort aufschreiben.<br />
Das sind manchmal ganz kleine Beobachtungen,<br />
die ich witzig finde, sowas wie „Sprinter fahren<br />
auf der Autobahn immer viel zu schnell“. Das<br />
finde ich dann einfach nur interessant. Beim Zusammensetzen<br />
des Programms habe ich bestimmt<br />
100 solcher Notizen, die zusammen gepuzzelt<br />
werden.<br />
Wie lange dauert dann der gesamte Prozess?<br />
Kannst du das einschätzen? Wie viel verwirfst<br />
du wieder?<br />
Um es an meinem letzten Programm festzumachen,<br />
kann ich sagen, dass es bei der Premiere<br />
mit 90 Minuten losging, am Ende es aber bis zu<br />
140 Minuten waren und 40 Prozent vom Anfang<br />
nicht mehr existierte. Man sagt immer, dass das<br />
Programm bei der Dernière fertig ist, also bei der<br />
letzten Vorstellung. Zwischen den Vorstellungen<br />
läuft mein Leben ja weiter und es passiert ständig<br />
was, was ich gerne frisch erzählen möchte<br />
und was dann auch ins Programm kommt.<br />
Wie schwierig findest du es generell ein Programm<br />
zusammenzubasteln, ohne jemanden<br />
zu nahe zu treten? Machst du dir Gedanken<br />
über Shitstorms, die passieren könnten?<br />
Nicht mehr. Ich schreibe mein Programm aus einer<br />
Haltung heraus, dass ich niemanden bewusst<br />
diskriminieren oder diskreditieren möchte. Deswegen<br />
mache ich mir da eigentlich nichts draus.<br />
Ich werte das alte Programm über Social-Media-<br />
Foto: Guido Schröder<br />
Mit seinem dritten Soloprogramm „Ich schmeiß mich weg!“ ist Simon Stäblein ab <strong>März</strong> auf Tour.<br />
Feedback aus, es gibt aber wirklich bei allem immer<br />
jemanden, der in jeder Äußerung etwas Negatives<br />
erkennt. Wer sich aufregen möchte, findet<br />
auch Gründe. Ich kann Leuten nicht helfen,<br />
wenn sie Pointen und Ironie nicht verstehen.<br />
Dann dürfen die anderen sich zwar gern darüber<br />
aufregen, aber es ist einfach mein Job, Pointen<br />
und Ironie zu präsentieren und manchen auf<br />
den Schlips zu treten. Ich halte mich selbst für<br />
einen guten Menschen und habe gegen niemanden<br />
einen riesigen Groll, das sollte eigentlich als<br />
kritisches Augenmerk meinerseits genügen.<br />
Seit Anfang an hast du queere Themen in deinem<br />
Programm und präsentierst dich als offen<br />
schwuler Mann. Hat dir das auch mal Steine in<br />
den Weg gelegt?<br />
Ablehnung habe ich damit nie erlebt. Ganz am<br />
Anfang war es eher für mich eine Herausforderung<br />
und schon ein Prozess, darüber auf der<br />
Bühne zu sprechen. Deswegen habe ich im ersten<br />
Programm über Homophobie und Outing als<br />
explizite Themen gesprochen. Zuletzt war es<br />
eher beiläufig. Ich erzähle eben keine Geschichten<br />
von mir und meiner Frau, sondern von mir<br />
und meinem Mann. Mehr passiert dazu eigentlich<br />
nicht. Ich mache keinen direkten Themenblock<br />
auf. Manche horchen dann vielleicht kurz<br />
auf, danach geht es aber mit etwas Lustigem direkt<br />
weiter, sodass keine Zeit zum Nachdenken<br />
bleibt. Man merkt aber, dass sich da in den letzten<br />
Jahren viel getan hat. Als ich angefangen habe,<br />
Comedy zu machen, hat man auf Social-Media<br />
kaum Comedians gefunden, die darüber offen<br />
sprechen.<br />
Podcasts hast du auch schon einige gemacht.<br />
Welche Vorteile haben die für dich im Vergleich<br />
zur Soloshow?<br />
Du hast einen Gesprächspartner oder eine -partnerin,<br />
mit denen du dich viel besser hochschaukeln<br />
kannst. Gerade, wenn etwas humoristisch<br />
funktioniert. Das ist dann wie eine Spirale. Es<br />
gibt dadurch auch mehr Kontroversen, wenn es<br />
verschiedene Meinungen gibt. Im Stand-Up gibt<br />
es nur meine und keine richtige Diskussionsgrundlage.<br />
Aktuell plane ich mit einer guten<br />
Freundin einen Podcast für <strong>2024</strong>, das könnte<br />
sehr lustig werden, da ich niemanden kenne, die<br />
einen so kongruenten Humor zu meinem hat.<br />
Diverse NRW-Termine auf simonstaeblein.de,<br />
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