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Ulrike Link-Wieczorek | Wolfgang Weiß | Christian Wetz (Hrsg.): Anthropologische Dimensionen des Dämonenglaubens (Leseprobe)

Dämonenglaube, Besessenheit und Exorzismen erscheinen uns exotisch und fremd. Und doch begegnen sie in nahezu allen Kulturen und zu allen historisch greifbaren Zeiten. Sie scheinen eng verbunden mit dem Menschsein. Es ist daher lohnend, die anthropologischen Dimensionen des Dämonenglaubens zu beleuchten. Die Beiträge des vorliegenden Bandes fragen daher stets nach der Bedeutung von Dämonenglaube und Besessenheit für den Menschen. Der Band bildet zusammen mit dem Themen-Heft »Dämonen« (4/2022) der »Ökumenischen Rundschau« den Ertrag einer Tagung ab, die im Oktober 2021 am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg stattfand. Die Beiträge wurden von Vertretern aller theologischen Disziplinen sowie der Religionswissenschaft und der Anglistik verfasst.

Dämonenglaube, Besessenheit und Exorzismen erscheinen uns exotisch und fremd. Und doch begegnen sie in nahezu allen Kulturen und zu allen historisch greifbaren Zeiten. Sie scheinen eng verbunden mit dem Menschsein. Es ist daher lohnend, die anthropologischen Dimensionen des Dämonenglaubens zu beleuchten. Die Beiträge des vorliegenden Bandes fragen daher stets nach der Bedeutung von Dämonenglaube und Besessenheit für den Menschen. Der Band bildet zusammen mit dem Themen-Heft »Dämonen« (4/2022) der »Ökumenischen Rundschau« den Ertrag einer Tagung ab, die im Oktober 2021 am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg stattfand. Die Beiträge wurden von Vertretern aller theologischen Disziplinen sowie der Religionswissenschaft und der Anglistik verfasst.

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könnte? Oder ist er, meine Herren, vielmehr die volle, unleugbare Realität,<br />

fest in der Tradition verankert, in der Heiligen Schrift offenbart, eine Erscheinung,<br />

die die Kirche seit zweitausend Jahren beschreibt, etwas, was<br />

man berühren kann, was wehtut, was real vorhanden ist?« 3<br />

Doch das Fragen <strong>des</strong> Teufels hilft alles nichts. Er muss einräumen,<br />

dass er in einer Kirche, die im Bann <strong>des</strong> Götzen der Moderne steht und<br />

den peinlichen Vorwurf der Rückständigkeit abzuwehren sucht, nun einmal<br />

geopfert werde. Und so wendet er sich den Ungläubigen zu, bei denen<br />

es wenigstens kein »So-tun-als-ob«, keine Scham und keine Peinlichkeiten<br />

gebe. Mit folgenden Worten spricht er sie direkt an:<br />

»Sie haben den Teufel Ihren wissenschaftlichen Abhandlungen vorbehalten,<br />

haben ihn so gut wie möglich beschrieben, in Ihrer Geschichte,<br />

Ihrer Soziologie, in der Psychologie, der Religionskunde, sowohl in der<br />

Psychoanalyse wie im Roman und dem Hexendrama. Für Sie ist die Angelegenheit<br />

erledigt, stimmt’s? Erledigt und basta, nicht wahr? Nun? Ist sie<br />

wirklich erledigt?« 4<br />

Für Leszek Kołakowski ist die Frage ganz offenkundig nicht erledigt.<br />

Wie im weiteren Verlauf der metaphysischen Pressekonferenz deutlich<br />

wird, verkörpert der Teufel für ihn das abgrundtief Böse, das überall dort<br />

erscheint, wo Zerstörung kein anderes Ziel als sich selbst kennt, wo mithin<br />

Grausamkeit um der Grausamkeit willen vollzogen wird. 5 An der Leugnung<br />

der Figur <strong>des</strong> Teufels macht der Philosoph dementsprechend die in der<br />

Moderne allenthalben verbreitete, allzu naive Leugnung <strong>des</strong> unerklär -<br />

lichen, strukturell gegebenen zerstörerischen Bösen fest, die dem Bösen<br />

nur umso mehr Tür und Tor öffnet. Ganz unabhängig von der schwergewichtigen<br />

Frage nach dem Bösen werfen die Reflexionen <strong>des</strong> Teufels aber<br />

auch die etwas bizarr anmutende Frage auf, ob es so etwas wie Dämonen<br />

und den Teufel, den obersten Dämon, als nichtmenschliche Akteure in irgendeiner<br />

Weise überhaupt geben kann. Man mag diese Frage befremdet<br />

beiseiteschieben. Doch wie der Teufel auf Kołakowskis metaphysischer<br />

Pressekonferenz mit Recht anmerkt, ist es nicht zuletzt die Heilige Schrift<br />

bzw. die biblische Tradition, die eine Auseinandersetzung mit dieser Frage<br />

einfordert. So kann der eindrückliche Auftritt der bösen Dämonen in den<br />

neutestamentlichen Exorzismusberichten schwerlich einfach ignoriert werden,<br />

ist er doch keine zu vernachlässigende Marginalie im Porträt der Per-<br />

3<br />

A. a. O., 62.<br />

4<br />

A. a. O., 65.<br />

5<br />

Vgl. a. a. O., 68.<br />

63

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