Bock E-Paper 2024 KW10
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Hintergrund<br />
<strong>Bock</strong> | Dienstag, 5. März <strong>2024</strong><br />
Die Schrecken des Krieges<br />
Ein Leben fernab von jeglicher Normalität: Über einen Monat verbrachten Karin<br />
und Werner Jäggi im israelischen Moschav Maale Gamla, um ihrer Familie in dieser<br />
tragischen Zeit beizustehen. Im Interview mit dem «<strong>Bock</strong>» berichtet das Ehepaar<br />
aus Diessenhofen von seinen persönlichen Erfahrungen im Kriegsgebiet.<br />
LEBEN IM KRIEGSGEBIET<br />
MAALE GAMLA UND DIESSENHOFEN<br />
Lara Gansser<br />
Was am nächtlichen Himmel zunächst<br />
wie ein Feuerwerk aussieht, sind tatsächlich<br />
Raketen, die darauf abzielen, Gebäude<br />
und Menschenleben zu zerstören. Diese<br />
Realität ist in Israel trauriger Alltag. Es<br />
gehört ebenso zum Alltag, dass sämtliche<br />
Schulbusse, bevor sie in ein Dorf einfahren,<br />
auf versteckte Terroristen überprüft<br />
werden. Darüber hinaus ist nahezu jedes<br />
israelische Dorf komplett eingezäunt und<br />
bewacht. Die Situation im Land hat sich<br />
seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel<br />
am 7. Oktober weiter verschärft, und<br />
es herrscht offiziell Krieg (siehe Kasten).<br />
Trotz dieser Umstände entschieden sich<br />
Werner und Karin Jäggi aus Diessenhofen<br />
am 12. Dezember 2023 dazu, in den Nahen<br />
Osten zu reisen, um ihre Familie während<br />
fünf Wochen zu unterstützen.<br />
Verbundenheit zum Land<br />
Karin und Werner Jäggi haben einen starken<br />
Bezug zu Israel. Ihr zweitältester Sohn<br />
Joel Ben Nesher lebt mit seiner Frau Esther<br />
und den vier Kindern seit über 15 Jahren<br />
dort. Seit sieben Jahren ist die Familie im<br />
Norden Israels, in Maale Gamla, zuhause.<br />
Das 1000-Einwohner-Dorf ist ein Moschav<br />
(genossenschaftlich organisierte ländliche<br />
Siedlungsform), der im westlichen Teil der<br />
Golanhöhen liegt. Maale Gamla befindet<br />
sich vier Kilometer vom See Genezareth,<br />
Hintergründe deR aktuellen lage<br />
Den Staat Israel gibt es seit 1948. Gegründet wurde Israel in der Region Palästina als<br />
ein Ort, an welchem die Juden nach dem zweiten Weltkrieg in Frieden und Sicherheit<br />
leben sollten (UN-Teilungsplan). Die Resolution beinhaltete die Beendigung des britischen<br />
Mandats und sah vor, Palästina in einen Staat für Juden und einen für Araber<br />
aufzuteilen. Doch Palästina und weitere arabische Länder waren damit nicht einverstanden<br />
und griffen Israel nur wenige Tage nach der Staatsgründung erstmals an.<br />
Israel konnte diesen Krieg jedoch für sich entscheiden. In der Folge flüchteten viele<br />
Palästinenser:innen nach Gaza, ins Westjordanland oder in andere arabische Länder.<br />
Der Konflikt setzte sich fort und löste in den vergangenen 75 Jahren immer wieder<br />
Kriege zwischen Israel und Palästina aus.<br />
Der Gazastreifen ist flächenmässig etwas grösser als der Kanton Schaffhausen – doch es<br />
leben über 2 Millionen Menschen dort. Dies unter prekären Bedingungen, teils ohne<br />
Zugang zu Trinkwasser oder Elektrizität. In Gaza regiert die radikalislamische Gruppe<br />
der Hamas, die sehr gewaltbereit ist und in vielen Ländern als Terrororganisation gilt.<br />
Ziel der Hamas ist die Zerstörung Israels und die Errichtung eines islamischen Staates.<br />
Am 7. Oktober 2023 kam es zu einem der bisher blutigsten Angriffe auf Israel. Vom<br />
Gazastreifen aus drangen Terroristen der Hamas nach Israel ein und töteten bei dem<br />
Massaker mehr als 1000 Menschen, vorwiegend Zivilist:innen. Darüber hinaus wurden<br />
über 5000 Menschen verletzt und mehr als 150 als Geiseln nach Gaza entführt.<br />
In der Folge griff Israel Ziele im Gazastreifen an. Gemäss UNOCHA (Statista) sind<br />
im Gazastreifen (palästinensisches Autonomiegebiet) seit Oktober über 30 000 Menschen<br />
aufgrund des Kriegs ums Leben gekommen und über 70 000 verletzt worden.<br />
Diese Angaben beruhen laut Quelle auf offiziell bestätigten Todes- und Verletztenzahlen<br />
der israelischen Behörden.<br />
(lg.)<br />
liegt jedoch auch sehr nahe an der Grenze<br />
zu Syrien (7 Kilometer) und dem Libanon<br />
(40 Kilometer).<br />
Ein- bis zweimal pro Jahr besuchen Karin<br />
und Werner Jäggi ihre Familie im Nahen<br />
Osten. «Normalerweise gehen wir nicht<br />
im Dezember, sondern von März bis Mai,<br />
wenn alles blüht», so Karin Jäggi. Doch<br />
der Ausnahmezustand in Israel zwang<br />
das Ehepaar dazu, ihrer Familie und dem<br />
Land in dieser tragischen Lage beistehen<br />
zu wollen. «Die Angst vor dem, was passiert<br />
ist und noch passieren wird, ist riesig»,<br />
so die Diessenhoferin mit jüdischen<br />
Wurzeln. «Bei diesem Krieg geht es um<br />
die Existenz von Israel.»<br />
Stetige Militärpräsenz<br />
Dass in Israel seit eh und je Konflikte zwischen<br />
den zusammenlebenden Nationalitäten<br />
herrschen, ist bekannt. Doch seit<br />
vergangenem Oktober haben diese nochmals<br />
andere Dimensionen angenommen,<br />
wie das pensionierte Ehepaar berichtet.<br />
«Wir hörten zu jeder Tages- und Nachtzeit<br />
Flugzeuge, also Militärmaschinen, am<br />
Himmel.» Das Abwehrsystem der Israelis<br />
lässt es zu, dass im Falle eines Raketenangriffs<br />
aus Syrien oder dem Libanon sofort<br />
reagiert werden kann. Die meisten Raketen<br />
werden von bodengestützten Abwehrsystemen<br />
abgefangen.<br />
Neben der stetigen Präsenz von Drohnen<br />
am Himmel sind Explosionen ebenfalls<br />
Alltag in Israel. Diese hört man bis auf<br />
40 Kilometer Entfernung. «Wir waren besorgt»,<br />
so Werner Jäggi. Angst hatte das<br />
Ehepaar aber keine. «Die Chance, im Lotto<br />
zu gewinnen, ist grösser, als von einer<br />
Rakete getroffen zu werden.»<br />
Jedes Haus, jede Schule und jeder Flughafen<br />
besitzt einen Bunker, in welchem<br />
sich die Bevölkerung innert 30 Sekunden<br />
nach Alarm verstecken kann. Während der<br />
fünf Wochen in Maale Gamla hat es keinen<br />
Alarm im Dorf gegeben – die Lage kann<br />
übers Handy stets verfolgt werden. «Direkt<br />
über den Nachbardörfern wurden<br />
Aus Sicherheitsgründen ist nahezu jedes israelische Dorf eingezäunt und bewacht.<br />
Raketen und Drohnen abgeschossen», berichtet<br />
Werner Jäggi weiter. Mehrere Nächte<br />
lang schliefen die Enkel im Bunker, aus<br />
Angst vor einem Einbrecher, der plötzlich<br />
eine Waffe zieht. Ein besonders schlimmer<br />
Aspekt am Leben im Kriegsgebiet sei aus<br />
Sicht von Karin Jäggi das Misstrauen, das<br />
im Land zwischen den Juden und den Arabern<br />
herrsche – «denn die Religion ist äusserlich<br />
nicht sichtbar.»<br />
Eine zusätzliche Sicherheitsvorkehrung<br />
ist, dass im Moschav jeweils zwei Männer<br />
Wachdienst am Eingangstor leisten.<br />
«Sobald es vier sind, weiss man, dass die<br />
Lage kritisch ist», führt Werner Jäggi weiter<br />
aus. Er selbst übernahm einmal eine<br />
Patrouille in der Nacht, die ebenfalls zur<br />
Beruhigung der Bevölkerung dient. «Ich<br />
fuhr in einem Privatwagen der Grenze<br />
entlang – jedoch ohne Waffe, wodurch<br />
ich mich gar nicht wohlfühlte.»<br />
Was immens ist, sind die Kosten für dieses<br />
extrem fortschrittliche und erfolgreiche<br />
Abwehrsystem. «Schätzungsweise<br />
sind es 250 Millionen Dollar pro Tag für<br />
militärischen Aufwand, Erwerbsausfall,<br />
Soldaten und Evakuierungen», weiss<br />
Karin Jäggi von ihrem Sohn. Insgesamt<br />
wurden rund 150 000 Menschen aus<br />
dem israelischen Grenzgebiet zum Libanon<br />
und Syrien sowie dem Gazastreifen<br />
ins Landesinnere evakuiert.<br />
Wanderungen in Minenfeldern<br />
Ursprünglich geplant war, dass Karin und<br />
Werner Jäggi beim Ernten auf den grossen<br />
Mango-, Bananen- oder Kaktusfeldern helfen.<br />
«Den Israelis ist es jedoch am liebsten,<br />
wenn sich Einheimische darum kümmern,<br />
damit sie weder Unterkunft noch Arbeitsbewilligung<br />
oder Versicherung organisieren<br />
müssen», so Karin Jäggi. «Deshalb<br />
unterstützten wir vor allem unsere Schwiegertochter<br />
Esther im Haushalt und mit<br />
den Kindern – brachten diese zum Reiten<br />
oder ins Fussballtraining.»<br />
Die beiden liessen es sich auch nicht nehmen,<br />
die Grenze zum Libanon und Syrien<br />
abzufahren. «Stacheldraht und ein elektrischer<br />
Zaun verhindern, dass man da<br />
irgendwie drüber kommt.» Wie bei ihren<br />
bisherigen jährlichen Besuchen absolvierten<br />
die Jäggis auch Wanderungen durch die<br />
grossen Nationalparks. Stundenland kann<br />
man dort durch die schönsten Gegenden<br />
laufen, «aber links und rechts sind Minenfelder»,<br />
so Werner Jäggi.<br />
500 Fotos hat der Diessenhofer bei seinem<br />
letzten Besuch in Israel aufgenommen.<br />
Und wie bei den Reisen zuvor, liess er sie<br />
alle entwickeln, um sie in ein Fotoalbum<br />
zu kleben. Schönste Wanderungen und<br />
lachende Gesichter bei gemeinsamen Familienfesten<br />
– all das eingebettet in die erschütternde<br />
Realität eines Krieges.<br />
Vom 12. Dezember bis zum 18. Januar unterstützten Karin und Werner Jäggi<br />
(hinten rechts) ihre Familie in Israel.<br />
Elektrische Zäune und Stacheldraht trennen Israel von den Nachbarländern<br />
Syrien und Libanon.<br />
Achtung Minengefahr: Von den Wanderwegen sollte man hier besser nicht<br />
abkommen.<br />
Bilder: zVg. / Werner Jäggi<br />
Die Resultate der nationalen und städtischen Abstimmungen<br />
Ein historisches Ja für die Gewerkschaften: Mit 58,24 % nimmt die Schweizer<br />
Stimmbevölkerung die Initiative für eine 13. AHV-Rente «Für ein<br />
besseres Leben im Alter» an. 1 883 465 Schweizer:innen stimmten dafür.<br />
Im Kanton Schaffhausen standen den 21 183 Ja-Stimmen (56,36 %)<br />
16 400 Nein-Stimmen gegenüber. Die Annahme mit 58,24 % ist in der Geschichte<br />
das neuntbeste Resultat für eine Volksinitiative. Das Ja ist ein historischer<br />
Sieg für die Gewerkschaften. Erstmals seit über 50 Jahren kommt es<br />
damit wieder zu einer klaren Leistungsverbesserung des Sozialwerks AHV.<br />
Die Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)»<br />
wurde hingegen deutlich abgelehnt. 2 392 384 Schweizer:in-<br />
nen (74,72 %) stimmten Nein. Im Kanton Schaffhausen waren 70,01 % dagegen<br />
(25 882 Nein-Stimmen gegenüber 10 996 Ja-Stimmen).<br />
Schaffhausen wies am Sonntag schweizweit erneut eine der höchsten Abstimmungsquoten<br />
auf mit 71,59 % (13. AHV-Rente) beziehungsweise<br />
71,04 % (Renteninitiative). Gesamtschweizerisch betrug die Stimmbeteiligung<br />
58,3 %. Ein Blick auf die Gemeinden zeigt: Während alle 26 Schaffhauser<br />
Gemeinden die Renteninitiative ablehnten, stimmen 15 Gemeinden<br />
für und 11 Gemeinden gegen die 13. AHV-Rente. Neben den Zentren<br />
Schaffhausen und Neuhausen stimmten beispielsweise auch Beringen,<br />
Neunkirch, Stein am Rhein und Ramsen für die Annahme.<br />
Weiter haben die Stimmberechtigten der Stadt Schaffhausen der städtischen<br />
Vorlage zur Erweiterung der Schulanlage Steig mit 75 Prozent (11414 Ja-<br />
Stimmen zu 3846 Nein-Stimmen) deutlich zugestimmt. Die Stimmbeteiligung<br />
betrug 71,1 %. Mit Gesamtkosten von rund 21,7 Millionen Franken<br />
beinhaltet das geplante Projekt ein neues dreigeschossiges Schul- und Sportgebäude<br />
mit Turnhalle, vier weitere Klassenzimmer, Gruppenräume, Fachräume<br />
fürs Werken sowie Räumlichkeiten für die musikalische Grundschule.<br />
Weiter entsteht ein Pavillonbau, der 32 Betreuungsplätze beinhaltet. Es<br />
ist geplant, die alte Turnhalle zu sanieren, um sie künftig multifunktional<br />
als Bewegungsraum und Aula nutzen zu können.<br />
(lg.)